Merkposten Mali: Jihadisten fordern Einführung der Scharia und drohen weitere Angriffe an
Die Situation in Mali, wo mehr als 1.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten im größten Auslandseinsatz der Bundeswehr stationiert sind, scheint von Tag zu Tag schwieriger zu werden. Ein Mitglied der Jihadisten-Organisation, die in den vergangenen Tagen Einrichtungen der malischen Armee angegriffen und zahlreiche Soldaten getötet hatte, drohte offen mit islamistischer Machtübernahme und Einführung der Scharia, des islamischen Rechts.
Das am (heutigen) Donnerstag über soziale Netzwerke veröffentlichte Video zeigt eine vier Minuten lange Ansprache von Abou Yahya, Mitglied der Shura (des Rates) der al Qaida-nahen Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime (Jama’at Nusrat al-Islam wa al-Muslimeen, JNIM):
🔴#Mali — Dans une vidéo de 4′ Abou Yahya membre du conseil de la choura du #JNIM annonce le déclenchement des opérations d’envergure de la coalition djihadiste et le blocus de #Bamako dans les prochains jours jusqu’à l’aboutissement de la charia. pic.twitter.com/jE8OJKQyBL
— دموع الفقراء (@ocisse691) July 27, 2022
Aus der Zusammenfassung der Online-Ausgabe von Jeune Afrique:
Vor der Kamera erscheint Mahamoud Barry, genannt Abou Yahya, ein Mitglied des Schura-Rates, des Entscheidungsgremiums von Iyad Ag Ghalys Groupe de soutien à l’islam et aux musulmans (GSIM), in einem braunen Boubou, mit einem weißen Turban auf dem Kopf. Er hat eine Botschaft an die Malier und spricht Bamanankan, um sie auszudrücken.
In bedrohlichem Tonfall warnt Abu Yahya: „Es wird keine Ruhe geben, solange Mali nicht zur Scharia zurückkehrt oder sie anwendet. Die Mitglieder des „Jihad fissabilahi“ [einer der Namen, die der Katiba Macina in Mopti gegeben wurden] sind in allen Außenbezirken der Hauptstadt eingesetzt. Sie werden Tag und Nacht in Bamako und in allen Städten Malis operieren“, betont er. Unsere Männer werden überall eindringen […]. Es ist an der Zeit, dass die malische Bevölkerung zu Allah zurückkehrt.“
(übersetzt mit deepl.com)
Der Drohung gegen die Übergangsregierung in Bamako hatten jihadistische Terroristen in den vergangenen Tagen mit ihren Angriffen auf malische Armeestützpunkte Nachdruck verliehen. Unter anderem schreckten sie auch nicht davor zurück, den größten Militärstandort der Streitkräfte Malis in Kati anzugreifen.
Das französische Außenministerium verschärfte unterdessen seine Reisewarnung für das westafrikanische Land: Von Reisen nach Mali wird französischen Staatsbürgern dringend abgeraten. Nur in die Hauptstadt Bamako seien in dringenden Fällen mit den nötigen Vorsichtsmaßnahmen noch Reisen möglich.
Zur Ergänzung Lesestoff:
Mali: What’s next after the Kati attack?
(Dieser Merkposten wird vermutlich in den nächsten Tagen fortgeschrieben werden müssen.)
(Grafik: diplo.fr)
Es wird immer besser.
Das Chaos ist also perfekt, entweder Wagner oder die Sharia. Ist der Junta eigentlich klar, was sie da anrichtet?
Die Bevölkerung hat sich seit dem zweiten Weltkrieg verfünffacht. Und das karge Land gibt nichts her. Dazu eine überwiegend junge Bevölkerung, die besonnenen Alten sind deutlich in der Unterzahl. Jung und perspektivlos, bester Nährboden für Extremismus und Gewalt. Wir sollten da rausgehen!
Odysseus (Minusma/Bw) zwischen Skylla (Junta/Wagner) und Charybdis (Djihadisten) ?
Egal was passiert. Wir werden dagegen nichts ausrichten können. Jeder Tag mehr, ist Zeit und Geldverschwendung.
Wollte mich mal herzlich bei Herrn Wiegold dafür bedanken, dass hier die medial einzige Möglichkeit stets aktuelle Infos zur gegenwärtigen Entwicklung in Mali zu erhalten, besteht.
In den Medien sind andere Themen vorrangig, was ich verstehen kann. Gerade mal bei ntv kommt Hin und Wieder ein kleiner Untertitel durch gerollt. Wen betreffen schon unmittelbar die Vorgänge in Mali?
