Bundestag billigt 100-Mrd-Euro-Paket für die Bundeswehr (m. Korrektur)
Die finanziellen Grundlagen für eine umfassende Modernisierung der Bundeswehr sind gelegt. Das Parlament billigte am (heutigen) Freitag ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das in den nächsten Jahren vor allem große Beschaffungsvorhaben ermöglichen soll. Für dieses Extra-Paket, das Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar angekündigt hatte, wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, wurde auch das Grundgesetz geändert.
Auf die Details von Verfassungsänderung und gesetzlicher Regelung des Sondervermögens, das über den Bundeshaushalt hinaus Kreditaufnahmen erlaubt, hatten sich die Koalitionsparteien und die Unionsfraktion Anfang der Woche geeinigt. Die Beteiligung der größten Oppositionsfraktion war nötig, um die Zweidrittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung zu erreichen.
In namentlicher Abstimmung billigten zunächst 568 (KORREKTUR, nicht 567*) Abgeordnete die Aufnahme eines neuen Absatzes in den Artikel 87a des Grundgesetzes, 96 Abgeordnete stimmten dagegen und 20 enthielten sich:
(1a) Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Die Verfassungsänderung wurde mit breiter Mehrheit in den Koalitionsfraktionen und der Union angenommen – allerdings sprach sich nur die FDP-Fraktion einstimmig dafür aus; in den anderen Fraktionen gab es einzelne Gegenstimmen.
Das Sondervermögen Bundeswehr wurde in einem neuen Bundeswehrsondervermögensgesetz festgeschrieben, dem ebenfalls in namentlicher Abstimmung 590 (KORREKTUR: nicht 593*) Abgeordnete bei 80 Gegenstimmen zustimmten, sieben enthielten sich. Die wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes:
§ 1
Errichtung eines Sondervermögens und Finanzierung der Bundeswehr
(1) Es wird ein Sondervermögen des Bundes mit der Bezeichnung „Sondervermögen Bundeswehr“ errichtet.
(2) Mit Hilfe des Sondervermögens werden im mehrjährigen Durchschnitt von maximal fünf Jahren zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf Basis der aktuellen Regierungsprognose für Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien bereitgestellt.
(3) Nach Verausgabung des Sondervermögens werden aus dem Bundeshaushalt weiterhin die finanziellen Mittel bereitgestellt, um das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und den deutschen Beitrag zu den dann jeweils geltenden NATO Fähigkeitszielen zu gewährleisten.
§ 1a
Weitere Maßnahmen zur Stärkung der Bündnis- und
Verteidigungsfähigkeit
(1) Unabhängig vom Sondervermögen werden zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit Maßnahmen zur Cybersicherheit, Zivilschutz sowie zur Ertüchtigung und Stabilisierung von Partnern über den Bundeshaushalt finanziert.
(2) Die Bundesregierung legt eine Strategie zur Stärkung der Sicherheit im Cyber- und Informationsraum vor.
§ 2
Zweck des Sondervermögens
Das Sondervermögen hat den Zweck, die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken und dazu ab dem Jahr 2022 die Fähigkeitslücken der Bundeswehr zu schließen, um damit auch den deutschen Beitrag zu den geltenden NATO-Fähigkeitszielen gewährleisten zu können. Die Mittel des Sondervermögens sollen der Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben der Bundeswehr, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen, dienen.
Damit ist auch gesetzlich geklärt, dass die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen nicht zusätzlich zu einem Verteidigungshaushalt in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung geplant sind. In weiteren Bestimmungen werden die Details für den Abruf der Gelder festgeschrieben. So ist unter anderem weiterhin die Zustimmung des Bundestags-Haushaltsausschusses für alle Projekte mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro erforderlich.
Mit dem neuen Gesetz beschloss das Parlament zugleich den – künftig jährlich vorzulegenden – Wirtschaftsplan für das Sondervermögen, in dem die geplanten Projekte benannt werden. Dieser Wirtschaftsplan entspricht im Wesentlichen der bereits zuvor bekannt gewordenen Liste der Vorhaben – zu einem großen Teil Beschaffungen, die die Bundeswehr mangels Finanzen seit Jahren vor sich her schiebt.
