Merkposten Mali: Neues Warnsystem in Gao (genausowenig Abwehr wie das bisherige)
Die Bundeswehr hat in Gao im Norden Malis ein neues Alarmsystem installiert, dass die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz bei der UN-Mission MINUSMA vor anfliegenden Granaten und Raketen warnen soll – die aber genausowenig abschießen kann wie das bisher eingesetzte System. Und alle Entscheidungen über Investitionen in diesen Einsatz stehen unter dem Vorbehalt, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr über die Fortsetzung des Einsatzes entscheiden will.
Das neue Warn- und Alarmierungssystem indirektes Feuer (WASI) registriert den Abschuss von Raketen, Mörsern und Artilleriegranaten. Damit könnten, so berichtete das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am (heutigen) Donnerstag auf seiner Webseite, die Soldat*innen im deutschen Camp Castor und in den benachbarten Camps der MINUSMA rechtzeitig alarmiert werden und Schutzräume aufsuchen.
Für das Einsatzkontingent bleibt in Sachen Alarmierung und Schutz alles beim Alten, erläutert das Einsatzführungskommando, und in der Tat: Schon bisher konnten die UN-Truppen in Gao zwar rechtzeitig vor Beschuss gewarnt werden. Doch eine Gegenwehr war nicht vorgesehen: Das Flugabwehrsystem MANTIS der Bundeswehr ist zwar seit Jahren in Gao stationiert. Allerdings nur der Teil, der anfliegende Geschosse erkennt und den Alarm auslöst.
Die dazu gehörenden 35mm-Kanonen wurden nicht in den Einsatz nach Mali verlegt – die mehr oder weniger offene Erklärung: Alarmieren kann das System alle in Gao stationierten Truppen, doch für den Schutz der diversen Camps würden die Kapazitäten nicht ausreichen.
Inzwischen, so die Begründung der Bundeswehr für den Abzug der MANTIS-Warneinheit und der Ersatz durch WASI, werde das Flugabwehrsystem in anderen Einsatzgebieten gebraucht. Das neue Alarmierungssystem sei deshalb als Sofortbeschaffung für den MINUSMA-Einsatz gekauft und installiert worden.
WASI hat auch noch einen anderen Vorteil: Das neue Alarmierungssystem ist aufgrund der wenigen Bauteile schnell verlegbar und kann sogar per Lastwagen zu anderen Einsatzorten gebracht werden. Eine solche Verlegbarkeit scheint inzwischen angebracht, denn die Zukunft des deutschen Engagements in dieser UN-Mission ist unklar.
Bei der Bundeswehrtagung im September sicherte Bundeskanzler Olaf Scholz zu, dass über die weitere Beteiligung der Bundeswehr an MINUSMA noch in diesem Jahr entschieden werden solle. Denn die Arbeit der UN-Mission wird zunehmend durch Schikanen der malischen Übergangsregierung erschwert, die in diesem Jahr nicht nur die französische Anti-Terror-Mission Barkhane faktisch aus dem Land hinauswarf, sondern sich auch immer stärker nach Russland orientiert und sowohl russische Waffensysteme als auch russische Kämpfer ins Land holt – darunter auch Söldner der Firma Wagner.
Vor allem das Verteidigungsministerium in Berlin dringt deshalb auf einen Abzug, zumal der im jüngsten Bundestagmandat für diesen Einsatz bereits als Möglichkeit angelegt ist. Das Auswärtige Amt sieht dagegen die Gefahr, dass bei einem Abzug der gut 1.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten die ganze UN-Mission auf der Kippe stehen könnte – zumal die Bundeswehr nicht nur am Boden und mit ihren Drohnen Aufklärung für MINUSMA liefert. Auch der Betrieb des Feldlagers in Gao und die Sicherung, zum Beispiel mit WASI, sind ein wichtiger deutscher Beitrag zur Blauhelmmission insgesamt.
Für die Bundeswehr ist eine baldige Entscheidung noch aus einem anderen Grund wichtig. Im kommenden Jahr, so die Planung für eine Fortsetzung des Einsatzes, sollen erstmals die neuen deutschen, in Israel geleasten Heron TP-Drohnen über Mali Aufklärungsdaten liefern. Für die neuen Drohnen ist allerdings auch eine neue Halle nötig, und die müsste erst gebaut werden.
Damit hat die Bundeswehr schon mal – nicht so gute – Erfahrungen gesammelt. Als die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Februar vergangenen Jahres die deutschen Truppen in Masar-i Scharif im Norden Afghanistans besuchte, besichtigte sie auch den Rohbau der neuen Halle für eine Unterbringung und Wartung der Heron TP. Vollendet, gar gebraucht wurde diese Halle nie.
(Foto oben: WASI Alarmierungssystem der Bundeswehr in Gao/Mali – Julia Dahlmann/Bundeswehr; Foto unten: Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer wird im Camp Marmal in Nord-Afghanistan über den Sachstand beim Bau des neuen Hangars für die Drohne vom Typ Heron TP informiert – Sabine Oelbeck/Bundeswehr)
Dem Text des Hausherren folgend überlegt man welche anderen Einsatzgebiete die Bundeswehr da so im Auge hat . Und wenn alle Bauteile von MANTIS wieder vereint sind könnte man doch auch Ukrainer daran ausbilden, als eine von vielen Möglichkeiten. Dann sollte die Lasertechnik aber nicht vernachlässigt werden.