Anyway. Als „betroffenen “ Mutter schau ich täglich morgens in Ihren Blog um den Überblick zu wahren. Für mich die einzige derzeitige Möglichkeit, neben den Berichten meines frustrierten „Kindes“ vor Ort, etwas zur Lage zu erfahren.
Die Politik sollte sich wieder an Clausewitz orientieren und Soldaten nur dort hinschicken, wo nationale Interessen berührt sind. Die Generalität sollte bei Entsendung von Truppen ihre Unterlagen aus Zeiten, wo sie noch Fahnenjunker und Fähnriche waren hervorkramen: Dort steht, dass Zeit, Raum und Kräfte (neben Information) auf dem Gefechtsfeld bestimmend sind. Mit 1000 Mann/Frau in einem Gebiet, dass fast Europa entspricht, kann man nichts verrichten. Ein Einsatz, der von ungedienten Politikern und Hofschranzen in Uniform lanciert wurde, und absolut sinnlos ist (vgl. Afghanistan und Deutschlands Freiheit ), sollte zugunsten des Steuerzahlers schnellstens beendet werden.
Was unternimmt eigentlich die UNO? Schließlich ist das eine UN-Mission.
@Peter Pan: Die UNO zu unterstützen ist ein Ausdruck unserer nationalen Interessen, da die Organisation ein Forum bietet, um die Regelbasierte Ordnung zu wahren und gegebenenfalls durchzusetzen.
Im Mali bekriegen sich auf der Mikroebene Volksgruppen um Vorherrschaft über Ressourcen. Dabei haben sich die Volksgruppen mit Akteuren auf der Makroebene verbündet (Russland, Al-Kaida) welche auf die Regelbasierte Ordnung pfeifen.
-Trennung-
Am Rande: Al-Kaida ein Player auf Makroebene? Nein ich habe keine Seife geraucht oder gar Nagel im Kopf.
Denn eben dies wäre das Ergebnis des Handelns der Junta, wenn sich diese Organisation, welche laut Bruno Kahl irgendwo in Erdlöchern in Ost-Afghanistan haust und im Jemen und Nordwest Syrien mit dem Rücken an der Wand steht wieder an Legitimation gewinnt. Die Islamisten geben sich nun als Robin Hood des Grauens nach den Massakern durch Wagner und FAMA.
Mal sehen wie lange es dauert, bis bekannte Opferrollen – AgitProp der Terrororganisation, auf diesen Vorfällen aufbauend, in Tunesien und Ägypten aufschlägt
-Trennung-
Brisanz für uns? Definitiv, denn nach dem VBIED Anschlag auf die Kameraden in Mali wurden wir Deutschen als „Kreuzritter“ bezeichnet. Ich meine der BND Cheff gab zu verstehen, das sei weniger ernst zu nehmen, da JNIM innerhalb Al-Kaidas nicht besonders wichtig sei.
Es ist hier sicherlich nicht der Ort um Kahls organisationswissenschaftliche Betrachtung Al-Kaidas zu hinterfragen (streng hierarchisch vs. institutionell isomorphes Branding). Es muss aber klar sein, dass mit einem Aufstieg JNIMs auch das Feindbild Deutschland an Auftrieb innerhalb des Islamismus gewinnt.
Die Russen haben der Junta laut den Amerikanern Flugabwehr geliefert.
https://www.airforcemag.com/townsend-russia-added-to-instability-in-africa-with-new-air-defenses-in-mali/
@someone: was so viel bedeutet, dass wir im Rahmen GWOT nun die Junta und den Kreml anbetteln dürfen während Al-Kaida sich eine neue Hochburg erarbeitet.
Wer hatte hier noch behauptet Putin könne kein UNO und spiele Schach? Das ist ne +4 worauf schlimmsten Falls ein Aussetzen folgt und ne +2 … /SCNR
@ someone
Der Herr General bleibt aber sehr vage darin, welche „air defense capabilities“ die Russen der FAMA geliefert haben sollen. Das den Russen zur Verfügung stehende Spektrum ist doch recht breit. Allerdings brauchen die Russen alles was wirklich in die Rubrik „sophisticated new capabilities“ fällt, für ihren Krieg in der Ukraine. Dazu kommt, dass, wenn man sich mal anschaut, über welche „sophisticated capabilities“ die FAMA sonst so verfügt, dann kann ich mir kaum vorstellen, das der Grad an ’sophistication‘ bei den gelieferten Waffen das Niveau von Strela-2 Raketen übertrifft. Natürlich würde das schon reichen um ein gegen MINUSMA verhängtes Flugverbot durchzusetzen.
