Neues Gesetz soll schnellere Beschaffung von Rüstungsgütern ermöglichen
Mit zahlreichen Ausnahmen von geltenden gesetzlichen Regelungen will die Bundesregierung die schnellere Beschaffung von Rüstungsgütern für die Bundeswehr ermöglichen. Ein geplantes Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz soll sich dafür an einem bereits vorliegenden Gesetzentwurf für einen schnelleren Einsatz von verflüssigtem Erdgas orientieren, sieht aber auch weiter gehende Ausnahmen vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor.
Die Eckpunkte für den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr, die am (gestrigen) Mittwoch im Bundeskabinett beraten wurden, liegen Augen geradeaus! vor. Ziel der neuen Regelungen ist die schnellstmögliche Durchführung der Vergabeverfahren für die Bundeswehr vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage. Damit soll die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte möglichst rasch erhöht werden.
Im Kern soll der Gesetzentwurf die im Vergaberecht vorgesehenen Nachprüfverfahren beschleunigen – faktisch also bei einer Vergabe unterlegenen Unternehmen weniger Möglichkeiten geben, auf die Entscheidung über den Lieferanten nachträglich einzuwirken. Bislang können Firmen, die bei einem Auftrag nicht zum Zuge gekommen sind, die Vergabe zunächst rügen und dann von der Vergabekammer des Bundeskartellamts überprüfen lassen.
Sollte das Unternehmen in diesen beiden Verfahrensschritten unterliegen, kann es zudem beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Vergabeentscheidung klagen. Diese Verfahren können dazu führen, dass sich die Beschaffung von Waffensystemen und Ausrüstung über Jahre hinzieht.
Die Beschleunigung von Nachprüfungsverfahren solle sich an dem Vorgehen im Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases orientieren, heißt es in den Eckpunkten. Dieses Gesetz soll die Errichtungvon Infrastruktur für Flüsiggas erleichtern, um die Abhängigkeit von russischem Erdgaslieferungen zu verringern.
Darüber hinaus sind weitere konkrete Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgesehen. Unter anderem sollen Unternehmen aus Drittstaaten keine Anträge auf Nachprüfung des Vergabeverfahrens mehr stellen können. Prominentestes Beispiel für ein solches Vorgehen war die Klage der Firma General Atomics (KORREKTUR: Nicht General Dynamics), die sich gegen die Entscheidung für israelische Drohnen des Typs Heron TP gewendet hatte.
Die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr sollen zudem einfacher als bisher berücksichtigt werden können. So ist unter anderem vorgesehen, die Ausnahmeregelungen für eine einfachere Vergabe für die Nachrichtendienste im GWB-Paragraphen 145 auch für das militärische Nachrichtenwesen anzuwenden. Die Regelungen für Beschaffungen im Rahmen von internationalen Organisationen – faktisch die NATO – in diesem Paragraphen sollen präzisiert werden.
Mit dem neuen Gesetz soll zudem eine Vorschrift nicht mehr für Rüstungsbeschaffungen gelten, die zum Schutz mittelständischer Unternehmen eingeführt wurde: Die Pflicht zur Losvergabe nach Paragraph 97 Absatz 4 GWB soll aufgehoben werden:
Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
Für eine weitere Beschleunigung der Bundeswehr-Beschaffung sollen zudem Wartefristen bei der Vergabe gestrichen werden. So sieht Paragraph 134 des GWB vor, dass unterlegene Bieter zunächst informiert werden müssen und ein Auftrag erst 15 Tage später erteilt werden darf. Die Regelung in Paragraph 135, dass diese Vergabe sonst von vorherein ungültig ist, soll für Rüstungsbeschaffung künftig nicht gelten.
Wie auch das LNG-Beschleunigungsgesetz soll das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz nur befristet gelten. In den Eckpunkten sind dafür bislang fünf Jahre Geltungsdauer vorgesehen.
„In jedem Unglück ist ein kleiner Segen“ (Zitat-Quelle unbekannt)
Das alles war längst überfällig – schade, daß das nicht auch ohne einen Krieg in Europa möglich war – aber manches geht eben anscheinend nicht ohne Leidensdruck. Wichtig wäre aber dies alles auf Dauer zu erhalten, und nicht nur auf 5 Jahre zu befristen (sich also danach dann wieder selbst Fesseln anzulegen). Nicht nur national. auch auf europäischer Ebene müssen entsprechende Lehren dauerhaft gezogen werden.
