USA verlassen Afghanistan einen Tag vor finalem Abzugsdatum (m. Video MckKenzie, Statement Biden)
Fürs Archiv, zum späteren Nachlesen: Eine Minute vor Mitternacht afghanischer Ortszeit am 30. August 2021 haben die letzten Soldaten der USA Afghanistan verlassen. Drei C-17-Transportmaschinen starteten vom Flughafen Kabul, nachdem die Truppen zuvor sämtliches zurückgebliebenes Militärgerät und auch das Raketenabwehrsystem des Flughafens zerstört hatten. Damit endete nach fast 20 Jahren für die USA der Krieg, den sie in Afghanistan nach den Terrorangriffen am 11. September 2001 in New York und Washington begonnen hatten.
Die erste offizielle Mitteilung, dass der Flughafen von Kabul nicht mehr unter Kontrolle des US-Militärs ist, kam um 19.49 UTC, 00.19 afghanischer Zeit am 31. August, mit einer Luftverkehrsmeldung, einer so genannten NOTAM (Notice to Airmen): EFFECTIVE IMMEDIATELY HAMID KARZAI INTL AIRPORT (OAKB) IS
UNCONTROLLED. (Ab sofort gibt es am Flughafen Hamid Karzai International Airport keinerlei Luftverkehrskontrolle mehr):
Wenig später bestätigte der Befehlshaber des U.S. Central Command, General Frank McKenzie, dass der Abflug der letzten Maschinen um 23.59 Uhr afghanischer Zeit erfolgte. Nach einer Auflistung des US-Militärs wurden vor dem Abflug 27 geschützte Humvee-Geländewagen, 70 schwer geschützte Patrouillenfahrzeuge (MRAP; Mine Resistant Armoured Vehicles) und 73 nicht näher spezifierte Flugzeuge zerstört; außerdem das C-RAM-Abwehrsystems (Counter Rocket/Artillery/Mortar) des Flughafens. Das System hatte noch am Morgen mehrere auf den Flughafen abgefeuerte Rakten abgefangen.
Mit dem Start der letzten drei C17-Maschinen endete auch die Evakuierungsmission für Ausländer und afghanische Unterstützer, an der sich neben den USA zahlreiche weitere Länder beteiligt hatten. Die Bundeswehr hatte bereits am vergangenen Donnerstag Kabul verlassen.
Mit dem Abzug kurz vor Mitternacht am 30. August hielten die USA sozusagen übermäßig den mit den Taliban vereinbarten Termin ein. Die neuen Machthaber in Kabul hatten darauf gedrängt, dass die USA sich an die Vereinbarung hielten, das bis zum 31. August alle internationalen Truppen das Land verlassen haben müssten. US-Präsident Joe Biden hatte daran auch gegen entsprechende Forderungen von Verbündeten festgehalten.
Das Video mit der Pressekonferenz von McKenzie:
(Die Meldung des Pentagon dazu hier.)
Das vom Weißen Haus veröffentlichte Statement von Joe Biden dazu:
I want to thank our commanders and the men and women serving under them for their execution of the dangerous retrograde from Afghanistan as scheduled – in the early morning hours of August 31st, Kabul time – with no further loss of American lives. The past 17 days have seen our troops execute the largest airlift in US history, evacuating over 120,000 US citizens, citizens of our allies, and Afghan allies of the United States. They have done it with unmatched courage, professionalism, and resolve. Now, our 20-year military presence in Afghanistan has ended.
Tomorrow afternoon, I will address the American people on my decision not to extend our presence in Afghanistan beyond 8/31. For now, I will report that it was the unanimous recommendation of the Joint Chiefs and of all of our commanders on the ground to end our airlift mission as planned. Their view was that ending our military mission was the best way to protect the lives of our troops, and secure the prospects of civilian departures for those who want to leave Afghanistan in the weeks and months ahead.
I have asked the Secretary of State to lead the continued coordination with our international partners to ensure safe passage for any Americans, Afghan partners, and foreign nationals who want to leave Afghanistan. This will include work to build on the UN Security Council Resolution passed this afternoon that sent the clear message of what the international community expects the Taliban to deliver on moving forward, notably freedom of travel. The Taliban has made commitments on safe passage and the world will hold them to their commitments. It will include ongoing diplomacy in Afghanistan and coordination with partners in the region to reopen the airport allowing for continued departure for those who want to leave and delivery of humanitarian assistance to the people of Afghanistan.
For now, I urge all Americans to join me in grateful prayer tonight for three things. First, for our troops and diplomats who carried out this mission of mercy in Kabul and at tremendous risk with such unparalleled results: an airlift that evacuated tens of thousands more people than any imagined possible. Second, to the network of volunteers and veterans who helped identify those needing evacuation, guide them to the airport, and provide support along the way. And third, to everyone who is now – and who will – welcome our Afghan allies to their new homes around the world, and in the United States.