Der Wirtschaftsplan ist als Anlage in der Bundestagsdrucksache 20/2090 aufgeführt; darin geht es zunächst nur um das Haushaltsjahr 2022 (die Folgejahre sind als so genannte Verpflichtungsermächtigung aufgeführt). Zur besseren Übersicht quasi die Überschriften, ohne die für dieses Jahr anfallenden Summen:
• Wehrtechnische Forschung und Technologie
Forschung, Entwicklung und Künstliche Intelligenz
• Beschaffung von Bekleidung und persönlicher Ausrüstung
a) Sprechsätze mit Gehörschutz im Zusammenhang mit dem Gefechtshelm
b) Kampfschuhsystem Streitkräfte (KSS SK)
c) Nachtsichtgeräte
d) Infanterist der Zukunft (IDZ ES) VJTF-Standard
• Beschaffung Dimension Führungsfähigkeit/Digitalisierung
a) Digitalisierung landbasierter Operationen (DLBO)-Basic
b) DLBO (Battle Management System, Gefechtsstände, Funkgeräte)
c) Taktisches Wide Area Network (TAWAN), erster Anteil
d) Rechenzentrumsverbund
e) Satellitenkommunikation (SATCOMBw) Stufe 2 und 3
f) German Mission Network 1 (Vernetzung der Bw verlegefähig)
g) German Mission Network 2 (Erhalt der Führungsfähigkeit Marine)
h) Funkgeräte PRC-117G
• Beschaffung Dimension Land
a) Optionsauslösung konsolidierte Nachrüstung aller restlichen PUMA 1. Los
b) Nachfolge Schützenpanzer MARDER
c) Schwerer Waffenträger Infanterie
d) Nachfolge Überschneefahrzeuge BV 206
e) Nachfolge luftverlegbare Fahrzeuge / Luftlandeplattformen (DEU/NLD)
f) Nachfolge TPz Fuchs
g) Main Ground Combat System
h) Sanitätsausstattung (Role 2b geschützt hoch mobil, Luftlanderettungszentrum leicht, Luftlanderettungszentrum
Spezialeinsatz)
• Beschaffung Dimension See
a) Korvette 130
b) Fregatte 126
c) Future Naval Strike Missile (FNSM)
d) U-Boot Flugabwehrflugkörper (IDAS)
e) Unterwasserortung (SONIX)
f) Mehrzweckkampfboote
g) Nachfolge Festrumpfschlauchboot (RHIB) 1010
h) U 212 CD
• Beschaffung Dimension Luft
a) Entwicklung und Kauf EUROFIGHTER ECR
b) Nachfolge TORNADO, Anteil Beschaffung F-35 inkl. Bewaffnung
c) Beschaffung schwerer Transporthubschrauber
d) Leichter Unterstützungshubschrauber (LUH)
e) Bodengebundene Luftverteidigung (Nah- und Nächstbereich, Fähigkeitserhalt Patriot, Mittlere und große Reichweite)
f) Weltraumbasiertes Frühwarnsystem (TWISTER) EVF
g) Beschaffung weiterer Seefernaufklärer
h) Future Combat Air System (FCAS)
i) Bewaffnung HERON TP
j) Luftlageführungssysteme, diverse Radare
k) System Weltraumüberwachung und Lagezentrum mit Ausbaustufe 2
Ein interessanter Punkt dabei: Bei der Mitte der Woche vorgelegten Projektliste war für die Dimension Luft unter anderem nur lapidar vermerkt: g) Seefernaufklärer. Im jetzt gebilligten Wirtschaftsplan steht inzwischen: g) Beschaffung weiterer Seefernaufklärer. Damit scheint sich zu bewahrheiten, was seit paar Tagen nicht zuletzt an der Küste umläuft: Die bislang bereits geplanten und bestellten fünf Seefernaufklärer P-8 Poseidon von Boeing werden um möglicherweise sieben weitere Flugzeuge dieser Art aufgestockt – am Ende also zwölf moderne Seefernaufklärer für die Marine.
