Norwegen kündigt Vertrag über NH90-Hubschrauber und will Geld zurück (Nachtrag: Industrie-Stellungnahme)
Nach jahrelangem Ärger mit dem Hubschrauber NH90 von Airbus hat Norwegen die Konsequenzen gezogen und den Vertrag über die Beschaffung dieser Helikopter für seine Streitkräfte gekündigt. Nach Australien ist es das zweite Land, dass auf dieses bereits eingeführte Hubschraubermodell verzichten will.
Die Entscheidung, die sich bereits abgezeichnet hatte, teilten der norwegische Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram und die Chefs von Beschaffungsamt und Streitkräften am (heutigen) Freitag mit:
„Regrettably we have reached the conclusion that no matter how many hours our technicians work, and how many parts we order, it will never make the NH90 capable of to meeting the requirements of the Norwegian Armed Forces“, says the Minister of Defence.
„Based on a joint recommendation by the Armed Forces and associated departments and agencies, the Norwegian Government has therefore decided to end the introduction of the NH90 and has authorized the Norwegian Defence Material Agency to terminate the contract“, said Norwegian Minister of Defence, Mr. Bjørn Arild Gram during a press conference in Oslo Friday morning.
The Norwegian Defence Material Agency has subsequently informed the manufacturer of the NH90, NATO Helicopter Industries (NHI), that it has terminated the contract in its entirety, and that it will be seeking full restitution of all funds and assets received by both parties. (…)
Norway’s acquisition of the NH90 began in 2001, with 14 helicopters for Coast Guard and Anti-Submarine Warfare duties originally slated for delivery by the end of 2008. As of today, only eight have been delivered in a fully operational configuration. The fleet is currently required to provide 3.900 flight hours annually but in recent years it has averaged only about 700 hours.
The Norwegian Ministry of Defence in February 2022 requested that the Armed Forces, along with the Norwegian Defence Materiel Agency and the Norwegian Defence Research Establishment, conduct a comprehensive review of Norway’s maritime helicopter capabilities. The review concluded that even with significant additional financial investments, it would not be possible to bring the performance and availability of the NH90 to a level that would meet Norwegian requirements. (…)
The Norwegian Ministry of Defence will shortly begin the process of identifying an alternative maritime helicopter.
Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte Australien angekündigt, seine NH90-Hubschrauber nicht weiter betreiben zu wollen und statt dessen die Beschaffung des US-Modells Blackhawk zu prüfen. Der damalige Verteidigungsminister Peter Dutton hatte ebenfalls Unzufriedenheit mit dem Klarstand des Helikopters als Grund genannt:
The MRH90 helicopter fleet has not met contracted availability requirements nor the expected cost of ownership ahead of its planned withdrawal from service in 2037.
“The performance of the MRH90 Taipan has been an ongoing and well-documented concern for Defence and there has been a significant effort at great expense to try to remediate those issues,” Minister Dutton said.“It is critically important there is a safe, reliable and capable utility helicopter available for our service men and women into the future, with reasonable and predictable operating costs.”
To support the development of detailed options, the Australian Government has requested information from the United States Government on the UH-60M Black Hawk as an alternative platform to the MRH90 Taipan.
Die norwegische Entscheidung setzt die Airbus-Tochter Airbus Helicopters, wesentlicher Teil der Dachgesellschaft NHelicopter Industries, weiter unter Druck: Auch andere Nutzerstaaten des NH90 haben sich über technische Probleme mit den Helikoptern beklagt. So wiesen vor allem die Niederlande, aber auch Frankreich auf Korrosionsprobleme bei den Marinehubschraubern hin.
Bei der Bundeswehr ist der NH90 bereits beim Heer eingeführt, bei der Marine läuft die Einführung der maritimen Version SeaLion als Ersatz für die betagten SeaKing-Hubschrauber. Darüber hinaus sollen auch die ebenfalls betagten SeaLynx-Bordhubschrauber durch die NH90-Variante SeaTiger abgelöst werden.
Allerdings hat die Marine bei der Einführung der SeaLion mit zahlreichen technischen Problemen selbst bei neu montierten Hubschraubern zu kämpfen. Erst vor wenigen Tagen wurde die Übernahme der 15. neu gelieferten Maschine abgelehnt, weil nicht nur das Radar Fehler zeigte, sondern vor allem Treibstoffgeruch in der Kabine auf mögliche Undichtigkeiten hindeutete: So lange eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Crew oder Passagiere durch die Treimbstoffdämpfe nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, kann die Auslieferung der Maschine nicht empfohlen werden.
Die Probleme mit dem NH90 in zahlreichen Nutzerstaaten sind derzeit nicht der einzige Ärger, den Airbus Helicopters mit seinen – militärischen – Hubschraubern hat. So ist Deutschland offensichtlich entschlossen, beim Kampfhubschrauber Tiger im Unterschied zu Frankreich und Spanien die Weiterentwicklung zum Tiger Mark III nicht mitzumachen – in den Planungen zum Beispiel für das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Streitkräfte wird dieser Typ nicht erwähnt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte erst kürzlich vor dem Bundestag beklagt, dass nur ein kleiner Teil der deutschen Tiger-Flotte überhaupt flugklar sei.
Nachtrag: In einer Mitteilung wies NHIndustries die norwegischen Vorwürfe zurück und erklärte die Vertragskündigung für rechtlich unbegründet:
NHIndustries is extremely disappointed by the decision taken by the Norwegian Ministry of Defence and refutes the allegations being made against the NH90 as well as against the Company. NHIndustries was not offered the possibility to discuss the latest proposal made to improve the availability of the NH90 in Norway and to address the specific Norwegian requirements.
NHIndustries considers this termination to be legally groundless. (…)
NHIndustries and its Partner Companies are, and have continuously been absolutely committed to addressing the concerns previously expressed and have brought the appropriate and tailored solutions to the table to meet the specific and unique Norwegian requirements. With 13 helicopters delivered out of 14 and the fourteenth ready for acceptance, we were close to finalizing the main scope of the initial contract.
Die komplette Pressemitteilung hier:
20220610_NHI_Statement_NH90_Norway
(Foto: Undatiertes Foto eines NH90 der norwegischen Küstenwache – Handout NHIndustries)
„close to finalizing the main scope of the initial contract“
Die Norweger sollen sich doch nicht so anstellen, immerhin sind es im Kern Hubschrauber.
Ist hoffentlich ein „Schuss vor den Bug“ jener Rüstungsunternehmen, die in den letzten Jahrzehnten zuhauf Lieferdaten sowie Lieferumfänge hinausgezögert haben und diverse technische Probleme nicht zeitig beheben konnten/wollten.
Konsequentes Handeln wie nun durch Norwegen ist der einzige Weg aus dieser langen Misere.
@rufus
Zum Thema „der NH-90 war nie als Marine-Helikopter gedacht“:
Ich bin mir relativ sicher, dass der NH-90 schon in frühem Stadium (in den 90ern) auch als projektierte NFH (NATO Frigate Helicopter) -Variante in Fach-Zeitschriften wie „Luftwaffen-Forum“ kursierte…
@ Der_Picard
Nach vielen Jahren als Soldat in der militärischen Luftfahrt und in diversen Funktionen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Airbus sehr wohl Interesse daran hat, Produkte für den Kunden zu bauen. Und zwar so, wie es sich für einen Auftragnehmer gehört: Anhand des Lastenheftes und der Forderungen des Kunden. Wenn wir als Kunde aber nicht in der Lage sind, unsere Bedürfnisse vernünftig zu formulieren, dann wird das nie was. Ich kenne das Lastenheft nicht, aber jedesmal, wenn ich im NH90 mitfliege, dann finde ich die Flugeigenschaften des NH90 zwar gut, aber beim Startup frage ich mich jedes Mal, ob zB es eine Vorgabe gab, wie schnell der Hubschrauber in der Luft sein muss? Vielleicht waren ja auch unsere Vorgaben mangelhaft? Sonst würden wir ja sicher auch Regressansprüche stellen, oder?