Dann wäre es gut diesen Schwung zu nutzen, und gleich auch noch weitere „heilige Kühe“ zu schlachten: „Sacred cows make the best burgers“ ;-)
Es setzt nun eine Redlichkeit der Entscheidungsträger voraus.
Die klare Befristung sollte eher kürzer als länger gelten, sodass sich Investitionen in irgendwelchen Grauzonen nicht rentabel werden.
Auch hoffe ich, daß die gemeinsame Vergabe eines „Teils“ die absolute Konkurrenz mindert.
Dennoch darf darunter nicht die Qualität leiden!
Es brechen interessante Zeiten an… Schnelligkeit sowie Qualität ist gefordert. Dann wollen wir mal schauen was die (deutsche) Wirtschaft wirklich kann.
Vielleicht sollte man befristet auch Spezialisten aus der Wirtschaft dazu holen. Damit meine ich keine externen Berater von den üblichen Beraterfirmen. Da gibt es wirklich gute Einkaufsorganisationen in großen deutschen Industrieunternehmen. Wenn man mit denen verhandelt will man als Verkäufer am Ende sogar noch freiwillig Geld dazulegen ;-)
Aber die haben wohl gerade genug zu tun mit Halbleiterkrise , etc.
Wenn dies alles in Kraft tritt, sind wir einen Schritt in die richtige Richtung. Aber es bleibt noch eine Menge hindernter Bürokratie übrig. Ich habe vor ca. 2 Monaten schon vorgeschlagen, die Grenze für 25-Mio-Vorlagen von 25Mio auf 1 Mrd anzuheben. Aber mein Glaube, dass das Parlament den Bürokratieabbau ernst meint, ist nicht all zu hoch.
Dieses Vorgehen wird zu mehr Korruption führen. Von dem durch die beschleunigten Verfahren eingesparten Geld lassen sich allerdings ganze Brigaden von Staatsanwälten einstellen.
Solange sich die Mentalität der Amtsjuristen nicht ändert, können weder ein Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz noch irgendwelche Experten helfen. 🤷
Dazu wird es bestimmt auch eine Bundeswehrbeschaffungsgesetzausführungsverordnung geben
Aus der Distanz betrachtet wirkt das wir eine Aktion, um das was jetzt schon spruchreif im baainbw rumliegt möglichst störungsfrei rechtssicher umzusetzen. Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass vornehmlich die „Prozesshansel“ der Industrie den Fortschritt der Bw verzögert haben. Man könnte so weit gehen, dass ein Rechtsstaat so etwas einfach auszuhalten hat. Was es alles gar nicht erst bis zur Vergabe gebracht hat ist doch das eigentliche Drama.
Und zur Erinnerung: Der BRH sieht jetzt schon „Korruptionsgefahr“ in der Beschaffung BW. Meldung von Anfang April.
Ich denke nicht, dass die aufgeführten Maßnahmen eine wesentliche Abhilfe für die langsame und oftmals kostspielige Beschaffung darstellen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahren liegen die Probleme im BAAINBw eher in den Bereichen:
1) Mangelnde Fachkenntnis der technischen Bearbeiter. Als Gründe sehe ich unter anderem die kurze Verweildauer auf dem jeweiligen Dienstposten. Bis die jeweiligen Bearbeiter eingearbeitet sind, steht die nächste Versetzung an. Dies resultiert unter anderem in unerfüllbaren Leistungsbeschreibungen.
2) Mangelnde Erfahrung der Projektleiter sowie sehr mächtige Vertrags- und Grundsatzreferate. Hier ist es den Projektleitern oder Teilnehmern der Verhandlungen nicht möglich sich über nicht nachvollziehbare Anforderungen oder Vertragsklauseln hinwegzusetzen. Dies führt zu langwierigen Verhandlungen und sehr schleppender Projektabwicklung, da jede Kleinigkeit bis ins allerletzte diskutiert wird. Ziel der Projektleiter vom BAAINBw ist es, keine Fehler zu machen und keine Möglichkeit für Angriffe zu geben. Angst verhindert den Fortschritt.
3) Distanz zwischen technischen Sachbearbeitern/Referaten und Nutzern. Gerade bei Beschaffungen noch nicht eingeführter Technologie/Produkte, teilweise jedoch auch bei bereits bestehenden Produkten/Technologien, müssen Leistungsbeschreibungen im Vergabeverfahren massiv überarbeitet werden, da ursprüngliche Leistungsbeschreibung weit am Bedarf der Nutzer vorbeigeht. Austausch und Einbindung der Nutzer befriedigt deren Bedürfnisse.
