Dokumentation: Bundeskanzler Scholz auf der Bundeswehrtagung
Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf der Bundeswehrtagung am (heutigen) Freitag in Berlin dauerhafte Verteidigungsausgaben in Höhe des NATO-Ziels zugesagt. Zugleich betonte der Regierungschef, die Zeitenwende durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedeute nicht nur ein höheres finanzielles Engagement. Konkrete Aussagen zu weiteren Waffenlieferungen machte Scholz nicht. Zur Dokumentation:
• Der Redetext (in der vorab veröffentlichten Fassung, an die sich der Kanzler aber weitgehend gehalten hat):
Bundeskanzler_Scholz_Bundeswehrtagung_16sep2022
Eine wesentliche Aussage:
Bitte denken Sie nicht, dass das jetzt mit dem Sondervermögen nur eine Ausnahme ist und danach alles wieder so wird, wie zuvor.
In den vergangenen knapp sieben Monaten seit Russlands Angriff auf die Ukraine ist bereits mehr geschehen, als in den Jahren zuvor.
Das Sondervermögen ist Realität. Auch meine Aussage, dass wir den Verteidigungshaushalt kontinuierlich auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts heben, gilt! Damit können Sie planen.
Die Rede zum Nachhören:
@ORR sagt: 18.09.2022 um 8:51 Uhr
„Ich finde es ja gut, wenn Sie ganz offenbar bewerten, dass die LV/BV Fähigkeiten -mit Ausnahme der Marine- „…noch nicht mal ansatzweise…“ gefährdet sind. Da empfehle ich doch, dass Sie den Insp Heer beraten, denn er sieht dies ganz offensichtlich so, s. Zitat oben.“
Ich denke Sie sollten sich genauer ansehen in welchem Zusammenhang der InspH geäußert hat, dass wir „blank“ sind. Es ging hier um LV/BV und das Gefecht der verbundenen Waffen (wie es früher mal hieß) auf der Ebene Brigade und höher.
Aber Mali ist etwas ganz anderes. Das können wir immer noch „nebenbei“.
„Übrigens für die Ansicht „… DEU Interessen mit militärischen Mitteln zu unterstützen…“ sah sich der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler so massivem „Gegenwind“ aus der linken und grünen Ecke der Politik ausgesetzt, dass er im Juni 2010 zurücktrat.“
Ja, glücklicherweise hat sich selbst für den deutschen Michel die Welt weiterentwickelt und gerade die Regierungsvertreter der Grünen zeigen diesen Zeitenwandel in letzter Zeit sehr deutlich. Die Sprache ist sicherlich noch nicht dort wo sie in anderen Ländern „normal“ wäre, aber die Handlungen werden zunehmens „normaler“…
„Letzter Punkt: Ihre Bewertung zu der Sinnhaftigkeit der beiden Einsätze in Mali bzw. Ihre Bewertung zu den deutschen Interessen in Mali. Ihre Überzeugung entstammt sicherlich aus mehreren hundert, wenn nicht sogar tausend Einsatztagen in Mali, da bin ich raus. SCNR!“
Ich darf für mich in Anspruch hinsichtlich der sicherheitspolitischen und militärpolitischen Sinnhaftigkeit der beiden Mali Einsätze durchaus eine gewisse Expertise zu besitzen, die nicht nur vom Zeitunglesen kommt…
@Koffer:
Ich als linker Grüner finde die Aussage vom damaligen Bundespräsident so wie hier zitiert auch unerträglich.
Wenn er mit deutsche Interessen allerdings Menschenrechte etc. Gemeint hätte, wäre der Satz für mich absolut ok.
So hört es sich an, als wäre es auch für alle möglichen deutschen Interessen möglich, vor allem wirtschaftliche.
Der Unterschied ist extrem oder?
(Zumal uns für wirtschaftsinteressen Menschenrechte oft gar nicht interessieren)
@Dominik sagt: 19.09.2022 um 21:09 Uhr
„Wenn er mit deutsche Interessen allerdings Menschenrechte etc. Gemeint hätte, wäre der Satz für mich absolut ok.
