Schlange stehen vor der Werft: Das Beispiel Fregatte Brandenburg

Die Deutsche Marine hat eigentlich zu wenig Schiffe, jedenfalls so wenig wie noch nie in ihrer Nachkriegsgeschichte. Und doch sind es zu viele Schiffe und Boote, die derzeit für Instandsetzungsarbeiten in den Docks anstehen. Die Marineführung warnt bereits vor der Gefahr, Einsätze und internationale Verpflichtungen nicht mehr bedienen zu können – aber wie sieht das eigentlich im Detail aus?

Das Ausmaß der Probleme zeigt beispielhaft ein Blick auf die Fregatte Brandenburg. Das Typschiff der Fregatten der F123-Klasse war vor fast 25 Jahren in Dienst gestellt worden. Im Frühjahr erst war das Kriegsschiff  aus der planmäßigen Instandsetzung gekommen – vier Monate später als eigentlich vorgesehen. Jetzt muss die Brandenburg schon wieder ins Dock, eigentlich keine große Sache. Wenn es denn Dock-Kapazitäten für die Schiffe und Boote der Marine gäbe.

Die Fregatte hat, so heißt es im Marinejargon, eine technische Havarie erlitten, ein Defekt, der unter anderem die erlaubte Höchstgeschwindigkeit des Kriegsschiffes deutlich einschränkt. Für eine Reparatur ist ein etwa zwei Wochen langer Aufenthalt in einem Schwimmdock nötig.

Dummerweise hat die Marine gerade keines frei. Denn in Wilhelmshaven wird das eine Schwimmdock für die – planmäßige – Instandsetzung der Fregatte Sachsen genutzt. Das zweite wiederum wird gebraucht, um den Schleusentorrollwagen einer wichtigen Schleuse in Wilhelmshaven zu reparieren – sonst wäre der größte deutsche Marinestützpunkt vom offenen Meer abgeschnitten. Frühestens im Dezember dieses Jahres könnte die Brandenburg dort eindocken.

Auf eine zivile Werft auszuweichen, wäre auch nicht schneller. Denn bei der technischen Havarie der Brandenburg gibt es keine Gefahr für Leib und Leben, sagen die Juristen im Verteidigungsministerium und im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Die Folge: die Arbeiten müssen ausgeschrieben werden – erwartete Dauer je nach Vertragskonstrukt zwischen vier und neun Monaten. Ehe der erste Handschlag für die Reparatur gemacht wird.

Das ist auch eine mittelbare Folge des Desasters bei der Instandsetzung des Segelschulschiffes Gorch Fock. Nachdem die Reparaturkosten für die Dreimastbark explodierten und bei den Wirren der Instandsetzung Fehler auch im Apparat von Ministerium und nachgeordneten Ämtern sichtbar wurden, soll jetzt bloß kein Fehler gemacht werden – auch wenn sich das auf die Einsatzbereitschaft der Flotte auswirken kann.

Selbst ohne Ausschreibung zeichnen sich weitere Probleme ab. Denn beim BAAINBw, sagen Marinekenner, gibt es zu wenig Experten, die die Leitung der Instandsetzung übernehmen könnten. Die mögliche Folge: andere Projekte müssten für die Instandsetzung der Brandenburg unterbrochen werden – zum Beispiel die Überholung des Einsatzgruppenversorgers Bonn.

Für die Brandenburg und ihre Besatzung ist der erneute Ärger mit der Technik besonders bitter. Denn das Schiff hatte gerade erst  eine von Pech und Pannen begleitete Werftliegezeit überstanden. Ende Juni vergangenen Jahres dockte die Fregatte bei der Lürssen-Werft in Berne ein – und wurde am 17. Mai dieses Jahres, vier Monate später als geplant, mit lediglich eingeschränkter Erklärung der Funktions- und Betriebssicherheit freigegeben. Zahlreiche technische Probleme waren da nicht beseitigt.

Die Verzögerungen wurden in erster Linie durch fehlende Ersatzteile, verzögerte Instandsetzungen, nachträglich erkannte Schäden und Mängel sowie die deutliche Überforderung der Werkstätten des Marinearsenals Wilhelmshaven und der damit einhergehenden mangelhaften Kommunikation verursacht, heißt es im Abschlussbericht des Bordkommandos, den Augen geradeaus! einsehen konnte. Es drängte sich der Verdacht auf, dass es im Kern eines Instandsetzungsvorhabens nur um den rechts- und regelkonformen Prozess- und Verfahrensablauf, nicht jedoch um die zeitgerechte Wiederherstellung der vollen Einsatzfähigkeit eines Kampfschiffes geht.