4) Distanz zwischen technischen Sachbearbeitern/Referaten und der Industrie. Aufgrund der Compliance geht der Austausch zwischen Industrie und BAAINBw immer weiter zurück, sodass das BAAINBw immer weniger die Möglichkeiten der Industrie kennt und versteht wie die Industrie arbeitet. Gegenseitiges Verständnis führt zum Erfolg.
5) (Un-) Organisation des BAAINBw führt zu vielen und schleppenden Abstimmungen. Die Referate innerhalb des BAAINBw sind teilweise schlecht bis gar nicht abgestimmt und haben teilweise gegensätzliche Interessen. Dies kann zu Machtkämpfen ausarten, welche die Beschaffung und die Projektabwicklung verzögern. Klare Zuständigkeiten fördern den reibungslosen Ablauf.
6) Finanzielle Ausstattung des BAAINBw und das Vergaberecht führen zur Devise „schieben, strecken, streichen“, da selbst für kleinste Beschaffungen die Gelder im entsprechenden Topf nicht vorhanden sind. So wird aus einem ehemals guten Vorhaben, welches realistisch umsetzbar gewesen wäre, eine halbgare Beschaffung die am Ende keinen Mehrwert für die Truppe bringt. Eine finanzielle Ausstattung mit derer die gestellten Anforderungen erfüllt werden können ist zwingend erforderlich.
7) Uneinheitliche Ausstattung der Truppe sowie individuelle Lösungen führen zu hohen Kosten der Beschaffung und Nutzung. Einheitliche Ausstattung senkt die Kosten der Beschaffung, insbesondere der Nutzung.
8) Mangelnde Ersatzteilbevorratung sowie die Organisation der Ersatzteilbeschaffung führt zu einer Vielzahl an kleinen, individuellen Beschaffungen, welche sowohl die Kosten als auch die Lieferzeiten in die Höhe treiben. Glücklicherweise nimmt die Ersatzteilbevorratung jedoch zu, ist meiner Ansicht nach weiterhin Ausbaufähig.
9) Organisationen wie die OCCAR oder NSPA sehe ich ebenfalls kritisch, da hier bürokratische Monster geschaffen werden, die auf der Seite der Beschaffungsbehörden eine entsprechende Gegenseite zur Steuerung und Kontrolle benötigen. Somit wird ein Intermediär geschaffen, der keine Entlastung, sondern eher eine Belastung durch die Bindung von zusätzlichem Personal, bringt.
Weitere Punkte um die Kosten der Beschaffung und Nutzung zu senken könnten in der Lockerung der Exportrestriktionen liegen. Hohe Entwicklungskosten und geringe Stückzahlen führen zu sehr hohen Stückkosten, welche durch den Export refinanziert werden könnte. Um die Kosten während der Nutzung zu senken könnte die Nutzungsdauer reduziert werden und das Material vor Ende des Lebenszyklus an Dritte weiterveräußert werden. Die Kosten steigen mit zunehmender Nutzungsdauer stark an, während der „Einsatzwert“ des Materials aufgrund Alters abnimmt. Auch könnten die 25Mio. € Vorlagen (diese sind von 1980, damals 50 Mio. DM, heutige Kaufkraft ca. 23Mio.€, wenn ich mich nicht verrechnet habe), an die Inflation angepasst werden.
Welche Schuld trägt die Industrie an langsamer und teurer Beschaffung?
Ich denke auch diese trägt einen Teil dazu bei. Dies sollte jedoch gesondert aufgearbeitet werden.
Meine abschließende Meinung zu den Vorschlägen der Politik zur Beschleunigung der Beschaffung: Am Ende nutzlos und ggf. kontraproduktiv, da diese nicht die eigentlichen Probleme beheben.
Das klingt für mich so das man die 100 Milliarden schnell unter die Leute bringen will und das die beschaffungsvorhaben wohl nicht auf Begeisterung stoßen werden die man schon unter der Hand verabredet hat . Das Gemauschel fing doch schon zwischen Airbus und Boeing ( ihr kauft Hubschrauber von uns dafür klagen wir nicht gegen Lieferung tankflugzeuge) . Bei allem was man in letzten 30 Jahren erlebt hat sollten die Alarmglocken jetzt spätestens an gehen
achtmalklug sagt:
19.05.2022 um 22:15 Uhr
„Und zur Erinnerung: Der BRH sieht jetzt schon „Korruptionsgefahr“ in der Beschaffung BW. Meldung von Anfang April.“
Und was hat das jetzt konkret mit den geplanten Änderung des GWB zu tun? Dass bestimmte Dienstposten „korruptionsgefährdend“ sind, steht sogar in der SollOrg drin.
