Bundeswehr bekommt neues Führungskommando fürs Inland (und: die SKB bleibt)

Die Bundeswehr soll neben dem bereits bestehenden Einsatzführungskommando für Missionen im Ausland auch ein Führungskommando fürs Inland bekommen. Das neue Territoriale Führungskommando soll sowohl für die Landesverteidigung als auch für die Koordinierung von Hilfseinsätzen im Inland zuständig sein und zudem die Logistik für Deutschland als Drehscheibe der NATO-Verbündeten koordinieren.

Der Bedarf an einem solchen zentralen Stab, der sowohl die Arbeit des bereits bestehenden Kommandos Territoriale Aufgaben als auch die des so genannten Nationalen Territorialen Befehlshabers, bisher angesiedelt bei der Streitkräftebasis (SKB) übernehmen soll, hatte sich schon länger abgezeichnet. Das Verteidigungsministerium nannte in seiner am (heutigen) Montag veröffentlichten Mitteilung zu dieser Entscheidung von Ressortchefin Christine Lambrecht aber vor allem den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als ausschlaggebenden Punkt:

Der russische Einmarsch in der Ukraine hat die Notwendigkeit unterstrichen, die Führungsorganisation der Streitkräfte beschleunigt auf die Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten. Hierzu hat die Bundesministerin der Verteidigung, Christine Lambrecht, entschieden, die Führungsorganisation der Streitkräfte als Reaktion auf die aktuelle Sicherheitslage anzupassen: „Bislang waren die territorialen Führungsaufgaben über viele Bereiche verteilt. Zum 1. Oktober 2022 werden wir sie in einem „Territorialen Führungskommando der Bundeswehr“ in Berlin bündeln“, so die Ministerin.
Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) ist verantwortlich für die operative Führung nationaler Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes, einschl. der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit. Es nimmt die Aufgaben als „Aufmarsch führendes Kommando“ für nationale Verlegungen gemäß den Planungen der NATO zur Landes- und Bündnisverteidigung wahr. Das Kommando organisiert die Verlegung alliierter Kräfte durch Deutschland in enger Abstimmung mit den NATO-Kommandos.
Ministerin Lambrecht: „Mit dem neuen Kommando können wir über die rein militärischen Aufgaben hinaus sehr schnell die nötigen Kräfte für einen nationalen Krisenstab bereitstellen, wenn das notwendig ist – etwa im Falle von Hochwasserkatastophen oder wie in der Covid-Pandemie.“
Das Kommando ist unmittelbar dem Bundesministerium der Verteidigung nachgeordnet und nicht Teil eines Organisationsbereiches. Dem Befehlshaber des TerrFüKdoBw werden die Aufgaben des Nationalen Territorialen Befehlshabers übertragen. Dem Kommando werden u.a. die Landeskommandos, die Heimatschutzkräfte und das Zentrum für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit unterstellt. Die deutschen Anteile des NATO Joint Support and Enabling Command (JSEC) und des multinationalen Kommandos Operative Führung (MNKdo OpFü) werden mit Blick auf den territorialen Bezug der dort wahrzunehmenden Aufgaben dem TerrFüKdoBw truppendienstlich zugeordnet.

In einem internen Rundschreiben erläuterte Staatssekretärin Margaretha Sudhof, das neue Kommando werde im Wesentlichen aus dem bestehenden Kommando Territoriale Aufgaben in der Berliner Julius-Leber-Kaserne hervorgehen und mit Personal aus der Streitkräftebasis verstärkt. Die volle Einsatzbereitschaft soll bis Ende März kommenden Jahres erreicht werden.

Den Aufstellungsstab soll der bisherige Befehlshaber des Kommandos Territoriale Aufgaben leiten: Generalmajor Carsten Breuer (Foto oben) war in den vergangenen Monaten einer breiten Öffentlichkeit als Leiter des Corona-Krisenstabes im Kanzleramt bekannt geworden.

Die Unterstützung der Bundeswehr in der Covid-Pandemie ist auch eine Blaupause für die Arbeit des neuen Führungskommandos, wie die Staatssekretärin schrieb:

Mit dem neuen Kommando werden auch Kräfte verfügbar gemacht, die in besonderen Situationen für einen zügigen Aufbau eines nationalen Krisenstabes bereitstehen können. Damit wir den Erkienntnissen aus der Arbeit des Corona-Krisenstabes Rechnung getragen, dass in solchen besonderen Situationen zügig ein nationaler Krisenstab seine Arbeit aufnehmen kann. Das Personal des Kommandos und seine eingeübten Strukturen gewährleisten auch in solchen Fällen eine zeitverzugslose Arbeitsaufnahme und einen durchhaltefähigen Betrieb rund um die Uhr (24/7).

In ihrem Rundschreiben machte Sudhof zugleich deutlich, dass die Verteidigungsministerin bei ihren Struktur-Überlegungen für die Bundeswehr – wie bereits absehbar – von einer Auflösung der Streitkräftebasis abrückt:

Die Streitkräftebasis bleibt ansonsten unberührt. Die in diesem Organisationsbereich zusammengefasst „Enabler“ (u.a. mobile logistische Truppen, ABC-Abwehrkräfte, Feldjäger) sollen im Zusammenhang mit dem deutschen Beitrag zur Erfüllung der NATO-Bündnisverpflichtungen (KORREKTUR: nicht Bundesverpflichtungen) verstärkt werden.

In ihren Eckpunkten für die Bundeswehr der Zukunft hatten die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und der – damalige wie heutige – Generalinspekteur Eberhard Zorn vor gut einem Jahr unter anderem die Auflösung dieses Bereichs vorgeschlagen. Die verschiedenen Einheiten in der Streitkräftebasis hätten danach den weiter existierenden Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine oder dem Bereich Cyber- und Informationsraum zugeschlagen werden sollen.

Die Einrichtung des Territorialen Führungskommandos folgt dagegen einem Strukturvorschlag aus den damaligen Eckpunkten. Kramp-Karrenbauer und Zorn hatten zwei operative Kommandos mit Weisungsbefugnis vorgesehen, die die Einsätze außerhalb Deutschlands und die Bundeswehr im Inland führen, jeweils direkt dem Generalinspekteur unterstellt. Dennoch gibt es einen  Unterschied: Nach dem Plan des vergangenen Jahres war vorgesehen, das Territoriale Führungskommando im Sinne der Resilienz an den zwei Standorten Berlin und Bonn anzusiedeln. Davon ist aktuell – bislang? – nicht die Rede.

Ergänzung: Weitere Angaben finden sich in der Unterrichtung für die Obleute der Fraktionen im Verteidigungsausschusses des Bundestages:

Das TerrFüKdoBw ist das operative Pendant zum bewährten Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam. Dieses ist weiterhin verantwortlich für die Führung der deutschen Einsatzkontingente und der einsatzgleichen Verpflichtungen.
Die vorgesehenen Veränderungen beschränken sich auf das Kommando der Streitkräftebasis und das bisherige Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr.
Der Aufgabenübergang wird so ausgestaltet, dass die Führungsfähigkeit bruchfrei sichergestellt ist.

(Archivbild Januar 2022: Generalmajor Carsten Breuer als Leiter des Corona-Krisenstabs im Bundeskanzleramt, aufgenommen bei einem Besuch des Pharmagrosshandel Sanacorp in Potsdam – Felix Zahn/photothek.net)