*Die Zahlen der Abstimmungsergebnisse wurden vom Bundestag gegenüber den ersten Angaben korrigiert.
(Grafik: Boeing-Werbegrafik einer P-8 Poseidon in der Lackierung für die Deutsche Marine, September 2021)
@Der Realist: ich glaube nicht, dass sich Dassault in eine Ecke manövriert, sondern vielmehr seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erhalten will. Dassault argumentiert eher zurecht, dass die Firma über eine sehr große Erfahrung im Entwurf und im Bau von Kampfflugzeugen verfügt, Airbus hingegen nicht (zur Entwicklung des EF hat BAE den Löwenanteil an Hirnschmalz beigesteuert), so dass Airbus als Endmontagestätte und nicht als Entwicklungszentrum angesehen wird. Der Markt für Kampfflugzeuge bestätigt diese Auffassung, wenn man gerade die jüngsten Verkäufe des Rafale-Jets im Vergleich zum EF in Betracht zieht. Dassault zollt Deutschland lediglich im Triebwerksbau gewissen Respekt.
@Jas et al: Im Falle des Seebataillons gewinnt man beim Studium der einschlägigen Literatur der letzten Jahre den Eindruck, dass insbesondere dessen Spezialkräfte offensichtlich bestrebt sind, in der allgemeinen Wahrnehmung zum weitaus bekannteren KSK (in fachlich-militärischer Hinsicht nota bene) aufzuschließen, das bloße Bewachen von Hafenanlagen in Limassol oder sonstwo erscheint ja wirklich nicht sehr attraktiv. Die Marineführung wünscht sich da offensichtlich ein Aushängeschild, wobei das fotogene Heranbrausen finsterer Gestalten mit großer Bugwelle schon was hermacht, und vermutlich hat sich das ganze Projekt sinnfrei verselbstständigt.
@Nachhaltig
Sicherlich haben diese Kampfboote für die genannten Ostseeanrainer einen Mehrwert. Natürlich kann man nun darüber nachdenken, ob unsere Marine diese Fähigkeit benötigt. Man könnta aber auch sagen wir stimmen unsere Fähigkeiten ab, ihr bringt die Kampfboote , wir stellen dafür zB größere Einheiten wie Fregatten.
Als Heeresoffizier dR sehe ich zB die mittleren Kräften ähnlich kritisch. Wir haben sie nicht, aber innerhalb der NATO mangelt es daran nicht. Sollten wir uns da – gerade als Anlehnungsmacht – nicht besser auf schwere Kräfte, sprich Panzertruppen und Kampfunterstützung konzentrieren?
Die Diskussion um die Ausrichtung der „Hafen- bzw. Nahseeraumbeachtung“ ist umso frustrierender bzw. bedenklicher wenn man sich anschaut, dass der seit ungefähr 10 Jahren ernsthaft stattfindende Ausbau der Offshore Windenergie in Nord- und Ostsee in erheblichem Maße kritische Infrastruktur für unsere Stromerzeugung errichtet haben. Wenn man sich nur auf die größeren Installationen (parkinterne Umspannwerke und Konverterplattformen) beschränkt haben wir in der Nordsee inzwischen ungefähr 30 Plattformen stehen plus 15 weitere in Bau und Planung, in der Ostsee sind dies 4+3. Im Rahmen einer LV/BV ist dann meinem Verständnis nach eben gerade nicht die BPol dafür zuständig sondern die Marine – nur dafür fehlt m.E. die geeignete Ausrüstung, sowohl für die nahe an der Küste liegenden Strukturen als auch weiter draußen. Und wohl auch die Erkenntnis, was wir uns auch Sicht der Sicherheit eigentlich gerade vor die Küsten stellen [damit sind wir in DE aber nicht alleine – meiner Einschätzung nach betrifft dies alle Offshore Wind-Nutzer in praktisch gleicher Intensität]. Insgesamt sowieso ein Thema was zu wenig auf der Agenda ist – die physische Sicherheit unserer Energieverteilung.