Mir ist zudem nicht bekannt, dass bestimmten Vorschriften des StGB (z.B. § 331 StGB) für das BAAIN ausgesetzt wurden…
Ok – man entfrachtet etwas den gesetzlichen Rahmen. Das hat so ca 10% – 20% Optimierungspotential.
Wenn das BMVg und die Bundeswehr jetzt aber nicht nachziehen und ihre Prozesse (Die anderen 80% Optimierungspotential) schleunigst reformiert wird das der berühmte Tropfen auf dem heissen Stein.
Solange wir „hausintern“ 2 – 3 Jahre rumeiern und uns und das Rüstungsgut totprüfen bevor wir ausschreiben bzw Verträge machen ist wenig gewonnen. Es muss einfach möglich sein, für einfache COTS Produkte, Leistungsbeschreibung (obwohl ich die in ihrer jetzigen Form als aller erstes abschaffen würde) Vergabe/Auswahl und Vertragsschluss in <6 Monaten zu machen.
Aber da wollte die Ministerin doch ran? Wo steht man da eigentlich so 7 Monate später? Gibts ne Kommission? Wer leitet diese? Wie ist sie zusammengesetzt?
Spannend. Man könnte es auch
„VermeidungvonWettbewerbundgenerellerTeilnahmeausländischerUnternehmenanAusschreibungengesetz“ nennen.
Dieser Gesetzesentwurf schützt Großunternehmen und verringert den internationalen Wettbewerb, was am Ende mit Sicherheit zu einer schnelleren Beschaffung, aber vermutlich auch höheren Beschaffungskosten führen wird. Und dann ist das Gesetz zeitlich befristet. Da muss man ja seine Ausschreibungen schnell auf den Markt werfen, damit man nicht mitten im Entscheidungsprozess eine neue (alte) Gesetzeslage bekommt…
Ich sehe das ähnlich wie Jas.
Viele Prozesse sind auf riesige Rüstungsvorhaben mit detaillierten Forderungen zugeschnitten. Die Masse der Beschaffungen ermöglicht jedoch allenfalls einen Fähigkeitserhalt, Innovation und neue Technologien sind bereits nach 4 Jahren, Mindestdauer bei Beschaffungen im CPM-Prozess, jedoch wieder veraltet oder die damals beschriebenen Forderungen sind bereits überholt. Gerade im Bereich Cyber sind die Innovationzyklen unter 2 Jahren, da bekommt man für viel Geld nur altes Zeug, den Effekt kennen bestimmt viele. Doch genauso wie sinnlos an den 25 Mio Vorlagen festgehalten wird, verweigert sich die Politik der Einsicht, dass Geld nicht politisch ausgegeben und kontrolliert werden muss. Eine Selbstständigkeit der Bundeswehr, Geld in Projekten auszugeben, die militärische Fachleute für sinnvoll und notwendig halten, würde ja bedeuten, dass im Wahlkreis des Politikers möglicherweise die Firma XY nicht bedacht werden kann, weil ZZ bessere Produkte hat. Leider im Wahlkreis der Konkurrenz gelegen, damit Veto und Blockade. Zudem kommen immer mehr „Beauftragte“, die in ihrer kleinen Welt, eine Mitbestimmungsfunktion reklamieren und beteiligt werden wollen, ohne jedoch das Gesamtprojekt zu betrachten. Spruch eines Ausbilders auf dem Soll/Org Lehrgang: Wenn sie bei der Erstellung der Strukturen Mist gebaut haben, dann kommen Sonderkästchen dazu und halten den ganzen Laden auf…
Zusammenfassung: Geld in die Hand der Entscheidungsträger, die auch als militärische Fachleute und/oder verantwortliche Führer ihrer Truppen, die Leistung erbringen müssen. Ein Politiker kann zwar den Einsatz beschließen und unsinnige Ziele wie in Afghanistan vorgeben, hat aber keine Ahnung was der Soldat vor Ort braucht. Militärische Beratung wird in der Politik nicht angenommen oder die Realität verweigert, Ich erinnere an den Inspekteur des Heeres zu Beginn des Ukraine-Krieges: „wir sind mit unserer Beratung nicht durchgedrungen“. Es braucht keinen Generalinspekteur, um zu entscheiden welchen Rucksack jeder Soldat bekommt, aber mit „streichen- strecken- schieben“ sind wir nicht sehr weit gekommen. Das muss geändert werden, dieses Gesetz kann daher nur der Anfang sein.