Finally, I want to end with a moment of gratitude for the sacrifice of the 13 service members in Afghanistan who gave their lives last week to save tens of thousands: Marine Corps Staff Sgt. Darin T. Hoover, Marine Corps Sgt. Johanny Rosariopichardo, Marine Corps Sgt. Nicole L. Gee, Marine Corps Cpl. Hunter Lopez, Marine Corps Cpl. Daegan W. Page, Marine Corps Cpl. Humberto A. Sanchez, Marine Corps Lance Cpl. David L. Espinoza, Marine Corps Lance Cpl. Jared M. Schmitz, Marine Corps Lance Cpl. Rylee J. McCollum, Marine Corps Lance Cpl. Dylan R. Merola, Marine Corps Lance Cpl. Kareem M. Nikoui, Navy Hospitalman Maxton W. Soviak and Army Staff Sgt. Ryan C. Knauss.
(Foto: Major General Chris Donahue, commander of the U.S. Army 82nd Airborne Division, XVIII Airborne Corps, boards a C-17 cargo plane at the Hamid Karzai International Airport in Kabul, Afghanistan, on August 30, 2021. Maj. Gen. Donahue is the final American service member to depart Afghanistan – Jack Holt/U.S. Central Command Public Affairs)
Jetzt gibt das Militär den Stab an die Diplomatie weiter, um möglichst viele Menschen über andere Kanäle aus dem Land bringen zu können.
Die UNO konnte sich nur zu einem weichen Statement durchringen. Wir werden sehen, ob der deutsche Aussenminister während seiner Reise Ergebnisse erzielen konnte.
Das Fenster für die Diplomatie dürfte sich schnell schließen, besonders für Berliner Bemühungen im Lichte der BT-Wahl samt Regierungsbildung.
Heiko Maas konnte bisher bei Usbeken und Tadschiken Zusagen zum Grenzübertritt ausschließliche Staatsbürger erreichen, in Pakistan, morgen, sollte mich ähnliches wundern.
Die „stan“-Staaten nehmen afghanische Flüchtlinge nicht auf.
Ansonsten stehen wir mit dem Abflug letzter C17 ohne Einfluss und Information mit heruntergelassener Hose da.
Der Westen ist im Mittleren Osten keine Hausnummer mehr.
Die alten Player sind wieder komplett, Taliban und ISIS-Korashan wie bekannt. Seit heute auch al-Qaida mit Bin Ladens Sicherheitschef.
„The man who served as Osama bin Laden’s security chief at the battle of Tora Bora triumphantly returned to his home in eastern Afghanistan today, less than two weeks after the country fell to the Taliban. The Al Qaeda commander was reportedly freed by Pakistan a decade ago“.
https://t.co/AMRXbAidH7?amp=1
Christoph Reuter beschreibt in der Titelgeschichte des aktuellen „Spiegel“ ausführlich, warum es den Taliban schwerfallen dürfte, Afghanistan dauerhaft zu kontrollieren. Vor diesem Hintergrund erscheint der Ansatz, möglichst viele Gegner der Taliban außer Landes zu bringen, als fragwürdig. Flucht löst das Problem der Taliban-Herrschaft nicht, wie man zumindest im Pandschir-Tal erkannt hat.
Kabul. Ca 4,00 Uhr. Stunde Null.
Interessant ist in diesem Zusammenhang das zurückgelassene Material was für die AFG Armee bestimmt war. (Quelle: Special Inspector General for AFG Reconstruction)
22174 Humwees
643 M 1117
155 MxxPro
169 M113
42000 SUVs/PickUps
64363 MG
162043 Funkgeräte
16035 Nachtsichtgeräte
358530 Gewehre
126295 Pistolen
Besonders interessant:
33 Mi 17
33 Blackhawks
43 MD 530
4 C–130
23 Super Tucanos
38 Cessnas 208
182000 Soldaten
118000 Polizisten und Miliz
Wenn die Zahlen auch nur im Ansatz stimmen, dann herzlichen Glückwunsch. Allerdings hört man, dass insbesondere bei der AFG AF wohl viel unbrauchbar gemacht wurde.
@RB: Eine eher strategische Frage wäre, inwiefern die NATO vs. Dschihad Synchronität letztere eher aufgewertet hat.
(@Dante: Stunde Null)
Zudem, was machen die Heerscharen an Dschihadisten morgen, wenn kein NATO Boxsack mehr in Reichweite ist.