Und dieser Evergreen durfte natürlich nicht fehlen:
“The only thing I see Wagner doing is propping up dictators and exploiting natural resources on the continent.”
Als wenn der Westen und speziell die USA, es jemals anders getan hätte und tun würde.
@Schlammstapfer:
„…mercenaries bolstered by new air-surveillance radars and air-defense systems in Mali deployed to keep the West from watching,…“
https://aviationweek.com/defense-space/budget-policy-operations/africom-russia-trying-block-western-surveillance-mali
Leider ne Paywall, aber Strela-Manpad ist jetzt nicht wirklich im Zusammenhang mit Radar zu sehen. Was meint der General: Buk, Tor sind beises Syteme wo Radar und Wirkmittel gemeinsam verbaut sind und als „system“ zu verstehen wären?
AoR sagt:
29.07.2022 um 12:57 Uhr
„Im Mali bekriegen sich auf der Mikroebene Volksgruppen um Vorherrschaft über Ressourcen. Dabei haben sich die Volksgruppen mit Akteuren auf der Makroebene verbündet (Russland, Al-Kaida) welche auf die Regelbasierte Ordnung pfeifen.“
Stimme der Aussage „Volksgruppen bekriegen sich um die Vorherrschaft…“ bedingt zu. Malis Ressourcen sind übersichtlich (Gold, ein Großteil sind Entwicklungsgelder etc.) Tuareg/Araber wollen sich nicht von Bambara regieren lassen, Fulbe wollen ihre immer kleiner werdenden Weidegründe nicht aufgeben .
Dennoch: die aktuelle Lage unterscheidet sich nur wenig von der Anfang 2013(déjà vue): diesmal drohen nicht die Tuaregmilizen von Al Qaida(Ansardine, Katibas Al Furqan etc) von Konna aus auf Bamako zu marschieren, sondern die mittlerweile in Zentralmali operierende Fulbe-Miliz Katiba Macina greift koordiniert um Bamako herum an. Daß Al Qaida dies auch schon 2015 konnte, zeigt der Angriff auf das renommierte Hotel Radisson Blue im Zentrum Bamakos. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die politische Klasse sich der Realität stellen müssen.
Die Drohung mit der Einführung der Scharia gab es schon 2012; FRA hat mit SERVAL 2013 zwar die Djihadisten bis in den ADRAR DES IFOGHAS verfolgt und geschwächt; da aber Nordmali anschließend sich zum Tuaregrefugium entwickelt hat(in dem der Staat Mali und die FAMA nicht geduldet wurden), konnten sich dort die Al Qaida-Milizen wieder rekonstituieren und neue Mitkämpfer des mehrfach totgesagten Predigers Kouffa hinzugewinnen.
Die französische Absicht, Nordmali durch die MINUSMA zu „containen“, war für die UN-Truppen verlustreich; die desolate FAMA wiederaufstellen, war Aufgabe der EUTM, was aber aus malischer Sicht auch nicht erfolgreich war (trotz eines soliden Ausbildungsprogramms). Mit BARKHANE wollte FRA den Kampf gegen den djihadistischen Terror in seinem precarré weiterführen, was sich aber die politische Klasse Malis anders vorgestellt hatte: die Herstellung der inneren Sicherheit Malis und die Kampf gegen die djihadistischen Milizen als originäre Aufgabe der FAMA sollte eigentlich durch BARHANE erfolgen.
Da BARKHANE sich der Jagd auf Top-Djihadisten verschrieben hatte, die FAMA aber aufgrund ihrer Struktur und mangels Reformen und Motivation als Garant für die innere Sicherheit ausfiel, besann man sich auf RUS als langjährigen Unterstützer; die Gruppe Wagner sollte der „gamechanger“ werden, zusammen mit einer von RUS inspirierten Medienkampagne, um das Bild einer erfolgreichen FAMA zu vermitteln, aber auch die anti-französische Stimmung auf Bamakos Straßen zu intensivieren.
Der Angriff auf KATI und die Drohung eines Angriffs auf BAMAKO paßt natürlich nicht in dieses Dispositiv; ohne die zumindest beruhigende Präsenz von BARKHANE und die zunehmende Unzufriedenheit der Tuareg in Nordmali ist die FAMA jetzt (mit ihren RUS-Instrukteuren) richtig gefordert.
