Zweiter MAD-Jahresbericht: Corona-Pandemie verstärkte extremistische Tendenzen (m. Nachtrag)

Die Sicherheitsüberprüfungen von Bundeswehrangehörigen durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) sollen künftig auch auf Personen ausgeweitet werden, die Zugang zu wichtigen IT-Systemen der Streitkräfte haben. Das geht aus dem Jahresbericht des MAD hervor, dem zweiten überhaupt und dem ersten in der Amtszeit der Präsidentin Martina Rosenberg. Darüber hinaus hatte die Coronavirus-Pandemie auch Auswirkungen auf die Arbeit des Dienstes.

In den Angaben zu Extremisten und Extremismus-Verdachtsfällen in der Bundeswehr greift der am (heutigen) Dienstag veröffentlichte Bericht im Wesentlichen die Zahlen auf, die die Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle des Verteidigungsministeriums bereits im Februar publik gemacht hatte. Ergänzend dazu verweist der Nachrichtendienst aber darauf, dass die Coronavirus-Pandemie manche extremistischen Tendenzen verstärkt habe:

Die Arbeit der Extremismusabwehr des MAD im Jahr 2020 war deutlich von den Auswirkungen der Corona-Pandemie bestimmt. Einerseits musste die Abwehrarbeit unter erschwerten Bedingungen fortgesetzt werden, andererseits brachte die Pandemie offensichtlich jenen Kräften neuen Schwung, die bereits seit längerer Zeit das Kommen eines ominösen „Tag x“ heraufbeschwören.
Festzustellen war, dass Radikale und Extremisten, Prepper und Doomer, Verschwörungsgläubige und Esoteriker ihr Narrativ auf das Corona-Virus anpassten. So war es für die Prepper-Szene ebenso wie für „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ und Teile der „Neuen Rechten“ einfach, in dem Virus das auslösende Element für den Untergang der Bundesrepublik Deutschland mitsamt ihrem Regierungssystem zu erblicken. (…) Problematisch an der Szene erweist sich insbesondere das Infragestellen des staatlichen Gewaltmonopols und der Besitz möglicher illegaler Waffen. (…)
Die Bundeswehr steht mit Blick auf ihre Zeitsoldaten/Zeitsoldatinnen und freiwillig Wehrdienstleistenden in einem so umfangreichen Personalaustausch mit der Gesellschaft wie keine andere staatliche Institution. In den Ermittlungsergebnissen des MAD spiegelte sich daher auch der gesamtgesellschaftlich festzustellende fließende Übergang von Irrationalismus und Verschwörungstheorien bis hin zu klar antisemitischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremistischen Thesen.

Auch bei den erkannten Bemühungen ausländischer Nachrichtendienste spielte nach dem Bericht die Pandemie eine Rolle:

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Nachrichtendienste ausländischer Staaten auch dieses Thema zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in der Bundesrepublik, aber auch der Meinungsbildung innerhalb der Bundeswehr zum Umgang mit der Pandemie nutzen. Beispielsweise versuchten Vertreter der Volksrepublik China durch gezielte Schreiben u. a. in den Geschäftsbereich BMVg hinein Multiplikatoren für chinesische Narrative zu gewinnen. Die chinesischen Corona-Maßnahmen wurden bewusst überhöht dargestellt.

Die Zahl der Sicherheitsüberprüfungen, darauf hatte der MAD schon in seinem ersten Bericht im vergangenen Jahr hingewiesen, steigt durch neue Bestimmungen wie die erstmalige Überprüfung neuer Soldaten, aber auch verkürzte Prüfintervalle für bestimmte Truppenteile wie die Spezialkräfte stetig an. Hinzu kommt demnächst voraussichtlich ein weiterer Bereich, der bislang offensichtlich nicht im Fokus der Sabotageabwehr des Dienstes stand:

Absicht des BMVg ist es darüber hinaus, den sogenannten „Funktionalen Sabotageschutz“ einzuführen.
Dieser sieht die Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen für Personen vor, die Zugriff auf IT-Systeme mit herausragender Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr besitzen und dabei dort über hinreichende Berechtigungen oder Zugriffsmöglichkeiten verfügen, um die Einsatz- und Verteidigungsbereitschaft beeinträchtigen zu können.

Bislang orientierte sich die Einstufung als besonders sicherheitsbedürftiger Bereich am Zugang zu Objekten – von Verschlusssachen über Waffen bis hin zu besonders schutzwürdigen Liegenschaften. Künftig werden damit nach dieser Planung auch Personen erfasst, die zwar nicht direkt Zugang zu Verschlusssachen haben oder in diesen sicherheitsgefährdeten Bereichen arbeiten, aber durch Zugriff auf IT-Systeme oder Datenbanken wie zum Beispiel in der Logistik Schaden anrichten könnten: So greifen die aktuellen gesetzlichen Vorgaben, die eine Sicherheitsüberprüfung ausschließlich bei Verschlusssachen-Bezug oder bei Beschäftigung in Sabotageschutzbereichen erlauben, zu kurz.

Angesichts dieser wachsenden Anforderungen pocht der MAD auf eine weitere Aufstockung seines Personals. Anfang 2021 verfügte das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) über 1.632 Dienstposten (nach 1.551 im Jahr 2019). Der personelle Aufwuchs müsse zwingend fortgesetzt werden, heißt es in dem Bericht. Unter anderem sei auch eine bessere Präsenz des Dienstes in der Fläche nötig: Dafür soll die Zahl der Außenstellen von bisher acht auf zwölf erhöht werden.

Der gesamte Bericht fürs Archiv und zum Nachlesen hier:
20211026_MADReport2020

Nachtrag: Das Eingangsstatement von Rosenberg bei der jährlichen Anhörung der Präsident*innen der Nachrichtendienste vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages am 27. Oktober 2021:
20211027_MAD_Rosenberg_Statement_PKgr