Frankreich (und Partner) kündigen Abzug aus Mali an (Nachtrag)
Die Meldungen sind noch nicht sehr detailliert, aber deutlich genug: Frankreich und seine vor allem europäischen Partnerländer wollen sich aus ihren Missionen Barkhane und Takuba in Mali zurückziehen. Der Schritt kommt nicht unerwartet, nachdem sich in den vergangenen Wochen das Verhältnis Malis vor allem zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich deutlich verschlechtert hatte.
Bislang gibt es dazu nur Meldungen französischer Medien, z.B. Radio France International:
Nach einem Arbeitsessen im Élysée-Palast, an dem rund 30 afrikanische und europäische Staats- und Regierungschefs teilnahmen, kündigten Frankreich, seine europäischen Partner und Kanada am Donnerstag, den 17. Februar, nach neun Jahren militärischer Intervention gegen die Dschihadisten den Rückzug ihrer Streitkräfte aus Mali an.
Nach einem Treffen der afrikanischen und europäischen Partner im Élysée-Palast am Mittwochabend, bei dem die Lage in der Sahelzone besprochen wurde, wurde die Entscheidung bestätigt. Die Barkhane- und Takuba-Streitkräfte werden demnach Mali im Rahmen eines „koordinierten Rückzugs“ verlassen.
(Übersetzt mit www.DeepL.com)
Formal betrifft ein solcher Schritt nur die beiden Anti-Terror-Missionen – aber er hat auch Auswirkungen auf die EU-Trainingsmission EUTM Mali in dem westafrikanischen Land und die Blauhelmmission MINUSMA der Vereinten Nationen. Sowohl am EU-Einsatz als auch an MINUSMA ist die Bundeswehr beteiligt.
Nachtrag: Die gemeinsame Erklärung – die auch von Deutschland unterzeichnet wurde – liegt inzwischen vor; aus der offiziellen englischen Fassung:
Due to multiple obstructions by the Malian transitional authorities, Canada and the European States operating alongside Operation Barkhane and within the Task Force Takuba deem that the political, operational and legal conditions are no longer met to effectively continue their current military engagement in the fight against terrorism in Mali and have thereof decided to commence the coordinated withdrawal of their respective military resources dedicated to these operations from Malian territory. In close coordination with neighbouring states, they also expressed their willingness to remain committed in the region in accordance with their respective constitutional procedures.
At the request of their African partners, and based on discussions on future modalities of joint action, they agreed nonetheless to continue their joint action against terrorism in the Sahel region, including in Niger and in the Gulf of Guinea, and have begun political and military
consultations with them with the aim to set out the terms for this shared action by June 2022.
(Neufassung kommt demnächst)
Wir sind damit der mit Abstand größte westliche Truppensteller in Mali als Teil MINUSMA. Staatsministerin Keul wollte den Beitrag beibehalten. Wird der Puma wie von MdB Strack-Zimmermann gefordert verlegt, Präsenz zum Eigenschutz robuster gestaltet?
Oder verlässt man MINUSMA?
Mali wird das nächste Afghanistan. In Mali hat man die Militärstrategie counterinsurgency angewandt, die State Building intendiert – im Kontext demokratischer Strukturen. Die jüngste Entwicklung hat gezeigt, dass demokratische Strukturen dort nicht umsetzbar sind. Folglich wird man in Mali genauso Schiffbruch erleiden wie im Irak und in Afghanistan, wo dieser militär strategische Ansatz zum Einsatz gekommen ist. Es bedarf in diesen asymmetrischen Konflikten einer generellen Militär strategischen Neuorientierung.
@ commander z
Zustimmung zum Scheitern des nation building COIN Ansatzes.
Die Richtige reaktion wäre aber entschlossener Fokus auf CT (counter terrorism) Strategie um islamistische Expansion niederzuhalten/lokal zu binden.
Anstatt Barkhane/Takuba abzuziehen, die primär europäischen Interessen dienen, hätte man vielmehr EUTM etc beenden müssen die eher einer Legitimation der Putschisten nahe kommen ohne substantiell irgendetwas im europäischen Interesse zu erreichen.