So hört es sich an, als wäre es auch für alle möglichen deutschen Interessen möglich, vor allem wirtschaftliche.“
Für mich ist es ziemlich egal welche Interessen es geht. Sofern es (legitime) DEU Interessen sind, gehören militärische Mittel mit in den Werkzeugkasten der politischen Führen.
Beispiel Handelsrouten: Die Marine (auch) dazu einzusetzen die Freiheit der Meere zu bewahren und (auch DEU) Schiffe vor Piraten zu beschützen sind DEU Interessen.
Ich könnte auch wesentlich kontroversere Beispiele anführen (Rohstoffe/Absatzmärkte), aber das würde glaube ich vom Kern ablenken. Und nur um das Klarzustellen ich für meinen Teil sehe auch in bestimmten Konstellationen der Schutz von Menschenrechten als legitimer Teil DEU Interessen, aber ich erkenne an, dass andere das anders sehen mögen.
Aber wir sollten uns nicht im klein-klein verlieren! Was DEU Interessen sind entscheidet die demokratische gewählte BReg und sofern es um den Einsatz von SK außerhalb des DEU Hoheitsgebiets geht mit Billigung des Bundestages.
Sie und ich mögen unterschiedliche Bewertung haben was diese Interessen sind und Sie und ich mögen deswegen auch unterschiedliche wählen, aber die Tatsache bleibt, dass verfassungsrechtlich sehr klar ist wer über den Einsatz der Bw entscheidet. Und nirgends im GG steht, dass es nur für LV/BV erfolgen darf.
@Koffer 19.09.2022 um 20:11 Uhr
Soso, in einer LV/BV Situation (insbesondere LV) gehen wir also nicht mit „all in“. Wir können es uns immer noch leisten, „nebenbei“ Einsätze wie in Mali durchzuführen. Das liegt bestimmt daran, dass wir von den dort eingesetzten Infanterie-, Aufklärungs- und Heeresfliegerkräften so viele haben, dass wir diese im LV-Szenario gar nicht benötigen. Interessante Theorie.
Wenn ich Ihre Ausführungen lese, empfehle ich sich mal mit den „Herausforderungen“ des DEU mil. Personals vor Ort uns an der Basis intensiv zu beschäftigen.
@ORR sagt: 19.09.2022 um 22:31 Uhr
„Soso, in einer LV/BV Situation (insbesondere LV) gehen wir also nicht mit „all in“. Wir können es uns immer noch leisten, „nebenbei“ Einsätze wie in Mali durchzuführen.“
Wir haben weder eine LV noch eine BV Situation. Von daher: Jepp, definitiv. Wenn wir als Bw mit unseren über 180k Soldaten nicht in der Lage wären die aktuellen Einsätze (zumindest was Heer und Lw betrifft) zu meistern und uns gleichzeitig auf zukünftige LV/BV Einsätze vorzubereiten, dann würde ich mir ernsthafte Gedanken machen.
Da der Personalartikel schon geschlossen ist:
„Gleichzeitig scheint der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zur Folge zu haben, dass sich mehr Deutsche freiwillig für die Truppe melden – im Gegenteil: Die Bewerberzahlen für den militärischen Dienst in der Bundeswehr seien seit Anfang 2022 rückläufig, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).“
https://www.tagesschau.de/inland/lambrecht-rueckkehr-wehrpflicht-101.html
Das zum Thema Personal.
Denn Material muss auch bedient werden, da kann man noch so viele Milliarden in den Etat schütten.
Mit den 2,0 % vom BIP sehe ich einfach nicht. Zumindest nicht über einen längeren Zeitraum von sagen wir mindestens 5-10 Jahren (also konstant die 2,0 % und nicht nur ein Jahr mal).
Selbst wenn unsere Wirtschaft in den nächsten 10 Jahren nur wenig wächst, wären das dann schlappe 72 Milliarden Euro aktuell (3,6 Billionen Euro BIP 2021) und dann über 5 Jahren, wenn das BIP-Wachstum klein bleibt (1,0 % – unwahrscheinlich über mehrere Jahre), knappe 75,7 Milliarden Euro.
