Russlands Vorschläge für Verträge über „Sicherheitsgarantien“: Faktisch ein Ende der NATO (Neufassung)
Russland hat präzisiert, wie die vor allem von seinem Präsidenten Wladimir Putin geforderten Sicherheitsgarantien für das Land in Verträgen mit den USA und der NATO festgeschrieben werden sollen. Die Entwürfe sehen unter anderem vor, dass Truppenstationierungen außerhalb des eigenen Territoriums verboten werden sollten, wenn sich eine der Vertragsparteien bedroht fühlen könnte, außerdem sollen nach 1997 aufgenommene Mitgliedsstaaten der Allianz nicht militärisch unterstützt werden: Praktisch eine Forderung an das Ende der NATO.
Die Vertragsformulierungen veröffentlichte das russische Außenministerium am (heutigen) Freitag; jeweils auch in einer – als inoffiziell markierten – englischen Übersetzung.
Aus dem Entwurf für den Vertrag mit den USA:
The Parties shall refrain from deploying their armed forces and armaments, including in the framework of international organizations, military alliances or coalitions, in the areas where such deployment could be perceived by the other Party as a threat to its national security, with the exception of such deployment within the national territories of the Parties.
The Parties shall refrain from flying heavy bombers equipped for nuclear or non-nuclear armaments or deploying surface warships of any type, including in the framework of international organizations, military alliances or coalitions, in the areas outside national airspace and national territorial waters respectively, from where they can attack targets in the territory of the other Party.
Diese Formulierung ist maßgeschneidert für die russischen Interessen: Auf seinem eigenen Gebiet, einschließlich der Exklave Kaliningrad, bleiben Truppenstationierungen unangetastet – für die USA soll dagegen, auch im Rahmen der NATO, eine Stationierung in Europa praktisch ausgeschlossen werden. Das ist ja nicht das nationale Territorium der USA. Das gleiche gilt für nukleartaugliche Waffensysteme zur Luft oder zur See.
Dagegen sieht der Entwurf für die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen (auch konventionell bestückte) ein Verbot vor, wenn sie das Territorium des anderen Landes bedrohen:
The Parties shall undertake not to deploy ground-launched intermediate-range and shorter-range missiles outside their national territories, as well as in the areas of their national territories, from which such weapons can attack targets in the national territory of the other Party.
Allerdings stellt sich da die Frage, warum der INF-Vertrag gescheitert ist, der auch so etwas vorsah. Nachdem Russland bestimmte Waffensysteme als ausgenommen betrachtete, während die USA sie als Teil des Abkommens ansahen, kündigten zunächst die USA und dann Russland diesen Vertrag.
Und grundsätzlich ist natürlich interessant, dass Russland von den USA erwartet, eine Ausweitung der NATO auf weitere ehemalige Sowjetrepubliken zu unterbinden – was auf Georgien und die Ukraine zielt, die beide eine grundsätzliche Zusage für eine Mitgliedschaft im Bündnis haben:
The United States of America shall undertake to prevent further eastward expansion of the North Atlantic Treaty Organization and deny accession to the Alliance to the States of the former Union of Soviet Socialist Republics.
Ähnlich weitgehend sind die Forderungen im Vertragsentwurf für ein Übereinkommen mit der NATO:
The Russian Federation and all the Parties that were member States of the North Atlantic Treaty Organization as of 27 May 1997, respectively, shall not deploy military forces and weaponry on the territory of any of the other States in Europe in addition to the forces stationed on that territory as of 27 May 1997. With the consent of all the Parties such deployments can take place in exceptional cases to eliminate a threat to security of one or more Parties.
Grundsätzlich also die Absage an die Stationierung jeglicher Truppen der Staaten, die vor Mai 1997 Mitglieder der NATO waren, in den später hinzugekommenen Bündnisstaaten: Tschechien, Ungarn und Polen (1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004), Albanien, Kroatien (2009) sowie Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020).
Mit anderen Worten: Für fast in der Hälfte der 30 [KORREKTUR, nicht 20] Mitgliedsstaaten der Allianz soll die Bündnisverpflichtung der NATO nicht mehr gelten können. Das ist eigentlich nichts anderes als die Aufforderung an die NATO, sich mit diesem Vertrag selbst aufzulösen.
Das werden noch interessante Verhandlungen.
Die Vertragsentwürfe als Sicherungskopie:
20211217_Draft_RUS_USA_security_guarantees
20211217_Draft_Russia_NATO_security_guarantees
Nee.. echt jetzt? Das liest sich wie ein Aprilscherz. Passt aber perfekt ins Bild (Mainz Kastel).
Was ist denn mit den hungrigen Russen in der Ukraine (NZZ-Artikel)?
Ohne sonderlich sattelfest in der deutschen Geschichte des 2. Weltkriegs zu sein, aber das liest sich fast wie der deutsch-sowjetischer Nichtangriffsvertrag aus den 1930ern – allerdings einseitig.
Und selbst wenn man das nicht so sieht bleibt die Frage ist nach der Alternative – sprich dem:
Sonst passiert folgendes!
Ich fasse einmal kurz zusammen:
Wir Russen legen fest, wie die Welt organisiert wird. Wer sich nicht daran hält, bedroht uns und wir haben dann das Recht anzugreifen.
Kann man so sehen, muss man aber nicht. Da sieht man, wie weit man kommt, wenn man nicht mehr kann, als mit Sanktiönchen zu drohen.
Dass den Russen das nicht peinlich ist, mit so einem verfrühten Aprilscherz auf den Markt zu gehen….
Es kann eigentlich nur ein Witz sein. Mal sehen, wer das ernst nimmt und sich damit als Vollhorst outet.
Wer entscheidet denn, wann sich eine Partei bedroht wird? und welche Maßnahmen werden dann getroffen und welche Mechanismen in Gang gesetzt? Und wie wird das überwacht?