Beim System handelt es sich um das Thales Ground Alerter 10.
Eckdaten der Thales-Presseerklärung vom 22 Apr. 2021:
Fünf RAM-Alarmsystemen vom Typ Ground Alerter 10 (GA10) wurden beauftragt.“ Der Vertrag beinhaltet neben Training und Dokumentation auch einen Ersatzteil-Erstbedarf sowie eine Option zur Lieferung von weiteren Systemen. Der erste GA 10 wird noch in diesem Jahr übergeben, weitere folgen bis Oktober 2024.“
Link:
https://www.thalesgroup.com/de/deutschland/press_release/thales-liefert-ram-alarmsysteme-vom-typ-ground-alerter-10-fuer-den
[Danke für die Ergänzung. T.W.]
„…dass die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz bei der UN-Mission MINUSMA vor anfliegenden Granaten und Raketen warnen soll – die aber genausowenig abschießen kann…“
Das wäre für die Industrie eine Gelegenheit ihre vollmundige Ankündigung, was die Abwehr von anfliegenden Geschossen mittels Laserstrahlen anbetrifft, in die Realität umzusetzen. Allerdings fürchte ich, dass die Mission zu Ende sein wird, lange bevor die Industrie da in die Puschen kommt.
Was hochfliegt kommt auch runter. Natürlich wäre es für unsere Soldaten gut, wenn sie aktiv gegen Mörser- und Raketenbeschuss geschützt wären. Aber es wäre schon richtig blöd, wenn durch den Versuch der Abwehr solcher Geschosse mehr Schaden am Boden angerichtet wird als durch das anfliegenden Geschosse selbst. Mantis ist bestimmt ein tolles System aber ich möchte trotzdem nicht, dass es in besiedeltem Gebiet zum Einsatz kommt.
Super!
Das Ding sieht nicht nur aus, wie eine Radarfalle – sie hat auch den gleichen Zweck….
(SCNR)
Die europäischen und UN Truppen konnten seit 2014 trotz all diesen fortgeschritten Waffensystemen keine Verbesserung der Lage erzielen! Ganz im Gegenteil, die Lage hat sich viel verschlechtert! Und doch stellt man die Absicht der Malier, sich an andere Partner zu wenden in Frage. Wie heuschlerisch! Man fragt sich das diese fremden Truppen tatsächlich in der Sahelregion treiben, denn den Terrorismus wirklich zu bekämpfen scheint wohl nicht das tatsächlich Ziel!
@bow
was man da im Bild im Vordergrund sieht ist nur ein „Alarmierungsmodul“ (Sirene + Warnlicht), der eigentliche Sensor (UHF-Radar) ist abgeschnitten auf dem Mast im Hintergrund
@David Smith
„Man fragt sich das diese fremden Truppen tatsächlich in der Sahelregion treiben….“
Welche „fremden Truppen“ meinen Sie? MINUSMA, EUTM, Barkhane, Wagner, etc?
An „fremden Truppen“ sind nur noch die MINUSMA und die Wagner Söldner übrig.
Die UN-Mission MINUSMA wurde auf Bitten der Regierung des Staates Mali gestartet. Die Formulierung des Auftrags geschah unter Mitarbeit und mit Billigung der einladenden Regierung. MINUSMA erfüllte also anfänglich jenen Auftrag der mit der Mission verbunden war. Ich empehle Ihnen also einen Blick in die Missionsberichte der UN seit 2014.
https://minusma.unmissions.org/en/reports
„Anfänglich“, weil jene Regierung, die die „fremden Truppen“ ins Land geholt hatte, zwischenzeitlich durch einen Straatsstreich weggeputscht und durch eine Militärjunta ersetzt wurde.
Aufgrund von Einschränkungen und Behinderungen durch die aktuelle Regierung kann MINUSMA nur noch „in der Sahelregion treiben“, was die Regierung von Mali zulässt. Sollten Ihnen die UN Berichte nicht weiterhelfen, sollten Sie ihre Frage am besten direkt und in französisch an die Regierung von Mali richten.
Hinsichtlich dessen, was die Wagner Söldner „in der Sahelregion treiben“ könnte sie eine Anfrage an den Kreml weiterbringen.
Ich verstehe die Welt nicht mehr!
Warum verpulvert man tonnenweise Geld im Wüstensand, für ein Land das sich klar gegen die westliche Welt darstellt, russische Söldner nahezu frei agieren lässt und pünktlich zum Kontingentwechsel uns wieder am Ring durch die Manege zieht?
Ursächlich für die Entscheidung, nur den MANTIS-Anteil „sense and warn“ nach Gao, MLI zu verlegen ist meiner Kenntnis nach nicht nur die technische Komplexität, bzw. die Tatsache, dass der Effektor des Systems nicht in der Lage wäre, alle relevanten Liegenschaften inklusive der UN-Camps zu schützen. Ein weiterer Grund war, dass anfliegende Raketen oder Mörser mit hoher Wahrscheinlichkeit über bewohnten Gebiet in Gao zerstört würden und damit eine Gefährdung von Zivilisten durch Debris nicht ausgeschlossen werden konnte.
Zu FRA in MALI und dem Abzug eine kurze Reportage auf ARTE:
https://www.youtube.com/watch?v=5pJxEKFvCOQ (in HD verfügbar)