Der Grundsatz ist schon richtig. Auf Wettbewerb muss bei unabweisbarem, zügigen und unvorhergesehenem Bedarf für sicherheitsrelevante Güter auch verzichtet werden können.
Das heißt natürlich nicht, dass das für immer und überall gilt. Die Probleme waren allzu oft zwischen Politik und Verwaltung hausgemacht. Stichwort: Weihnachten ist vollkommen überraschend auch in diesem Jahr wieder am 24. Dezember!
Wenn – ob nun aus politischen Gründen oder Schlurigkeit – notwendige Vergabeprozesse mit entsprechender Vorlaufzeit nicht rechtzeitig angestoßen werden und darüberhinaus auch noch Leute mit in die Vergabebedingungen kamellen, die von Vergaberecht keine Ahnung haben, muss man sich nicht wundern, dass das für eine durchschnittliche Großkanzlei mit Vergabeerfahrung ein Tontaubenschießen wird und die den Schraubenschlüssel ins Getriebe werfen.
Jetzt das Getriebe zu verkleiden, hilft immerhin, den Beschaffungsvorgang zu beschleunigen und Material einigermaßen zeitnah an die Truppe zu bekommen. Qualitativ und beschaffungsprozessual wird dadurch aber noch nichts entscheidend besser.
Da muss man an anderen Stellen noch einige dicke Bretter bohren.
Wieso fehlt mir hier der Glaube?
Außer einem 43 (!) Buchstaben langem Wort (Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz) ist noch nichts geschafft und wenn ich mir die Ergebnisse der letzten Monate ansehe:
– 100 Mrd. EUR – Paket:
Nur große Ankündigungen, dann Zurückrudern, dann Verrechnen, dann Parteiengezänkt
Es ist weder was unterschrieben, noch was beschlossen worden.
– Lieferung von „Schwerem Gerät“:
Die Rüstung ist mittlerweile fast lieferfähig, die Absichtserklärungen zur Lieferung sind in alle Kameras gesprochen, aber Exportgenehmigungen wurden noch nicht erteilt.
Und das neue Wortmonster soll es jetzt bringen?
Wer sich bis jetzt lieber nach allen Seiten absichern wollte, tut das morgen auch noch. Gesetz hin oder her.
Wird Zeit, dass der politisch initiierte Drahtverhau von Vorschriften zur geregelten Entwaffnung der Bundeswehr mal gelichtet wird.
Es bleibt abzuwarten ob dieses Gesetz tatsächlich eine wirkliche Verbesserung des Beschaffungswesens mit sich bringt. In meiner Wahrnehmung liegt die eigentliche Problematik weniger beim Beschaffungsamt als vielmehr bei der politischen Führung.
Es hat in den letzten Jahrzehnten platt gesprochen einfach niemanden interessiert wie lange ein Beschaffungsvorhaben nun dauert, wann das Material in der Truppe ankommt und ob es wirklich dann auch brauchbar ist, weil eben Streitkräfte für die Politik ein mindestens ungeliebtes Thema war.
Zustände wie bei der Bundeswehr wären beispielsweise bei der Bundespolizei oder den Länderpolizein vergleichbarer Größe (NRW, Bayern) politisch untragbar. Da achtet die Öffentlichkeit (lies: die Medien) eben auch drauf und wenn Polizisten ihre Arbeit nicht vernünftig machen können ist ganz schnell ein Skandal da, der auch von der Opposition der jeweiligen Regierung auch leidlich ausgeschlachtet werden würde. Als Beispiel sei hier die Problematik mit den Einsatzfahrzeugen der NRW-Polizei genannt, was man dann innerhalb kürzester Zeit durch Beschaffung neuer Fahrzeuge geregelt hat.
Bei der Bundeswehr hingegen gab es dieses öffentliche Interesse in dieser Form nicht. Politiker aller Parteien sprechen zwar gerne von „unseren“ Soldaten, aber auf dem Hügel sterben will eben auch keiner. Allen voran die Verteidigungsminister Guttenberg, Maiziere und Von der Leyen haben doch hinlänglich bewiesen dass Ihnen Einsatzfähigkeit und Ausstattung der Bundeswehr nicht wichtig sind.
Wenn sich also für die BW wirklich etwas ändern will braucht es eine politische Führung, die auch an Beschaffungsvorhaben zieht und durch entsprechende Dienstaufsicht dafür sorgt dass es läuft. Das bedeutet aber eben auch Verantwortung zu übernehmen und für Themen zu streiten mit denen man in der Vergangenheit keinen Blumentopf gewinnen konnte. Ich weiß nicht ob sich das nun wirklich ändert, es ist aber in meinen Augen eher eine Mentalitäts- als eine Rechtsfrage.