Ob Al Qaida ein player auf der Makroebene ist: zumindest ist die Achse Libyen – Algerien (auch wenn die Regierung in Rabat von nichts weiß, aber Iyad Ghali gewähren läßt) – Nordmali intakt; ein Teil der Kämpfer kommt aus arabischen Ländern, während mittlerweile auch viele Malier rekrutiert werden konnten. Hierbei nutzt Al Qaida die fehlende Präsenz des malischen Staates in der Fläche, bad governance, korrupte Eliten und die sich durch die anhaltende Trockenheit verschärfenden Konflikte zwischen Bambara und Fulbe aus und bietet sich auf der lokalen Ebene als Teilproblemlöser an. Ob allerdings Al Qaida in der Lage wäre, staatliche Verwaltungsstrukturen(über die Einführung der Scharia und muslimischer Gerichtsbarkeit hinaus= Emirat) anstelle der marginalen malischen Einrichtungen zu schaffen, läßt sich eingedenk der IS-performance nur vermuten. Andererseits existiert nach wie vor eine regionale/kommunale „Selbstverwaltung“(chefferie), die es schon vor der Kolonisation gab. Ohne diese Strukturen hätte Mali es gar nicht so „weit“ gebracht.
Auch auf die OT-Gefahr hin: FRA wird nach der „rearticulation“ weiterhin in der Sahelzone(außer in Mali) militärisch präsent bleiben; der Verbleib der Bw bei MINUSMA hängt davon ab, ob die EU in diesem Raum ihren Einfluß behalten will, auch um den RUS-Einfluß zu begrenzen oder aber FRA diese Aufgabe zu überlassen. Eine Einflußnahme auf die malische Politik durch MINUSMA erscheint jedoch immer fraglicher. Zöge allerdings MINUSMA ab, könnte dies die Schaffung einer nordmalischen Entität AZAWAD beschleunigen und RUS könnte sich sogar im nationbuilding versuchen.
briscard sagt:
29.07.2022 um 20:04 Uhr
„Zöge allerdings MINUSMA ab, könnte dies die Schaffung einer nordmalischen Entität AZAWAD beschleunigen und RUS könnte sich sogar im Nationbuilding versuchen.“
Was wären die unmittelbaren und mittelfristigen Vorzeichen einer Ausründung AZAWAD? Gar nicht OT, sondern womöglich des Pudels Kern. Was bedeutete eine RUS-AZAWAD Verbindung regional (Meso – Ebene) aber auch global?
An briscard und AoR : m.E. nach tragt Ihr zur Meinungsbildung für einen interessierten
“ Nichtmalinesen“ schönes Detailwissen zusammen.
Die russische Wagnerpräsenz ist von der Mannstärke her also mit dem BW – Kontingent
allmählich vergleichbar, bei unterschiedlichen militärischen Ausprägungen und Werten. Bei der Durchsicht aller Texte blieb mir ein Punkt aber noch in besonderer Erinnerung.
Es ging da um die französischen Aufklärungsfähigkeiten, welche der Junta wohl nicht mehr zur Verfügung stehen dürften bzw, von denen sie nicht mehr profitiert.
Und die Amerikaner werden Ihr Wissen vermutlich sequenziell eher der UN zur Verfügung stellen.
Somit stellt sich mir die Frage ob Wagner und die Fama in der momentanen Situation ( auf die militärische Situation zunächst fokussiert ) sich überhaupt noch ein genaues Lagebild machen können.
Betreiben die traditionelle Aufklärung und hören auf Zuträger oder hat man über Wagner z,B, auch elektronische Hilfsmittel zur Verfügung ( Funkaufklärung, Drohnen etc.) ?
An AoR : Zu Ihrer letzten Fragestellung vom 29.7.22 um 21;27 Uhr würde ich noch auf diese Quelle verweisen; – falls von TW gestattet: express. at -Kampf gegen den Terror ,
Russland und Algerien kündigen gemeinsames Manöver an. Vom 6.4.22 um 19:45 Uhr.
Somit würde ein selbstständiges Nordmalikonstrukt zumindest „bewacht“ sein.
Tja, was helfen uns die ganzen Analysen der Lage der malischen Bevölkerungsgruppen und das wissen um deren militärischen bzw. paramilitärischen Strukturen? Einfache Antwort – nichts.