Mit der jetzigen Entscheidung wird sich der Gegner (AQIM und Konsorten) auf das, im Vergleich zu Takuba, „soft target“ EUTM einschießen, ohne das man dem mit dem passiven Mandat entwas entgegensetzen könnte.
Im Endeffekt wird man EUTM auch abziehen und steht im Zweifelsfall auf einer der Hautpmigrations/Narco Routen einem russischen Klientelstaat mit IS Enklaven gegenüber.
Das wirkt auf mich nicht wie vorausschauende Sicherheitspolitik
Was sollen wir da jetzt noch? DEU hat sich auf Bitte der Franzosen hin an den Einsätzen beteiligt. Das war die Grundlage, die ist nun entfallen. Für mich bedeutet das ein ganz klares Ende aller DEU-Beteiligungen in beiden Einsätzen.
Die UN-Mission MINUSMA soll einen Frieden sichern, den es nicht mehr gibt. Die von der Bundeswehr im Rahmen der EU-Trainingsmission EUTM Mali ausgebildete malische Armee ist zunehmend für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich.
Es ist in Mali nie gelungen, angesichts von islamistischem Terrorismus, organisierter Kriminalität und Bandentum Stabilität zu gewährleisten. Die UN-Mission in Mali ist nicht nur der gefährlichste Einsatz, nicht nur der Vereinten Nationen, sondern auch der Bundeswehr aber auch der nun auch der sinnnloseste!
Der Einsatz von UN-Truppen in Mali wird nun erneut infrage gestellt, weil es unter anderem o.g.Meldungen aus französischen Kreisen gab, der trotz einiger taktischer Erfolge der militärisch gestützte Anti-Terrorkampf im Sahel gescheitert ist, die malische Militärjunta unverändert mit der sogenannten Wagner-Gruppe zusammenarbeitet, einem privaten russischen Militärdienstleister u.v.m.
Nun muss das Mandat rasch neu bewertet werden. Darüber hinaus ist in den kommenden Tagen (erneut) zu prüfen, ob mit der derzeitigen Führung in Mali der angestrebte politische Prozess noch erreichbar sei. Nun, die Antwort kann man ahnen.
„Wenn sich in Mali nichts ändert, kann es ein einfaches ‚Weiter so‘ dort nicht geben“, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht. Recht hat sie!
Also – Abzug ja(!), rasch, sicher kein überstürzten Abzug.
Jetzt bitte nicht in die Tasche lügen!
Kann man gleich die (verfügbare :-)…) Analyse nutzen, was die Bundeswehr aus dem Afghanistan Debakel für den Mali-Einsatz gelernt hat.
Dann bitte ehrlicher und transparenter Soll – Ist Vergleich.
In Mali ist die Bundeswehr noch sowohl in der UN-Mission MINUSMA und der EU-Mission EUTM doch vor allem aus Bündnissolidarität mit Frankreich aktiv. Nötig ist es nun, sich am Ziel der „Stabilisierung vor Ort“ auszurichten, sich dazu ehrlich zu machen!
Nur zur Erinnerung – Das ursürüngliche Soll:
„United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali“: Im April 2013 als Nachfolgerin der westafrikanischen Eingreiftruppe MISMA gegründet.
Aufgaben: Unterstützung der Friedensabkommen zwischen Malis Regierung, bewaffneten Gruppen, Tuareg-Rebellen; Schutz von Zivilisten und Hilfe beim Staatsaufbau und sozialer Entwicklung in instabilen Landesteilen.
In die Tasche lügen wäre übrigens auch die Verlagerung von EUTM Mali nach Niger, wo bereits eine zu hinterfragende Spezialkräfteausbildung stattfindet. Angeblich würde dies einen Abzug aus Mali ermöglichen, ohne die EU-Mission zu verlassen.
@Pio-Fritz sagt: 17.02.2022 um 10:49 Uhr
„Was sollen wir da jetzt noch?“
DEU und EUR Interessen an einem stabilisierten Westafrika vertreten und vorantreiben.
Einfache Frage, einfach Antwort.