Da sich Russland seit dem Zerfall des Warschauer Paktes permanent bedroht fühlt, ist das keine tragfähige Basis für eine irgendwie geartete Diskussion. Und Waffen darf man haben, so viel man möchte aller Arten. Nur nicht außerhalb des eigenen Territoriums.
Wenn man so etwas haben möchte, dann müssen auch gleich noch drei-vier Abrüstungsabkommen für Europa her. Wobei, dann sammelt der eine jenseits des Urals und der andere auf dem nordamerikanischen Kontinent und China ist auch noch da.
Für mich zu viele offene Fragen und unausgegoren. Irgendwie untypisch für RUS. Könnte auch einfach nur die nächste Nebelkerze sein, um sich dann als Opfer darzustellen.
Irgendwie ist dieser Vorschlag auch nicht auf Europa begrenzt. Heißt das dann, Die Russen dürfen auch keine Truppen mehr in den Turk-Staaten, Syrien usw. stationieren?
@1997:
Seit 12. März 1999:
Polen
Tschechien
Ungarn
Seit 29. März 2004:
Bulgarien
Estland
Lettland
Litauen
Rumänien
Slowakei
Slowenien
Seit 1. April 2009:
Albanien
Kroatien
Seit 5. Juni 2017:
Montenegro
Seit 27. März 2020:
Nordmazedonien
Russland schlägt also den USA vor, man möge Europa aufteilen, mit dem Unterschied dass Russische Panzer vor Madrid oder Lissabon die USA weniger bedrohen wie US-Panzer um Berlin.
Mit dem feinen Unterschied, die US Panzer sind dort willkommen.
Man sollte die Antwort darauf denn EU Mitgliedern der NATO überlassen, in Washington sollte man die Kenntnisnahme negieren. Klartext, wann stellt man unerfüllbare Vorderungen auf?
Entweder man spielt Verrückt (im taktischen Sinne) oder man startet einen Angriffskrieg (spielt doppelt verrückt im pathologischen Sinne). Denn wenn das die russischen Bottomline der Verhandlungen (Alternative to a negotiated agreement) auch nur andeuten soll, dann kommt es zum Krieg…
Gelächter!
Es ist ok, wenn sich jemand (subjektiv) bedroht fühlt. Dies kann bzw muss man mittels Gespräche und vertrauensbildenden Maßnahmen darauf reagieren.
Aber zu fordern, dass einige bestimmte Mitglieder eines Verteidigungsbündnisses nicht verteidigt werden dürfen ist nichts anderes als eine Angriffserklärung.
Entweder ich erkenne das Bündnis als Verteidigungsbündnis an, dann macht diese Forderung keinen Sinn.
Oder ich unterstelle dem Bündnis offensive Absichten. Dann macht die Forderung auf Verzicht der Verteidigung bestimmter Länder ebenfalls keinen Sinn.
Der Vorschlag ist nichts anderes als der Versuch, die Nato zu spalten und die Angst in den betroffenen Gebieten zu erhöhen.
Angelehnt an Anthony McAuliffe kann die Antwort auf diesen Vorschlag eigentlich nur heißen: „Nuts!“
Hier kann man nachvollziehen, wie RU einem Ausschluss aus SWIFT vorbauen möchte: https://sputniknews.com/product_SWIFT_payment_system/
Hier die Ansage des ukrainischen VM, den Guerillakrieg vorzubereiten, sollte es zur Invasion kommen:
„ Should the Russians invade and overwhelm Ukraine’s military, officials there are planning for a potential insurgency to fight back.
“In case of [Russian Federation] attempts to enlarge scales of armed aggression against Ukraine the answer is yes,” […] in response to a question of whether it would distribute arms to its citizens. “Nowadays measures on formation troops of territorial defense are being conducted.” „
https://www.militarytimes.com/flashpoints/2021/12/16/all-out-war-or-creeping-occupation-among-putin-options-says-ukraine-mod/
Anstatt an den Molotow-Ribbentrop-Pakt fühle ich mich eher an das Ultimatum gegen Serbien 1914 erinnert. Realistisch unerfüllbar, aber die vorschlagende Seite kann behaupten vor der militärischen Eskalation noch diplomatische Mittel versucht zu haben. Damit wäre das nichts anderes als ein Alibi Putins, das von den üblichen Kräften am Rand des Bundestags wahrscheinlich noch honoriert wird.
Da die NATO diesen (lächerlichen) Vertragsentwurf als das zur Kenntnis nehmen wird, was er ist, nämlich als ein Witz, kann Putin nun sagen, er habe alles zur Deeskalation des Status Quo vorgeschlagen. Dann wird natürlich die NATO als Aggressor dargestellt und eine Eskalation im Ukrainekonflikt der NATO zugeschrieben. Alles was dann geschieht, hat dann selbstredend die NATO zu verantworten. Daraus folgt, dass mit Putin zu argumentieren, der die Vernunft ablehnt, genau so ist wie die Verabreichung von Medizin an Tote. Eine Einmarsch in die Ukraine, wie der gewaltsame, völkerrechtswidrige Akt wie die Annexion der Krim durch Russland darf sich nicht wiederholen.
Die westlichen Länder müssen dem „lupenreinen Demokraten“ Putin jetzt zeigen, dass eine Gefahr für den Weltfrieden nur von Russland ausgeht.
Man möchte nicht glauben, daß wir in 2021 leben…Wenn Putin diese Forderungen platziert, weiß er das Sie unerfüllbar sind, wenn sich die NATO nicht auflösen will. Welch Grosmannsgehabe auch dahinter steht…“ Wir verhandeln das und der Rest hat es zu akzeptieren!“
Ich würde was drum geben in seinen Kopf schauen zu können…
@Lars B
Oder wie das Münchner Abkommen 1938 – die Mächte (heute: USA, RF) sprechen über die causa Ukraine, aber nicht mit ihr.