Seit Machtergreifung der Junta und dem seit letztem Jahr unter Mitwirkung der Wagner-Soldateska immer brutaler vorgehenden FAMa bei gleichzeitiger Lähmung von MINUSMA wurde das Land wieder in dieselbe Situation versetzt wie vor 2013 (Beginn von MINUSMA). Wahrscheinlich noch schlimmer. Wesentlicher Unterschied, es ist eine UN-Mission im Land, die sich nicht frei bewegen darf, agieren schon gar nicht, also quasi Schoßhündchenstatus.
Macht es Sinn, die Mission fortzuführen? Ganz klar Antwort: Nein, unter den gegebenen Umständen nicht.
Mal abgesehen davon, dass die französischen Fähigkeiten immer noch nicht ersetzt sind und die meisten angefragten Nationen abwinken. Nach meinem dafürhalten sind alle Voraussetzungen erfüllt, das deutsche Engagement zu beenden, so wie es das Mandat vorsieht.
DPA meldet, das die US-Botschaft ihr Personal in Bamako deutlich reduzieren wird. Eine verheerende Ähnlichkeit zu Kabul ist vorhanden.
Das kann nur heißen, Einsatz sofort beenden, solange noch ein geordneter Abzug möglich ist. Ansonsten laufen wir Gefahr, in völlig sinnlose und jetzt noch vermeidbare Konflikte verwickelt zu werden. das Zeitfenster zur politischen Gestaltung in MALI durch MINUSMA und seine teilnehmenden Nationen ist geschlossen. Es wird sich so schnell auch nicht wieder öffnen.
[Das ist von gestern, es gibt auch ein Original der Mitteilung:
On July 29, 2022, the Department ordered the departure of non-emergency U.S. government employees and family members due to the heightened risk of terrorist attacks in areas frequented by westerners. The U.S. Embassy continues to have limited ability to provide emergency assistance to U.S. citizens in Mali.
https://web.archive.org/web/20220730152856/https://travel.state.gov/content/travel/en/traveladvisories/traveladvisories/mali-travel-advisory.html
T.W.]
@SanDino: Danke für den kleinen Umweg über die griechische Mythologie. Ich denke damit fassen Sie es ganz passend zusammen. Und Danke für die Blumen, aber Detailwissen liefert immer @briscard/@Eric Hagen /@Koffer, wofür ich sehr dankbar bin. Ich wende eher allgemeinere Modelle an.
Daher @Pio-Fritz: Lassen sie uns die Entwicklungen doch en detail dokumentieren und kommentieren. Wir rennen da sehenden Auges hinein und das Minimalziel muss sein, keine Angriffsfläche zu bieten und uns nicht auf der nase herumtanzen zu lassen. Mali strukturiert sich neu, unsere Ziele (vgl. Mandat=Friedensprozess) sind z.Zt kaum zu erarbeiten geschweige denn zu erreichen. Die Junta will es so und trägt gemeinsam mit Russland die alleinige und volle Verantwortung für alles was kommt.
Zudem hoffe ich , dass im Sinne der Kameraden vor Ort bei den Entscheidern hier die entsprechenden Worst-Case Szenarien vorliegen. Wehe einer behauptet, man hätte irgendwas nicht hätte kommen sehen können.
@AoR sagt: 30.07.2022 um 22:25 Uhr
„Daher @Pio-Fritz: Lassen sie uns die Entwicklungen doch en detail dokumentieren und kommentieren. Wir rennen da sehenden Auges hinein … Wehe einer behauptet, man hätte irgendwas nicht hätte kommen sehen können.“
Kein Problem, ich bin da ganz bei Ihnen. Es ist nur nichts Neues, ein Großteil dieser Informationen liegt, auch auf politischer Ebene, schon seit Jahren vor. Nur wie die vergangenen Missionen zeigen, ist die Lernkurve gerade bei den westeuropäischen Regierungen sehr sehr flach und bewegt sich asymptotisch gegen Null.
Es hilft nichts, Soldaten dort hinzustellen und Hilfsgelder hinein zu pumpen. Man muss auch politisch aktiv werden, und zwar sehr intensiv. Und daran mangelt es.
Wir haben es in Afghanistan gesehen, es ist so im Sudan, im Libanon und natürlich auch in Mali (Aufzählung nicht vollständig). Man stellt ein paar Uniformen da hin, das sieht wichtig aus, und ansonsten passiert nicht wirklich etwas Substantielles.
@Pio-Fritz: Mali erlebt ähnlich wie an anderen Orten unter dem Eindruck globaler Megatrends eine Entwicklung raus aus den kolonialen Strukturen und Bezügen. Es stellt sich die Frage was es bedeuten würde wenn man das alles sich selbst überlässt und geht, oder ob man den Prozess aktiv begleitet?