Ob unser derzeitiger Ansatz erfolgversprechend ist, ist eine ganz, ganz andere Frage…
@wacaffe
Ich stimme Ihnen in Gänze zu. Der CT-Ansatz ist die einzige nachhaltige Lösung gegen den islamistischen Terrorismus. Der Gegner muss mittels militärischer Hard Power zermürbt werden; somit wurde das terroristische Kalkül umgedreht und man verhindert auf jeden Fall, dass sich ein quasi Staat der Terroristen etabliert. Aber in Zeiten einer Ampel Regierung ist dort nicht dran zu denken – zumindest aus deutscher Sicht.
@Commander Z, @wacaffe: Also der Strategie der Junta folgen und den Bock zum Gärtner machen?
Ich denke es ist mal wieder Zeit für eine Rückschau, in welchem Machtvakuum – zwischen Post-kolonialen Kleptokratien und Diktatoren auf der einen Seite und weiten Teilen der Bevölkerung, welche diese Eliten als Fremdherrscher wahrnahmen/nehmen – der Islamismus überhaupt erst entstanden ist.
Diesem Einsatz fehlt in Gänze eine klare Zielsetzungen. Das wird sich rächen. In Afrika wird man daher in eine Prä 9/11 Ära zurückfallen. Das Problem des Terrorismus wird nicht verschwinden.
Der Konflikt in Mali wird sich daher einreihen in Afghanistan und Irak.
Die Frage ist, was man daraus lernt. In der deutschen Sicherheitspolitik ist leider fest zu stellen, dass die selben Fehler immer wieder gemacht werden und man nichts lernt.
Zudem gilt anzuerkennen, wie verzweifelt die Junta ist. Ich kopiere aus dem letzten Mali Faden:
„Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt:
14.02.2022 um 15:50 Uhr
Der Außenminister von Mali war gestern in Teheran. Auf der Suche nach neuen Verbündeten?
Die Pasderan in Mali, gemeinsam mit Wagner, das fehlte gerade noch,
Auch diese Auswahl eines evtl. neuen Partners entspricht nicht den Vorstellungen in UN und EU.
https://mobile.twitter.com/JigiAfrica/status/1493209948725125123“
Die wollten sehen, jetzt glotzen sie!
@wacaffe sagt: 17.02.2022 um 10:39 Uhr
Grundsätzlich hätten Sie recht, wenn nicht die ganzen Einschränkungen der malischen Junta die Missionen sämtlich massiv behindern und in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken würden.
Was wollen Sie dort mit Spezialkräften, die jeden Flug und damit Einsatz mindestens 36 Stunden vorher von den Maliern genehmigen lassen müssen? Oder mit Patrouillien bei MINUSMA, ohne Luftbeweglichkeit, Drohnen etc.? Selbst die Rettungshubschrauber dürfen ja nicht einfach so fliegen.
Das macht weder militärisch noch politisch Sinn, dort zu bleiben, wenn der Staat, der Hilfe dadurch erfahren soll diese massiv behindert.
Und was Drogen und Flüchtlinge angeht, diese gelangen z.Zt. auf anderen Routen nach Europa, da kommt es auf Mali nicht an. Das sind auch Probleme, die man nun wirklich nicht militärisch lösen kann.
@Koffer sagt: 17.02.2022 um 11:01 Uhr
„DEU und EUR Interessen an einem stabilisierten Westafrika vertreten und vorantreiben.“
Sie übersehen und ignorieren dabei (wie andere Kommentatoren auch) gerne, das wir hier über souveräne Staaten in Westafrika sprechen, die souveräne Entscheidungen treffen. Wir als EU, DEU oder FRA haben da gar nichts zu entscheiden. Wir können unsere Hilfe und Unterstützung anbieten und versuchen, Einfluss zu nehmen, wenn das aber nicht angenommen wird, dann ist das eben so. Egal, ob uns die jeweilige Regierung und ihre Politik passt oder nicht.
Das muss man einfach akzeptieren. Und im hier vorliegenden Fall ist doch offensichtlich, das die malische Junta die westeuropäischen demokratischen Kräfte loswerden möchte. Ich sehe da keine rechtliche Grundlage, die legitimieren würde, sich diesem Ansinnen zu widersetzen.