@ Peter Eberl
Dassault wird massiv vom Staat unterstützt. Fast alle Verkäufe in letzter Zeit beinhalteten gebrauchte Flugzeuge der französischen Luftwaffe.
Dassault verlangt, dass sie ihr Wissen im Kampfflugzeug nicht zu 100 Prozent an die beiden Partner weitergeben müssen.
Damit ist das Projekt tot.
Den Franzosen geht es bei der Definition des Flugzeugs um den Einsatz auf dem neuen geplanten Flugzeugträger, den beiden Partnern dagegen um den Ersatz des EF, also eines Landflugzeugs.
Der EF hat mehrere Ausschreibungen verloren, weil es nicht nur einen, sondern mit NGF und Tempest zwei Nachfolger geben wird. Das verunsichert potentielle Kunden, weil sie sich Sorgen über die Weiterentwicklung des jetzigen EF machen.
Dassault möchte den bisherigen Weg weitergehen. Das sollte man anerkennen und sie ziehen lassen.
Wir sind bei Tempest besser aufgehoben. Zusammen mit den Briten, Spaniern und Italienern könnten wir so die Kombination EF, F-35 und Tempest in der Luftwaffe einsetzen.
@Nachhaltig
Zu ihrer Frage anderer Nutzerstaaten: Geographie!
Machen sie Google Maps auf, werden sie feststellen, dass alle Nutzerstaaten die diese Boote nicht schon ohnehin als Binnenboot nutzen, jeweils eine stark zerklüftete Archipel und Schärküste haben. Tausende kleiner „Inseln“ – also irgendwie Land oberhalb der Wasserlinie. Innerhalb dieser Gewässerabschnitte wird aber auch durch die vielen kleinen Landteile und Landzungen große Wellen und schwere See verhindert – man fährt da wie auf einem Fluss oder See.
Da diese tausenden Kleinstinseln nicht miteinander verbunden sind und da auch keine Hafeninfrastruktur drauf ist, macht es für diese Staaten im Rahmen ihrer Landesverteidigung tatsächlich Sinn über solche Landungsfähigkeiten zu verfügen.
Das alles hat Deutschland nicht. Deutschland hat wenige große Inseln, alle infrastrukturell erschlossen und mit mehreren Häfen ausgestattet. Und bitte jetzt keiner kommen und sagen, die Kampfboote müssten die Hallig Hoge schützen….
Es ist wie @Thomas Melber schon auf der Vorseite kommentierte: „auch haben wollen“
@Peter Eberl
Sie machen durch einen kleinen Fehler gleich das nächste Faß auf :)
Das Seebataillon sind die Kräfte der Marinesicherung. Die Spezialkräfte der Marine sind seit 2014 ein eigenständiger Verband – das Kommando Spezialkräfte der Marine. Die beiden Verbände sind am gleichen Standort – das wars dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten.
Stellen sie sich vor, das Sicherungsbatallon 10 wäre am Standort Calw stationiert.
Als gestandener Seemann findet man aber beide Verbände suspekt. Und so schmeißt die Marine immer beides schön in einen Topf („Grüne Marine“) und rührt kräftig. Hilft keinem und sorgte im Bereich Rüstung regelmäßig für Bauchlandungen.
Beim Kampfboot/Mehrzweckkampfboot war es genauso. Die Spezialkräfte wollten wohl ein wie hier schon erwähntes „Fast Attack Craft“ entlang der NATO Standards für Spezialkräfte. Irgendwer hat gelesen „wie was Boote hier und Boote da? – diese Schlingel von der Grünen Marine – da machen wir mal eins draus“ – die Folge: Chaos und nichts läuft.
Ich würd die Polemik ja gerne weglassen – wenn es nicht so in der Realität wäre…
Also hier muss das BMVg einfach den OrgBer kritisch auf die Finger schauen – die Marine wittert gerade Chancen um sich schöne Sachen in den Hafen zu stellen (wenn der denn groß genug wäre) und lässt an mancher Stelle etwas Strategie vermissen.
