Zweite Bundeswehrmaschine in Kabul gelandet – Evakuierungsmission wird fortgesetzt (Update: 125 ausgeflogen)

Auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist am (heutigen) Dienstagmittag die zweite Maschine der Bundeswehr gelandet, um Personen aus Afghanistan auszufliegen. Zwei dieser A400M-Transporter sollen so lange wie möglich einen Pendelverkehr zwischen Kabul und Taschkent im benachbarten Usbekistan aufrecht erhalten. Allerdings haben offensichtlich nur Ausländer Zugang zum Flughafen, Afghanen werden von den Taliban nicht durchgelassen.

Mit der zweiten Maschine landete auch der Führer des deutschen Einsatzes, Brigadegeneral Jens Arlt, in Kabul, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Journalisten in Berlin. Bereits am (gestrigen) Montagabend war der erste A400M der Bundeswehr in Kabul angekommen, nachdem die Maschine wegen der unklaren Situation am Boden zuvor lange hatte über dem Flughafen kreisen müssen. Die damit eingeflogenen Soldaten, unter anderem Fallschirmjäger, haben inzwischen zwei Personenschleusen für den Zugang zum militärischen Teil des Airports eingerichtet.

Nach Angaben von Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn haben derzeit nur Ausländer Zugang zum Flughafen, so dass die geplante Evakuierung bis auf Weiteres nur diese Personen betreffen kann. Afghanische frühere Beschäftigte der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen könnten vorerst nicht zu den Maschinen gelangen und ausgeflogen werden – damit ist eine Abholung der so genannten Ortskräfte praktisch nicht möglich. Darüber hinaus gebe es keine Möglichkeit, diese Personen von außerhalb Kabuls in die Hauptstadt zu bringen.

Wie lange der deutsche Evakuierungseinsatz laufen wird, wird alleine von den USA abhängen, die mit mehreren tausend Soldaten den militärischen Teil des Flughafens sichern. Die Bundeswehr stelle sich derzeit auf zwei Möglichkeiten ein, sagte Kramp-Karrenbauer. Schlimmstenfalls gebe es nur einen kurzen Zeitslot, im besten Falle könne ein längerer Zeitraum für eine Luftbrücke vorgesehen werden.

Nach Angaben der Ministerin ist mit den USA abgesprochen, dass die Bundeswehr bei Bedarf und vor allem je nach Möglichkeit die Lufttransportkapazitäten ausweiten kann. Das Ziel sei es, so lange wie möglich so viele wie möglich rauszufliegen. Dazu soll auch ein Bundestagsmandat für diesen Einsatz dienen, dessen Entwurf das Bundeskabinett am (morgigen) Mittwoch beschließen will und der eine Obergrenze von bis zu 600 Soldatinnen und Soldaten vorsieht.

Derzeit sind rund 200 deutsche Soldaten und die Besatzungen von vier Flugzeugen in dieser Mission aktiv: Zwei A400M, die zwischen Kabul und Taschkent pendeln sollen, ein weiter A400M mit medizinischer Ausstattung und ein A310-Truppentransporter in der usbekischen Hauptstadt.

Die Landung der ersten Maschine am Vorabend war nach den Worten von Kramp-Karrenbauer ein echtes Husarenstück. Die Piloten hätten auf einer Landebahn ohne Beleuchtung landen müssen; darüber hinaus sei das Rollfeld nicht völlig frei gewesen. Dass das Flugzeug beim Start rund 40 Minuten später nur sieben Personen an Bord hatte, sei aufgrund der Lage am Flughafen nicht zu vermeiden gewesen: Nur diese sieben, darunter auch Ausländer anderer Nationen, hätten in dieser kurzen Zeit bereits am Airport zur Ausreise bereit gestanden.

Nachtrag: Verteidigungsministerin und Generalinspekteur wandten sich am Dienstag in einem gemeinsamen Tagesbefehl an die Bundeswehr. Auszüge:

In den vergangenen 20 Jahren haben wir dafür gekämpft, dass von Afghanistan keine terroristische Gefahr mehr ausgeht. Und wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Land eine Perspektive bekommt und dauerhaft Frieden finden kann. Die sichtbaren Fortschritte in Armee und Gesellschaft hatten uns Hoffnung auf eine nachhaltige Verbesserung gegeben. Nun müssen wir erkennen, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt.
Dass viele Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre durch die Taliban nun zurückgeschraubt werden und sich unsere Anstrengungen nicht auszahlen, ist schmerzahft und erschütternd. Für eine abschliepende Bilanz ist es zu früh, aber wir dürfen trotz des bitteren Endes heute sagen: 20 Jahre war Afghanistan sicherer als zuvor. Die afghanische Bevölkerung hatte durch unsere Präsenz in den vergangenen Jahren eine Chance auf Freiheit bekommen. Dass die Bundeswehr alleine sie nicht dauerhaft würde garantieren können, war von Beginn an klar. Dass es so wenig Widerstand bei ihrer Verteidigung gab, ist für uns ein Schock.
Um deutsche Staatsangehörige, aber auch unsere ehemaligen Ortskräfte in dieser dramatischen Lage zu schützen, haben wir gestern Evakuierungskräfte nach Kabul entsandt. Sie errichten nun eine Luftbrücke, um die Betroffenen vor Ort in Sicherheit zu bringen. Es handelt sich dabei um Kräfte, die speziell für Evakuierungsaufgaben ausgebildet sind. Sie verfügen über alle operativen Freiheiten, um vor Ort eigenständig zu entscheiden, wie sie ihren Auftrag in dieser außerordentliche Lage ausführen. Sie haben unser volles Vertrauen und unseren Rückhalt.

Der ganze Tagesbefehl hier:
20210817_Tagesbefehl _AKK_GI_Kabul

Update: Der A400M hob nach etwa einer Stunde mit 120 Personen an Bord wieder vom Flughafen Kabul ab, wie Außenminister Heiko Maas via Twitter mitteilte:

Das Verteidigungsministerium präzisierte das etwas:

(Weiter ggf. nach Entwicklung)

(Foto: Screenshot aus einem von der Bundeswehr via Twitter veröffentlichten Video des Airbus A400M, taktisches Kennzeichen 54+23, offensichtlich beim Start in Taschkent)