Peace in our time! 😎
So starten auch gerne mal Verhandlungen. Erstmal maximale Forderungen stellen um dann irgendwann einen, für beide Seiten, guten Kompromiss zu erreichen. Mal abwarten und schauen was am Ende raus kommen wird.
Achso: der russische Vorschlag erinnert mich an sowas ähnliches aus den Tiefen der 2000er wo man von russischer Seite schonmal einen Gegenentwurf zur existierenden Sicherheitsordnung in Europa auf den Markt warf. Ich erinnere mich nur ich mehr an den Namen. War aber ähnlich trollig…
Putin ist meiner Meinung zwar bestimmt keine Genie (von wegen “ . . . Schachspieler . . .“) aber gewiß auch kein Idiot. Wenn das Papier nach Ansicht des hier versammelten militärisch-strategischen Sachverstands als „Witz“ oder „Aprilscherz“ einzuordnen ist (was ich mangels Qualifikation auch weder in Zweifel ziehen will noch kann), dann dient dieses Ding doch offenbar einem ganz anderen Zweck.
In jedem Falle müssten sich doch aber Putin und seine Leute (Schoigu, Lawrow pp) völlig im Klaren darüber sein, dass so ziemlich jeder Experte im Rest der Welt zu den Schlüssen gelangt, die hier bei AG aufgeschrieben werden. Wenn diese Leute in Moskau sich trotzdem genau so äußern, was sagt es uns über die innere Verfassung und die Selbsteinschätzung der Putin-Gang? Und was wollen sie damit wem sagen?
Alles nur Innenpolitk? Hat Putin tatsächlich die Hose voll bis zum Schlipsknoten? Schließlich hat er mit seinem Gefasel vom „Völkermord“ ja schon ziemlich aufgedreht. Was hat sich so furchtbar verändert in letzter Zeit, dass es ihn (das Regime) so wild umtreibt? Oder nur ein kleines Späßchen um zu testen, wie gut die Nerven auf der anderen Seite sind?
@Marcel:
Als Meinungsverstärkung halt noch 100.000 Mann – bereit zum Angriff – in der Hinterhand.
Offenbar glaubt Putin, dem „dekadenten Westen“ sehr viel „abverhandeln“ zu können.
Daher geht er mit einer schon fast grotesk maximalen Position (die aber so formuliert ist, dass seine Sympathisanten dies gut in der Debatte nutzen können) in die Verhandlungen.
Aber will darüber überhaupt jemand ernsthaft verhandeln???
Was tut er wenn diese Verhandlungen gar nicht anlaufen?
Putin hat schon mehrfach gezeigt, dass er ein sehr guter Taktiker ist, aber kein so guter Stratege.
Die USA und die NATO können dies eigentlich nur ablehnen.
Was macht er dann?
Bestenfalls ist das eine Verhandlungstaktik á la ‚Drei Schritte vor, zwei Schritte zurück‘. Doch vermutlich handelt es sich um die Ouvertüre für eine noch aggressivere russische Außenpolitik, die Putin vor dem eigenen Volk rechtfertigen kann, indem er den angeblich abgewiesenen Olivenzweig vorweist.
Allmählich muss man sich wirklich Sorgen machen. Dieser unannehmbare Vorschlag spricht Bände über das Welt- und Geschichtsbild des Kremls. Bisher war ich stets dafür, russische Befindlichkeiten selbst dann zu berücksichtigen, wenn wir sie nicht verstehen, aber für Appeasement ist jetzt kein Raum mehr.
Denn Russland hat mit diesem Vorstoß die Nichtbeachtung der Souveränität und territorialen Integrität der Staaten der vormaligen sowjetischen Einflusssphäre zur Staatsräson erhoben.
@all
Angesichts der auflaufenden Kommentare (nicht alle sichtbar): Es mag reizvoll sein, Analogien zwischen dem Verhalten Russlands heute und dem des Deutschen Reiches 1938/39 zu sehen. Ich würde dennoch darum bitten, das jetzt nicht weiter auszureizen. Weil es schon noch gewisse Unterschiede gibt. Danke.
@muck:
Appeasement ist natürlich als Vorwurf schnell in die Debatte geworfen.
Man sollte aber vorallem mal ganz nüchtern abwägen wie wichtig uns wirklich die Ukraine ist.
Derzeit schaukeln sich beide Seiten rhetorisch hoch, dies ist nie ein guter Weg zur Konfliktlösung.
Sinnvoller wäre eine klare rote Linie mit Blick auf die NATO-Staaten (mit glaubwürdiger Abschreckung) und ein Konsens mit Blick auf die Ukraine.
Ob Mariopol russisch oder ukrainisch ist, ist für unsere Sicherheit genau betrachtet irrelevant.
Man sollte sich nur die Kämpfe aussuchen, die man wirklich führen muss und auch gewinnen kann.
Moskaus Forderungskatalog an die Nato
USA kündigen Gespräche mit Russland an
Der Ukrainekonflikt droht zu eskalieren, Russland verlangt weitreichende Sicherheitsgarantien von den USA und der Nato. Nun reagiert das Weiße Haus – und das Militärbündnis bietet Moskau vertrauensfördernde Maßnahmen an
https://www.spiegel.de/ausland/usa-kuendigen-gespraeche-mit-russland-an-a-254d9668-fe77-48fb-93a9-339795ecf111
@TW
Ja, verständlich, aber dennoch darf ich hier erwähnen: die Sowjetunion hat im 2. WK 24 Millionen Tote zu beklagen gehabt. Da ist das Sicherheitsbedürfnis schon verständlich, auch wenn die Bevölkerung Deutschland gegenüber sehr offen und freundlich gesinnt ist.
