Norwegen kündigt Vertrag über NH90-Hubschrauber und will Geld zurück (Nachtrag: Industrie-Stellungnahme)
Nach jahrelangem Ärger mit dem Hubschrauber NH90 von Airbus hat Norwegen die Konsequenzen gezogen und den Vertrag über die Beschaffung dieser Helikopter für seine Streitkräfte gekündigt. Nach Australien ist es das zweite Land, dass auf dieses bereits eingeführte Hubschraubermodell verzichten will.
Die Entscheidung, die sich bereits abgezeichnet hatte, teilten der norwegische Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram und die Chefs von Beschaffungsamt und Streitkräften am (heutigen) Freitag mit:
„Regrettably we have reached the conclusion that no matter how many hours our technicians work, and how many parts we order, it will never make the NH90 capable of to meeting the requirements of the Norwegian Armed Forces“, says the Minister of Defence.
„Based on a joint recommendation by the Armed Forces and associated departments and agencies, the Norwegian Government has therefore decided to end the introduction of the NH90 and has authorized the Norwegian Defence Material Agency to terminate the contract“, said Norwegian Minister of Defence, Mr. Bjørn Arild Gram during a press conference in Oslo Friday morning.
The Norwegian Defence Material Agency has subsequently informed the manufacturer of the NH90, NATO Helicopter Industries (NHI), that it has terminated the contract in its entirety, and that it will be seeking full restitution of all funds and assets received by both parties. (…)
Norway’s acquisition of the NH90 began in 2001, with 14 helicopters for Coast Guard and Anti-Submarine Warfare duties originally slated for delivery by the end of 2008. As of today, only eight have been delivered in a fully operational configuration. The fleet is currently required to provide 3.900 flight hours annually but in recent years it has averaged only about 700 hours.
The Norwegian Ministry of Defence in February 2022 requested that the Armed Forces, along with the Norwegian Defence Materiel Agency and the Norwegian Defence Research Establishment, conduct a comprehensive review of Norway’s maritime helicopter capabilities. The review concluded that even with significant additional financial investments, it would not be possible to bring the performance and availability of the NH90 to a level that would meet Norwegian requirements. (…)
The Norwegian Ministry of Defence will shortly begin the process of identifying an alternative maritime helicopter.
Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte Australien angekündigt, seine NH90-Hubschrauber nicht weiter betreiben zu wollen und statt dessen die Beschaffung des US-Modells Blackhawk zu prüfen. Der damalige Verteidigungsminister Peter Dutton hatte ebenfalls Unzufriedenheit mit dem Klarstand des Helikopters als Grund genannt:
The MRH90 helicopter fleet has not met contracted availability requirements nor the expected cost of ownership ahead of its planned withdrawal from service in 2037.
“The performance of the MRH90 Taipan has been an ongoing and well-documented concern for Defence and there has been a significant effort at great expense to try to remediate those issues,” Minister Dutton said.“It is critically important there is a safe, reliable and capable utility helicopter available for our service men and women into the future, with reasonable and predictable operating costs.”
To support the development of detailed options, the Australian Government has requested information from the United States Government on the UH-60M Black Hawk as an alternative platform to the MRH90 Taipan.
Die norwegische Entscheidung setzt die Airbus-Tochter Airbus Helicopters, wesentlicher Teil der Dachgesellschaft NHelicopter Industries, weiter unter Druck: Auch andere Nutzerstaaten des NH90 haben sich über technische Probleme mit den Helikoptern beklagt. So wiesen vor allem die Niederlande, aber auch Frankreich auf Korrosionsprobleme bei den Marinehubschraubern hin.
Bei der Bundeswehr ist der NH90 bereits beim Heer eingeführt, bei der Marine läuft die Einführung der maritimen Version SeaLion als Ersatz für die betagten SeaKing-Hubschrauber. Darüber hinaus sollen auch die ebenfalls betagten SeaLynx-Bordhubschrauber durch die NH90-Variante SeaTiger abgelöst werden.
Allerdings hat die Marine bei der Einführung der SeaLion mit zahlreichen technischen Problemen selbst bei neu montierten Hubschraubern zu kämpfen. Erst vor wenigen Tagen wurde die Übernahme der 15. neu gelieferten Maschine abgelehnt, weil nicht nur das Radar Fehler zeigte, sondern vor allem Treibstoffgeruch in der Kabine auf mögliche Undichtigkeiten hindeutete: So lange eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Crew oder Passagiere durch die Treimbstoffdämpfe nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, kann die Auslieferung der Maschine nicht empfohlen werden.
Die Probleme mit dem NH90 in zahlreichen Nutzerstaaten sind derzeit nicht der einzige Ärger, den Airbus Helicopters mit seinen – militärischen – Hubschraubern hat. So ist Deutschland offensichtlich entschlossen, beim Kampfhubschrauber Tiger im Unterschied zu Frankreich und Spanien die Weiterentwicklung zum Tiger Mark III nicht mitzumachen – in den Planungen zum Beispiel für das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Streitkräfte wird dieser Typ nicht erwähnt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte erst kürzlich vor dem Bundestag beklagt, dass nur ein kleiner Teil der deutschen Tiger-Flotte überhaupt flugklar sei.