Selbst bei 5 % Inflation im Durschnitt (bei nur 1,0 % Wachstum) über die nächsten 5 Jahre wären das dann noch kaufkraftbereinigt knappe 60 Milliarden Euro.
Aktuell 47 Milliarden Euro, damit also ein echtes Wachstum (kaufkraftbereinigt) von 5 % jedes Jahr – völlig illusorisch.
Wir reden hier von der Rüstungsindustrie und nicht Tesla und von einer Behörde und keinem kleinen privatwirtschaftlich geführtem Unternehmen.
Meine Theorie:
Da geht einiges nur über den Sold (Zulagen oder andere Eingliederungssummen nach Dienstende), damit hat man auch das Personalproblem gelöst, ein aufgeblähter ziviler Bereich (Wehrverwaltung – Rasenmäherfirmen, Putzdienste) und Taschenspielertricks (Mieten Kasernen usw.) und wer weiß schon welche „Resorts“ oder Behörden auf einmal dem Verteidigungsministerium untergestellt werden in der Zukunft.
[Hm, bei allen Einträgen werden die Kommentare nach 14 Tagen geschlossen, schlicht aus Spamschutzgründen. Verstehe den Wunsch, das hier reinzutun, bitte aber zugleich darum, das jetzt hier nicht für die Personaldebatte zu nutzen. Mit der nächsten Übersicht über die Personalstärke gibt’s einen neuen Eintrag… T.W.]
@Koffer 19.09.2022 um 23:22 Uhr:
Eben darum die Empfehlung, mal die Herausforderungen an der Badis zu betrachten. Dann wüssten Sie welche Kunstgriffe und Preisschilder an den Leistungen hängen.
Ihre Meinung steht Ihnen zu, das ist wichtig und richtig, allerdings hoffe ich -für die Truppe- dass nicht allzu viele Entscheidungsträger Ihre Meinung teilen.
@ORR sagt: 20.09.2022 um 22:07 Uhr
„Eben darum die Empfehlung, mal die Herausforderungen an der Badis zu betrachten. Dann wüssten Sie welche Kunstgriffe und Preisschilder an den Leistungen hängen.“
Möglicherweise liegt der fundamentale Unterschied in der Betrachtung zwischen Ihnen und mir, dass ich die Bundeswehr als „aktives“ Mittel der Politik auch und in Friedenszeiten gerade jenseits von LV/BV betrachte.
Natürlich bringt es den Jahres-Ausbilungs-/Übungsplan durcheinander wenn Teile eines Btl im Einsatz sind. Natürlich belastet es den strukturierten Personalaufbau. Natürlich nutzt es Material ab, welches dann nicht mehr (oder nicht sofort oder nicht mehr in gleicher Qualität) für LV/BV zur Verfügung steht. Natürlich verursacht es Trennung von der Familie (und erhöht die Scheidungsrate etc.). etc. etc. etc.
Aber das sind nach meinem Verständnis „normale“ (wenn auch „unschöne“) Preisschilder einer aktiven Außenpolitik. Die einzige Frage, die sich mir stellt: sind die Preisschilder so hoch, dass damit unsere Fähigkeit zur LV/BV signifikant und/oder dauerhaft eingeschränkt wäre.
Und meine Antwort ist: für Lw und Heer nach dem Ende von AFG noch nicht mal ansatzweise. Unsere Auslandseinsätze sind derzeit in Umfang und Qualität so gering, dass es unsere Fähigkeit zum Kampf der verbundenen Waffen (wie es früher einmal hieß) auf Brigadeebene und darüber nicht einschränkt.
Wir haben andere Probleme, warum wir derzeit dazu nur sehr eingschränkt in der Lage sind, aber die beiden Einsätze in MLI gehören sicherlich nicht dazu.