@Labacco:
Das BMVg hat in mehreren Tweets mitgeteilt, dass die kursiven Vorhaben mit 18 Mrd. veranschlagt werden.
Hier der Überblick:
https://twitter.com/BMVg_Bundeswehr/status/1535247007337562117?t=L0HhCWfWJwwlNebqhHmLZg&s=08
Da diese Vorhaben nur teilweise VE hatten und mit dem Haushalt 2023 im SV ausgebracht werden, stellt sich die Frage, ob das BMF diese VE in EPl. 14 weiterhin anerkennt.
Da der neue FinPlan sehr wahrscheinlich den Eckwerten entspricht, kann das BMF Neuanmeldungen von VE einfach ablehnen.
Somit würde das BMVg einen Teil des SV selbst finanzieren. Da bisherige VE lediglich verschoben werden – ohne Ersatz im EPl. 14.
Damit wären dann zwar die prominenten Marinevorhaben über das SV finanziert, aber man gewinnt eben keinen haushalterischen Spielraum für andere Vorhaben.
Habe den Eindruck dies ist der Plan des BMF, um die Schuldenbremse einzuhalten.
Denn jede VE die in das SV geht (und nicht im EPl. 14 ersetzt wird) hilft beim Einhalten der Schuldenbremse.
Das Sondervermögen für die Bundeswehr kommt. Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes gestimmt und den Weg für die 100 Milliarden gesichert.
Dem GG wird ein neuer Artikel 87a angefügt.
Was auffällt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Berlin und Bremen – allesamt Länder mit einer Regierungsbeteiligung der Linken – enthielten sich ihrer Stimme.
Ob gerade M-V mit seiner maritimen Industrie und dem „grauen“ Schiffbau samt Zulieferindustrie und Arbeitsplatzabhängigkeiten sich damit einen Gefallen erweist, muss bezweifelt werden.
Wichtiger aber in der Gesamtbetrachtung, die Deutsche Linke hat sich trotz der russischen Aggression gegen Ukraine, die sich nach jüngsten Äußerungen von Putin – Peter I. Vergleich – als Vernichtungskrieg erweist, ihrer geistigen Nähe zu Moskau nicht entledigt. Und dies ist deutlich mehr als Russland-Nostalgie, wofür man ein gewisses Verständnis angesichts gemeinsamer ideologischer Wurzel seit 1917 haben könnte.
Diese ideologische Abhängigkeit, bei der Linkspartei sicher sogar Hörigkeit, ergibt unverändert nicht einmal die Fähigkeit zu Äquidistanz Moskau – Washington, vielmehr unverändert fast vorbehaltlose Verteidigung der Moskauer Position und vorgeblichen „Sicherheitsinteressen“ gegen die nicht-russische Welt in Mittel-Osteuropa.
Jene, die sich in Stimmenthaltung übten, zeigen damit in gleichen Atemzug ihre eigentliche Ablehnung der Ertüchtigung deutscher Streitkräfte. Die ideologische Linke erweist sich damit als politikunfähig bei deutschen, ff auch EUR Sicherheitsinteressen.
@Memoria
„Somit würde das BMVg einen Teil des SV selbst finanzieren. Da bisherige VE lediglich verschoben werden – ohne Ersatz im EPl. 14.“
Ich verstehe die Logik nicht. Die Haushaltsansätze in EPL 14 sind doch bis zum Ende der gegenwärtigen Koalition festgeschrieben. Das dürfte auch ausschöpfbar sein durch Nicht-SV-Bedürfnisse. Somit gibt es keine Chance, durch Eil 14-Minderungen zur Entlastung des Haushalts (vulgo Einhalten der Schuldenbremse) beizutragen.
@Jas
Danke für den ausführlichen Beitrag.
@Memoria
Danke für den Link!
Ja, sieht so aus, das mittels des SV viele (vielleicht noch mehr) schon unter Vertrag stehende Projekte finanziert werden und der Spielraum für weitere zusätzliche Projekte in der Tat immer enger wird. Bin gespannt, was darüber hinaus aus dem normalen EPL14 an kleineren Projekten möglich gemacht werden kann.