Wir sollten uns nicht zum Handlanger der USA machen – wer hat uns (bisher) immer vertragstreu beliefert, und wer droht uns Sanktionen an (NS2, u.v.a.) und mischt sich indirekt in unser Rechtssystem ein? Für mein Dafürhalten ist die NATO – leider – zu einem Instrument der USA „verkommen“, Stoltenberg sei Dank (nicht). Unsere Sicherheitsinteressen werden jedenfalls durch die NATO heuer eher weniger vertreten (Indo-Pazifik / China?).
Das heißt nicht, daß wir die berechtigten Interessen unserer Verbündeten ignorieren sollen, allerdings hat Deutschland eben auch berechtigte eigene Interessen, und ich erwarte von unserer Regierung, daß sie diese Interessen zuerst und nachdrücklich vertritt (Amtseid!).
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1055110/umfrage/zahl-der-toten-nach-staaten-im-zweiten-weltkrieg/
Ich rate dringend dazu, bei diesen historischen Erinnerungen an die Folgen des 2. Weltkriegs auch die Wahrnehmung der Balten und Polen im Hinblick auf die Folgen zu berücksichtigen. Es geht nicht nur um das deutsch-russische Verhältnis.
@TW
Ja, aber was wäre die rote Linie, bei deren Überschreiten wir den Bereitschafts-, Spannungs- bzw. Verteidigungsfall erklären würden? Welche Folgen hätte ein Ziehen des Art. 5 – ein „Du, Du, Du“ mit großem Bedauern, ausdrücklichem Verurteilen, Mitfühlen mit unseren Verbündeten in diesen schweren Stunden?
Und was würde dadurch in Gang gesetzt werden? Aufhebung aller (der meisten) Lehrgänge einschließlich UniBw, Einberufung von Reservisten, quasi „Mobilmachung“, Bezug von Verfügungs- bzw. Einsatzräumen, Aktivierung der Sicherstellungsgesetze? Durchhaltefähigkeit im hochintensiven Gefecht (Betriebsstoff, Munition, EPA)?
Seit Mitte der 90er Jahre ist das alles Geschichte. Und wenn RUS uns dadurch mittelfristig das Gas abdreht und gleichzeitig Cyberaktionen startet ist bei uns „der Ofen aus“. Isso.
@WB
„… wo man von russischer Seite schonmal einen Gegenentwurf zur existierenden Sicherheitsordnung in Europa auf den Markt warf.“
RUS war bereits Mitglied beim Programm Partnership for Peace:
https://en.wikipedia.org/wiki/Partnership_for_Peace
Ist die ganz große Inszenierung mit den offensichtlich nicht erfüllbaren Forderungen und dem Aufmarsch in der Ukraine eher nicht doch vielmehr der Versuch, am Ende mit der Krim als anerkannter Teil Russlands durch den Westen nach Hause zu gehen ?
„20 Mitgliedsstaaten“ sollte sicherlich „30“ heissen.
[Stimmt, pardon, wird korrigiert. T.W.]
Bisher dachte ich, die russischen Aufstellungen an den Grenzen der Ukraine seien eine Drucktaktik, um den prorussischen Donbass zu sichern und Washington dazu zu bringen, Kiew zur Rückkehr zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu bewegen.
Aber ich muss zugeben, dass ich langsam große Zweifel habe.
Das geht weit über die traditionelle „harte Haltung“ zu Beginn jeder Verhandlung hinaus. Mehrere Klauseln in jedem der Textentwürfe sind selbst für den russophilsten Amerikaner oder Westeuropäer schlichtweg unannehmbar. Und die russische Seite weiß das natürlich sehr gut.
Was kann das anderes sein als ein durchsichtiges Manöver, um eine klare Ablehnung der USA zu erreichen und daraus „ableiten“ zu können, dass angesichts einer solchen Weigerung, einigermaßen ernsthafte Sicherheitsgarantien seitens so offensichtlich feindseliger Länder zu geben, Russland zu seinem großen Bedauern keine andere Wahl hat, als militärische Mittel einzusetzen, um Garantien zu erhalten, die geeignet sind, seine Sicherheit zu gewährleisten?
Ich habe nicht daran geglaubt, aber jetzt frage ich mich, ob Russland 2022 wirklich in die Ukraine einmarschieren wird.
Welche Folgen hätte eine russische Invasion der Ukraine, wenn sie stattfindet? Es scheint mir so:
– Kurzfristig Demütigung der USA und der NATO, die nicht in der Lage sein werden, die Eroberung der gesamten Ukraine oder eines Teils davon zu verhindern, weil die USA sich natürlich weigern werden, militärisch einzugreifen, und weil die Europäer nicht wirklich die Mittel haben, Russland, dessen Öl- und Gasexporte für die Weltwirtschaft notwendig sind, hart zu bestrafen.
– Langfristig schlecht oder sogar katastrophal für Russland, das die Kosten einer langfristigen Besetzung tragen muss, während es sich von den Europäern abkoppelt und abhängiger von China wird, das viel mächtiger ist als Russland und daher seine Satellitenbildung vollenden wird.
Letztendlich gibt es nur einen Gewinner: Peking.
„Nee.. echt jetzt? Das liest sich wie ein Aprilscherz.“
„Der Vorschlag ist nichts anderes als der Versuch, die Nato zu spalten und die Angst in den betroffenen Gebieten zu erhöhen.“
„Ich würde was drum geben in seinen Kopf schauen zu können…“
Ich stelle fest:
Der Großteil der Kommentarschreiber war noch nie in einer Verhandlung.
Selbstverständlich ist dies das erste Angebot
und immerhin gibt es ein Angebot.
DAS ist nämlich das entscheidende an der ganzen verfahrenen Sache.
Jetzt wird die NATO, wenn sie schlau ist, natürlich ganz offiziell öffentlich diesen Verhandlungsvorschlag als niemals umsetzbar hinstellen und gleichzeitig aber eine Verhandlungsrunde/Gipfel NATO-Russland für Februar 2022 oder ähnlich initieren.