@Der Realist
Da bin ich nicht Ihrer Meinung. Wenn wir uns für eine europäische Lösung entscheiden, dann bitte EINE Lösung. Ein gemeinsamer Hubschrauber, ein Regelungsraum für Interoperabilität (EMAR statt DEMAR) und große Stückzahlen. Dazu vielleicht noch eine übergreifende Nutzerforderung aller Nationen, die genau das fordert, was wir brauchen: Einen Hubschrauber, bei dem man „den Zündschlüssel umdreht“ und der dann fliegt. Bei jedem Wetter, ohne notwendige Hallen weil es mal drei Grad unter Null ist und der vor allem über ein einfaches Wartungssystem verfügt, dass auch ohne SASPF Anbindung fliegt, selbst wenn rechts und links Granaten einschlagen. Und bitte der gleiche Hubschrauber in der gleichen Konfiguration für alle Nationen.
@Metallkopf
Bitte nicht. Genau das ist das Problem, was wir jetzt schon haben. Wer bei CH47 auf Interoperabilität mit anderen Nationen hofft, der wird genau wegen solcher nationalen Alleingänge bitter enttäuscht. Wenn wir europäisch zusammen arbeiten möchten, dann müssen wir die gleichen Hubschrauber betreiben, ein einheitliches Wartungs und Ausbildungskonzept nutzen und möglichst mit allen Nationen das System so nutzen, wie es gekauft wurde. Jede Änderung bringt Probleme. Wie soll ein französischer Mechaniker einen Deutschen Hubschrauber Warten oder Instandsetzen? Da gibt es nur Hü oder Hott. Entweder eine nationale Lösung oder eine Internationale. Sonst bringt das gar nichts. Sie können nicht mal aus einem französischen Tiger ein Teil für einen Deutschen Tiger nutzen. TKZ (Teilekennzeichen), HSK (Herstellercode), alles gleich, aber die Serialnummer ist nicht im Deutschen SASPF hinterlegt. Und schon fängt es an: Unterschiedliche TCI Werte, basierend auf unterschiedlichen Nutzungsprofilen des Hubschraubers, fehlende Umrechnungfaktoren usw….
Oder kurz: Airbus bzw. NHI kann gute Hubschrauber liefern, aber wir als Bundeswehr müssen uns auch mal an die eigene Nase fassen und uns fragen, was wir denn da immer fordern?
Aber es fängt schon ganz unten bei uns an. Wartung von Luftfahrzeugen und der Wunsch der Bundeswehr, dass jeder Soldat eine riesige Verwendungsbandbreite bekommt, passen einfach nicht zusammen. Aber an das Dienstrecht will ja keiner ran. Lieber haben wir einen HFw/HBtsm der noch nicht mal eine ATN hat und der schon von seiner Stabsverwendung für den Verwendungsaufbau träumt um Offizier zu werden als jemanden, der ein professioneller „Schrauber“ ist und sein will, für den Rest seiner Dienstzeit dort zu lassen. So wie es die Industrie auch macht. Und wie ich es mir auch wünsche, wenn ich in einen Hubschrauber der Bundeswehr einsteige: Gewartet von Profis.
In Schweden sitzt der NH-90 auch nicht fest im Sattel,
man schielt in Richtung Seahawk,
nachdem schon damals Blackhawks als Interim-Lösung für Medevac in AFG. geordert wurde, weil NH-90 nicht parat wurden
https://corporalfrisk.com/2021/12/29/enter-seahawk-exit-whitefox/
@Koffer
Ging auch viel um Tiger. Verständlicherweise. Die Frage war durchaus ernstgemeinte, was kann ein Kampfhubschrauber besser als Drohnen? Luftnahunterstützung? Dafür scheinen Drohnen wie gemacht….wann kommt das große europäische Drohnenprojekt?
Daneben gilt:
Airbus macht Boeing im zivilen Flugzeugbau nicht nur Konkurrenz, sondern Airbus hat Boeing sehr deutlich abgehängt. A321XLR, A220 -gegen die hat Boeing nix vergleichbares. Max10 keine Zulassung bis Ende des Jahres, 777X auf 2025 verschoben, 787 Qualitätsmängel- Auslieferungsstopp und MCAS erwähnt man besser erst gar nicht mehr.
Die Airbus Boeing Kooperation vom Chinook kann man dann ja auch beim Apache fortführen…
Ich „freue“ mich schon wieder auf die Reaktion der Bundeswehr: NH90 ist super, noch nie was besseres gefolgen, übererfüllt sämmtliche Anforderungen, Meilenstein für die Streitkräfte…..
Alle, die das nicht so sehen, sind doof. Norweger, Australier, Franzosen, Holländer etc.
Bitte am Thema dranbleiben, Hr. Wiegold. Vor dem Hintergrund des Sondervermögens wird das noch ganz großes Kino.
Also, um ‚mal ehrlich zu sein: mir ist total egal von wem NH-90 und TIGER am Ende stammen, wer welche Verträge mit wem geschlossen hatte und wer in den Dingern alles wie ‚rumgepfuscht hat oder auch nicht.
Fakt ist wohl, dass beide Hubschrauber von der Einsatzbereitschaft und verschiedenen anderen Parametern her keine „Burner“ sind – bestenfalls „Geldverburner“. Wenn nun drei Streitkräfte fest entschlossen sind, sich von diesen Geräten ASAPsly wieder zu trennen, dann liegt das wohl weniger an AUKUS noch sonstwas in der Art. Die Kameraden in drei Ländern haben offensichtlich über Jahre nur „IST“ mit „SOLL“ verglichen und sich schließlich und mutig für ein Ende mit Schrecken entschieden.
Gespannt bin ich, ob sich in Deutschland auch jemand finden wird, der diesen Geräten bald den Stecker ziehen wird. Die Zeiten sind nun leider andere geworden und der Verteidigungsetat ist m.E. kein unerschöpflicher Tropf mehr für offene oder verkappte Industrieförderung. An gut begründeten Argumenten gegen die Anschaffung / Fortsetzung der UHU’s und NH’s hat es in diesem Forum lange nicht gefehlt. Erinnert sei nur an oft recht hitzigen Debatten hier im leider längst abgeklemmten „Drehflügler“.
Und ja, bei aller Liebe zur vaterländischen Luftfahrtindustrie – die Bo 105 war seinerzeit ein Welterfolg. Aber warum kauft ziemlich die ganze westliche Welt AH-64 und UH-60 / HH-60? Auch die Frage sollte sich der eine oder andere einmal ehrlich stellen.
Merkwürdig ist, dass alle großen Beschaffungsprojekte der Bundeswehr, die nicht einwandfrei funktionieren – Gemeinschaftsprojekte mit anderen Staaten sind. Abgesehen der Puma, aber da habe ich wenigstens noch ein bisschen Hoffnung, weil die VJTF-Version als Kriegstauglich klassifiziert wurde, also mal abwarten…
Sowohl der Tiger, NH-90 oder der A400m sind alles Gemeinschaftsprojekte mit anderen Staaten, die nicht funktionieren oder nicht einwandfrei und nicht in großer Stückzahl. MMn. liegt das daran, dass die meisten europäischen Staaten einfach nicht das Know-how und die Industrie haben, um mit anderen Ländern z. B. Deutschland (mitführend in der Rüstungsindustrie) ernsthafte Waffensystem zu entwickeln und stattdessen mehr eine „Last” sind, in der Hoffnung, günstig Kriegsgerät auf Basis deutscher Technik und Ingenieurskunst zu bekommen, statt eine ernsthafte Bereicherung für die Projekte zu sein.
Schaut man sich hingegen die von der deutschen Industrie alleine entwickelten Waffensysteme an, also Leo 1-2, Marder, PzH 200, Fuchs, Fennek, Boxer, Gepard und viele weitere, sie alle gehörten und gehören zu den Besten ihrer Klasse. Dies war mMn. nur möglich, weil DE alleine gearbeitet hat.
