Russlands Vorschläge für Verträge über „Sicherheitsgarantien“: Faktisch ein Ende der NATO (Neufassung)

Russland hat präzisiert, wie die vor allem von seinem Präsidenten Wladimir Putin geforderten Sicherheitsgarantien für das Land in Verträgen mit den USA und der NATO festgeschrieben werden sollen. Die Entwürfe sehen unter anderem vor, dass Truppenstationierungen außerhalb des eigenen Territoriums verboten werden sollten, wenn sich eine der Vertragsparteien bedroht fühlen könnte, außerdem sollen nach 1997 aufgenommene Mitgliedsstaaten der Allianz nicht militärisch unterstützt werden: Praktisch eine Forderung an das Ende der NATO.

Die Vertragsformulierungen veröffentlichte das russische Außenministerium am (heutigen) Freitag; jeweils auch in einer – als inoffiziell markierten – englischen Übersetzung.

Aus dem Entwurf für den Vertrag mit den USA:

The Parties shall refrain from deploying their armed forces and armaments, including in the framework of international organizations, military alliances or coalitions, in the areas where such deployment could be perceived by the other Party as a threat to its national security, with the exception of such deployment within the national territories of the Parties.
The Parties shall refrain from flying heavy bombers equipped for nuclear or non-nuclear armaments or deploying surface warships of any type, including in the framework of international organizations, military alliances or coalitions, in the areas outside national airspace and national territorial waters respectively, from where they can attack targets in the territory of the other Party.

Diese Formulierung ist maßgeschneidert für die russischen Interessen: Auf seinem eigenen Gebiet, einschließlich der Exklave Kaliningrad, bleiben Truppenstationierungen unangetastet – für die USA soll dagegen, auch im Rahmen der NATO, eine Stationierung in Europa praktisch ausgeschlossen werden. Das ist ja nicht das nationale Territorium der USA. Das gleiche gilt für nukleartaugliche Waffensysteme zur Luft oder zur See.

Dagegen sieht der Entwurf für die Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen (auch konventionell bestückte) ein Verbot vor, wenn sie das Territorium des anderen Landes bedrohen:

The Parties shall undertake not to deploy ground-launched intermediate-range and shorter-range missiles outside their national territories, as well as in the areas of their national territories, from which such weapons can attack targets in the national territory of the other Party.

Allerdings stellt sich da die Frage, warum der INF-Vertrag gescheitert ist, der auch so etwas vorsah. Nachdem Russland bestimmte Waffensysteme als ausgenommen betrachtete, während die USA sie als Teil des Abkommens ansahen, kündigten zunächst die USA und dann Russland diesen Vertrag.

Und grundsätzlich ist natürlich interessant, dass Russland von den USA erwartet, eine Ausweitung der NATO auf weitere ehemalige Sowjetrepubliken zu unterbinden – was auf Georgien und die Ukraine zielt, die beide eine grundsätzliche Zusage für eine Mitgliedschaft im Bündnis haben:

The United States of America shall undertake to prevent further eastward expansion of the North Atlantic Treaty Organization and deny accession to the Alliance to the States of the former Union of Soviet Socialist Republics.

Ähnlich weitgehend sind die Forderungen im Vertragsentwurf für ein Übereinkommen mit der NATO:

The Russian Federation and all the Parties that were member States of the North Atlantic Treaty Organization as of 27 May 1997, respectively, shall not deploy military forces and weaponry on the territory of any of the other States in Europe in addition to the forces stationed on that territory as of 27 May 1997. With the consent of all the Parties such deployments can take place in exceptional cases to eliminate a threat to security of one or more Parties.

Grundsätzlich also die Absage an die Stationierung jeglicher Truppen der Staaten, die vor Mai 1997 Mitglieder der NATO waren, in den später hinzugekommenen Bündnisstaaten: Tschechien, Ungarn und Polen (1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004), Albanien, Kroatien (2009) sowie Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020).

Mit anderen Worten: Für fast in der Hälfte der 30 [KORREKTUR, nicht 20] Mitgliedsstaaten der Allianz soll die Bündnisverpflichtung der NATO nicht mehr gelten können. Das ist eigentlich nichts anderes als die Aufforderung an die NATO, sich mit diesem Vertrag selbst aufzulösen.

Das werden noch interessante Verhandlungen.

Die Vertragsentwürfe als Sicherungskopie:
20211217_Draft_RUS_USA_security_guarantees
20211217_Draft_Russia_NATO_security_guarantees