Terrorisieren sie Indien, wo Mohsi eben versucht alle Spuren islamischer Geschichte zu tilgen (Umbenennung Taj Mahal etc.), wenden sie sich den Schiiten zu und schließen sich den Dschihad-Outlets der Golfstaaten an um gegen die verschiedenen Hezeb-XYZ Milizen vorzugehen? Uighuren in China? Sahel? Oder greifen sie wieder uns an?
Jetzt mal ehrlich, was können die außer asymmetrische Kriegsführung? Afghanistan hat nicht die Ökonomie, um sie zu alimentieren… oder bauen die tatsächlich nen Staat auf und kooperieren mit den USA wirtschaftlich, wie im Doha Agreement vereinbart?
@KPK: LWJ verlinkt auf einen alten Artikel mit der ursprünglichen UN-Resolution. Ist nicht mehr viel übrig von denen. Militärischer Erfolg!
Der Flughafen Kabul ist weiterhin anfliegbar.
Nur das / die Verfahren haben sich geändert.
Ist halt jetzt lediglich ein unkontrollierter Platz was die Flugsicherung betrifft.
Die „deconfliction“ findet jetzt unter den Luftfahrzeugen in Eigenverantwortung auf der
CTAF (Common Traffic Advisory Frequency) Frequenz statt.
Das ganze ist erst mal befristet bis zum 12.09. 2359z
Kabul ist somit nicht von der Außenwelt abgeschnitten und der Flugplatz weiterhin nutzbar. Wenn auch mit anderen Verfahren.
Dieses Verfahren wird an tausenden Flugplätzen weltweit angewandt und ist beherrschbar.
Nur als kleine Zusatzinfo, zum oben veröffentlichen NOTAM.
losgelöst von allen Diskussionen drumherum…
würde mich interessieren was für ein C-Ram System hier im Einsatz war? IronDome von den Israelis?
und welche Flugzeuge zerstört werden mussten >70 ist ja schon eine recht große Anzahl…
sind das COIN Maschinen des Afghanischen Militärs + Helis + Transportflugzeuge?
Warum hat man das Gerät denn nicht mit ausgeflogen?
@Thomas: weil dafür wohl eine größere zweistellige Anzahl an Flügen nötig gewesen wäre und dies eine Verlängerung der Gefährdungslage mit sich gebracht hätte.
@Iam Groot: Danke für die Liste… dann gehe ich bei den Flugzeugen wohl hauptsächlich von denen hier aus die zerstört wurden:
Besonders interessant:
33 Mi 17
33 Blackhawks
43 MD 530
4 C–130
23 Super Tucanos
38 Cessnas 208
mit einem Teil der Helis und Flugzeuge sind ja aber auch afghanische Piloten ins Ausland geflohen…
ein Großteil vom Rest dürfte dann zerstört worden sein…
@obibiber In Afghanistan wurde eine Variante des „Phalanx“ Systems genutzt um Flugplätze zu schützen.
@Thomas Weil man 1. damit gerechnet hat, dass die ANA das Gerät ja nutzen würde.
2. Aufwand (Mittlerweile eher Zeit denn Geld) und Nutzen zu stark auseinanderdriften. Wegen ein paar (tausend) Jeeps muss man ja nicht so einen Wind machen…
@AoR
Al Qaeda eventuell zu voreilig abgeschrieben? Die Einreise des neuen Alten war gestern. Nur mal so tritt er kamerawirksam nicht auf. Da er sich in das Afghanistan der Taliban zurück wagt, muss er sich seiner Btl ziemlich sicher sein.
https://www.longwarjournal.org/archives/2021/08/osama-bin-ladens-security-chief-triumphantly-returns-to-hometown-in-afghanistan.php
@obibiber
C-RAM der US Army. Hier nachzulesen https://asc.army.mil/web/portfolio-item/ms-c-ram_lpws/
@ IamGroot
Zumindest das Material, was sich auf dem Flughafengelände befunden hatte, haben die US-Truppen zerstört. Die Taliban werden wenig Freude haben, an dem was von den Blackhawks, den Mi-17 und dem anderen fliegenden Gerät übrig geblieben ist.
Auch die andere, von Ihnen aufgelistete Ausrüstung, dürfte zumindest zum Teil auf dem Flughafengelände gelagert worden sein.
Es wäre natürlich interessant zu erfahren, wieviel von dem Material, das sie da aufgelistet haben, nicht zerstört werden konnte.
Allerdings haben die Taliban in den letzten Wochen ja bewiesen, dass es ihnen an Waffen nicht mangelt. So wie die Taliban ihre Kalaschnikovs, RPG und anderes Schießgerät aus Ostblockproduktion lieben, haben die an den Hinterlassenschaften der Amerikaner vielleicht auch gar kein so großes Interesse.