Deutschland muss endlich wieder anfangen seine großen Waffensysteme allein zu entwickeln und versuchen sie an die europäischen Länder zu verkaufen, um so seine Vormachtstellung weiter auszubauen und dadurch gleichzeitig die europäische Souveränität und Demokratie zu verteidigen, egal gegen wem. Außerdem wird man dadurch schneller zur größten und stärksten Militärmacht in Europa, wovon die Politik seit einigen Monaten ja träumt…
Natürlich gibt es Alternativen, z.B. die AW159 Wildcat oder S-70B Seahawk als BHS, S-70 in der Heeresvariante als Transporthubschrauber. Und das Konstruktionsalter der S-70-Varianten als Gegenargument vorzuschieben, kann ja wohl nicht ernst gemeint sein, wenn man CH-47 beschaffen will. Für SAR-Zwecke dürfte die Coast-Guard-Version der S-70 (HH-60) wohl geeignet sein, auch die AW-101 könnte sich da als nützlich erweisen. Die AW101 könnte man genauso als deutlich größere Alternative für einen Transporthubschrauber in Betracht ziehen.
Das Bemerkenswerteste an diesem Vorgang ist meiner Ansicht nach die Erklärung der Norweger, keine Kosten und Mühen gescheut zu haben, um durch zusätzliche Arbeiten und Ersatzteilbeschaffungen den Klarstand des Musters im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verbessern. Denn hier liegt der Hase im Pfeffer!
Ich gehörte zu denen, die diesen Hubschrauber bisher gegen Kritik verteidigt haben, weil ich die Diskrepanz zwischen dem besseren Klarstand des Musters in Frankreich (nicht weltbewegend besser, aber doch immerhin) und den enttäuschendem Feedback z.B. aus Deutschland und Australien mit eingehend dokumentierten organisatorischen und finanziellen Mängeln in diesen Ländern in Verbindung brachte.
Wenn man aus Kostengründen nicht genügend Ersatzteile beschafft oder ein nicht navalisiertes Muster auf hoher See einsetzt, hat man die Vögel halt öfter nutzlos herumstehen – so, oder so ähnlich, lautete mein Resümee. Wenn jetzt aber die Norweger bekunden, dass sie alles richtig gemacht haben, müssen schließlich auch bei mir alle Alarmglocken schrillen. Europa hat sich hier einen veritablen Ofenschuss geleistet.
Hatte Boeing nicht mitgeteilt das sie nur grundmodell liefern , also ch 47 F und alle deutschen Extras von Airbus ausgeführt werden dann ?
Der H145m mag ja als schulhubschrauber gut sein , aber für die sonstigen Aufgaben Nur bedingt geeignet. Man hat sich zwar arrangiert aber es ist wie mit vielen anderen Sachen , wir hoffen das wir nie scharfen Einsatz brauchen .
@ Schnuckel
Ich wäre auch für EINE Variante. Das scheiterte aber an allen nationalen Extrawürsten der Kunden.
Wie ich oben schrieb gibt es zwei Antriebe, 2 Kabinenvarianten, unterschiedliche Lieferanten der Elektronik, Avionik und Bewaffnung und Versionen für drei Teilstreitkräfte, die sich fundamental unterscheiden.
Und ganz am Ende steht das Problem, dass es eben nicht einen Hersteller als Auftragnehmer gibt, sondern drei.
@ Brainstormer
Lesen Sie in Ihrem Artikel einmal die Details zu den beiden schwedischen NH-90 Varianten.
Selbst in einem Land unterscheiden sich die Varianten so stark, dass man eigentlich zwei Helikoptertypen gebraucht hätte…
Alles viel zu komplex. Beim Nachfolger des NH-90, der ja langsam in die Definitionsphase geht, hat man daraus hoffentlich gelernt.
Beim Sea Hawk, der in der Größe zwischen Sea Lynx und Sea Lion angeordnet ist, hat es auch zwei Jahrzehnte gedauert, bis man die heutigen Fähigkeiten erreicht hat.
Seit über 20 Jahren steht in der Bundeswehr fest, dass die Luftwaffe einen neuen, mittelschweren Transporthubschrauber als Ersatz für die CH-53 benötigt. Nun ist es der zuverlässige CH-47 Chinook geworden. Obwohl seit langem feststeht, dass die Bundeswehr einen neuen, mittelschweren Transporthubschrauber braucht, hat Airbus Helicopters keinerlei Anstalten gemacht, dafür einen Hubschrauber zu entwickeln. Warum nicht? Damit ließe sich doch bei einem guten Produkt viel Geld verdienen. Der UH Tiger und der NH 90 wurden nur deshalb entwickelt, weil dies Deutschland und Frankreich unbedingt wollten. Airbus Helicopters ist im Airbus-Konzern nur eine kleine Sparte. Airbus verdient den Großteil des Geldes durch ihre zivilen Airbus-Flugzeuge. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass man bei Airbus die Entwicklung und Erprobung der beiden Hubschrauber schon extrem vernachlässigt hat. Anderst sind mir diese beiden, unausgereiften und technisch extrem anfälligen Hubschrauber nicht zu erklären. Dafür sprechen auch die sehr großen, zeitlichen Verzögerungen, vor allem beim Tiger. Durch diese technische Anfälligkeit hat man einerseits nur eine sehr geringe Verfügbarkeit und andererseits dafür sehr hohe Kosten für Wartung und Ersatzteile. Für die Bundeswehr ist wichtig, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und die Waffensysteme vor der Einführung auf Herz und Nieren testet und nicht jeden Sch…. gleich enführt, der ihr da von der Industrie auf den Hof gestellt wird. Ein weiteres Problem ist, dass in den USA Kampf-und Transporthubschrauber kontinuierlich, evolutionär, weiterentwickelt werden und in Europa nicht. Die Bundeswehr sollte in Zukunft die Kampf-und Transporthubschrauber einführen, welche eine hohe Zuverlässigkeit/Verfügbarkeit besitzen und technisch ausgereift sind. Egal ob diese nun aus den USA oder Europa (Airbus) stammen. Da sollte dann auch auf Industriepolitik keine Rücksicht genommen werden. Airbus geht es auch ohne Militärhubschrauber glänzend.
@Panzerpionier Karl
Doch es gab Versuche. Schwerer Transporthubschrauber von Airbus FTH 2012. Amerikanische Triebwerke und Getriebe. Zelle von Airbus.
In Belgien war die viel zu geringe Anzahl (4TTH und 4 NTH) gleich der Anfang vom Übel. Wie kann man bei einem neuen Muster auch nur von einem „normalen“ Klarstand ausgehen?
Deutschland hat den „Vorteil“ der größeren Beschaffungszahl, so sind von derzeit gut 90 Heeres und Marine NH90 immer noch 20-30 bzw. 4-6 einsatzbereit.? Norwegen bekommt 14, da fliegen dann nur 3, das ist natürlich zu wenig für die beiden Skvadrons mit den unterschiedlichen Aufgaben.
@M.H.:
Belgien ist technisch-logistisch an die Niederlande gebunden. Daher ist die kleine Stückzahl kein Übel.
Und wo haben Sie ihre Zahl von 20-30 TTH und 4-6 NFH „einsatzklar“ her? Das scheint mir doch arg geschönt.
@Lage in Norwegen:
Wer sich für ein paar Details zur Lage in Norwegen interessiert, hier hatte ich im April 2021 schonmal was geschrieben (mit weiterführenden Links):
https://www.flugzeugforum.de/threads/norwegen.30625/page-7#post-2836773
@Markus sagt: 11.06.2022 um 1:16 Uhr
„Merkwürdig ist, dass alle großen Beschaffungsprojekte der Bundeswehr, die nicht einwandfrei funktionieren – Gemeinschaftsprojekte mit anderen Staaten sind. […]
Schaut man sich hingegen die von der deutschen Industrie alleine entwickelten Waffensysteme an, also Leo 1-2, Marder, PzH 200, Fuchs, Fennek, Boxer, Gepard und viele weitere, sie alle gehörten und gehören zu den Besten ihrer Klasse.“
Starke Behauptung, schwacher Beweis…
Fennek und Boxer sind D-NL Gemeinschaftsprojekte, der Alpha Jet hat auch gut funktioniert.
Die zentrale Frage ist, ob Produkte im Wettbewerb entwickelt worden sind oder von vornherein als kollaborative (Monopol-)Projekte angelegt waren.