@Herr Wiegold
Bis zur Sommerpause Anfang Juli sind noch zwei Sitzungswochen im Kalendar vorgesehen. Gibt es schon Informationen darüber welche 25 Mio € Vorlagen zur Abstimmung eingebracht werden sollen?
@Ökonom:
Die Finanzlinie ist über den Finanzplan gleichbleibend. Somit sinkt das verfügbare Volumen für Neuvorhaben. Das Instrument zur Steuerung dieser überjährigen Ausgaben sind Verpflichtungsermächtigungen, die das BMVg in großem Umfang hat. Aus Sicht des BMF sogar mehr als möglich. Zudem wurden letzten Sommer Verträge geschlossen ohne ausreichende Verpflichtungsermächtigungen.
Nun wird dies offenbar geheilt, da einige dieser Vorhaben ins Sondervermögen überführt werden. Neue Verpflichtungsermächtigungen muss das BMVg beim BMF beantragen.
Diese werden dann voraussichtlich abgelehnt.
Das BMF nutzt also das Sondervermögen um im EPl. 14 „aufzuräumen“.
Man kann den Wirtschaftsplan sogar so lesen, dass das BMVg bis zu 18 Mrd. zur Finanzierung des Sondervermögens einbringen muss. Denn die Vorhaben waren zumindest teilweise bisher im EPl. 14 mit VE hinterlegt.
Hoffe nun etwas klarer?
@Labacco:
Schnelle 25-Mio-Vorlagen wären ein Wunder. Man kann ja erst jetzt ins Außenverhältnis gehen, muss Verträge verhandeln, 25-Mio-Vorlage durch die Instanzen bringen. Das wird wohl eher wieder viel zum Jahresende – bevor die Verpflichtungsermächtigungen verfallen.
Bin aufgrund der Lage skeptisch was viele Kleinprojekte angeht. Der FinPlan wird wohl unverändert vom Kabinett beschlossen.
Also kommt enormer Druck auf den EPl. 14.
Politisch kann jeder Unwissende einfach auf das Sondervermögen verweisen.
@Jas: Dann haben Sie für die LV recht – aber gleichzeitig ein Argument für die BV geliefert, wenn Schweden und Finnland der NATO beitreten..
@Nachhaltig
Sie verstehen BV etwas falsch. Da werden durch Verschränkung Mängel ausgeglichen. SWE und FIN haben ja eben diese Fähigkeiten mit ihren Systemen und der Truppe – was soll Deutschland da jetzt? Es gründen ja auch nicht alle NATO Staaten Gebirgsjägereinheiten weil es gilt in Deutschland die Alpen zu verteidigen oder Binnenländer gründen auch keine Marinen, weil bei BV das ein anderer Staat brauchen könnte…
Mit Blick auf die Projekte des SV meine Kernpunkte:
1. Gibt es eigentlich schon Rückmeldungen aus dem Beschaffungsbereich (BAAIN + betroffene Truppe) zur Dimension Führungsfähigkeit/Digitalisierung? Für einen Außenstehenden sieht das aus nach 7 (!?) parallelen Großprojekten in 5 Jahren, die alle Bw-spezifisch und mit Entwicklungsaufwand verbunden sind. Nur die Beschaffung der PRC-117 erscheint eine MOTS-Ergänzungsbeschaffung zu sein.
2. Die Liste ist vollgepackt mit Projekten, die länger als 5 Jahre brauchen – gerade im hochpreisigen Bereich wie bei U212CD, F126, F-35, EF ECR. Wozu ich jedoch noch nichts gelesen habe ist, (1.) dass dadurch spätestens 2028 die akute Gefahr des harten Aufschlags besteht und (2.) wie dieser Gefahr begegnet werden soll.
(Interessanterweise ja ein Punkt, den Christian Mölling und Torben Schütz (GDAP) nach der Ankündigung des SV thematisiert haben, der aber nach Veröffentlichung der konkreten Umsetzung wieder verschwunden zu sein scheint.)