Dort kann man dann offen sprechen und wie gesagt, wenn sie schlau ist, einen eingenen auch abstrusen, aber nicht ganz so abstrusen Vorschlag für Russland, Vorschlag mit zum Gipfel nehmen.
Man erwidert also dem 100%ig nicht umsetzbaren Vorschlag mit einem eigenen 80%ig nicht umsetzbaren Vorschlag und so läuft dann die Verhandlung zumindest an und irgendwann kommt man dann hoffentlich zu einem gemeinesamen Ergebnis.
„Putin hat schon mehrfach gezeigt, dass er ein sehr guter Taktiker ist, aber kein so guter Stratege.“
Bitte einen Beweis nennen.
Für mich sieht das anders aus. In Syrien zum Beispiel ist Assad noch an der Macht.
„Und wenn RUS uns dadurch mittelfristig das Gas abdreht“
Der Ausschluss aus dem SWIFT-System kann genau das erreichen.
Wenn Russland durch den Ausschluss in eine Wirtschaftskrise gestürzt wird (wie von einigen Experten angenommen), steht es mit dem Rücken zur Wand.
Da lässt man nicht gleich Panzer fahren, sondern stellt die erste Woche die Erdgaslieferung ein und meiner Meinung nach dann auch zu Recht. Je kälter es im Empfängerland ist, desto besser.
Aber nur wenn die Folgen durch den Ausschluss so desaströs sind. Bei „normalen“ Wirtschaftssanktionen, die aber eben nur ein bisschen Schmerzen verursachen, wäre das natürlich noch kein Grund.
Mit was wollen wir denn unsere Appeasement-Politik beenden? 375 Kampfpanzer und 81 Panzerhaubitzen? Munition, Ersatzteile und Betriebsstoffe für wie viele Tage? Da fühlt sich Putin bestimmt ganz doll abgeschreckt, wenn wir eine bunt zusammengewürfelte Division für eine halbe Woche ins Feld stellen können. Fakt ist, dass uns die letzten eineinhalb Jahrzehnte die Sicherheit der osteuropäischen Partner, die Bündnissolidarität und unsere historische Schuld in Osteuropa ganz offensichtlich egal waren und insbesondere den russlandfreundlichen Teilen der deutschen Politik auch weiterhin egal sind.
Fakt ist auch, dass es ohne die USA keine Wiedervereinigung gegeben hätte, trotz alldem, was immer wieder an negativen Dingen über unseren wichtigsten Verbündeten behauptet wird.
„Letztendlich gibt es nur einen Gewinner: Peking“
Richtig!
Und das weiß auch Putin und genau deshalb wird Russland eben nicht einmarschieren, wie hier viele befürchten.
Langfristig ist Russland eben von einer gut geschmierten Weltwirtschaft abhängig, in der eine große ordentliche Nachfrage nach Rohstoffen vorhanden ist.
Wenn nun aus naheliegenden Gründen ein großer Verbraucher (EU/Europa) und andere westlich orientierte Staaten wie Japan, Australien, USA etc. wegfallen und sich ihre Rohstoffe von anderen Ländern besorgen, wird es in Russland so ausschauen wie in den Anfang 1990ern.
Russland will aber eben aufzeigen, dass seine Sicherheitsinteressen (die definiert jeder Staat für sich) mit einer Annäherung von alten Sowjetrepubliken (und damit Grenzstaaten) an die EU/NATO/Westen gefährdet sind.
Für ein friedliches Zusammenleben sollte dann der Westen auf diese ex-Sowjetrepubliken als Mitgliedsstaaten verzichten.
Handelsabkommen, Diplomatische Verbindungen und kulturellen Austausch kann es ja trotzdem geben.
Sehe überhaupt kein Problem darin, wenn Ukraine, Belarus uws. als „Pufferstaaten“ dienen und den Status „neutral“ bekommen.
@MFG
Habe Ihren Satz mal korrigiert:
„Fakt ist auch, dass es ohne die USA & ohne Russland keine Wiedervereinigung gegeben hätte,“
Der Vorwurf Russland oder Putin hätten keine Strategie verwundert, Gerade das in Außen- sicherheitspolitische und verteidigungspolitischen Fragen ziemlich strategielose Deutschland sollte dann doch besser die eigenen (Haus) Aufgaben machen.
Die Kommentare, häufig leider sehr russlandfeinlich, haben gemeinsam Elemente, nämlich dass vieles deutet darauf hindeutet, dass die westlichen Mächte nach wie vor der Versuchung unterliegen, das Potential Russlands weiter zu unterschätzen und die „euroasiatische Macht“ vorwiegend als Rohstofflieferanten des Westens nur sehen.
Genauso wie die ehemalige Sowjetunion entgegen allen Voraussagen den 2. Weltkrieg entschied, zählt auch Russland heute wieder zu den führenden Weltmächten. Auf dem Gebiet des technisch-militärischen Komplexes blieb Russland weiterhin führend: Es besitzt eines der umfangreichsten und modernsten Nuklearwaffenarsenale und führt in der Raketen- und Weltraumtechnik besonders klar. Auch verfügt das Land über ein eigenes Navigationssystem, das sogenannte ‘Global Navigation Sattelite System’ (GLONASS) alternativ zum US-Amerikanischen GPS, dem Europäischen Galileo sowie dem Chinesischen Beidou.
Russlands Verteidigungssystem scheint effizienter, leistungsfähiger und schneller als das des Westens.
Wie soll man mit den russischen Drohgebärden und Provokationen in der Ukraine-Krise umgehen?