Ausgehend von postkolonialen Zentralstaat eingedenk künstlicher Grenzziehung entwickelt sich ein Bewusstsein der Menschen hin zu Vorstellungen, welche teilautonome und föderale Strukturen begünstigen. Die Menschen vor Ort haben ihre tradierten und überlieferten Organisationsformen im Kleinen (wie @briscard darauf hinweist) und suchen eine Großstruktur, welche diese authentisch darzustellen vermag.
Hierbei haben sich die Profiteure der zentralistischen Vorstellung mit Russland auf ein sinkendes Schiff gestellt und begehen Verbrechen. Die mit den Ansprüchen der vormaligen Eliten unzufriedenen haben sich mit Al-Kaida verbündet und nähren den internationalen Terrorismus. Und ich denke darin liegt doch die eigentliche Bankrotterklärung aller Beteiligten.
Das Friedensabkommen wird auch nach dem blutigen Umweg über den Bürgerkrieg an Aktualität und Gültigkeit nicht verlieren.
Der Zyniker in mir sagt, „wenn sich zwei streiten, …“. Denn MINUSMA ist eine Chance für alle Menschen in Mali und letztendlich der Mediator, sollte sich der Bürgerkrieg beruhigen.
Gehen würde daher bedeuten, dass man auf Makroebene bekannte Akteure (Al-Kaida, Wagner) legitimiert, bleiben würde den Menschen signalisieren, es gibt einen besseren Weg. Letzteres ist mit einem Risiko vor Ort verbunden, ersteres mit unüberschaubaren Kosten in der Zukunft.
Was ist unsere Botschaft an die Menschen in Mali und der Region?
@AoR sagt: 31.07.2022 um 14:25 Uhr
Die Frage bei Ihrem Vorschlag, MINUSMA als Alternative anzubieten, ist doch, ob das Mandat robust genug ist, diese Alternative auch zu bieten. Wir erinnern uns nur mit Grausen an UNPROFOR und das Ergebnis in Srebrenica.
Und wenn ich mir ansehe, das Nationen reihenweise abwinken, die weggefallenen Fähigkeiten der Franzosen zu ersetzen, dann sehe ich da schwarz. Vor allem Dingen, solange man diese Junta als Übergangsregierung akzeptiert. Die Mission wird doch gerade am Nasenring durch die Manege gezogen. So macht es keinen Sinn. Und ob China da mitgeht?
@Pio-Fritz: Nunja, die Junta und damit weite Teile sind aus meiner Perspektive schlicht eine Bürgerkriegspartei mit dem Zweck, Partikularinteressen mit – zumindest seit Wagner – brutalster Gewalt durchzusetzen. Daher stellt sich für uns die Frage, ob wir als Vertreter des Fridensakommens noch Freunde in Mali haben?
Wenn ja wo und was sind diese Menschen dann bereit an Risiken dafür einzugehen? Ein Ansatz vergleichbar mit Counter-DAESH/OIR wäre dann realistisch. Die Junta samt Anhang kann sich dann überlegen, ob sie Anstrengungen zur politischen Implementierung des Abkommens bereit sind mit zu tragen ( First Best Result) oder als Feind des UN Mandats auftreten wollen. (Second Best) Wenn nein, dann können wir uns in unsere Basen zurückziehen und Schmollen bis der Bürgerkrieg die zukünftigen Grenzverläufe diktiert – (AZAWAD Result).
Ich denke zwei Dinge müssen klar sein. Erstens, dass wir im Bürgerkrieg keine Partei ergreifen und zwotens keine Kameradenleben in einem Fass ohne Boden opfern.
Sollte sich die Politik entscheiden den Bürgerkrieg abwarten zu wollen, wäre mir wohler, wenn ich wüßte, daß z,B, Gao auch wirklich eine Art Festung ist, die man nicht so schnell aushungern kann. Die Neutralität in einem Bürgerkrieg vor Ort zu bewahren wird wohl eine robuste Verteidigungsfähigkeit voraussetzten.
@AoR und @SanDino
Das derzeitige Mandat von MINUSMA gibt es nicht her, in einem Bürgerkrieg vor Ort zu bleiben. Vor allem, was soll die Mission dann dort tun? Im Camp sitzen und abwarten? Das macht doch gar keinen Sinn.