Nachtrag: In einer Mitteilung wies NHIndustries die norwegischen Vorwürfe zurück und erklärte die Vertragskündigung für rechtlich unbegründet:
NHIndustries is extremely disappointed by the decision taken by the Norwegian Ministry of Defence and refutes the allegations being made against the NH90 as well as against the Company. NHIndustries was not offered the possibility to discuss the latest proposal made to improve the availability of the NH90 in Norway and to address the specific Norwegian requirements.
NHIndustries considers this termination to be legally groundless. (…)
NHIndustries and its Partner Companies are, and have continuously been absolutely committed to addressing the concerns previously expressed and have brought the appropriate and tailored solutions to the table to meet the specific and unique Norwegian requirements. With 13 helicopters delivered out of 14 and the fourteenth ready for acceptance, we were close to finalizing the main scope of the initial contract.
Die komplette Pressemitteilung hier:
20220610_NHI_Statement_NH90_Norway
(Foto: Undatiertes Foto eines NH90 der norwegischen Küstenwache – Handout NHIndustries)
@Realist
„What you pay, is what you get“ oder „What you request, is what you get“ schon eher.“
Nach Aussagen der Norweger haben die scheinbar auch fuer all das viele Geld was sie ausgegeben haben nur ein mittelmässiges/schlechtes Produkt bekommen. Und auch wir haben viel Geld fuer ein bestenfalls bedingt einsatzbereites LFz verbraten. Immerhin waren wir so schlau mit der CH-47 ein erprobtes Modell anzuschaffen.
@Benandjerry: Nur der Ordnung halber – die THOR wirkt sich, wie sämtliche bisherigen Nachbesserungen auf die Vefügbarkeit der Luftfahrzeuge NH 90 TTH aus, weil sie beim Hersteller erfolgt, mithin fallen diese Exemplare für die normale Nutzung aus. Die THOR wird am NH 90 TTH eingeführt, das Akronym bedeutet TTH Operational Revision und nicht TIGER Operational Revision.
@Voodoo: das Ministerium ist durchaus in der Lage, die Reißleine zu ziehen, siehe P 3C. Allerdings sieht das im Falle des NH 90 derzeit nicht danach aus, vielmehr wird jetzt intensiv die Beschaffung eines leichten Hubschraubers betrieben, damit die Piloten was zum Fliegen haben, selbstredend ein Airbus-Modell, quasi eine leistungsfreie Belohnung für die Firma, das zudem den Vorteil hat, das andere Problemkind namens TIGER dahinter zu verstecken, weil man auch einen Kanone dranhängen kann. Dass es auch andere Modelle gibt, ist z.B. dem österreichischen Bundesheer aufgefallen, das im Falle der Alouette-Nachfolge einem Leonardo-Produkt den Vorzug gegeben hat. Das wird schon gute Gründe haben.
@ Peter Eberl
Wir bekommen H145M, die Österreicher AW169M.
Beide werden von Herstellern des NHI-Konsortiums geliefert.
Wo ist der Unterschied?
@ IamGroot
Ich hoffe, dass es bei der CH-47 gut läuft.
Zuerst muss aber die Block II-Variante zugelassen werden, inklusive Luftbetankungsfähigkeit. Und die Leistungsfähigkeit ist durch die Streichung des neuen Rotors schon deutlich schlechter, als gehofft.
Der Realist, ganz ehrlich net immer so „Schwarz“ sehen! Die CH-47 is alle Mal besser als des was zur Zeit auf den Hof herum steht. Das bekommt Boeing schon hin keine Sorge. Da is eh nur die äußere Hülle mit der anfänglichen gemein. Der Frachtboden lässt sich schnell auf Rollen umstellen. Es braucht weiß Gott net immer a Goldrandlösung! Meckern ist erst angesagt wenn geliefert und :Sie“ net hält was Boeing verspricht! Aber ein Problem könnte die fehlende Werftkapazität und’s Personal bei Airbus werden. Die sind ja jetzt schon beim NH-90 überfordert! Sei doch froh das endlich a Ablösung kommt! Ich hoffe das a jede a Flir bekommt und i geb a zu die neue kanadische Version, die mit aner Möglichkeit zur Luftbedankung wäre mir lieber gewesen! Das mit den Rotorblättern wird vielleicht noch und wenn net wird’s mit den Rest vom Block 2 a net schlechter!
@realist
NHI ist ausschließlich zuständig für den NH90.
Sonst sind vor allen Airbus und Leonardo absolut Spinne Feind
@ Feilenhauer
Ich sehe nicht schwarz. Die versprochene Performance hält die Block II nicht, weil der Rotor doch der alte bleibt.
Ansonsten bin ich sehr froh, dass man sich mal entschieden hat.
@ Mike
Ganz genau richtig.
Eine Konsolidierung muss von oben gewollt sein.