Jas sagt:
20.05.2022 um 7:19 Uhr:
… Aber da wollte die Ministerin doch ran? Wo steht man da eigentlich so 7 Monate später? Gibts ne Kommission? Wer leitet diese? Wie ist sie zusammengesetzt? …
DIESE Ministerin? Von der erwarte ich nichts, dann werde ich wenigstens nicht enttäuscht. Für mich ist sie auf dem Posten nur ein Notnagel, weil niemand sonst den „Schleudersitz IBUK“ wollte. Eigentlich wollte sie sich ja zur Ruhe setzen – und so kommt mir ihr ganzes Agieren inzwischen auch vor.
@Mr. Specks, 20.05.2022 um 6:05 Uhr:
„Dass bestimmte Dienstposten „korruptionsgefährdend“ sind, steht sogar in der SollOrg drin.“
In der BRH-Publikation ging es um genau das: Trotz Erkenntnis dass Korruptionsrisiko herrscht versagen die Gegenmaßnahmen, insbes. häufige Rotation entsprechender Posten. Wenn sie jetzt noch das Wettbewerbsrecht eindampfen und damit eine Überprüfungsinstanz entfällt senkt das wohl kaum das Risiko.
@ Passierschein A38 – volle Zustimmung, sehr gute Zusammenfassung der komplexen Situation.
Ich sehe noch das Problem der Entscheidung.
Es gibt bei „der Industrie“ Projekte die vor mehr als 10 Jahren gestartet wurden. Und seitdem wartet man dort auf eine Entscheidung – gibt es eine Beschaffung oder nicht? Solange „rostet“ dann mal schnell ein Prototyp vor sich hin. Zwischenzeitlich wird die verwendete Technologie teilweise obsolet, das Personal wird in anderen Projekten eingesetzt usw. So kann man in „der Industrie“ nicht planen. Da wird auch ein BwBeschBeschlG nichts dran ändern. Außer vielleicht bei COTS Artikeln.
@Passierschein A38
Ich stimme Ihnen in vielen Punkten zu. Vielleicht noch eine wichtige Ergänzung. Die praktizierte Personalpolitik im BAAINBw verstärkt die Probleme deutlich. Beim Personal gibt es natürlich stärkere und auch schwächere Mitarbeiter. Eben die bewährte Gaus’sche Normalverteilung. Meine Erfahrungen mit dem BAAINBw haben leider gezeigt, dass ein Projektleiter, der deutlich überdurchschnittliche Leistungen zeigt, nach allerspätestens 2 Jahren weg ist und bevorzugt im Bereich Controlling verschwindet. Da kann er dann feststellen, was die schwächeren Projektleiter alles nicht können und dies an die Leitung melden. Besser wird dadurch kein Projekt, es werden nur zusätzliche Berichte generiert.
Auf die Idee, die starken Mitarbeiter in die Projekte zu stecken und entsprechende Leistungen mit Karriereaussichten zu belohnen, kommt keiner. Das könnte ja die Projekte voranbringen und dem Auftrag dienen. Viel wichtiger ist die Modeschranze Controlling, die vor allem dazu dient, dass der Leitung keine Fehler nachgewiesen werden können. Was interessieren da schon Projekte und der Auftrag.
@Metallkopf sagt: 20.05.2022 um 8:59 Uhr
„Der Grundsatz ist schon richtig. Auf Wettbewerb muss bei unabweisbarem, zügigen und unvorhergesehenem Bedarf für sicherheitsrelevante Güter auch verzichtet werden können.“
Konnte bis jetzt auch schon, nur die Frage ist ja, ob das unsere zentralen Probleme löst, den Wettbewerb einzuschränken.
Am Beispiel der Marine-Tanker: https://twitter.com/Kpunkt_Bpunkt/status/1525827217250570241
@Passierschein A38 sagt: 19.05.2022 um 23:54 Uhr
Danke für den ausführlichen Beitrag.
„2) Mangelnde Erfahrung der Projektleiter sowie sehr mächtige Vertrags- und Grundsatzreferate. Hier ist es den Projektleitern oder Teilnehmern der Verhandlungen nicht möglich sich über nicht nachvollziehbare Anforderungen oder Vertragsklauseln hinwegzusetzen. Dies führt zu langwierigen Verhandlungen und sehr schleppender Projektabwicklung, da jede Kleinigkeit bis ins allerletzte diskutiert wird. Ziel der Projektleiter vom BAAINBw ist es, keine Fehler zu machen und keine Möglichkeit für Angriffe zu geben. Angst verhindert den Fortschritt.“
Aber sollte diese „Gängelung“ nicht durch die Schaffung der Programmorganisation (PMO) beseitigt/gemildert worden sein?