Es bräuchte zumindest ein neues Mandat mit klar umrissenen Aufgaben und Aufträgen, die umzusetzen sind, egal welche Bürgerkriegspartei was dagegen hat (Junta inklusive). Das widerspricht dem Geist und den Grundsätzen der UN. Zumal davon auszugehen ist, das nicht alle derzeitigen Truppenstellernationen mitgehen würden. Mindestens China würde ausscheren, um Russland nicht ins Gehege zu kommen. Und ob die anderen Lust haben, das Leben ihrer Soldaten in einem sinnlosen Bürgerkrieg zu riskieren, das wage ich arg zu bezweifeln.
Der derzeitige Auftrag, der im UN-Mandat steht, darf zumindest als gescheitert und nicht realisierbar angesehen werden.
@Pio-Fritz: Momentan ist der Auftrag nicht realisierbar. Ob er gescheitert ist, das wissen wir nicht, da es kein Forum gibt, um zu prüfen was die Menschen wollen.
Meine Analysen weisen darauf hin, dass es sowohl im Süden wie auch Norden sehr viele gibt, die dem Friedensabkommen und MINUSMA positiv gegenüber stehen. Wer hat kein Interesse daran? Die Junta(Russen) und Al-Kaida …
An Pio Fritz :
Für mich kann ein Verbleiben von MINUSMA vor Ort den Schutz von Kriegsflüchtlingen bedeuten, was dann aber auch entsprechend mandatiert und robust unterstützt sein muß! Ein Srebrenica darf sich nicht wiederholen. Aber es entscheidet nun mal die Politik.
@SanDino: Ganz meine Rede. MINUSMA kann jederzeit durch ein System Kollektiver Sicherheit unterstützt werden. Und in Gao kann die UN das machen was sie am besten kann: Die Stadt während dem Bürgerkrieg vor dem Kollaps bewahren. Unterm Strich: Man kann eine Völkerwanderung an der NATO Südflanke durch vernünftig-robuste Community-Arbeit unterbinden: Winning Hearts and Minds.
Achso, Algerien hat die Chinesen gefragt, ob sie eine Pipeline über den Niger finanzieren. Damit hat das Reich der Mitte Interessen, dass es in der Region nicht zur Kulmination kommt. Die Pipeline soll Erdgas ( LNG 😉) an Häfen der Elfenbeinküste und Algeriens liefern. Das ist auch im Interesse der EU.
US kills Al-Qaeda leader al-Zawahiri in Afghanistan
„ As officials combed through the intelligence, the president’s advisers discussed at length ways to kill the Al-Qaeda chief without threatening civilians in the building or in the surrounding neighborhood, seeking to avoid civilian deaths that marred the US withdrawal from Afghanistan and prior raids against senior jihadist leaders. „
Read more: https://www.al-monitor.com/originals/2022/08/us-kills-al-qaeda-leader-al-zawahiri-afghanistan#
Also, welches Bild sollen wir in Mali verfestigen, während Al-Kaida droht, ihren Stand in der Region zu verfestigen?
[Die Auswirkungen auf Mali sind hier sicherlich ein Thema; der US-Angriff auf Zawahiri in diesem Thread allerdings bitte nicht. T.W.]
AoR sagt:
30.07.2022 um 22:25 Uhr
„Mali strukturiert sich neu, unsere Ziele (vgl. Mandat=Friedensprozess) sind z.Zt kaum zu erarbeiten geschweige denn zu erreichen. Die Junta will es so und trägt gemeinsam mit Russland die alleinige und volle Verantwortung für alles was kommt.“
D‘accord. M.E. versucht die Junta, sich von jeglicher frz.Einflußnahme zu emanzipieren. Dabei versucht sie, mit den neuen alten „Freunden“ sich vorallem an der Macht zu halten; die desaströse Lage im Flächenland rangiert an 2.Stelle und wird medial durch nicht überprüfbare Erfolgsmeldungen der FAMA-Einsätze überhöht.
Ähnliche Entwicklungen finden in NIGER, BURKHINA FASO und wohl auch in GUINEA statt. Der TCHAD ist zudem auch nicht mehr der frz. „Festlandsdegen“ für alle Fälle, da er interne Probleme hat. Der Besuch des Präsidenten der Afrikanischen Union, Macky Sall bei Putin, um die Ernährungslage Afrikas deutlich zu machen, zeigt u.a. den gestiegenen Stellenwert des Kreml in Afrika, der für viele überdies ein zuverlässiger Waffenlieferant ist. Ausgang dieses Prozesses ist ungewiß; wohlwollende Begleitung der EU ist wohl nicht mehr erwünscht.
