Lesestoff: Die neue französische Sicherheitsstrategie
Fürs Archiv und zum Nachlesen: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die neue Sicherheitsstrategie seines Landes vorgelegt, und wenig überraschend finden sich darin viele der bisherigen Ziele, von der nuklearen Abschreckung bis zur strategischen Autonomie Frankreichs und Europas, auch in diesem Dokument. Doch angesichts des russischen Angriffskrieges und der Rolle Chinas sind die Aussagen dazu noch einmal deutlicher abgefasst.
Die Strategie (Revue nationale stratégique 2022), die Macron am (heutigen) Mittwoch in Toulon offiziell vorstellte, benennt eine Vision für die Sicherheit Frankreichs bis 2030 und zehn strategische Ziele:
In 2030, France:
• is capable of defending its metropolitan and overseas territory, and of protecting and involving its citizens. This permanent ambition is based on an independent, credible and coherent nuclear deterrent, the keystone of our defence policy, supported by robust conventional armed forces. Permanent security postures adapted to the threats and involving the internal security forces and a dynamic national resilience strategy also contribute to this;
• contributes to the defence of Europe and to stability in the Mediterranean by having the capability to engage in high-intensity conflict. It can assume the role of a framework nation within a NATO, EU or ad hoc coalition;
• acts in the framework of balanced partnerships, providing security, in an area stretching from sub-Saharan Africa to the Arabian Gulf, via the Horn of Africa. Together with its allies, it offers its partner armies a diversified and orchestrated range of courses and training. From a network of suitable support bases, it retains a capacity for intervention or coalition support;
• contributes through its influence and with its partners to the stability of the Indo-Pacific area. In it, it defends its sovereignty and respect for international law;
• ensures its freedom of action in common spaces (cyber, space, seabed, air and sea) and the security of its supply routes, together with its partners.
To achieve this, France has set itself ten strategic objectives:
• a robust and credible nuclear deterrent;
• a united and resilient France;
• an economy that contributes to the spirit of defence;
• top-ranked cyber resilience;
• France, an exemplary ally in the Euro-Atlantic area;
• France, one of the drivers of European strategic autonomy;
• France, a partner of reliable sovereignty and credible security provider;
• guaranteed autonomy of assessment and decision-making sovereignty;
• a capacity to defend and act in hybrid fields;
• freedom of action and the ability to conduct military operations, including high-intensity
operations, autonomously or in coalition, in all fields.
Auffällig ist dabei das Gewicht, das Resilienz als einem eigenständigen strategischen Faktor generell und vor allem im Cyber-Raum zugemessen wird.
Eine richtige Analyse erfordert genaueres Lesen; wer mag
Die französische Sicherheitsstrategie 2022 im Original
Die französische Sicherheitsstrategie 2022 in der – vorläufigen – offiziellen englischen Übersetzung
(Update: Der Link zur englischen Fassung wurde geändert; jetzt müsste es erstmal wieder gehen)
Und interessant sind natürlich auch mögliche Rückwirkungen/Einflüsse auf die erste deutsche nationale Sicherheitsstrategie, die derzeit unter Federführung des Auswärtigen Amtes erarbeitet wird.
Wieviel Munition müssen die eigentlich kaufen, um auf die 30 Tage zu kommen? Und bis wann wollen sie das tun?
Für Frankreich einen neuen Kampfjet zu entwickeln ist die absolute Priorität. Warum: im Gegenteil von Deutschland mit seinen B61, können wir uns nicht auf amerikanische Flugzeuge verlassen, um unsere Atomwaffen zu tragen, und schon gar nicht auf Drohnen. Außerdem besitzt Frankreich das zweite große Meer Raum der Welt, weshalb ein Flugzeugträger sinnvoll ist. Frankreich wird ein neues Flugzeug finanzieren, ohne oder mit Deutschland. Anders sieht es bei einem neuen Panzer oder einem schweren Hubschrauber aus, Russland ist weit weg, und wenn es Prioritäten setzen müssen, bin ich sicher, dass Frankreich bei diesen Projekten sparen wird.
@ T. Wiegold:
Stimmt, Resilienz spielt aufgrund des neuen Antagonismus zwischen liberalen Demokratien und autoritären Staaten eine große Rolle. Die Zersetzungsversuche von außen mit Verbindung zu inneren Feinden der Demokratie werden zunehmen. Das Menetekel an der Wand ist eine republikanische Regierung in den USA ab 2024. Wir brauchen eine ausgewogene Strategie, die ein Gleichgewicht findet zwischen robuster Abschreckung und kluger wirtschaftlicher Prosperität, die möglichst allen zugute kommt. Insofern muss, wie auch schon im kalten Krieg eine gute Balance gefunden werden. Überrüstung ist strategisch genauso tödlich, wie zuwenig Abschreckung.
Die andere Frage ist, was wir uns von der französischen Strategie abschauen können: Was passiert mit einem freien und geeinten Europa, wenn die USA uns den konventionellen und nuklearen Schutzschirm entziehen, wenn eine repuklikansche US-Regierung sich auf einmal mit Putin gegen Europa verbündet? Müssen wir vielleicht Lehren aus dem ukrainischen Drama der Abgabe seiner Nuklearwaffen an Russland ziehen?
Ich finde Atomwaffen schrecklich aber vielleicht braucht Europa sie irgendwann, um unabhägig und demokratisch zu überleben und nicht zwischen den großen Diktaturen zerrieben zu werden?