Wahrscheinlich findet sich ein Teil der intakten Beute bald auf dem Waffen-Schwarzmarkt wieder.
@KPK
„Ansonsten stehen wir mit dem Abflug letzter C17 ohne Einfluss und Information mit heruntergelassener Hose da.“
Wenn man natürlich das gesamte Botschaftspersonal ausfliegt und die Vertretung schließt? Man hätte sicher mit einer Rumpfmannschaft weiter vor Ort bleiben können. Ja, ich weiß, aber auch das gehört „zum Geschäft“.
Zumindest die Russen – und wohl auch die Chinesen – sehen das recht entspannt.
@Thomas, neben der Frage der nötigen Transportlogisitk um das Material mitzunehmen dürfte das auch eine Sicherheitsfrage sein.
Das nicht jede Gruppierung bereit ist zu warten bis die USA abgezogen sind wurde ja schon demonstriert. Und einen Abzug der Autos kann ich nicht mal eben schnell im Schutze der Dunkelheit durchführen, also einplanen muss das meine Absicht auffliegt und entweder der Flughafen mangels Aussensicherung gestürmt oder im Falle C-RAM ich entsprechenden Angriffen schutzlos ausgeliefert bin.
Die Vorbereitungen zur Sprengung hingegen wird man besser getarnt bekommen und die Zeit vom verlassen der Posten bis alle sind im Flieger wird man auch minimieren können. Im Optimalfall merkt die Gegenseite also erst was los ist wenn ich das Material sprenge bzw die letzten Flieger in der Luft sind.
In wie weit dies vom eigenen (amerikanischen) Versagen ablenken soll kann ich nicht beurteilen, der Part „nation building“ in der Mission soll aber durch Deutschland initiiert worden sein:
„Nation Building war ohne Frage eine deutsche Erfindung“
https://www.deutschlandfunk.de/john-kornblum-zum-afghanistan-desaster-wir-wissen-seit.694.de.html?dram:article_id=502379
wobei sich die Amerikaner im Irak ja selbst darin versucht haben. Wie sieht das eigentlich in Mali aus? Auch dort ist die Regierung und z.T. die Verwaltung aus der Fläche verschwunden. Nimmt man dort wieder den PRT-Ansatz? Der DDR-Prozeß (demobilize, disarm, reintegrate) muß ja begleitet werden.
https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/engagement-in-afrika/herausforderungen/waffenhandel/programm-zur-entwaffnung
Eigentlich auch etwas, was in Afghanistan nun ansteht, wobei das Verhältnis ANSDF zu TB Kämpfern interessant werden wird.
Zählt mal alle bisher bekannten Tatsachen in ihren aktiven Tun und aktiven Unterlasen ganz nüchtern zusammen, so lässt sich – auch wenn das vielen nicht in der Einschätzung passen wird – feststellen:
Die – lange geplante und sogar öffentlich benannte – militärisch-strategische Umgruppierung zum strategischen Feind China und die Machtübergabe – Nicht der Machtverlust oder eine militärische Niederlage – an die Talibs ist vollzogen. Die Kontakte zu den Talibs nach Washington sind viel stärker, als bisher bekannt und folgen wird die diplomatischer Anerkennung und auch militärische Aufrüstung der Talibs.
@ AoR Ein paar von den Leuten Talib können lesen und schreiben und haben im besten Fall eine Technikausbildung bei den DEU gemacht und können das weitergeben als Multipikatoren. Und bei der meisten Technik muss man nur Sprit und Öl nachkippen. Und im Zweifel kann man sich sogar nen Wartungshandbuch für ne mi 8 aus dem www runterladen.
@fortressonathehill:
Die amerikanische Politik ist selbstbezogen, zynisch und auch lügenbehaftet. Natürlich gab es das Doha-Abkommen und Kontakte. Die jetzige Form des Abzugs aber nicht als Verlust und Niederlage zu sehen, ist eine seltsame Sicht. Was daran eine normale Machtübergabe gewesen sein soll, müssen Sie schon besser begründen.
@ Thomas Melber:
Die Aussage, dass die Nation-Building-Idee von Deutschland ausging, hat der ehemalige Büroleiter von Ex-AM Fischer heute in seinem Interview mit dem Deutschlandfunk dementiert, als er damit konfrontiert wurde, dass der Ex-US Botschafter dies gestern so gesagt hatte.
Fotokommentar: Schon wieder ein General mit Langwaffe – das scheint in Mode zu kommen ;-)
@KPK: Die Al-Kaida von damals existiert so nicht mehr (allein die Namen in der Resolution fast alle entweder gefangen oder tot), die von Heute ist eben mit mehreren SUV in Afghanistan eingetroffen, zeigt Präsenz und provoziert.