Diese gab es ja von 2016-2021 (?), wurde dann wegen Ressourcenmangels eingedampft und wird jetzt im BAAIN anscheinend wieder implementiert. So zumindest die Aussagen von BAAIN-Vizepräsidentin Lehnigk-Emden vor dem HH-Ausschuss am 09.05.
„3) Distanz zwischen technischen Sachbearbeitern/Referaten und Nutzern. Gerade bei Beschaffungen noch nicht eingeführter Technologie/Produkte, teilweise jedoch auch bei bereits bestehenden Produkten/Technologien, müssen Leistungsbeschreibungen im Vergabeverfahren massiv überarbeitet werden, da ursprüngliche Leistungsbeschreibung weit am Bedarf der Nutzer vorbeigeht. Austausch und Einbindung der Nutzer befriedigt deren Bedürfnisse.“
Auch dieses Problem soll ja angegangen werden, indem die Inspekteure schon bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung mit eingebunden werden.
„5) (Un-) Organisation des BAAINBw führt zu vielen und schleppenden Abstimmungen. Die Referate innerhalb des BAAINBw sind teilweise schlecht bis gar nicht abgestimmt und haben teilweise gegensätzliche Interessen. Dies kann zu Machtkämpfen ausarten, welche die Beschaffung und die Projektabwicklung verzögern. Klare Zuständigkeiten fördern den reibungslosen Ablauf.“
Auch dabei könnte die PMO ja helfen.
„7) Uneinheitliche Ausstattung der Truppe sowie individuelle Lösungen führen zu hohen Kosten der Beschaffung und Nutzung. Einheitliche Ausstattung senkt die Kosten der Beschaffung, insbesondere der Nutzung.“
Haben Sie da ein Beispiel für?
Aus der Außensicht handelt es sich dabei nur um kleinere Projekte. Und die (theoretischen) Effizienz-Vorteile zentraler Beschaffung werden aus den von Ihnen geschilderten Gründen (–> zu wenig, zu spät, das Falsche) häufig nicht erreicht.
„9) Organisationen wie die OCCAR oder NSPA sehe ich ebenfalls kritisch, da hier bürokratische Monster geschaffen werden, die auf der Seite der Beschaffungsbehörden eine entsprechende Gegenseite zur Steuerung und Kontrolle benötigen. Somit wird ein Intermediär geschaffen, der keine Entlastung, sondern eher eine Belastung durch die Bindung von zusätzlichem Personal, bringt.“
Was wäre dazu ihr Vorschlag?
Die Idealllösung wäre ja ein Verzicht auf nationale Kapazitäten durch Nutzung OCCAR. Woran scheitert das?
Die Alternative wären ja zwischen den Nationen abgestimmte Schwerpunkte der Beschaffungsorganisationen ohne (großen) bürokratischen Überbau. Vielleicht vergleichbar der Marinekooperation zwischen Belgien und NL, wo Belgien alleinverantwortlich die Minenjagdkompononete und NL alleinverantwortlich die Fregatten für beide Staaten verantworten.
„Auch könnten die 25Mio. € Vorlagen (diese sind von 1980, damals 50 Mio. DM, heutige Kaufkraft ca. 23Mio.€, wenn ich mich nicht verrechnet habe), an die Inflation angepasst werden.“
Frisch in der Opposition angelangt, erwärmt sich die Union für eine Inflationsbereinigung dieser Schwelle. So spricht sich Florian Hahn für die Anhebung auf 50 Mio Euro aus.
https://twitter.com/Kpunkt_Bpunkt/status/1505531612053872641
Damit steht er aber allein auf weiter Flur.
Sehr gut!
Endlich ein Schritt in die richtige Richtung.
Natürlich zu spät, zu wenig und zu kurz.
Aber besser kleine Schritte als gar keine Schritte :)
Und an all die Nörgler hier: kann man Ihnen eigentlich irgendetwas recht machen???
Mmh, wenn sich die Berichte aus der Presse bestätigen, dass der bei Rheinmetall für „Panzerproduktion“ zuständige COO von Polizei aufgrund von Vermisstenanzeige durch Rheinmetall gesucht wurde und nach 4 Tagen betrunken irgendwo im Auto gefunden wurde, ist das auch wieder kein großer Imagegewinn…Ich möchte natürlich nicht den Link zum Beschaffungsamt herstellen. Ist trotzdem irgendwie eine komische Meldung und passt irgendwie in die unklare Gemengelage.