Die EU Russland-Strategie „vage“. Die EU nennt keine abgestimmten, oft unkonkrete Maßnahmen. Wohl aus aus strategischen Gründen, aber auch, weil das einen „Preis für den Westen“ hätte. Gern genommen, der Kreml verstehe nur “Machtpolitik” und sehe “keine Gratis-Zugeständnisse“ als ein Zeichen der Stärke.
Auch die neue Nato-Strategie ist laut, allerdings nicht oder auch schlecht synchronisiert beinhaltet m.E. auch Elemente eines Konfrontationskurses.
Die USA und Europa verfolgen scheinbar zwei unterschiedliche Strategien, die aber doch untrennbar miteinander verbunden sind. Effektiv ist dieses Vorgehen bislang nicht.
Um das „Feindbild“ nicht stören zu lassen, wird auf die aktuelle Verlautbarung nicht wirklich konkret eingegangen. Selbst die wenigen konstruktiven Vorschläge, die deutlich erkennbaren Sorgen um die betroffenen aller Menschen im Ukraine-Konflikt werden ausgeblendet. Stattdessen werden die Fehler auf russischer Seite groß herausgestellt. Das ist verständlich und häufig auch richtig. Aber dahinter verschwinden die eigenen konstruktiven Ansätze.
Horst Teltschik: „Keiner hat eine Strategie, es sei denn, es geht gegen Russland, gegen Putin“.
@ Memoria „Ob Mariopol russisch oder ukrainisch ist, ist für unsere Sicherheit genau betrachtet irrelevant.“
Es ist aber nicht irrelevant, ob man sich öffentlich bedrohen und vorführen lässt. Putin hat die Katze aus dem Sack gelassen; der Westen hat nun keine andere Möglichkeit als in irgendeiner Form darauf zu regieren. Am besten so, daß niemand das Gesicht verliert und Putin eine rote Linie aufgezeigt wird.
Sie müssen verstehen, in welchen historischen Bildern sich Putin und sein Umfeld bewegen. Seit der ersten kurzfristigen ukrainischen Nationalstaatsgründung am Ende des 1. WK, welche durch die Rote Armee unter Trotzki dann erobert wurde, halten viele russische/sowjetische Eliten „Ukrainer“ für eine gegen Russland gerichtete deutsche Erfindung. Putin hat in einem für westliche Empfindungen recht kruden Artikel die Behauptung der Existenz einer von Russland geschiedenen ukrainischen Nation als eine Massenvernichtungswaffe bezeichnet. Denn, so Putin, Ukrainer und Russen sind im Grunde beide Teil eines Ganzen und wenn dann böse Einflüsterer den Leuten weismachen, sie wären als Ukrainer etwas eigenes, habe man diesem größeren Ganzen mehrere dutzend Millionen Menschen entrissen, was einer Massenvernichtungswaffe gleichkommt.
Das bedeutet, man kommt mit trockenen Theorien der Politikwissenschaft nicht an den Kern von Putins Motivation für seine Ukrainepolitik. Ich glaube, er sieht sich selbst mittlerweile als historische Figur in der glorreichen Geschichte des heiligen Russland, in einer Reihe mit Ivan IV. Katharina II. oder Stalin. Und er sieht, dass mittel- und langfristig die Ukraine immer mehr zum Westen tendiert. Darum muss er nun nicht nur aus vermeintlich strategischen oder Sicherheitsgründen die Ukraine zerschlagen, sondern auch aus historischen, die direkt mit der eigenen Identität verknüpft sind.
Die narrativen Vorbereitungen eines großen Waffengangs werden simultan mit den militärischen gelegt (u.A. der angebliche Genozid an der russischen Bevölkerung in der Ostukraine).
Falls es soweit kommen sollte, müssen wir nicht nur ökonomische Sanktionen erwägen (SWIFT, NS2), sondern müssen Putin auch da treffen, wo er tatsächlich empfindlich ist: bei den historischen Narrativen. Das können verstärkte Maßnahmen der politischen Bildung für den öffentlichen Dienst beinhalten, eine konfrontativere Art, die russozentrischen Narrative zu adressieren, die Anerkennung des Holodomor als Völkermord, die strategisch angelegte Unterstützung von diesbezüglichen Stiftungen und was einem noch so alles einfällt. Dem Framing der Großrusslandapologeten, der „Stalin-did-nothing-wrong“-Fraktion, derjenigen, die der Ukraine kein Recht auf eine echte Eigenständigkeit zugestehen, muss entschieden widersprochen werden
@Alexis TK 27: „Letztendlich gibt es nur einen Gewinner: Peking.“
Exakt, Xi gibt Putin schon Rückendeckung. Der Shanghai Kooperationsrat würde massiv aufgewertet.
@Symmachont hat eindrucksvoll die russische Perspektive auf die Ukraine dargestellt. Jetzt geht es um die Frage, was ist die EU Perspektive auf die Ukraine. Ist es ein europäischer Staat? Ja oder Nein, denn mit dieser Antwort wären die Würfel gefallen.
Ohne Beistand der EU-Natomitglieder hinge die Ukraine an den Sicherheitszusagen der USA und Großbritannien. Letztere hat Putin bereits aus der inneren Gleichung genommen, erstere Verhandeln momentan mit ihm.
Ü
Merkposten:
„Aus Brüsseler Diplomatenkreisen hieß es, es werde von Russland keine echte Kompromissbereitschaft erwartet, ebenso wenig gebe es sie von Seiten der NATO.“
https://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-konflikt-russland-ende-nato-osterweiterung-101.html
Damit stellt man, sollte Putin nicht bluffen, vor die Wahl einen möglichen zukünftigen NATO / EU Beitritt zu aktzeptieren oder einzumarschieren…
@AoR
Zumal es keine schwerwiegenden Friktionen zwischen RUS und CHN gibt. Mir fallen nur zwei ein: die chinesische Migration in das russische ostwärtige Grenzgebiet und das Verhältnis zu Indien.