@Dante: Ich meinte im Hinblick darauf, dass die TB nun normalen Jobs nachgehen.
Jetzt ist die Phase der SigInt und HumInt, rausfinden was sich da zusammenbraut… soziale Bewegungen, wohin gehts?
@obibiber
„mit einem Teil der Helis und Flugzeuge sind ja aber auch afghanische Piloten ins Ausland geflohen…
ein Großteil vom Rest dürfte dann zerstört worden sein…“
Die Liste ist ja schon seit längerem (Ende Juni) durchs Internet gegeistert. Neben den außer Landes gebrachten Maschinen, war wohl grade die US-Ausrüstung in einem miserabelen Zustand, und z.T. zu Tainings- und Wartungszwecken in den USA und in Drittländern. Die USA selber haben mit dem Vormarsch der Taliban auch selbst durch Luftschläge noch einiges zerstört. Nochmal ein ganz interessanter Link, wenn auch schon 10 Tage alt:
https://www.npr.org/2021/08/21/1029449432/taliban-afghanistan-us-weapons-captured
Eine symbolische Niederlage als strategischen Sieg zu verkaufen … nun ja, das hat noch nicht einmal bei der Aufnahme der Handelsbeziehungen zu Vietnam wirklich als „Story“ gezogen. Und verglichen mit Vietnam ist Afghanistan ein paar Nummern kleiner was staatliche Strukturen und wirtschaftliche Möglichkeiten (remember: Investitionen benötigen Stabilität) betrifft. Spannend finde ich ja, wie all die Experten der letzten 20 jahre Afghanistan-Politik nun andere Schuldige als sich selbst suchen … es wäre schon fast amüsant, wenn es nicht so bitter ist. Lerneffekt … nun ja … ich sehe den nicht.
Natürlich nicht, denn dann müsste man Fehler eingestehen und einsehen, dass manche Narrative einfach ein großer, übelriechender ockerbrauner Haufen waren, sind und bleiben.
Also wird es sich in Mali substanziell bezogen auf Militärstrategie, CIMIC & Co nicht viel ändern (gut, es gibt viele Parameter die in beiden Einsatzregionen von Grund auf verschieden sind – aber doch auch erschreckend viele Trends, die zumindest ähnlich auf der Outcome-Ebene sind). Stattdessen bedient man entweder Szenarien wie den „Untergang der westlichen Moral“ oder aber man hebt besserwestlerisch den Finger, dass die Taliban ja „Staat nicht können“ (aber wir können das, klar – haben ja die letzten Jahre im GIRoA gezeigt wie gut man das kann) und dass im Winter die Menschen noch mehr hungern als in den letzten Jahren. Hauptsache einfache Antworten, keine regionale Spezifizierungen und bitte immer schön aus der westlichen moralischen Warte aus argumentieren …
Ein Beispiel für den beginnenden Nicht-Diskurs ist ja das neue angeBAKSt … (ich hoffe, der Link ist erlaubt: https://www.baks.bund.de/sites/baks010/files/angebakst_21-2.pdf). Afghanistan, Irak, Mali … alles eine Mischpoke und natürlich die Vieldimensionalität von Krisen und das einzige was noch fehlt ist der Verweis auf die Polykrisen. Mir kommt da immer der zynische – über 20 Jahre alte – Satz eines ehemaligen Professors von mir ein: „Sagen Sie einfach, dass man nur den richtigen Policy-Mix für das Bewältigen einer Herausforderung braucht, und Sie sind immer auf der richtigen Seite“.
Um konkrete Inhalte, LI/LL geht es doch in der Diskussion nach der MilEvac kaum noch (und schon gar nicht um „Lerneffekte“) – es geht um den richtigen Policy-Mix und eine robuste Krisendiplomatie … und um das Bewahren alter Narrative – siehe Kornblum/Fischer/Nation Building wollten wir nie …. LOL. Als ob Sonntagsreden, kurzfristige Hypermoralisierung und ständige Nabelschau – nicht zu vergessen der nationale Sicherheitsrat – auch nur irgendetwas substanzielles verändern würden.
Nun ja … zynisch gesehen ist so immer etwas zu tun und man wird an den Schnittstellen von Sicherheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit niemals arbeitslos.