So gingen alle 3 oben aufgezählte Gemeinschaftsprojekte aus Auswahlverfahren mit mehreren Konkurrenten hervor.
Und der von Beginn an als kollaboratives Projekt (zwischen sonst konkurrierenden Firmen) geplante Puma hat halt die gleiche dysfunktionale Struktur auf Anbieterseite wie der NH90.
Ich verstehe nicht, wieso in der Diskussion und im Artikel („…mit dem Hubschrauber NH90 von Airbus hat Norwegen…“) oft der NH90 als Airbus-Produkt gesehen wird. Beim NH90 sind doch Leonardo und Fokker sind auch im Boot?
Mit den erfolgreichen zivilen Hubschraubermodellen beweist Airbus, dass die Firma derartige Fluggeräte entwickeln und bauen kann. Warum laufen aber die Programme Tiger und NH 90 nicht? Betrachten wir die deutschen Exemplare NH 90: zuvorderst hat der Hersteller offensichtlich schon die Entwicklung des Grundmodells falsch eingeschätzt, so dass zwischen dem Erstflug des Prototyps und dem der ersten Serienmaschine rund zehn Jahre ins Land gingen. Um die überalterte UH 1 abzulösen, erhielt die Bw eine Art Vorserienmaschinen mit einer sog. meaningful operational capacity, sprich der Fähigkeit, unfallfrei zu starten und zu landen (hinzu traten Probleme wie schwache Kabinenböden, beim Tiger z.B. durchgescheuerte Kabel, also Konstruktionsfehler etc.); in der Folge wurden Exemplare mit weiteren Fähigkeiten ausgeliefert, so dass im Laufe der Jahre zwangsläufig mehrere Versionen im Umlauf waren, die irgendwie in den Endzustand der FOC versetzt werden mussten und noch müssen, was die Zahl flugtauglicher Exemplare verringert. Diese Vorgänge kann man den jeweiligen Rüstungsberichten entnehmen, sie sind noch lange nicht abgeschlossen. Hinzu kam das bekannte Desinteresse der Politik mit einer laschen Haltung zur Ersatzteilversorgung (die aufgrund der beschriebenen Vielfalt der Versionen ohnehin schwierig ist) – „Ersatzteile kaufen wir, wenn Sie gebraucht werden“. Der Hersteller musste zwischenrein noch ein paar hindukuschtaugliche Exemplare zusammenschustern, was wiederum Kapazität zur Umrüstung und Wartung kostete. Letztendlich besteht ein niedriger Klarstand und eine mangelhafte Instandhaltungsleistung. Soweit, so schlecht. Diese Zustände waren und sind jedoch nur möglich, weil der Auftraggeber es offensichtlich versäumt hat, mit dem Hersteller eindeutige und verbindliche Vertragsbedingungen zu vereinbaren, welche die pünktliche Lieferung eines voll einsatzfähigen Produkts garantieren und empfindliche Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung vorsehen. Statt dessen, hier ist der sog. Sea Tiger das nächste abschreckende Beispiel, wird weiterhin der Lieferung zunächst unfertiger Hubschrauber zugestimmt – die heißen jetzt „increment“ eins bis x -, so dass sich auf unabsehbare Zeit kein voll ausgerüsteter Stand erreichen lässt. Nachdem Airbus mit dieser Vorgehensweise gut profitiert, besteht von dieser Seite her kein Interesse, eine schlagkräftige Hubschraubertruppe mit aufzubauen, zumal in den einschlägigen Rüstungsberichten die Auslastung der Ingenieurkapazität des Herstellers positiv hervorgehoben wird. Andere Länder, andere Sitten: weder Australien noch Norwegen haben irgendein Interesse, die Auslastung der deutschen Ingenieure in Ottobrunn oder Donauwörth zu pflegen, sondern daran, für ihr Geld das vertragsgemäß zu liefernde und funktionierende Produkt zu erhalten. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es nur vernünftig, das Geschäft aufzulösen und sich nach Besserem umzusehen. Die Absicht, die Wartung des CH 47 Airbus zu übertragen, lässt diesbezüglich jedenfalls nichts Gutes ahnen (abschreckendes Beispiel: P 3C). Wenn die Bundesregierung die propagierte sog. Zeitenwende ernst meint, dann müssen bei allem Wohlwollen gegenüber einer Unabhängigkeit der europäischen Rüstungsindustrie wasserdichte, pönalebewehrte, produkt-und leistungsorientierte Verträge geschlossen werden, sonst wird das nix.
Es gibt doch schon ein neues Programm NGRC, soll von Airbus und Leonardo, ähnlich wie beim NH Verbund entwickelt werden. Aus dem NH90 will man gelernt haben. 1000 Hubschrauber sollen ab 2030 ( z.b NH90/Merlin) ersetzt werden. Leonardo und Airbus arbeiten hier, wie auch beim RACER, zusammen. Der wird evtl. die Basis.
Die Amerikaner werden möglicherweise die neuste Avionik aus ihren beiden Hubschrauber- Programmen besteuern. Diese offene Systemarchitektur kann auch für Fighter verwendet werden. Die Vertragsunterzeichnung NGRC ist 2022/2023 geplant.
Peter Eberl sagt:
Weil das beim A400M ja so gut funktioniert hat? Einer der besten Verträge der Bundeswehr und politisch einfach auf Druck von Airbus übersteuert.
Die zivile Sparte von Airbus ist höchst kompetent, dass lässt sich so aber leider nicht von der militärischen sagen.
Fakt ist auch, dass die Beschaffungsbehörden wissen, dass jede multinationale Kooperation über zwei Beteiligten mehr Nachteile als Vorteile für alle Beteiligten hat – Zeit und Kosten verbessern sich nur bei genau zwei Beteiligten – sich aber an den politisch gesetzten Rahmen halten müssen.
@ Hoffnungslos
Richtig, das ist der Nachfolger des Puma, Cougar, Caracal, NH90 und AW101.
Vermutlich in zwei Varianten. Interessant wird, ob man auf Geschwindigkeit des Racers setzen wird, oder ob es eher bei der heute üblichen Geschwindigkeit bleibt.
Der Race-Demonstrator steht kurz vor Fertigstellung. Er hat natürlich…auch Verspätung, aber er zeigt deutlich, wozu der europäische Hubschrauberbau fähig ist, obwohl 13 Länder daran beteiligt sind:
https://www.airbus.com/en/innovation/disruptive-concepts/disruptive-design/racer
@ Singulativ
Beim A400M hat sich das NH90-Dilemma wiederholt.
Unzählige gewünschte Fähigkeiten, die man alle gleichzeitig einführen wollte, ein komplett neues Triebwerk in einer Leistungsklasse, die es im Westen gar nicht gab, usw.
Aber da ist man nun auf der Zielgeraden und bietet ein Flugzeug ohne jede Konkurrenz an.
Auch in zwei Klassen darunter ist Airbus mit der C295 und CN235 bestens vertreten und absoluter Marktführer.
Man kann also, wenn die Vorgaben realistisch sind und man sukzessive entwickelt.
Sehe ich ähnlich wie @Der Realist. Black Hawk und Apache zu loben ohne auf deren Anfänge zu schauen ist der falsche Weg. Deren Probleme waren anfangs durchaus vergleichbar nur kam da nicht die Bürokratie in die Quere und hat eine Weiterentwicklung der Systeme verhindert. A400m ist auf einem guten Weg und das wäre bei NH90 und Tiger genauso, wenn diese komplizierte Vertragsstruktur mit 100ten Extra Würsten nicht wäre. Auf die europäische Bürokratie kommt dann die deutsche, darauf die der Bundeswehr und darauf die des Heeres. Letztere halte ich dabei für besonders schlimm. Ein Hubschrauber ist kein Panzer und wären beide WS vor 10 Jahren in die Nutzung bei einer „Dimension Luft“ gegangen würden sie heute anders da stehen. Die CH47 Regimenter waren in großen Teilen froh, nach start Schwierigkeiten, zur LW zu gehen. Irgendwie sind ja auch nur die WS im Heer so schlecht im Klarstand bzw 15 Jahre so schlecht geblieben.
