Bundeswehr-Beschaffung: Lindners Brandbrief, Lambrechts Antwort

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in einem – ungewöhnlichen – Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht eine schnelle Verbesserung der Beschaffungsprozesse der Bundeswehr gefordert. Der finanzielle Teil sei mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro und einem bis 2026 stetigen Verteidigungshaushalt abgedeckt, jetzt müsse die Wehr-Bürokratie liefern, argumentierte der FDP-Politiker.

Der Brief, über den am (heutigen) Montag zuerst der Spiegel berichtet hatte, stammt vom 5. Juli (das Datum wurde wie bei solchen Schreiben üblich handschriftlich eingesetzt; dass es sich um Sonntag, den 3. Juli handelt, wie der Spiegel schreibt, halte ich für unwahrscheinlich). Zur Dokumentation im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Frau Kollegin,
mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine befinden wir uns inmitten eines historischen Umbruchs, in dem die sicherheitspolitischen Erfordernisse sehr viel stärker in den Fokus gerückt sind, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Als Bundesregierung haben wir beschlossen, unsere Streitkräfte so aufzustellen, dass sie wieder ihrer ureigensten Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung verlässlich nachkommen können. Diese Zeitenwende unterstützen wir mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Mrd. Euro sowie mit einem bis 2026 fortgeschriebenen erhöhten Verteidigungsetat.
Nun, da wir als Bundesregierung die haushalterischen Voraussetzungen geschaffen haben, muss diese außergewöhnliche finanzielle Kraftanstrengung von mindestens ebenso kraftvollen wie mutigen Reformen begleitet und umgesetzt werden. Beides – eine angemessene finanzielle Ausstattung und tiefgreifende Reformen – sind zwei Seiten einer Medaille. Denn die schlechte derzeitige Verfassung der Streitkräfte ist nicht nur auf deren finanzielle Unterausstattung, sondern auch maßgeblich auf strukturelle Defizite und ein unzureichendes ziviles und militärisches Management der vergangenen Jahre zurückzuführen, für das wir alle gemeinsam Verantwortung tragen. Wir müssen klare Prioritäten im Einklang mit der Nationalen Sicherheitsstrategie und unseren Verpflichtungen gegenüber der NATO setzen.
Dies verlangt tiefgreifende und schnelle Reformen, von denen der jetzige Entwurf für ein Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz nur ein erster Schritt sein kann.
Der von der Bundesregierung proklamierte und von Bundestag wie Bundesrat unterstützte politische Wille für leistungsfähige Streitkräfte mit einem glaubhaften Abschreckungspotenzial zu sorgen, muss nun bewiesen werden. Gemeinsam werden wir an dem Erfolg bei der Ertüchtigung der Streitkräfte durch den möglichst effizienten Mitteleinsatz aus dem Sondervermögen gemessen werden. Hierbei stehen mein Ministerium und ich jederzeit unterstützend zur Seite und werden den Reformprozess konstruktiv begleiten.

Bei ihrer Sommerreise wurde die Verteidigungsministerin beim Besuch im Gefechtsübungszentrum in der Altmark nach diesem Brief gefragt. Ebenfalls zur Dokumentation die Frage und ihre Antwort im Audio:

Lambrecht GÜZ Bw Beschaffung 11jul2022     

 

 

(Foto: Verteidigungsministerin Lambrecht beim Besucht im Gefechtsübungszentrum in der Altmark am 11. Juli 2022 – Foto Bundeswehr)