Zum heutigen Tagesbefehl der Bundesministerin der Verteidigung und des Generalinspekteurs
„Die Bundeswehr wird den Afghanistaneinsatz und die Evakuierungsoperation in den kommenden Monaten mehrfach würdigen: Am 22. September wird in Seedorf ein Abschlussan-treten für die Beteiligten der Luftbrücke stattfinden. Im Oktober richtet das BMVgBundesministerium der Verteidigung eine öffentliche Auftaktveranstaltung zur Bilanzierung des Gesamteinsatzes aus. Und ebenfalls im Oktober wird in Absprache mit dem Bundespräsidenten und dem Bundestagspräsidenten eine Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr, ein feierlicher Abschlussappell und ein Großer Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude stattfinden.“
Ob sich für die öffentliche Auftaktveranstaltung zur (vorläufigen J.K) Bilanzierung des Gesamteinsatzes noch jemand interessieren wird? Ich meine, die Deutungshoheit der jetzigen Bundesregierung ist irreversibel verloren gegangen. ISAF und ORS werden jetzt abgefeiert ohne zutun einer Bundesgegierung. Und dann gibt es eh eine neue.
…und schon werden Nebelkerzen verschossen und am Framing gebastelt:
„ Der militärische Einsatz in Afghanistan habe sich als Fehler herausgestellt. Das solle nun auch zu einem Umdenken in der Außenpolitik führen, sagte Außenminister Heiko Maas.“ (zitiert aus FAZ heute)
Zu keinem Zeitpunkt gab es für ISAF bzw. die deutschen Kontingente- einschließlich der wenigen bei OEF- so etwas ähnliches wie ein militärisches Primat. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine stabile Zone und Periode wo ein gewisses Masz Sicherheit ein Fundament für stabilisierende, einen Unterschied machenden zivilen und politischen Aufbau im Parallelen. V.a. DEU hat sich immer wieder skeptisch bis ablehnend verhalten, wenn US/UK offensiv und robust gg. TB vorgegangen sind. Die Sicherheit, die es gebraucht hätte um – ich benutze eine deutsche Lieblingsphrase- „nachhaltige Entwicklung“ zu gebrauchen gab es nie.
Von Beginn an, sichtbar i d sog. Petersberg- Konferenzen ab 2001, hatte die Transformation AFG zu einer westlich orientierten Demokratie Vorrang. ISAF ist nur ein Teilaspekt innerhalb eines umfangreichen Ziel- und Absichtkataloges.
AM Maas steht zurecht in der aktuellen Kritik.
Was er aber jetzt versucht, ist mehr als nur Selbstverteidigung. Er weist den mil Operationen die historische Schuld für das Scheitern zu, beschädigt die Bw und blendet die politische Verantwortung seines Hauses f d AFG- Politik elegant aus.
Ein armseliger Beitrag eines Ministers, der fast 4 Jahre Verantwortung gehabt haben wird für eine realistische Zielplanung und Durchführung aller Auslandseinsätze.
Mehr sollte man ihm und uns aber auch nicht mehr zumuten.-)
@12PzDiv
Es gibt meines Erachtens starke Indizien für meine These:
Der ehemalige polnische Botschafter in Afgahnistan, Piotr Łukasiewicz, hat es so formuliert:
„Dr. Abdullah und Karzaj haben in der Taliban-Vertretung in Doha in Katar seit 2015 aller zwei Wochen vorgesprochen, sich auf die nachamerikanische Situation vorbereitet. Jetzt sind sie in Kabul geblieben, obwohl sie sich um ihre Sicherheit gesorgt haben sollten. Die Tatsache, dass solch gerissene Politiker nun entschieden, in der Hauptstadt zu bleiben, gibt zu denken. Vielleicht wurde dieser ganze Blitzkrieg, dieses rasche Verschwinden der Regierungsseite zuvor ausgehandelt? “
https://das-blaettchen.de/2021/08/blick-aus-polen-auf-afghanistan-58386.html
Fakt ist, wir erleben seit 2015 auf Seiten der kriegsbeteiligten Talibs, der ehemaligen afgahnistischen Regierung und der Vereinigten Staaten eine „Dohaisierung“ aller dieser politischen Beziehungen, die jetzt nicht nur daran mündet, daß es keine US-Botschaft in Kabul sondern in Doha geben wird, die darin mündet, dass Qatar frisch von Boeing die F-15QA geliefert bekommt (https://asiatimes.com/tag/boeing-f-15qa/) und die in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, dass die US-Airforce Luftangriffe zugunsten der Talibs in Afghanistan geflogen hat.
Stutzig hat mich die berechtigt gestellte, visuelle Frage von Marine Lt. Col Stuart Scheller “I’m not saying we’ve got to be in Afghanistan forever, but I am saying: Did any of you throw your rank on the table and say ‘hey, it’s a bad idea to evacuate Bagram Airfield, a strategic airbase, before we evacuate everyone,’
(https://taskandpurpose.com/news/marine-lt-col-stuart-scheller-relieved-video/
warum Bagram so überhastet geräumt worden ist, obwohl doch eine Evakuierung über Bagram vieles viel einfacher gelöst hätte. Ein einfacher, militärischer Fehler auf der größten Air-Base in AFK überhaupt oder knallhartes strategisches Kalkül, um nach zwanzig Jahren und die dortigen entstanden Strukturen, vor vollendete, unumkehrbare Tatsachen zu stellen?