@Memoria sagt: 11.06.2022 um 15:34 Uhr
Aber dass das SV zum „Aufräumen“ gedacht ist, lässt sich (für mich) aus dem Wirtschaftsplan nicht ablesen. Auch wenn das natürlich sinnvoll wäre, wenn man zeitnah viel Geld raushauen muss (max. 5 Jahre).
In Papier gegossen ist nun mal der ECR EF, logischer wäre die Tranche 4. Genauso hätte man ja die A400M überführen können.
@Marine:
Das Fatale an dieser „Haben wollen“ Attitüde der Marine zum Thema Kampfboote ist ja, dass dadurch der Fokus auf den Kernauftrag verloren geht. Gleich zwei shiny+speedy Bootstypen haben es auf die Liste geschafft, aber weder Minenabwehr noch Schleppfähigkeit.
Gerade der Blick auf den Ukraine-Konflikt zeigt wieder einmal, wie zentral Minenabwehr ist. Von daher hätte ich eher ein Projekt remote MCM (o.ä.) auf der Liste erwartet.
Und dass der jüngste See- bzw. Bergungsschlepper der Marine von 1968 ist (ohne konkretes Neubauprojekt), lässt eigentlich auch nur mit dem Kopf schütteln.
@Jas: Auch da bin ich grundsätzlich bei Ihnen. Allerdings sollte die Ausrüstung, die man hat, für den voraussichtlichen Einsatzort qualifiziert sein. Viele Beschaffungen wurden ja extra eingeleitet, um in Afghanistan einsatzfähig zu sein. Wenn man die Marine auch jenseits der deutschen Küstenregionen im Ostsee-Einsatz sieht, sollte dies berücksichtigt werden. Sonst verteidigt einfach jedes Land seine eigene Küste an der Ostsee. Und ist das der Common Spirit bei der BV?
@K.B.: Eine zutreffende Observation die Marine betreffend, zumindest wenn man davon ausgeht, dass im 100 Mrd-Paket nicht noch ein paar „kleinere“ Projekte versteckt sind, die das Licht der Öffentlichkeit noch nicht gesehen haben. Worauf ich ehrlich gesagt hoffe.
Insgesamt muss sich die Marine m.E. überlegen, ob die aktuelle Konzeption tatsächlich für die nächsten 30-40 Jahre zukunftstauglich ist. Mir wird zu sehr in der Herleitung bekannter Ansätze gedacht und zu wenig im Sinne einer Modularität. Benötigen wir wirklich für jeden Anwendungszweck hochspezifizierte Sonderlösungen oder würde es auch eine schwimmende Standardplattform richten? Man stelle sich eine Flotte von X K130 vor, die identisch sind im vorderen Bereich (Turm + Brücke + Hauptmast), dahiner aber ein freies Arbeitsdeck haben. Dieses wird dann je nach Aufgabe mit einem (Container-)Modul für die Minenjagd, das Minenlegen, den Heli-Einsatz, das Rettungsschiff, den Raketenträger, die Schlepplösung, das Depot- und Werkstattschiff, den U-Tender, den kleinen EGV … ausgerüstet.
Geht nicht? Doch – in der zivilen Schifffahrt werden Plattformversorger (PSV) bzw. Anchor Handler (AHT/AHTS) kontinuierlich für alle möglichen Einsätze konfiguriert und sind standardmäßig bereits mit Ladungstanks etc. versehen. Umbauten sind oftmals Sache von Tagen, nicht von Wochen oder Monaten. Warum nicht über so eine Lösung nachdenken und den Fokus auf die Wirksamkeit der Module legen, nicht so sehr auf das Schiff selber.
Im Prinzip der Boxer, nur in RAL7000. So eine Diskussion fehlt mir als Steuerzahler aktuell komplett.
@Nachhaltig
Exakt. Und genau diese Abstimmungen macht man über die NATO Planungsziele und die NATO Verteidigungspläne. Es ist eigentlich recht einfach. Immer wenn die Bundeswehr was neues Beschaffen will, kann man einfach fragen: „Ist das eine NATO Forderung?“
Und wie gesagt – es gibt keinerlei Nutzen, Bedarf und Forderung an einer deutschen Kleinstamphibikfähigkeit – das ist einfach ein Hobbyhorse der Marine.