[Mhmmm, es gibt, wenn ich nichts übersehen habe, genau ein Medium, auf dessen Angaben das beruht. Ich würde da noch mal zur Zurückhaltung raten. T.W.]
bzgl. Ersatzteilbeschaffung: Gibt es denn keine Rahmenverträge dafür; es würde mich Recht wundern, wenn das Beschaffungsamt dadurch so stark ausgelastet ist, dass darunter Erstbeschaffungen leiden…
Andererseits bin ich froh, dass ein richtige Beschaffungsamt existiert, das nicht nur das Vertragliche und die Ausschreibung an sich regelt.
Die Vorstellung, dass die späteren Nutzer sich jahrelang mit der Anforderungsanalyse beschäften, wo dann die Vorgesetzten Freihand funktionale und nicht-funktionale Anforderungen gegen einander aufwiegen oder letztendlich um jeden Preis ein Produkt eines bestehenden Rahmenvertrags nehmen (wEGeEN dER Eu-AuSSchrEibUng, naCh dER dER uNterleGene BiETer dann DRei JaHre klAge!!!), auch wenn es weit hinter den Anforderungen zurückbleibt, graust mich.
„Neues Gesetz soll schnellere Beschaffung von Rüstungsgütern ermöglichen“
Endlich. ich hoffe nur, dass das Gesetz auch wirklich beschleunigt und nicht wieder nur dazu dient überteuertes Material von deutschen Herstellern zu kaufen (wie im Fall der beiden Tanker).
@achtmalklug:
Die Vergabekammer des Bundes als „Überprüfungsinstanz“ untersucht allerdings auf Vergabefehler und stellt keine Korruptionskontrolle per se, wie etwa eine Innenrevision o.ä., dar.
Korruption kann zu Vergabefehlern (v.a. mit Blick auf Dokumentationsmängel) führen, muss aber nicht.
@ K.B.
Die Inflationsrate zwischen 1980 und 2021 lag im Schnitt bei 1,93%.
Gesamt rund 118% damit entsprechen die 25 Mio€ von 1980 heute und 55 Mio €.
@ex_inst
50 Mio. DM ergeben umgerechnet nicht 25 Mio. Euro. Wenn ich den tatsächlichen Umrechnungskurs DM/Euro nehme, die 118% bis 2021 dazu rechne und die aktuellen 7,4% berücksichtige, bin ich bereits jetzt bei ca. 60 Mio. Euro. Alle seriösen Wirtschaftsforscher erwarten in den nächsten Jahren eine weiterhin hohe Inflation. Ich bleibe bei meinem Vorschlag, die Vorlagegrenze auf 1 Mrd. Euro anzuheben.
Zumal die Inflation im Rüstungsbereich die letzten Jahre höher war als die des Warenkorbs.
Eine Reform der 25 Mio Vorlagen ist unter Verteidigungspolitikern unstrittig. Nur bei Haushaltspolitikern ist es das nicht, die bestehen gerne auf einer besonderen Kontrolle des EP 14. Die hat sich, historisch, auch mehrfach als nötig erwiesen.
Und deswegen schweigen sich Regierungsparteien dazu gerne aus…. Leider
(Und zwar unabhängig davon wer regiert)
@SB63:
Als ob es um die 25 Mio als Wert ginge…
Dieses ganze „Spiel“ dient doch nur der Selbstvergewisserung des Parlaments als moralische Instanz und der Verfestigung des Nimbus der „Parlamentsarmee“.
Niemand will ernsthaft diese Hürde erhöhen, denn so ist jeder MdB „Wichtig“, wird hofiert und kann sich in seinem Wahlkreis profilieren.
Wo kämen wir denn medial hin, wenn nur noch um Schiffe, Flug- und anderes Großgerät gefochten werden müsste?!
Dann kann der MdB des Bekleiders sich nicht profilieren, des Lieferanten für Handwaffen, logistische System etc.
Hier ging es nie um Effizienz, schon gar nicht um Effektivität. Hier ging es immer nur um mediale Ausschlachtung der eignen „Wichtigkeit“.
Das man die Pflicht zur Losvergabe nach Paragraph 97 Absatz 4 GWB aufhebt, wird sich noch rächen. Am Ende steht man mit wenigen großen Rüstungskonzernen da, die einem die Vertragskonditionen diktieren. Mittelständler, die oft besser und günstiger arbeiten, verschwinden nach und nach vom Markt.