Oftmals wird Kabul mit Saigon verglichen, doch ich kann mich historisch nicht daran Entsinnen, dass man in Saigon der Nordvietnamesischen Armee während des Abzugs höchstpersönlich Namenslisten von Angehörigen der Südvietnamesischen Armee überreicht hätte – in Kabul hat man genau das gemacht.
Nachbrenner zu Al Haq. Der ehemalige Leibwächter OBLs arbeitet, wenn man dem Tweet glauben kann für eine sog. Taliban Prisoners Administration.
https://twitter.com/AdityaRajKaul/status/1432261069897015296?s=20
Also was jetzt Al-Kaida oder Taleban?
Oder stimmt, was die Überlappungen der Organisationen angeht, was aus der Politikwissenschaft als „Doppelmitgliedschaft“ bekannt ist. Also in deutschen Verhältnissen gesprochen Politiker/Amtsträger oder Beamter sein und Amtsausführung durch Mitgliedschaft in anderweitiger Organisation prägen. Zum Beispiel beim Opus Dei oder so Anhänger sein ein Kandidieren oder Teil rechtsextremer Netzwerke sein und Offizier oder so… /SCNR
@AoR sagt: 31.08.2021 16:56 Uhr
Ausnahmsweise verstehe ich Ihre Absicht nicht.
Nicht nur die al-Qaida von „damals“ existiert nicht mehr, ebenso wenig damalige Taliban und Daesh-Organisationen. Und ich spreche dabei nicht die physische Präsenz an, vielmehr deren strukturelle Existenz als solche.
Dennoch zeigen die letzten Zwei militärische, gar politische Erfolge, was für die Taliban gilt, betrachtet man die Verhandlungen in Doha mit den wesentlichen ehemaligen westlichen Truppenstellern.
Die Annahme, eine al-Qaida gäbe sich im Haifischbecken Afghanistan mit der Zuschauerrolle zufrieden, sehe ich nicht.
Nachtrag zu al-Qaida.
Alfred Hackensberger/Welt
@hackensberger
#AlQaeda Oberkommando feiert #US-Truppenabzug in #Afghanistan wie einen Sieg. Das Ende der dunkeln Ära westlicher Hegemonie in Ländern des Islams sei gekommen.
Die Macht der #Taliban ein Boost für Islamisten weltweit.
https://mobile.twitter.com/hackensberger/status/1432778568854081539/photo/1
Ein Fanal des „wir sind wieder da“.
Hallo zusammen,
ich habe eine (umfangreiche) Frage an die technisch bewandten Leser hier:
Da China sich den Taliban gegenüber recht aufgeschlossen gezeigt hat und deren direkter Nachbar ist, würde es mich äußerst wundern, wenn nicht US-Material seinen Weg in die Volksrepublik findet, um genauer untersucht zu werden.
Ist davon ein (kleinerer oder größerer) technologischer Sprung in der Volksbefreiungsarmee (VBA) zu erwarten? Ich weiß, dass diese durchaus „pockets of excellence“ hat, einige Raketentypen zum Beispiel. Auch gibt es da im Bereich verschlüsselter Kommunikation wirklich moderne Ansätze. Auch weiß ich, dass das ein oder andere Waffensystem US-amerikanischen sehr ähnlich ist und versucht wird es an die Qualität des Originals zu bringen.
Wie sieht das mit dem US-Material aus Afghanistan aus?
1. Welche Lücken könnte die VBA mit Untersuchung des Materials schließen?
2. Zusatzfrage: Welche Auswirkungen hat das für die USA, Dtl./Europa, Taiwan,…?
Ich weiß das ist eine mächtige Frage. Vom Bauchgefühl hätte ich gesagt, dass alles an High-Tech irgendwie weiterhilft: Kommunikationsmittel, evtl. auch ein black Hawk.
Humvees, Gewehre, Pistolen hätte ich jetzt technisch als irrelevant eingestuft. Das kriegt die PRC vermutlich schon in ausreichendem Maß hin.
Ich finde diese Frage unglaublich interessant und bin gespannt auf eine oder mehr Antworten.
@sunziwitz
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Afghanen keinerlei aktuelles US-Kryptomaterial erhalten haben. Deutsches Gerät wird streng kontrolliert und ist „German Eyes only“, die Amerikaner sind da noch strenger. Und die Blackhawks hat China schon vor Jahren kopiert, Harbin Z-20.