@Koffer, 21.09.22 um 21:46 Uhr
Da Sie „die Bundeswehr als „aktives“ Mittel der Politik auch und in Friedenszeiten gerade jenseits von LV/BV“ betrachten und individuelle Herausforderungen bzw. Einschränkungen als „unschön“, aber hinnehmbar bewerten, sind Sie höchstwahrscheinlich stets der erste Freiwillige für solche Einsätze, denn geführt wird stets von vorn und durch Vorbild.
Wasser predigen und Wein saufen hatten wir in der Geschichte schon genug, hat sich nicht bewährt.
@Koffer erklärt dass die materielle und personelle Belastung durch Mali die LV/BV nicht beeinträchtigt. Dafür wird er beleidigt. Ändert nichts daran, dass er inhaltlich recht hat. Einfach mal die eingesetzte Kampfkraft BW innerhalb MINUSMA benennen und in Kontext setzen. Wir haben in Mali keinen Leo, keine PzH 2000 und keinen Mars, nur IFW in verschiedenen zweckmäßigen Ausführungen und angehängte Logistik.
Mal kurz zu Mali… die Junta wird erfahren, dass sie mit dem Kreml auf das falsche Pferd gesetzt hat. Da sein bedeutet dann, dass man die Möglichkeit hat dabei zu unterstützen, dass Mali sich wieder dem Friedensabkommen zuwendet. Bis dahin stellt sich die Frage, in wie viele Scherben das Land noch zerbricht.
Ja es ist eine Wette auf die Zukunft und ja die Argumente gegen eine Beteiligung MINUSMA scheinen immer schwerer zu wiegen. Ich tendiere sichtbar Niger in Anlehnung an das französische Vorbild.
@ORR sagt: 21.09.2022 um 23:03 Uhr
„sind Sie höchstwahrscheinlich stets der erste Freiwillige für solche Einsätze, denn geführt wird stets von vorn und durch Vorbild.
Wasser predigen und Wein saufen hatten wir in der Geschichte schon genug, hat sich nicht bewährt.“
Argumentum ad hominem, nice, hatte wir schon eine Weile nicht mehr.
@AoR sagt: 22.09.2022 um 15:37 Uhr
„Einfach mal die eingesetzte Kampfkraft BW innerhalb MINUSMA benennen und in Kontext setzen. Wir haben in Mali keinen Leo, keine PzH 2000 und keinen Mars, nur IFW in verschiedenen zweckmäßigen Ausführungen und angehängte Logistik.“
+1
„Mal kurz zu Mali… die Junta wird erfahren, dass sie mit dem Kreml auf das falsche Pferd gesetzt hat. Da sein bedeutet dann, dass man die Möglichkeit hat dabei zu unterstützen, dass Mali sich wieder dem Friedensabkommen zuwendet. Bis dahin stellt sich die Frage, in wie viele Scherben das Land noch zerbricht.“
Ich stimme zu, ich verstehe warum sich die Junta RUS zugewandt hat, weder MINUSMA noch FRA (+Unterstützer) haben in den letzten Jahren eine besonders gute Rolle gespielt im Bereitstellen dessen was MLI tatsächlich (oder zumindest nach eigener Wahrnehmung vermeintlich) benötigt. Mittelfristig wird sich dieser Schritt, aber mEn in der Tat für MLI nicht auszahlen…
„Ja es ist eine Wette auf die Zukunft und ja die Argumente gegen eine Beteiligung MINUSMA scheinen immer schwerer zu wiegen. Ich tendiere sichtbar Niger in Anlehnung an das französische Vorbild.“
Ja, die Argumente dafür werden stärker und stärker. Das Problem ist hier natürlich die Scharnier-/Brückenfunktion zwischen den südlicheren Staaten und dem Maghreb. MLI zu vernachlässigen könnte hier ein echtes Problem darstellen. Andererseits gehen der Internationalen Gemeinschaft langsam die Handlungsoptionen für MLI aus :(
PS
Aber ich glaube wir haben damit die Grenze zum OT für diesen Faden überschritten ;)
@T.W. Sorry for that