Bezeichnend für diese Symptomatik ist ja die DEMAR Umstellung im Heer. Ist eine geplante Umstellung in die Bereiche der Dimensionen eigentlich gänzlich vom Tisch?
@ Markus
Haben Sie auch mal verglichen, wann diese Projekte aufgelegt wurden? Der Forderungskatalog für den Tiger stammte aus dem Jahr 1984. Da stand die Mauer noch. Die Franzosen hatten ihre Einätze in Nordafrika mit im Sinn (Kinnturm), während man in Deutschland nur an die sowjetische Panzerlawine gedacht hat.
Dann viel die Mauer und der Warschauer Pakt zerbrach und auf einmal war die Bedrohung weg zu deren Bekämpfung der Tiger gedacht war. Die benötigten Stückzahlen schrumpften während man krampfhaft nach Begründungen gesucht hat, wofür man diesen Hubschrauber braucht. Je länger die Entwicklung sich hinzog, desto mehr änderten sich die Anforderungen, denen das Gerät gerecht werden musste. Das die Marketingabteilung von Eurocopter vielleicht den Mund zu voll genommen hatte tat sicher auch dazu.
DIe Anfänge für den A400M stammen aus derselben Zeit. Hier wurde aber schon mal der Kardinalfehler begangen, eine Firma mit dem Projekt zu betrauen, die mit dem Bau militärischer Transportflugzeuge keinerlei Erfahrung hatte. Airbus (damals EADS) erfand das Rad ein zweites Mal als Oktagon. Hätte Helmut Kohl damals dem A400M den Stecker gezogen (wie er das vorgehabt hatte), dann hätte die Bundeswehr heute die AN-70 (hätte man ja auch in Ddeutschland in Lizenz bauen können) und damit sehr viel schneller ein Flugzeug erhalten, das zuverlässiger, größere Objekte mit größerem Gewicht über größere Distanzen transportieren kann als der A400M. Hätte-hätte-Fahradkette. Aber bei der Bundeswehr brauchte man ja nur einen Transporter zum Absetzen von Luftlandetruppen und zum kutschen von Getreidesäcke im Rahmen der Welthungerhilfe nach Afrika. Es kam anders, die Rahmenbedingungen wurden andere und so war das mit den Anforderungen und heute ist der A400M nur noch bedingt adäquat.
Keiner von uns hat eine Kristallkugel, aber ich bin mir sicher, dass gerade der Krieg in der Ukraine dazu zwingt viele Vorstellungen von Anforderungen an das Material zu überdenken. Genau so wie in Afghanistan plötzlich der Schutz gegen IED und Minen eine neue Bedeutung erlangte, so ist es jetzt der Einsatz bewaffneter Dronen, der neue Bedingungen schafft. Wer braucht schon noch Panzerabwehrhubschrauber wenn „Bummelmunition“ und bewaffnete Dronen denselben Job ohne Gefährdung für Piloten erledigen können? Vielleicht ersetzen schon morgen Helikopter-Dronen auch den Transporthubschrauber bei der Versorgung von Truppen und beim MedEvac.
Manchmal muss man einfach mal eine mutige Entscheidung treffen und vielleicht eine suboptimale Lösung, die sofort zum Schließen einer Fähigkeitslücke verfügbar ist, kaufen. Wenn man Jahrzehntelang nur ‚promoviert‘, um wirklich alle Eventuallitäten zu berücksichtigen, dann kriegt man gar nichts gebacken.
In englischsprachigen Foren sickern langsam Informationen durch, die sich etwas von der Aussage der norwegischen Marine unterscheiden.
Die Union der Piloten sagt, dass ein Teil des Problems die nicht ausreichende Anzahl an Ersatzteilen sei, da die Norweger dort gespart hätten.
Auch bei anderen Projekten wie den neuen norwegischen Fregatten wurden gleiche Probleme genannt.
Guten Morgen,
Im Regelfall ist die französische Zeitung La Tribune eine gut-qualibrierte Quelle (in der französischen Presselandschaft), um ein bisschen mehr zu wissen :
https://www.latribune.fr/entreprises-finance/industrie/aeronautique-defense/norvege-la-decision-d-annuler-le-contrat-nh90-interpelle-y-compris-chez-les-norvegiens-921437.html
NHI, aber auch die NOR Regierung hätten beide anscheinlich ein bisschen gelogen…
Wer weiss genau ?
Solche Meldungen habe ich in Deutschland noch nicht gelesen…
@Der Realist
Haben Sie vielleicht einen Link dazu?
@ muck
Unter anderem hier:
https://www.airliners.net/forum/viewtopic.php?t=1473659&p=23340383
Und dort ist die Stimmung normalerweise eher gegen europäische Rüstungshersteller gerichtet…
Jeder Autokäufer wickelt seinen Vertrag zurück ab, wenn die Leistungen nicht passen, trotz Herstellernachbesserung.
Deshalb ist dringend an der Zeit die Hersteller / das Konsortium NHI dazu zu zwingen die vertraglichen Liestungen einzuhalten, ansonsten Geld und Hubschrauber jeweils zurück!
Hallo zusammen,
Das französische Verteidigungsministerium gab am 13. Juni bekannt, dass Deutschland und Frankreich NHIndustries einen neuen, leistungsorientierten Vertrag zur Unterstützung des NH-90-Betriebs erteilt haben.
Dieser neue Unterstützungsvertrag soll es den Streitkräften ermöglichen, „sofort über Ersatzteile für die Wartung und Reparaturen“ zu verfügen und das Ziel einer „50%igen Verfügbarkeit ab Anfang 2023“ zu erreichen.
Laut der Ministère des Armées wurde dieser Vertrag von der Direction générale de l’armement [DGA] und der Direction de la maintenance aéronautique [DMAé] (seit 2020) ausgearbeitet, um den spezifischen Bedürfnissen der französischen Streitkräfte gerecht zu werden. Anschließend wurde er „an alle Partnernationen, die den NH-90 einsetzen“, angepasst. Also zunächst auch auf Deutschland.
„Dieser Vertrag ist der erste Schritt zu einer effizienteren gemeinsamen Unterstützung, die allen Partnernationen des NH90-Programms zugute kommt. Frankreich und Deutschland werden ihn als erste umsetzen. Andere Nationen haben bereits ihre Absicht bekundet, sich ihnen mittelfristig anzuschließen.“
Der Vertrag sieht auch einen „Leistungsanreizprozess“ vor, um NHIndustries [und Airbus Helicopters im Besonderen] zu ermutigen, „die Verfügbarkeitsziele zu übertreffen.“ Von nun an sollen die Verfügbarkeitsrate und die Anzahl der Flugstunden garantiert werden.
https://www.defense.gouv.fr/dga/actualites/signature-du-nouveau-contrat-soutien-operationnel-lhelicoptere-nh90
@Der Realist sagt: 13.06.2022 um 8:30 Uhr
„In englischsprachigen Foren sickern langsam Informationen durch, die sich etwas von der Aussage der norwegischen Marine unterscheiden.
Die Union der Piloten sagt, dass ein Teil des Problems die nicht ausreichende Anzahl an Ersatzteilen sei, da die Norweger dort gespart hätten.“
User „M564038“ (anscheinend Norweger) schreibt dort:
„The officer’s union representing the actual users of the helicopters aren’t in agreement with the cancellation, and says most of the operational problems with the helicopters stems from the norwegian logistical side of things. They say they have had exact same kind of problems with the NH90 as they are starting to have with the P8s, which aren’t flying because someone forgot to order the right kind of oil or something of that kind.“
Also (1.) habe ich keine Beiträge in norwegischen Medien gefunden, die diesen Post stützen.