RUS wird relativ problemlos seine Rohstoffe auch anderweitig verkaufen können.
Fun fact: „Die USA selbst haben wenig Probleme mit russischen Energielieferungen. Aktuellen Zahlen der US-Energiestatistik-Behörde EIA zufolge wächst das Volumen russischer Rohöllieferungen in die USA von Jahr zu Jahr. Russland belegt mittlerweile Platz drei unter den Öllieferanten der USA – noch vor Saudi-Arabien. Die Plätze eins und zwei belegen Kanada und Mexiko.“ (Handelsblatt, 25.03.2021)
Soviel zur Glaubwürdigkeit bzgl. der amerikanischen Besorgnis über NS2. Auch der Abhörskandal scheint bereits vergessen, Merkel: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“
https://www.dw.com/de/merkel-aussp%C3%A4hen-unter-freunden-das-geht-gar-nicht/a-37580819
Nachtrag: Politik der USA ist es, die eigenen Reserven zu schonen, denn natürlich könnten sie sich auch selbst versorgen. Vielleicht zu höheren Kosten und unter Hintanstellung des Umweltschutzes, es wäre aber machbar. Man nimmt da lieber einen negativen Beitrag in der Handelsbilanz in Kauf (das war auch schon anders).
Deutschland ist eben nicht autark und baut mittel- bis langfristig auch auf RUS bei der Wasserstoffversorgung:
https://www.swp-berlin.org/publikation/russland-im-globalen-wasserstoff-wettlauf
wobei da auch die Ukraine interessant sein könnte.
https://www.derstandard.de/story/2000130996089/eu-setzt-bei-gruenem-wasserstoff-auf-unterstuetzung-aus-der-ukraine
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/wasserstoff-pipeline-ukraine-101.html
@ Thomas Melber, Denethor: Zustimmung.
Ausser @ Thomas Melber „ RUS wird relativ problemlos seine Rohstoffe auch anderweitig verkaufen können.“ Nein, so einfach nicht – das Erdgas-Pipelinenetz ist statisch, die Mengen kann RUS nicht ad-hoc verflüssigen und auf Schiffe laden. Und bei anderen Rohstoffen schrauben andere Abnehmer nicht mal eben den Bedarf nach oben.
Ergänzung: Ich wundere mich etwas über das wiederholte Vorbringen etwaiger militärischer Optionen von Nato etc. Das wird es nicht geben. UKR ist eben kein Mitglied dort, Beistandspflichten gelten nicht, auch zu einem UN-Mandat wird es in UKR gegen RUS nicht kommen. Es bleiben die klassischen Mittel der Wirtschafts-und Aussenpolitik sowie in Eskalation wirtschaftliche Sanktionen und Waffenlieferungen als mögliche Werkzeuge.
An den gezogenen Vergleichen zum Zweiten Weltkrieg merkt man, dass auf diesem Blog hauptsächlich ein jüngeres Publikum unterwegs ist. ;-)
Absolut überzogene Forderungen, von denen man weiß, dass die Gegenseite sie nicht akzeptieren wird, gepaart mit Mobilmachung, das erinnert eigentlich eher an die Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
@Thomas Melber: Danke sehr interessant.
Damit sind wir bei der Frage: Was wollen wir eigentlich?
– Regelbasierte Ordnung und Axiome des Völkerrechts ( Selbstbestimmungsrecht der Völker / Souveränität von Staaten )
– Frieden in Europa (Präambel des GG)
– Wirtschaftliche Interessen (Erdgas, Märkte)
– Eigene Sicherheitsinteressen (Tiergartenmord und glauben die dass die sich alles herausnehmen können)
Klartext: wenn RU einmarschiert und ein Teil der Ukraine den Guerillakrieg forciert, stehen wir vor einer humanitären Katastrophe in Europa. Die Ukraine, bzw. der Westen der Ukraine könnte Enden wie Tschetschenien.
@Landmatrose 3000
Klar, von jetzt auf nachher geht das nicht; auch hat RUS Interesse daran, seine Kundschaft zu diversifizieren. Dennoch:
https://industriemagazin.at/a/russland-will-seine-lng-produktion-verdreifachen
https://www.gtai.de/gtai-de/trade/branchen/branchenbericht/russland/russland-diversifiziert-seine-gasexporte-628018
Wenn wir Pech haben bekommen wir nur, was uns China (und andere asiatische oder afrikanische) Staaten übrig lassen.
Seitens der NATO gibt es die Idee, nunmehr auch eFP auf Bulgarien und Rumänien auszudehnen – SPON (Paywall) oder Oldenburger Onlinezeitung (dort frei), es ist allerdings eine Agenturmeldung:
[So weit ich sehe, ist die Spiegel-Meldung – noch – offen zugänglich?
https://www.spiegel.de/ausland/nato-plant-truppenverstaerkung-an-der-ostflanke-a-59540354-6d2c-4177-8193-6107a35fc166
T.W.]
Die NATO ist ja bereits mit einem Korpsstab präsent, dem MNC SE:
https://mncse.ro/app/webroot/en/
Eine Verschränkung zwischen Bw und rumänischen Kräften gibt (gab) es ebenfalls:
https://www.bundeswehr-journal.de/2017/tschechien-und-rumaenien-kooperation-mit-der-bundeswehr/
In wie weit dies mit Leben gefüllt wird weiß ich nicht, die räumliche Distanz ist ja sehr groß. Und die DSK ist nun nicht wirklich der ideale Verband zur Aufnahme einer mechanisierten Brigade.
@ MFG Hier geht es um die NATO und die EU und nicht nur um Deutschland. Nuklear können die europäischen NATO- und EU-Staaten nicht gegenhalten. Aber selbst ohne die USA, die Türkei und Kanada sieht es konventionell aus meiner Sicht nicht ganz so schlecht aus. Wir haben mehr Bevölkerung, Soldaten und Geld.