@K.B.
Die Sperrwaffenfähigkeit der Deutschen Marine (vor 30 Jahren war man da NATO Spitze) wird „am Leben“ erhalten. Die Minenlegefähigkeit wird tatsächlich erhöht durch die neuen Systeme – was die Räumfähigkeit betrifft muss man sehen was die Marineplanung neben der im letzten Jahr bereits vor der Bundestagswahl genehmigten Modernisierung. Aber natürlich ist das kein Vergleich zu den Kapazitäten zum Ende des kalten Krieges. Andererseits ist Minenjagd- und Minenabwehrfähigkeit zwar ausbildungsintensiv – dafür aber verhältnismäßig günstig. Also ideal für kleinere, finanzschwächere Küstenländer. Das sollte man berücksichtigen.
@Flying-Tiger
Die „aktuelle Konzeption“ folgt den deutschen NATO Planungszielen. Und hier liegt schon ein gewisser Dissenz. Deutschland möchte gerne die Ostsee im Fokus haben und ein paar weitere Fähigkeiten bereitstellen. Anhand der notwendigen Systeme ist dies aber auch eine eher „günstige“ Ausrichtung. Green Water ist einfach günstiger als Blue Water Navy. Die Verbündeten gucken auf die Wirtschaftskraft Deutschlands und den Zugang zu 2 Meeren und erwarten eigentlich einen eklatanten Anteil an größeren, kampfstärkeren – aber auch signifikant teureren Einheiten.
Das will man aber nicht, auch weil man schlichtweg nur einen Nordsee-Hafen hat, aber 4-5 Ostsee Häfen.
Durch den zu erwartbaren Zuwachs der NATO durch SWE und FIN bin ich ernsthaft gespannt wie es dort weitergeht. Die Ostsee ist eigentlich mehr als bedient um ehrlich zu sein – man könnte sich dann schon komplett aus den Häfen heraus bekriegen – da muss keiner mehr auslaufen…
Aber der deutschen Marine ein eher Blue Water Navy Rolle zuweisen? puh… da bin ich gespannt… Auch ob Deutschland bereit ist, das zu bezahlen.
Bis jetzt ist für die nächste Sitzungswoche (ab 20. Juni) noch keine Sitzung des Verteidigungsausschusses terminiert, geschweige den es gäbe schon eine Tagesordnung mit wenigstens einer 25 Mio. -Vorlage. Es sieht aktuell für mich so aus, als wird vor der Sommerpause keine signifikante Beschaffung mehr auf den Weg gebracht. Das ist ein Armutszeugnis. Die Diskussion über das Sondervermögen und den Haushalt hat doch lange genug gedauert, da hätte man doch entsprechende Voralgen vorbereiten können.
@Nachfolge Fuchs
Auf ES&T gibt es heute wieder einen verdichtenen Hinweis darauf, dass das finnisch/lettische CAVS (Common Armoured Vehicle System) von Patria ein möglicher Nachfolger für den Fuchs sein könnte. Total spannend für mich. Leider gibt es aber auch nur sehr spärliche Informationen zum Fahrzeug. Auf einigen veröffentlichten Abbildungen ist eindeutig eine Schwimmfähigkeit zu erkennen, auf anderen wiederum nicht. Was ist davon zu halten?
[Der „verdichtete Hinweis“ beruht darauf, dass Deutschland heute seine Absichtserklärung zur Teilnahme am Common Armoured Vehicle System (CAVS) erklärt hat. Könnte man ja erwähnen.
T.W.]
Das Thema „marktverfügbare Produkte“ bekommt hinsichtlich der Nachfolge Transportpanzer Fuchs erste Konturen mit der heuet unterzeichneten Absichtserklärung zum Beitritt zum CAVS-Programm von Patria.
Klingt erstmal für mich positiv, schauen wir mal was Patria bis wann liefern kann. Vielleicht auch ein freundliche Signal an Rheimetall und KMW, das die Preise nicht in den Himmel wachsen können/sollen.