Debatte zur Flugverbotszone über der Ukraine: Nur im Westen des Landes?
Die Debatte über eine mögliche Flugverbotszone über der Ukraine wird seit einigen Tagen sehr kontrovers geführt: Die ukrainische Regierung fordert sie, die NATO-Staaten, die sie durchsetzen müssten, lehnen das ab – in der Befürchtung, dass das zu einer direkten Konfrontation Russlands mit der Allianz führen würde. Mit einem etwas anderen Vorschlag hat sich der frühere Airbus-Chef und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Tom Enders, zu Wort gemeldet.
Enders‘ Vorschlag läuft auf eine solche Zone nur über dem Westen der Ukraine hinaus. Zur Diskussion seine Ansicht im Wortlaut, auf Deutsch exklusiv bei Augen geradeaus!:
Flugverbotszone im Westen der Ukraine einrichten
Der mit viel Fanfare angekündigte Versailler Gipfel der EU hat für die von Putin mit einem brutalen Krieg überzogene Ukraine nur Entäuschungen gebracht: weder wurde dem Ersuchen der ukrainischen Regierung nach EU-Kandidatenstatus zugestimmt, noch wurden weitere harte Sanktionen gegen Russland, wie etwa ein Importstopp für russisches Öl und Gas beschlossen. Die dringende Bitte von Präsident Selensky, der Westen solle eine no fly-Zone über der Ukraine einrichten, um die russischen Bombardements aus der Luft zumindest zu reduzieren, hatten die NATO und die USA schon vorher abgelehnt.
Die jüngsten russischen Luftangriffe gegen Ziele weit im Westen der Ukraine und in der Nähe der polnischen, slowakischen, ungarischen und rumänischen Grenzen bringt das Thema no-fly-Zone aber unweigerlich wieder auf den Tisch. Es ist eine Sache, Putin mit dem Abschuss russischer Flugzeuge über dem gesamten ukrainischen Territorium zu drohen, auch in der Nähe russischen Territoriums und russischer Luftbasen. Die Implementierung einer solchen Strategie wäre äusserst aufwendig und schwierig und von den heute dislozierten NATO-Luftstreitkräften kaum zu leisten; jedenfalls wenn sich die Türkei nicht daran beteiligen würde, wovon auszugehen ist.
Eine andere Sache aber ist es, den ukrainischen Luftraum in der Nähe der östlichen NATO-Grenzen für russische Kampfflugzeuge zu sperren. Dies ist taktisch-operativ von den Luftbasen aus Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien heraus machbar. Deutsche Eurofighter sind bereits in Rumänien stationiert. Natürlich sollten die Kräfte auf den jeweiligen Basen von Einheiten aus USA, U.K., Deutschland und anderen NATO-Partnern verstärkt werden.
Ausserdem könnten beispielsweise Patriot- und französische SAMP/T-Luft-Boden-Batterien, grenznah stationiert, grosse Teile des west-ukrainischen Luftraums erfassen. Patriot-Raketen haben effektive Reichweiten von über 100 km. Unter anderen verfügen Deutschland, die Niederlande, Rumänien und natürlich auch die USA über Patriot-Systems.
Die Einrichtung einer Flugverbotszone zumindest über den sechs bis acht westlichen Oblasten der Ukraine dient nicht nur der militärischen Unterstützung der ukrainischen Streitkräften. Sie ist auch unter humanitär-logitischen Gesichtspunkten zwingend. Oder will der Westen in den nächsten Wochen tatenlos zusehen, wie Putins Luftwaffe die Flüchtlingskonvois, Hilfsorganisationen und ukrainischen Truppen selbst in Sichtweite der NATO-Grenzen wahllos zusammenschiesst? Das wäre ein moralisches Desaster, von dem sich der „freie Westen“ so rasch nicht wieder erholen würde.
Aber selbst wenn man nicht in moralischen Kategorien denkt oder argumentiert: eine Flugverbotszone im Westen der Ukraine könnte auch ganz wesentlich dazu beitragen, dass der Krieg nicht unkontrolliert auf NATO-Gebiet übergreift, indem dem Aggressor zumindest für den Luftkrieg ein klares „bisher und nicht weiter!“ aufgezeigt würde.
Würde Putin dann weiter eskalieren, die NATO-Staaten im Osten oder im Baltikum angreifen, gar Nuklearwaffen einsetzen? Das ist sehr unwahrscheinlich, zumal der Westen ja nicht russisches Territorium angreifen würde, sondern nur russische Flugzeuge, cruise missiles und Raketen im ukrainischen Luftraum. Es ist an der Zeit, dass der Westen Putins nukleare Drohgebärden als das entlarvt, was sie wirklich sind, nämlich ein Bluff, um die westlichen Regierungen von militärischem Eingreifen abzuschrecken.
(Foto: Eurofighter der Luftwaffe im enhanced Air Policing der NATO über Rumänien – Foto Luftwaffe)
@Roman R.: Sie haben in der Tat Recht mit allem, was Sie sagen. Ich kann nur zustimmen und hoffen, dass der Vorschlag mit der Flugverbotszone im westlichen Teil der Ukraine raschestmöglich umgesetzt wird – zum Wohle Tausender unschuldiger Menschen. Die Frage ist halt eben in dem Zusammenhang, ob die NATO militärisch dazu in der Lage ist. Das Ganze wird so oder so ein „Ritt auf der Rasierklinge“ werden.
@ Metallkopf:
Ja volle Zustimmung, es sieht aktuell so aus, dass eine Flugverbotszone gar nicht mehr nötig wird.
Trotzdem noch der Denkanstoß, wenn man das militärische Eingreifen nicht immer so ausgeschlossen hätte, hätte man vielleicht mehr Druck auf die Kriegsführung Russlands nehmen können.
Spätestens bei ABC Waffen im ANGRIFFskrieg hätte man als NATO mal eine rote Linie für Putin ziehen müssen. (oder würden alle dabei auch einfach zuschauen wollen?)
@lukan sagt: 16.03.2022 um 9:47 Uhr
„Sie sind also der Meinung, das Regiment Asow mit direkten Verbindungen zum 3.Weg in Deutschland kämpft allgemein für „Die Freiheit“?“
Ok, ich bin jetzt unsicher, nennt man das jetzt korrekt eine „Nebelkerze“ oder ein „red herring? oder ist das „derailing“. Egal, es ist auf jeden Fall lustig :)
@Koffer
„Ok, ich bin jetzt unsicher, nennt man das jetzt korrekt eine „Nebelkerze“ oder ein „red herring? oder ist das „derailing“. Egal, es ist auf jeden Fall lustig :)“
Für das was sie tun, sind alle 3 Bezeichnungen zulässig. Und damit beende ich diesen „Austausch“.