Wird Deutschland mit Ausbildung ukrainischer Soldaten zur Kriegspartei? Ein Vielleicht mit Fragezeichen

Die Frage, ob Deutschland mit Waffenlieferungen an die Ukraine im russischen Angriffskrieg ebenfalls Kriegspartei werden könnte, bewegt derzeit die öffentliche Diskussion. Eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages verneint das – und sieht allerdings eine Grauzone bei der Ausbildung von Ukrainern an diesen Waffen in Deutschland.

Der Sachstandsbericht der Parlamentswissenschaftler mit dem Titel Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme stammt bereits von Mitte März. Die Ausarbeitung (über die zuvor das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet hatte), stellt deshalb die damals vorherrschende Frage in den Mittelpunkt, ob eine Unterstützung für die ukrainische Luftwaffe durch die Lieferung von Kampfjets aus NATO-Ländern und eine mögliche Nutzung von Flugplätzen in diesen Ländern als Kriegsbeteiligung anzusehen sei. Die mögliche Lieferung von MiG29-Kampfjets aus osteuropäischen Mitgliedsländern der Allianz hatte damals die Diskussion bestimmt.

Seitdem hat sich die Debattenlage grundlegend verändert: Eine Ausbildung von Ukrainern an gelieferten Waffen ist nicht mehr hypothetisch, sondern findet inzwischen statt. Bereits am 22. April hatte der Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im deutschen Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, öffentlich mitgeteilt, dass die USA auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern ukrainische Soldaten an Haubitzen ausbilden wollen. Zudem plane die Bundeswehr eine solche Ausbildung an von den Niederlanden gelieferten Panzerhaubitzen 2000 (Foto oben) an der Artillerieschule in Idar-Oberstein. Pentagon-Sprecher John Kirby hatte diese Ausbildung am vergangenen Freitag bestätigt.

Ob eine solche Ausbildungsunterstützung nun eine Kriegsbeteiligung bedeute, nimmt in dem Bundestags-Gutachten eine untergeordnete Bedeutung ein. Diese Frage wird in der zwölfseitigen Ausarbeitung nur in einem Absatz angesprochen:

Bei Unterstützungsleistungen auf der Grundlage von non-belligerency bleibt der Umfang von Waffenlieferungen, aber auch die Frage, ob es sich dabei um „offensive“ oder „defensive“ Waffen handelt, rechtlich unerheblich. Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.

Als Beleg dafür wird ausschließlich ein Interview der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) mit dem Bochumer Völkerrechtler Pierre Thielbörger angeführt. In dem am 13. Februar erschienenen Interview, also deutlich vor Beginn des russischen Angriffskrieges und auch vor Beginn deutscher Waffenlieferungen, hatte der Jurist verneint, dass Waffenlieferungen allein ein Land zur Kriegspartei machen würden. Aber:

Bei Waffenlieferungen ist es etwas komplexer als bei Wirtschaftssanktionen. Bei Waffenlieferungen spielen Art und Umfang eine Rolle. An sich sind Waffenlieferungen allein noch keine Kriegshandlung. Es gibt keine Staatenpraxis, die das annimmt. Anders könnte es sein, wenn es eine Beratungsleistung gibt, wie Waffen zu gebrauchen sind. Aber auch hier bleibt die Betrachtung des Einzelfalls ausschlaggebend.

Auf die Nachfrage, ob Deutschland also zum Beispiel Panzerabwehrwaffen liefern dürfe, aber den Ukrainern den Gebrauch nicht erklären dürfte, antwortete Thielbörger: Jedenfalls würde man sich damit der roten Linie, ab der man Kriegspartei ist, einen Riesenschritt nähern.

Eine Aussage, dass Deutschland mit der Ausbildung der Ukrainer tatsächlich Kriegspartei würde, ist das noch nicht.

Ergänzung: Zum Stand der Ausbildung der USA für ukrainische Soldaten Angaben vom (heutigen) Montag aus dem Pentagon, notiert von Dan Lamothe von der Washington Post:

Training of Ukrainians on Western systems continues.
Fifty Ukrainian artillerymen are expected to complete a week-long familiarization course today on the American howitzers, bumping the total number to receive the training to about 220, the official said.
Twenty Ukrainian soldiers began receiving training yesterday on how to use the new Phoenix Ghost drone. The unmanned aircraft is a loitering munition that can be flown directly into Russian vehicles or troop formations.

(Archivbild Oktober 2018: Niederländische Panzerhaubitze 2000 bei der Erprobung von Excalibur-Munition in Schweden – Foto defensie.nl)