Heute noch undenkbar, wo sich eine SPD-Verteidigungsministerin ganz offensichtlich weigert, zumindest eine minimale konventionelle deutsche Abschreckung herzustellen (Bevor einer meckert: Unsere milliardenschwere Hardware ist spätestens nach zwei Tagen wertlos, wenn keine Munition mehr da ist).
Bin jedenfalls gespannt auf die deutsche Sicherheitsstrategie.
Martin Schröder sagt:09.11.2022 um 22:18 Uhr. Wieviel Munition müssen die eigentlich kaufen, um auf die 30 Tage zu kommen? Und bis wann wollen sie das tun?
Deutschland hatte mal Munitionsvorräte für 3 Monate.
@Trevor Faith
Und Material für 1,2 Mio Mann..
@StMarc
Siehe auch Beitrag auf ZEIT Online heute:
Inspekteur des Heeres „Es ist weniger da als vor dem Kriegsbeginn“
On a personal note:
Mir wurde mitgeteilt, daß mir auf meinem (Res) DP (vorwiegend im Innendienst eingesetzt, aber durchaus auch ‚mal draußen) keine Unterziehhemden Langarm Rollkragen zustehen.
[Zeit Online hat eine Agenturmeldung wiedergegeben, die über ein Interview des Inspekteurs in der Süddeutschen Zeitung berichtet… wäre schon sinnvoll, näher an die Originalquelle ranzugehen. Das Unterziehhemd Langarm Rollkragen passt eher in den Haushalts-Thread… T.W.]
@Trevor Faith & StMarc:
zum Thema Munition hatte ich hier https://augengeradeaus.net/2022/11/bundestags-haushaltsausschuss-billigt-verteidigungsetat-und-sondervermoegen-plus-eine-milliarde-euro-fuer-munition/ etwas geschrieben.
Es scheint, als seien die früher vorhandenen Depotkapazitäten im Zuge der Strukturreformen ziemlich reduziert worden (Bewachung von Munitionslagern ist ja auch teuer!) und die verbleibenden Depots bleiben durch de-facto wertlose, weil überlagerte und kaum entsorgbare Altbestände blockiert.
Da hat augenfällig irgendwer im Mysterium über Jahre tief und fest geschlafen. Zu einer alternativen Theorie, nämlich der, dass eine Einsatzfähigkeit der Bundeswehr im großen Stil für die LV/BV vielleicht politisch gar nicht gewollt gewesen sein könnte, mag ich mich beim besten Willen nicht hinreißen lassen.
Die machen ja auch nur das mit den Fähnchen. Was ist denn jetzt mit Raketen/Drohnen Abwehr und, und, und…
Europa hat nichts begriffen. Wir können von Glück sagen, dass die Russen so schlecht aufgestellt sind.
Ein neuer Trump in den USA, und wir stehen da, mit den Hosen unten.
@StMarc
woran erkennen Sie die „ganz offensichtliche Weigerung“ der SPD Ministerin Munition zu beschaffen?
DIe Munitionsbevorratung der Bw wird doch nicht durch die Ministerin einsam entschieden: Da wurden doch Vorlagen und Entscheidungen im BMVg über Jahre und vorbereitet und getroffen, die jetzt der BW und D auf die Füße fallen. (Abbau der Depotorganisation, Vernachlässigung eigener dt. Produktionskapazitäten etc.)
Insbesondere das Heer war auch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine blank.
Übrigens haben Vg- und Haushaltsausschuss die Munitionsbeschaffung um 1,8 Mrd € im EP 14 aufgestockt.
Es liegt jetzt an Industrie und Streitkräftelogistik die notwendigen Voraussetzungen für eine Herstellung und Bevorratung zu schaffen.
@Trevor Faith
Ich hatte nach Frankreich gefragt. Oder hatten die im Januar Vorräte für 30++ Tage?
Erfüllt eigentlich irgendjemand in Europa (außer vielleicht Finnland & Schweden) die NATO-Vorgaben?
@TomCat „Was ist denn jetzt mit Raketen/Drohnen Abwehr und, und, und…“ https://www.israelnationalnews.com/flashes/590776 „Ein in dem Bericht zitierter hochrangiger Beamter sagte, die Amerikaner hätten grünes Licht für einen milliardenschweren Deal gegeben.“ Laut Medien wird ein Teil des Auftrags in den USA und Deutschland ausgeführt, aber angesichts der engen Fristen (Deutschland will Systeme bereits 2025 einsetzen) wird der größte Teil der Produktion der ersten Charge in Israel durchgeführt . Mehr:- https://www.jpost.com/israel-news/article-721921 Regards…
Der angebotene link zur englischen Fassung funktioniert nicht. Ich kann nur unter dem folgenden zugreifen:
http://www.sgdsn.gouv.fr/uploads/2022/11/national-strategic-review-intermediate-version-1.pdf
@Martin Schröder
Das weiß ich leider auch nicht, aber zumindest in Libyen waren GBR und FRA zusammen nicht durchhaltefähig.
Der Link zur englischen Übersetzung der neuen Strategie ist leider nicht mehr aktiv. Lieber Herr Wiegold, können Sie bitte das Dokument noch einmal verlinken?
Besten Dank!
[Erledigt. T.W.]