Die Liste der Probleme in diesem Abschlussbericht ist lang – und bisweilen verblüffend banal. Bisweilen scheiterten Arbeiten an fehlenden Ersatzteilen, bisweilen aber auch nur an Problemen der Kommunikation mit dem Marinearsenal. Ausgebaute Teile zur Instandsetzung lagen  wegen Kapazitätsproblemen acht Wochen unbearbeitet im Arsenal – ohne dass das Bordkommando davon erfuhr. Die Werft vergaß bei den Anschlussarbeiten eine Düse, und beim Spülen des Sprühsystems ergoss sich das Wasser in den Rechnerraum des Schiffes.

Zusätzliche Probleme entstanden dadurch, dass Dienstleistungen notwendig wurden, die schlicht nicht eingeplant waren. So verzögerte sich der Einbau eines neuen Antriebsdieselmotors, weil das Aggregat vom Depot in Wilhemshaven zur Werft in Berne transportiert werden musste. Die liegt allerdings auf dem Gebiet der Hansestadt Bremen, und das mit einem Rahmenvertrag beauftragte Transportunternehmen der Bundeswehr hat die Dauergenehmigung für überbreite Schwertransporte nur für das Land Niedersachsen. Eine Ausnahmegenehmigung hätte zwei weitere Wochen Verzug bedeutet, so transportierte die Werft mit ihrer Genehmigung für beide Bundesländer am Ende den Bundeswehrmotor.

Hinzu kamen Kosten, die für eine Reparatur eigentlich nicht vorgesehen waren: Weil die Brandenburg in Berne und nicht in Wilhelmshaven eingedockt wurde, musste ein Containerdorf für die Besatzung errichtet werden – für rund 750.000 Euro, Reisekosten nicht mitgerechnet. Gespart wurde dafür an der Sanierung der Wohnbereiche auf der Fregatte: Die malerte die Besatzung in Eigenleistung. Nach 25 Jahren im Dienst der Flotte bedarf ein solches Kriegsschiff jedoch in vielen Bereichen der professionellen „Sanierung“, zumal die Besatzung in der nächsten Betriebsperiode weite Teile des Jahres an Bord verbringen muss und dies möglichst in einer wohnlichen Atmosphäre, heißt es im Abschlussbericht. Auch das gehört zu einem attraktiven Arbeitgeber dazu.

Das Hauptproblem aus Sicht der Besatzung: Das Marinearsenal ist personell völlig ausgelaugt, überaltert, überfordert und dadurch nicht mehr in der Lage, die geforderte Quantität und Qualität der Arbeiten an Bord und in den Werkstätten in der erforderlichen Zeit zu erledigen. Das sei allerdings nicht das Problem, für dass das Arsenal selbst verantwortlich zu machen sei, heißt es aus der Marine: Die Schließung des Marinearsenals in Kiel, ein Einstellungsstopp und der Verzicht selbst auf Übernahme der eigenen Auszubildenden hätten das System an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht.

Das hat natürlich auch die Marineführung erkannt. Schließlich seien neue Stellen geschaffen worden, die sich allerdings nicht sofort auswirken würden, erklärte ihr Sprecher in einer sehr in die Zukunft gerichteten Stellungnahme via Twitter:

Für die Brandenburg allerdings sind die Verzögerungen der planmäßigen Instandsetzung längst eingetreten. Und für die Fregatte drängt ein bisschen die Zeit (wie vermutlich für andere Einheiten auch): Im Juli kommenden Jahres soll das Kriegsschiff in den Einsatz in der Ägäis gehen. Je später sie in die Werft kommt, um so später erreicht die Fregatte ihre volle Einsatzfähigkeit. Und die braucht sie ein paar Monate vor einem Einsatz, um auch die Besatzung voll einsatzfähig zu machen.

(Archivbild: Flugkšörperschießen der Fregatte Brandenburg im  Einsatz- und Ausbildungsverband im Februar 2015 – Sascha Wunderlich/Bundeswehr)