Vielmehr forderte die „Befalets Fellesorganisasjon“ (das NO-Äquivalent zum Bundeswehrverband) 2018 die Ablösung der NH90 durch den MH-60. Diese Position wurde auch 2019 noch aktiv in Facebook-Kommentaren vertreten.
https://web.archive.org/web/20210618085031/https://www.bfo.no/offisersbladet/kan-dette-vaere-losningen-pa-helikopterutfordringene
https://www.facebook.com/BefaletsFellesorganisasjon/posts/1990884370966928
Es ist aber (2.) durchaus verständlich, dass Soldat:innen besorgt sind, wenn ihr Arbeitsgerät von heute auf morgen abgestellt wird. Deswegen gibt es auch extra Gesprächsrunden mit den Betroffenen.
https://forsvaretsforum-no.translate.goog/bardufoss-bardufoss-flystasjon-luft/luftforsvarsjefen-om-nh90-en-alvorlig-beslutning-som-angar-veldig-mange-folk/270986?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=en&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp
Abschließend (3.) ist der Vergleich NH90 (1. Auslieferung 2011) mit P-8 (1. Auslieferung 2021) ziemlich sinnbefreit.
„Auch bei anderen Projekten wie den neuen norwegischen Fregatten wurden gleiche Probleme genannt.“
User „Kiwirob“ (anscheinend Neuseeländer) schreibt dort:
„The navy had the same problem with the Frigates, they bought 5 but didn’t buy a sufficient pool of spare parts, this resulted in one of the frigates being cannibalised for parts to keep the other 4 operational.“
Die Norweger wären doch glücklich, wenn sie nur 20% der Hubschrauber (d.h. 3) außer Dienst stellen müssten, um mit dem Rest ordentlich fliegen (und kämpfen) zu können.
Davon unbenommen scheinen sie (bei der Marine insgesamt) die gleichen Probleme zu haben, wie alle europäischen Streitkräfte. So heißt es in einem schwedischen Bericht des FOI: „The Norwegian Navy has a number of highly capable systems but suffers from a lack of crews, spare parts and maintenance.“
https://www.foi.se/rest-api/report/FOI%20Memo%207596
Langer Recherche, kurzer Sinn:
Ganz offensichtlich haben die Norweger mit zu wenig Ersatzteilen zu kämpfen – und möglicherweise haben sie in der Anfangsphase auch Fehler gemacht. Aber dass hier (zum jetzigen Zeitpunkt) ein besonderes Eigenverschulden vorliegt oder große Teile der Streitkräfte beim NH90 bleiben wollen, ist aus der Quellenlage eindeutig nicht abzuleiten.
Also zwei einzelne Posts ohne Quellen bei airliners.net mit „sickern langsam Informationen durch“ zu umschreiben, finde ich relativ gewagt – und sollte vielleicht nicht Standard auf ag.net werden…
K.B. sagt: 13.06.2022 um 17:56 Uhr
So, hab noch ein wenig weitergesucht…
Hier die Passage bezüglich der Aussagen eines Vertreters des „Norges offisers- og spesialistforbund“ (NOF) aus dem Februar:
„The union leader in the Norwegian Officers and Specialists Association, Torbjørn Bongo, is skeptical about terminating the contract for the NH90 helicopter.
He tells NRK that the problems with the Italian helicopter type are not just related to the supplier. The coordination between all agencies in the defense has also created problems for the operation of the helicopters, he believes.“
Was inhaltlich auch den Standpunkt des norwegischen Rechnungshofes widerspiegelt, dass die Verantwortung nicht nur beim Hersteller zu suchen ist.
Die aktuelle Kritik der NOF an der Vertragskündigung bezieht sich primär auf die Nicht-Einbindung in die Entscheidung und das Fehlen eines konkreten Plans für die Betroffenen. Die Aussage „But now the NH90 is starting to work.“, sehen halt viele Beteiligte in Norwegen nicht so.
https://www.nof.no/arkiv/Landsstyret-bekymret-over-manglende-involvering
https://www.nrk.no/tromsogfinnmark/regjeringen-kan-velge-a-dumpe-nh-90-helikoptrene-1.15848247
https://www.nrk.no/tromsogfinnmark/skroter-nh90-helikoptrene-pa-bardufoss-_-de-ansatte-er-ikke-blitt-hort_-sier-forbundsleder-bongo-1.15997114
Für mich klingt das alles nach normaler Diskussion im Verteidigungsbereich, ohne irgendwelchen verschwiegenen Interna…
@ K.B.
Sie selber nennen Facebook-Kommentare, die mehrere Jahre alt sind und fordern im Gegenzug, dass man hier nur bestimmte Informationen teilen sollte?
Lesen Sie gerne einmal heute in LaTribune über die aktuelle Problematik, wenn Sie mögen.
Ein Teil des Support-Problems in Norwegen liegt bei Leonardo. Dieser Hersteller versucht, den AW101, den man zu 100 Prozent baut, als Nachfolger eines Helikopters in Norwegen zu etablieren, an dem man nur zu 1/3 beteiligt ist.
Wie schaut es eigentlich bei uns mit der Einsatzbereitschaft aus? Für das Jahr 2017 lag sie bei ja nur bei durchschnittlich 35% im Heer ( https://www.dbwv.de/fileadmin/user_upload/Mediabilder/DBwV_Info_Portal/Politik_Verband/2018/Bericht_Einsatzbereitschaft.pdf , S.49f.). Und sind die dort aufgelisteten Maßnahmen umgesetzt worden? Übrigens werden bereits in diesem Dokument ein „kaum handhabbares Inspektionssystem“ und extrem schwierige Absprachen aufgrund des komplexen Vertragswerkes angemahnt – auch wieder über vier Jahre alt…
@Voodoo sagt: 13.06.2022 um 22:09 Uhr
„Wie schaut es eigentlich bei uns mit der Einsatzbereitschaft aus?“
Schlecht. Konkrete Zahlen werden ja schon länger nicht mehr veröffentlicht, aber hier ein paar Zitate aus dem Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft vom Januar:
„…bleiben die Einschränkungen bei der Anzahl operationell einsetzbarer Systeme über das Jahr 2023 hinaus bis 2024 spürbar.“
„Zur Verbesserung der Situation [bei der Instandhaltung] wird derzeit mit der Industrie an einem neuen, leistungsbasierten Ersatz- und Austauschteileliefervertrag – Nahema Operational Support (NOS) – gearbeitet, der sich jedoch frühestens ab 2023 auswirken wird.“
Dieser Vertrag (oben von Jean-Pierre erwähnt) wurde am 23.05. unterschrieben und am 13.06. (nach der Abbstellung) nochmal von Airbus in einer Pressemitteilung hervorgehoben.
https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5434066/3414bc81df2bb7802450aa3895b0d560/09-langfristiger-servicevertrag-steigert-die-einsatzbereitschaft-der-nh90-flotte-data.pdf
https://www.airbus.com/en/newsroom/press-releases/2022-06-nhindustries-and-nahema-sign-innovative-nh90-support-contract
Auch die aktuellen Äußerungen des Kommandeurs der Marineflieger, Thomas Bobzin, hören sich nicht gut an:
„Letzte Woche 2 gute Gespräche zur Einführung #NH90 gehabt.Da haben wir noch ’nen langen Weg vor uns: Prozesse zu lang, Verantwortung zu weit von der Aufgabe, kein gemeinsamer Fokus, zu wenig Kommunikation.“
Seine wichtigsten Punkte zur Verbesserung:
„Kalendarische & Flugstunden-abhängige Maßnahmen harmonisieren sowie Flexibilitäten ausschöpfen, um den Aufwand zu reduzieren & besser organisieren zu können.“
https://twitter.com/CdrDeuNavalAir/status/1530929315671597061
https://twitter.com/CdrDeuNavalAir/status/1535504774606503936
Und dann gibt es noch meine fatalistische Einschätzung aus dem Januar:
„Aber das zentrale Problem: Es wird einfach nichts besser. Es scheint einfach nur einen sich mit verschiebenden Zeitraum von +/- zwei Jahren geben, der ausreichend groß ist, um Hoffnungen und Wünsche hineinprojizieren zu können.“
https://augengeradeaus.net/2022/01/materiallage-der-bundeswehr-ganz-leichte-verbesserung/comment-page-2/#comment-373215
Ähnlich pessimistisch die Aussagen von David Bardet, Airbus-Mitarbeiter:
„Having worked on NH90, I find it sad but I fully understand how this came out: this type of artificial cooperations only creates unmaintainable Frankenstein architectures.“
„NH90 was initiated by 4 core countries (each with its specific requirements) forcing 2 competitors (+ other partners & offsets) to work together with arbitrary/political sharing of tasks. Organizational complexity was extreme.“
https://twitter.com/david_bardet/status/1535165000297357315
@Der Realist sagt: 13.06.2022 um 19:10 Uhr
Um meinen Punkt zu verdeutlichen: Ich freue mich immer über konkrete Aussagen mit konkreten Quellenangaben. Dabei spielt erstmal keine Rolle, auf welcher Plattform diese Aussagen getätigt worden sind. Aber ohne diese Zuordnung kann man nicht vernünftig diskutieren.