@AoR
Sie werden das Problem des islamistischen Terrorismus nicht mit demokratischen Mitteln lösen können. Das ist ein Fakt und hat Afghanistan gezeigt. Daher ist es klug sich auf CT zu beziehen. Präzise bedeutet dies, dass der Gegner militärisch zermürbt wird. Das führt dazu, dass in Afrika kein IS Kalifat etabliert wird. Mehr kann man nicht machen. In Bezug auf den islamistischen Terrorismus muss festgehalten werden, dass dieser nicht besiegt werden kann. Folgerichtig muss mit CT agiert werden. Niemand sagt, dass dies das beste Mittel ist. Sodann muss festgehalten werden, dass wir keine Alternative haben, sodass wir mit CT vorgehen müssen. CT ist also eine Notwendigkeit und keine ideale Lösung. Und es wird noch schlimmer: in naher Zukunft wird in Mali ein Bürger Krieg herrschen. Dann wird man sehen, wie man die CT Strategie diesbezüglich anpassen muss. Zukünftig ist festzuhalten, dass man nur mit Minimalzielen in solche Konflikte eingreifen darf. Bisher ist nicht mal eine Objektive Zweck Formulierung für den Mali Einsatz zu finden. Das ist sehr problematisch. Wir müssen uns bewusst werden, dass wir in Ländern wie Mali oder Afghanistan nur im Sinne der Homeland Security agieren dürfen. Alles andere ist nicht zielführend. Wir werden aus Mali keinen demokratischen Staat machen.
@Pio-Fritz sagt: 17.02.2022 um 11:46 Uhr
„Sie übersehen und ignorieren dabei (wie andere Kommentatoren auch) gerne, das wir hier über souveräne Staaten in Westafrika sprechen, die souveräne Entscheidungen treffen.“
Ich stimme Ihnen in der Darstellung zu, nicht aber in der Bewertung, dass ich diese Einschätzung/Tatsache ignoriere.
„Wir können unsere Hilfe und Unterstützung anbieten und versuchen, Einfluss zu nehmen, wenn das aber nicht angenommen wird, dann ist das eben so. Egal, ob uns die jeweilige Regierung und ihre Politik passt oder nicht.
Das muss man einfach akzeptieren. Und im hier vorliegenden Fall ist doch offensichtlich, das die malische Junta die westeuropäischen demokratischen Kräfte loswerden möchte. Ich sehe da keine rechtliche Grundlage, die legitimieren würde, sich diesem Ansinnen zu widersetzen.“
Natürlich gibt es eine rechtliche Grundlage unsere eigenen Interessen mit legitimen Mitteln durchzusetzen. z.B. mit der Förderung oder eben nicht Förderung bestimmter Regierung und/oder Projekte mit unseren finanziellen Mitteln. Oder durch entsprechende Resolution in den völkerrechtlich dazu befugten Gremien.
Natürlich können wir nicht eine Streitkräfteanwesenheit und Handlung gegen den Willen einer souveränen Regierung durchsetzen (jetzt mal VN-SR Resolution etc. außen vor).
Aber im Gegensatz zu Ihnen sehe ich nicht, dass die MLI Regierung uns raus haben will. Sie ist vielmehr derzeit dabei ihre Interessen selbstbewusster durchzusetzen und vor allem FRA nicht mehr alles durchgehen zu lassen.
Soweit so gut. And uns (und FRA und der EU und anderen) liegt es nun unsere Interessen mit den richtigen Mitteln durchzusetzen und dadurch mit der MLI Regierung in ein neu justiertes Einverständnis über unsere Präsenz zu kommen.
Wir (DEU und EUR) haben ein Interesse weiterhin vor Ort präsent zu sein und der Destabilisierung West-Afrikas entgegen zu wirken.
Man wird sehen, ob wir uns über die Umsetzung mit der MLI Regierung einigen werden können.
@all
Gibt zu dem Thema eine Zusammenfassung, die auch die deutsche Debatte (und das Statement der Verteidigungsministerin dazu) enthält. Ggf. dort weiter diskutieren?