Und wenn wir unser Geld mal endlich effizient einsetzen, dann kommt da vielleicht auch mal was Vernünftiges raus. Aber bei zwei Sachen hakt es: Wie verlässlich sind die Vertragspartner? Und zweitens: In Russland sagt einer, wo es lang geht. Bei uns dauert alles länger, weil man Konsens herstellen muss. Und man muss die Kräfte zusammenziehen. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren. Aber das ist in einem Bündnis nun mal so. Da könnte man ja dran arbeiten.
Zitat:“Praktisch eine Forderung an das Ende der NATO.“
Soweit ich das sehe, sind das Maximalforderungen, wie sie am Beginn von Verhandlungen von beiden Seiten gestellt werden. Auch der russischen Regierung wird klar sein, dass sie das alles niemals wird bekommen können.
Wie AoR zusammengestellt hat, betrifft die Forderung nach dem Unterstüzungsverbot alle Staaten, die engegen dem Versprechen der NATO gegenüber Russland, in die NATO aufgenommen worden waren. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass sich die USA darauf einlassen würden, dann wäre das allenfalls „das Ende der NATO“ in ihren heutigen Grenzen.
Das Bündnis an sich, so wie es in der Zeit das kalten Krieges existiert hat, wäre dadurch nicht betroffen.
Ausserdem gibt es da durchaus eine Möglichkeit, die durch ein solches Abkommen nicht ausgeschlossen wird. Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU könnten die EU Mitgliedsstaaten mal selbst ‚mehr Verantwortung‘ für die eigene Sicherheit übernehmen. Die EU könnte dann beweisen, dass sie mehr tut als nur davon zu labern.
„…dass Truppenstationierungen außerhalb des eigenen Territoriums verboten werden sollten, wenn sich eine der Vertragsparteien bedroht fühlen könnte…“
Eigentlich ist das ein Forderung mit der beide Seiten leben könnten. Schließlich würde das ja auch für russische Truppen gelten, wenn sich Bündnismitglieder „bedroht fühlen“ könnten.
[Können wir mit der Legende „alle Staaten, die engegen dem Versprechen der NATO gegenüber Russland, in die NATO aufgenommen worden waren“, jetzt mal aufhören? Ein breites Meinungsspektrum gerne, Propaganda mit Falschbehauptungen nein. T.W.]
@Thomas Melber
Ich weise nur mal vorsorglich darauf hin, dass die vom Spiegel angeführte Videokonferenz der NATO CHODs bereits vor einigen Wochen stattgefunden hat. Warum das exakt einen Tag nach Bekanntwerden der russischen Vorschläge veröffentlicht wird, entzieht sich meiner Kenntnis.
@Schlammstapfer: Naja, in „Im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU könnten die EU Mitgliedsstaaten mal selbst ‚mehr Verantwortung‘ für die eigene Sicherheit übernehmen. Die EU könnte dann beweisen, dass sie mehr tut als nur davon zu labern.“ stimme ich ihnen zu, das würde auch die USA gewaltig entlasten und wäre eine feine Geste. Die EU-Bündnispflicht ist zudem um einiges robuster formuliert als die der NATO. Es würde FCAS, europäischen Drohnen und, und, und … den Weg bereiten. Und sollte der Kreml es übertreiben würden die USA im Fall der Fälle auch noch hinzukommen.
Ich sehe nur, dass die USA dem aus Prinzip schon nicht zustimmen, da man sich dort nicht auf der Nase rumtanzen lassen will. Wie @T.W darauf hinweist, die CHODS haben schon gesprochen, noch bevor RU die Forderungen veröffentlicht hat, hat der SACEUR auf seine weise „nuts?!?!“ gesagt.
Als stiller Mitleser und Laie möchte ich mal eine mögliche Interpretation in die Runde „werfen“.
Der russische Forderungskatalog (und seine weite Veröffentlichung in Englisch) ist Teil einer hybriden Kriegsführung durch Russland.
Gerade in Detuschland gibt es nicht wenige Bürger, die Deutschland sicherheitspolitisch als großen Kanton verorten wollen, und mit der Feststellung, jeder bleibt bei sich im Lande und schwere Bomber sollten wir sowieso nicht einsetzen, keine Probleme haben (also mit Forderungen, die ein Bündnis teils unmöglich machen). Vielleicht machen diese Bürger ja genug Druck auf ihre Regierung (oder Regierungen; es werden nicht nur deutsche Bürger sein, die in dieser Weise darauf ansprechen).
Wer auf diesen Forderungskatalog eingeht, hat dieses „Gefecht“ der hybriden Kriegsführung schon verloren, weil er diesen absurden Katalog (mit Bezugnahme auf die Sowjetunion!) ernst nimmt, und als Grundlage von Verhandlungen akzeptiert.
Gepaart damit, dass man (anscheinend teils mit Genuss?) über die nächsten Züge von Putin sinniert, ja fast will, dass die eigenen Vorschläge von Putin aufgegriffen würden („wenn ich Putin wäre“), und sich (d.h. somit auch Deutschland) seiner eigenen Interessen als „mittelmäßige Mittelmacht“ im Herzen Europas (“too big for a balance of power in Europe and too small for hegemony”) und der Notwendigkeit der Einbindung Deutschlands in Bündnisse vielleicht nicht wirklich bewusst ist.
Raus aus der Eskalationsspirale
Dem Aufruf kann ich mich anschließen. Interessant ist auch die Liste der Unterzeichner. Ich hoffe der Link ist in Ordnung.
[Netter Versuch, aber ich falle nicht auf jeden Trick rein. War hier vor zwei Wochen.
https://augengeradeaus.net/2021/12/dokumentation-ex-diplomaten-und-generale-rufen-zu-neuanfang-im-verhaeltnis-zu-russland-auf/
T.W.]