AoR sagt am 01.08.2022 um 13:50 Uhr
„dass es sowohl im Süden wie auch Norden sehr viele gibt, die dem Friedensabkommen und MINUSMA positiv gegenüber stehen“
Vertragsparteien des Friedensabkommens sind: „le gouvernement malien de transition et les groupes armés du Nord – loyalistes et ex-indépendantistes“; Algerien fungiert als Vermittler und nimmt den Faden als Verantwortlicher wieder auf, denn das Abkommen muß seit 2015 umgesetzt werden, lag aber 10Monate auf Eis. Aktuell tagt die Arbeitsgruppe zur Umsetzung. Sie will die „points de blocage de l’application de l’accord de paix, en premier lieu celui des quotas de combattants issus des groupes armés qui doivent être intégrés dans l’armée malienne dite « reconstituée“ aus dem Weg räumen. Damit wirkt sich das Abkommen lediglich auf Nordmali aus, wobei die dort agierenden Djihadisten Nordmali als ihr Sanctuarium betrachten und daher ihre Operationen auf Zentralmali konzentriert haben, nimmt man mal das 3LänderEck aus. Solange die Vertragsparteien der Regierung in Bamako nicht gestatten, mit ihren Strukturen zurückzukehren- (was MINUSMA nolens volens akzeptiert)-, wartet dieses Abkommen auf Umsetzung. M.E. ist MINUSMA mit dem aktuellen Kräftedispositiv auch gar nicht in der Lage, einerseits die Umsetzung des Abkommens zu forcieren bzw die Bevölkerung auch südl. des NIGER zu schützen. Trotz der weitgehenden Beschäftigung mit sich selbst (Logistik, Rotation, gelegentliche Patrouillen und Überwachen der Milizen der Vertragsparteien) sprechen die hohen Verluste dieser Friedensmission eine deutliche Sprache.
Der DEU-Einfluß auf das Mandat MINUSMA ist m.E. gering, denn darüber entscheidet u.a. der Sicherheitsrat der UN. Vermutlich will das AA vermeiden, daß mit Ausscheiden DEU aus der MINUSMA unsere mühsam erarbeitete Reputation als UN-Unterstützer Schaden erleiden würde. Zögen wir ab, verlöre MINUSMA einen westeuropäischen „enabler“, was für die übrigen 3.Weltkontingente bitter wäre. Sicherlich wäre dieser Schritt mit FRA als sich im SAHEL immer noch im „lead“ betrachtenden europ.Partner abzustimmen, wobei man sich auch auf überraschende frz. Wendemanöver einstellen sollte.
Rein militärisch betrachtet könnten die DEU assets viel sinnvoller im Rahmen des Baltikum-Einsatzes wenn nicht gar auf die angekündigte „future mechDiv“ verwandt werden. In der aktuellen sicherheitspolitischen Lage wäre die Konzentration der Kräfte auf (nur)einen Schwerpunkt mehr als nur überfällig.
@AoR
Danke für die zusätzliche Information. Wenn die Systeme von Söldnern gewartet und bedient werden, wären beide Systeme denkbar. Angesichts des Ausstattungsniveau der FAMA hätte ich bei „System“ eher an ZSU 23/4 gedacht. Wobei diese im Bodenkampf auch gegen angreifende Rebellen eingesetzt werden können. Gegen Tor spricht, dass dieses System sehr vielseitig ist (auch gegen Dronen und Marschflugkörper) und deshalb vor allem in der Ukraine gebraucht wird. Dazu kommt, dass Tor viele elektronische Baugruppen westlicher Hersteller enthält, die, unter Embargobedingungen, nur schwer erhältlich sind. Das macht es für mich sehr unwahrscheinlich, dass die russische Armee sich auch nur von einem einzigen, dieser nur schwer ersetzbaren Waffensysteme, trennt.
@briscard: Danke für die Darstellung der wichtigsten Punkte. Es ist eine Quadratur des Kreises wo kein Kreis ist.
Denn der Norden Malis, wo noch nie wirklich staatliche Strukturen stattgefunden haben ruft Bamako zu: „No taxation without representation!“ und Bamako erwidert: „Unterwerft euch!“ Hintergründe haben wir die Tage nochmal rekapituliert.
Von den unversöhnlichen Standpunkten profitieren die Tunichtgute Al-Kaida und Wagner. MINUSMA ist zunehmend handlungsunfähig.