@Voodo: dem 14. Rüstungsbericht (2021) zufolge konnte hinsichtlich der materiellen Einsatzbereitschaft des NH 90 TTH ein positiver Trend festgestellt werden, den es „zu verstetigen gilt“, was wiederum mit den altbekannten Problemen der mangelhaften Ersatzteilversorgung, der fehlenden Wartungskapazität und dem laufenden Umbau (diesmal sog. THOR-Projekt, um das Ding aus dem techischen Veteranenstatus zu holen) zusammenhängt, auch liegt die Ausbildung der Piloten „unter den Erwartungen“; unterm Strich hat sich nichts geändert, obwohl man gegenüber dem ursprünglichen Ansatz schon rund 1,3 Mrd. Euro zugebuttert hat. Im Falle des NH 90 NTH schaut’s geradezu zappenduster aus, wobei neben Fertigungsmängeln auch die o.e. Probleme eine wesentliche Rolle spielen; das Erreichen der FOC wird für Teilaspekte des Leistungsspektrums des NH 90 NTH sogar als nicht möglich bewertet, insbesondere bereitet der sog. step 2 der Ertüchtigung zum richtigen Hubschrauber große Sorgen. Allerdings schwärmt der Bericht in blumigen Worten vom geradezu gigantischen Fähigkeitszuwachs, den die NH 90-Modelle bringen werden, und so wird munter weitergewurstelt. Konequenzen für den Hersteller? Fehlanzeige!
Ich möchte gerne das Thema Ersatzteile beleuchten:
Wenn der Hersteller von Geräten/Systmen/Hubschrauber eine MTBF [Mean Time Between Failure] von x Stunden angibt, berechnet sich daraus die Anzahl der Ersatzteile für eine bestimme Anzahl von Betriebsstunden von y Geräten/Systemen/Hubschraubern pro Jahr auf z verschiedenen Basen. Gibt der Hersteller falsche Werte an, braucht man scheinbar auch weniger Ersatzteile (auf Lager) und das Gerät/System/Hubschrauber scheint damit billiger im Betrieb.
Wenn sich im Betrieb herausstellt, dass die MTBF falsch/falschgerechnet ist, ist der Betreiber/Nutzer natürlich der Dumme, weil man dann immer zu wenige Ersatzteile im eigenen Bereich zur Verfügung hat, Wenig Ersatzteile im Lager (bei allen Betreibern) erzeugt eine erhöhte Bestellmenge beim Hersteller …..macht eine enorme Lieferzeit und das schlägt bei allen Betreibern zu 100% auf die Einsatzbereitschaft.
Und von diesen ‚Rechenkunststücken‘ gibts im Programm NH90 und TIGER eine ganze weitere Anzahl….und das sehen wir weltweit an der Einsatzbereitschaft aller Flotten….und das ist nur ein kleiner Teil des sichtbaren Eisberges.
Ich will mich aber nicht auf ein Projekt oder einen Hersteller ‚einschiessen‘, denn: Woanders ist es nie besser, sondern nur anders.
@ K.B.
Wir werden zu dem Thema noch eine Menge lesen, aber ich denke Ihr zitierter Begriff „Frankenstein architectures“ erklärt das Grundproblem beim NH90 ziemlich gut, da es in der Luftfahrt ein Synonym für zu komplexe und Varianten-reiche Verschlimmbesserungen eines eigentlich soliden Produktes steht. Die Basis eines Flugzeugs oder Helikopters stellt im Militärbereich fast nie ein Problem da. Es sind immer die Veränderungen, Sonderwünsche, oder einfach konträre Anforderungen, die kaum miteinander vereinbar sind, ohne massive Verspätungen zu erzeugen. Siehe hierzu als Beispiel die F-35. Drei Varianten, die am Ende so verschieden sind, dass man eigentlich von 3 Mustern sprechen könnte, damit alle Anforderungen erfüllt werden können. Beispiele gibt es genug.
Beim Nachfolger des NH90 wird es besser. Ob da dann tatsächlich Norwegen eine Bestellung abgeben wird, steht auf einem anderen Blatt.
Da aber sowohl Airbus, als auch Leonardo am Nachfolger beteiligt sind, gehe ich davon aus.
In der Zwischenzeit könnte Norwegen seine AW101 aufstocken, oder den H175M, der aktuell gerade der RAF angeboten wird, für die Aufgaben des NH90 bekommen.
Die Amerikaner werden natürlich mit aller Macht probieren, die SH-60 zu verkaufen.
@Der Realist: Wenn man die angebliche Vielzahl der NH 90 – Versionen der einzelnen Bestellernationen ins Feld führt, um den ganzen Schlamassel zu beschreiben, trifft man nur am Rande ins Ziel. Im Falle der Bundeswehr liegen die Fakten klar auf der Hand, zumal sie auch von der Amtsseite so beschrieben werden, eben unterschiedliche nationale Bauzustände, Konstruktionsmängel, Ersatzteilmangel und fehlende Wartungskapazität. Neben dem offensichtlichen Desinteresse des Herstellers, alle erdenklichen Anstrengungen im Hinblick auf eine funktionsfähiges Waffensystem zu unternehmen (was ja auch anderen Betreibern aufgefallen ist), liegt der Hund auch in der Art und Weise, wie die Beschaffung großer Systeme in den letzten 25 Jahren betrieben wurde, begraben: um das friedliebende Volk und das Parlament nicht mit den tatsächlichen, auf die voraussichtliche Betriebsdauer gelegten Beschaffungskosten zu verschrecken, hat man einerseits den Lieferzeitraum überlang ausgedehnt und andererseits für den Kauf erstmal nur die kleinstmöglichen Kosten, z.B. für das bloße Fluggerät ohne Tankfüllung, angegeben. Die Kosten für die entsprechende Infrastruktur und Logistik wurden quasi ins nächste Budget verschoben, wo sie unweigerlich zusammengestrichen wurden. So ziehen sich die Probleme wie ein Strudelteig in alle Richtungen, wobei der Hersteller mehrmals Gelegenheit erhält, eine Honrarnote abzugeben, indem aufgrund des langen Beschaffungszeitraums die erstausgelieferten Exemplare längst der sog. Obszoleszenz anheimgefallen und kampfwertsteigerungswert geworden sind. Wie in vielen Teilen unseres Lebens (marode Schulen, Brückenbauwerke etc.) fallen jetzt der Bundeswehr die sog. schwarzen Nullen der Budgetkünstler auf den Kopf. Airbus ist aber durchaus in der Lage, die Entwicklung und Fertigung einer großen Zahl von Versionen eines einzigen Grundmodells zu steuern, siehe dazu den Bau von Verkehrsflugzeugen für viele Fluggesellschaften, die allesamt Sonderwünsche haben. Auf diesem Felde jedoch gibt’s den Wettbewerb, so dass die Dinger uneingeschränkt funktioneren müssen. Im Übrigen stellt der F 35 Jet keinen guten Vergleich dar, da von vorneherein klar war, drei Versionen zu entwickeln, die sind der US-Marine oder dem US-Marinekorps nicht im Nachhinein eingefallen, nach dem die USAF so ein schönes Spielzeug bekommen sollte.
@Peter Eberl: in Summe zutreffender Kommentar. Zwei Ergänzungen:
1) Die Industrie hat per se kein Interesse an schlecht und lang laufenden Prozessen, Projekte wie NH90, A400M etc. sind ungeliebt. Das Geld wird in der Industrie nicht am ewiglangen Herumdoktern an Prototypen verdient sondern letztlich an einer Serienfertigung mit anschließendem After Sales-Geschäft. Letztlich hat die Politik es verbockt, der Industrie eine praktisch unlösbare Aufgabe gegeben, dafür nicht das Budget verfügbar gemacht und dann auch noch permanent an den Anforderungen herumgebastelt.
