Nicht mehr Schlange stehen vor dem Dock: Die Bundesregierung kauft der Marine eine Werft

Die Deutsche Marine bekommt eine eigene Werft für Instandsetzungsarbeiten in der Ostsee: Die Bundesrepublik Deutschland erwarb von den insolventen MV Werften deren Werft in Rostock. Als künftige Außenstelle des Marinearsenals stehen damit für die Bundeswehr vor allem eigene Dock-Kapazitäten zur Verfügung.

Die kleinste Teilstreitkraft der Bundeswehr hat zwar weit weniger Schiffe und Boote als früher – leidet aber seit Jahren unter einem Mangel an schnellen Möglichkeiten für Reparaturen und Überholung ihrer schwimmenden Einheiten. Exemplarisch dafür stehen die Erfahrungen mit der Fregatte Brandenburg, die 2019 zum Schlangestehen vor der Werft verdammt war: Im Marinearsenal in Wilhelmshaven gab es kurzfristig ebenso wenig freie Kapazitäten wie in den zivilen deutschen Werften.

Das Problem, das mitunter zum völligen Ausfall eines Schiffs für einen scharfen Einsatz führen kann, hat sich mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch verschärft. Denn aus Sicht des Verteidigungsministeriums ist es inzwischen längst nicht mehr nur eine betriebswirtschaftliche Frage, ob, wann und wie schnell ein Kriegsschiff wieder einsatzklar gemacht werden kann.

Der kurzfristige Aufbau einer leistungsfähigen Erweiterung des Marinearsenals im Ostseebereich ist daher aus meiner Sicht der entscheidende und notwendige Schritt, um die Einsatzbereitschaft der Flotte nachhaltig und perspektivisch zu verbessern. Gerade vor dem Hintergrund der neuen strategischen Herausforderungen in unserer Heimatregion, hatte der neue Marineinspekteur Jan Christian Kaack noch Ende Juni in einer Grundsatzrede 100 Tage nach Amtsantritt gemahnt.

Die Bundesregierung nutzte deshalb die (aus ihrer Sicht) Gelegenheit, eine komplette Werft zu kaufen.  Die MV-Werften-Gruppe, spezialisiert auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen, hatte Anfang des Jahres Insolvenz angemeldet. Die Bundeswehr meldete Interesse an deren Standort Rostock an:  In der Hansestadt ist nicht nur das Marinekommando stationiert, sondern sie ist auch Heimathafen der Korvetten der Marine.

Aus Sicht des Verteidigungsministeriums sprach zudem eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für Rostock und gegen den traditionellen Marinestandort Kiel: Infrastruktur, die Lage im Ostseeraum und nicht zuletzt die in Rostock verfügbaren Fachkräfte spielten für die Entscheidung des Bundes, ein Angebot für die MV-Werft Rostock abzugeben, die ausschlaggebende Rolle.

Am (heutigen) Donnerstag wurde deshalb nach Angaben des Verteidigungsministeriums der Kaufvertrag gezeichnet. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) übernimmt das Gelände und die Infrastruktur, das Bundesamt für Beschaffung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Betrieb. Den Kaufpreis erklärte das Ministerium zwar zur Verschlusssache und sprach nur von einem angemessenen Preis. Aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages wurde jedoch bekannt, dass vom Bund rund 87 Millionen Euro gezahlt werden.

Nach Angaben der Werft umfasst der Standort Rostock, einer der effizientesten Schiffbaubetriebe weltweit, auf rund 685.000 Quadratmetern unter anderem über ein unterteilbares Baudock mit einer Breite von 54 Metern und einer Tiefe von elf Metern, von 320 Metern Länge sind 80 Meter überdacht. Allerdings sollen dort künftig keine neuen Schiffe gebaut, sondern vorhandene instandgesetzt werden.

Für die Marine wird von entscheidender Bedeutung, qualifizierte Schiffbauer für diese Aufgabe zu gewinnen. Rund 500 Arbeitsplätze soll die Außenstelle des Marinearsenals haben – und die Hoffnung der Bundeswehr ist, dass es keinen Fachkräftemangel geben wird, weil die ehemaligen Beschäftigten der MV-Werft dann für die Marine arbeiten.

Nach dem Kauf der Anlagen ist es nun das Wichtigste, qualifiziertes Personal einzustellen. Es ist Absicht des BMVg daher schnell in die Bewerbergespräche zu gehen, kündigte das Ministerium nach Unterzeichnung des Kaufvertrags an. Ein Problem ist bereits absehbar: Im Vergleich zum bisher geltenden Tarifvertrag der IG Metall für die Werft-Mitarbeiter*innen bedeutet der Wechsel in den ver.di-Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes einen Gehaltsverlust. Die Aussicht, einen Arbeitsplatz am Wohn- oder Heimatort zu behalten, so hofft das Verteidigungsministerium, wird dennoch den Ausschlag für die Arbeit auf der künftig staatseigenen Werft geben.

Fürs Archiv die Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums:
20220707_BMVg_Kaufvertrag_MV_Werft

(Archivbild Oktober 2018 – Luftaufnahme der MV Werften Rostock – Sebastian Krauleidis; Fotograf, MVW Rostock, CC BY-SA 4.0)