2) Bei Airbus und Boeing gibt es zwar eine Vielzahl an Ausstattungsvarianten, das „ausstattbare“ Grundmodell ist aber immer identisch, anders als beim NH90. Natürlich kann jede Airline seine Sitze selber wählen und bekommt dann die Angebote von Zodiac, Recaro etc – aber eben auch hier mit dem Unterschied, dass beide Hersteller in den Großserien jeweils um die 500 Stück p.a. produzieren (A32X, B737) und selbst in den kleinen Serien (A330, 777) immer noch auf mehrere Flugzeuge pro Monate kommen. Sprich: Standardprozesse für einen hohen Output. Was wiederum zu 1) führt – lang gestreckte Kleinserien und dies verteilt über viele Standorte führen nicht zum Erfolg.
So richtig viele Alternativen hat man in Norwegen m.E. nicht. Man könnte auf die praktisch gleich große H225 (Super Puma) gehen, die in der Offshoreindustrie in Norwegen aber keinen guten Ruf hat. Man könnte auf die größere AW101 gehen, wobei man auch dort schon selber ein Exemplar zerlegt hat. Die H175 ist deutlich kleiner, wie auch die AW189. Und natürlich die SH-90, die etwas kleiner wäre.
@Peter Eberl
Sehr schön zusammengefasst.
Hinzu kommen noch die ganzen Datensilos, die eigentlich zusammengehören (Datendurchgängigkeit), die mit den Verfahren der Bw gefüllt werden.
Das macht es auch Ver-fahren.
@ Peter Eberl
Bitte springen Sie nicht auch auf den Zug Derer auf, die den NH90 als Airbus-Produkt sehen…
Bei Vertragsabschluss des NH90 gab es Airbus Helicopters noch nicht. Genauso wenig wie Leonardo als zweitgrößtem heutigem Anteilseigner. Einzig Fokker ist übrig geblieben.
Ich sehe die Probleme natürlich mehrschichtig, aber der Hauptverursacher ist die Politik. Zum Einen durch Varianten-Vielfalt ohne Nutzen, lokale Ausrüstungen, insgesamt 6 verschiedene Endmontagelinien und unnötiger Konkurrenz mit europäischen Produkten von Aerospatiale und AgustaWestland, den Vorgängerfirmen der heutigen Firmen im NHI-Konsortium. Also Konkurrenz im eigenen Haus.
Aber auch auf Seiten des Militärs. Denn wenn Länder wie Belgien insgesamt 10 Helikopter in zwei Versionen bestellen, muss man sich nicht wundern, wenn der Ersatzteil- und Schulungsaufwand nicht zum gewünschten Ergebnis, also hohem Klarstand führt. Man braucht schon eine gewisse kritische Masse, um eine hohe Verfügbarkeit zu erreichen. Das ist im zivilen Bereich nicht anders, wo die Betriebskosten explodieren, wenn ich von einem Muster weniger als 15 bis 20 Maschinen einsetze und trotzdem eine hohe Verfügbarkeit erreichen möchte. Da wäre durchaus Luft für Kooperationen zwischen Ländern mit eher kleinen NH90-Flotten gewesen.
Damit kommen wir zum nächsten Problem: Ersatzteile, Service, Reparaturen. Was wurde in ganz Europa nicht zusammengestrichen, eingespart, an die Industrie abgegeben? In jedem Land konnte man das beobachten.
Aber auch das Hersteller-Konsortium NHI trifft eine Mitschuld. Es wurde insgesamt viel zu sehr auf unnötige Kundenspezifikationen eingegangen, die am Ende zwar zu Helikoptern mit verschiedensten Komponenten für gleiche Aufgaben geführt haben, aber den Streitkräften leider nichts gebracht haben, außer teilweise extreme Verspätungen.
Man kann nur hoffen, dass man aus den Fehlern gelernt hat und im Prinzip das Modell des Black Hawk/Sea Hawk adaptiert. Die sukzessive Weiterentwicklung eines Basismusters und sukzessive Einführung verschiedener Versionen.
Zusätzlich muss das Thema europäische Konkurrenz gelöst werden. Es fehlt in Europa eine weitere Konsolidierung der Helikopter-Hersteller, um aus Airbus Helicopters und Leonardo Helicopters einen Anbieter zu formen. So wie es vorher bereits mit MBB und Aerospatiale zu Eurocopter und dann Airbus Helicopters und Agusta und Westland zu Leonardo führte.
Und zu meinem F-35 Beispiel: Ich halte es für ein gutes Beispiel, da es aktuell dazu führt, dass es zwei Flugzeuge als Ersatz der F-15 und der F-18 geben wird. Man hat gelernt, dass zu viele Kompromisse eines Designs sehr viel Zeit kosten..
@Realist
Nicht nur ich sondern viele andere hier im Blog haben die echten Zahlen der Einsatzbereitschaft vorliegen! Das kannst Du nun glauben oder nicht!!! Wir brauchen kein Face Book oder irgendwelche Marineflieger Blogs, aber dafür müssen wir uns mit Detail zurueckhalten.
Die Wahrheit ist, „what you see is what you get“ und es wird sich daran auch nichts ändern, bis der NH 90 durch einen funktionierenden Hubschrauber ersetzt wird.
@ IamGroot
Sie fallen hier mal wieder durch unnötige Unfreundlichkeit auf…
Und was meinen Sie mit: „What you see is what you get“?
„What you pay, is what you get“ oder „What you request, is what you get“ schon eher.
@Peter Eberl
Ich kann mir nicht vorstellen das im 14. Rüstungsbericht steht, dass eine THOR Umrüstung für den NH 90 Verzögerungen nach sich ziehen. Mir liegt er leider nicht vor, aber THOR kommt definitiv aus dem Tiger Projekt.
@ all
Bedanke mich für die Hinweise auf den aktuellen Bericht und dessen Einordnungen – ich frage mich ernsthaft, ob (und wann) man hierzulande auch ein Ende mit Schrecken in Betracht zieht. Wenn man an der Erreichbarkeit der FOC zweifelt, wäre es langsam an der Zeit, dieses Milliardengrab zu schließen (und dabei ist es mittlerweile auch völlig egal, wer letztlich die Verantwortung trägt).
Nun das Problem mit den NH-90 ist ja noch nicht zu Ende. Bin gespannt wie es beim Sea Lion weiter geht. Hier scheint das Elend sich zu wiederholen, viele Wünsche seitens der Marine und Probleme bei der Integration der ganzen Elektronik. Dann erst der Sea Tiger „Lächel“. Wenn ich nicht in der Lage bin 18 Hubschrauber sauber auf einem Konstruktionsstand auszuliefern mache ich etwas falsch.
Das Problem mit den NH-90 beim Heer bekommt man nur in den Griff wenn man diese auf einen sauberen, gleichen Level bringt. Dazu braucht es viel Werft Kapazitäten welche nicht vorhanden sind. Das werden wir nicht mehr erleben, denn bis dahin sind die Hellis nicht mehr in Betrieb.
Um auf einen grünen Nenner zu kommen bin ich der Meinung da müssten dann ca. 15 Hellis pro Jahr in die Werft mit vollen Einsatz auf einen Standard gebracht werden. Dies allein würde dann fast 5,5 Jahre in Anspruch nehmen. Was ist dann noch einsatzbereit?
Niemand redet mehr über die Rumpfprobleme des A-400 welche hier im Forum hinreichend beschrieben wurden. Es war einmal die Rede von 12 Monate pro Maschine und Behebung bei der großen Inspektion. Dann wenn Sie eh völlig zerlegt wird. Wer zahlt diesen Schaden eigentlich? Wie ist der Stand?
Wer garantiert das unsere Marine Versionen keine Probleme mit der Korrosion haben? Versprechen kann ich viel. Es wird sich nix mehr ändern!