@fortressonathehill
die logik war wohl, dass kabul länger halten wird und man eh die meisten leute in kabul hatte und sogar diese wurden teils mit hubschraubern zum KAIA geflogen, nach bagram hätte man alle so holen müssen. und zum abzug gabs nur eine alternative – ein surge der truppen und wieder ein niederwerfen der TBs – dat wollte keiner!
beide bagram und KAIA können leicht aus den hügeln beschossen werden und flughäfen sind eh schlecht zu verteidigen, da die an- oder abfliegenden maschinen beim abschuss die piste für zig stunden/tagen beschädigen könnten. mir erscheint es logisch, dass bagram aufgegegen wurde – stellen Sie sich die variante vor, kabul und KAIA fallen und alle müssen noch raus?
es ist ein saigon 2.0 – eben weil biden höchstpersönlich so was anfang juli ausgeschlossen hat, beide kriege waren davor klar als beendet bezeichnet worden, nur der abzug war beide male ein disaster…siehe dieses livebild:
https://michaelpramirez.com/uploads/3/4/9/8/34985326/mrz081721-color-copy-2-jpeg-1-4mb_orig.jpeg
die listen wurden erst den TBs mitgeteilt, nach dem alle sich sicher waren, dass die TBs grad eine totale beisshemmung haben!
und zu Dr. Abdullah und Karzaj würde ich noch den Warlord Dostum hinzuzählen – der ist mir viel zu schnell umgefallen in masar-i-sharif – samt örtlichkeit. es sieht sehr nach absprachen aus, fast ein robben-island-mandela-effekt – die TBs hatten zig jahre zeit fürs denken+planen gehabt und haben taktisch und strategisch das realistisch meiste rausgeholt – was niemand denen vor 3 wochen zugetraut hätte.
@Sunziwitz
da zig gerätschaften mehrfach vorhanden sind, wird auch pakistan, russland und iran intere$$e haben.
ferner ist die anordnung und stahlsorte der panzerungen von interesse an fahrzeugen jeglicher art von intere$$e,
als auch die anordnung von antennen und sensoren an den fluggeräten und kampffahrzeugen, als auch deren technische seite (empfindlichkeit, bauplan, hersteller, ICs etc…).
@Sunziwitz
Was Sie meinen nennt sich Auswertung von „fremden Wehrmaterial“ (FreMat). Ich glaube nicht, daß da etwas dabei ist, was für China sehr interessant ist, wobei man sich das natürlich gerne anschaut. HiTech hatte die ANA ja nicht.
Etwas anderes war die Übernahme des Materials der NVA durch die Bw, da gab es dann interessante Erkenntnisse.
Der Erwerb bzw. die Beschaffung von FreMat ist übrigens ein spannendes Thema 😎
@Sunziwitz:
Ich gehe nicht davon aus, dass die Amerikaner die ANA mit state-of-the-art Verschlüsselungsfunkgeräten ausgestattet haben. Was immer an eigenen (Luft-)Fahrzeugen zurückgelassen werden musste, wird mittels Thermitladung nachhaltig zusammengeschmolzen worden sein.
Zudem: auch die PLA hat ein militärisches Nachrichtenwesen bzw. Signalaufklärer. Den Erkenntnisgewinn für China halte ich für gering bis überschaubar. Allenfalls kann die PLA die defensiven Fähigkeiten (Panzerschutz) bestimmter Fahrzeuge genauer unter die Lupe nehmen und die eigenen Waffen (z.B. Minen o.ä.) dahingehend anpassen.
Aber das ist ein Prozeß, der ohnehin ständig stattfindet. Zugleich werden ja auch viele US-Waffensysteme immer wieder verbessert und verändert und die westlichen Dienste interessieren sich ja durchaus auch für Systeme der PLA und brüten nicht nur über Jane’s Equipment Intelligence…
Eric Hagen: 31.08.2021 um 19:07 Uhr
Fehler gab es sowohl in Politik und Militär! Nebelkerzen werden vor allem auch in der Bundeswehr geschossen!
Es ist doch wohl so, dass sich operativ – taktische Konzepte, bis hin zum militärischem Alltag alles Militärische der Politik untergeordent hat. Das ist mehr als Primat der Politik. Das ist auch sehr bewusstes Gefälligkeitsdenken und Angepasstheit von Soldaten. Die Politik brauchte Erfolgsmeldungen, also haben Soldaten geliefert. Kritik wurde von den meisten höheren militärische Führeren nicht weitergegeben oder verzögert. Politisches Mikromanagment wurde geduldet, die Auftragstaktik vernachlässigt. Im Gegenteil, militärische Führung praktizierte dies selbst.
Der sogenannte militärische Ratschlag verkümmerte teilweise zum willenlosen Ja Sagen.
Konzepte der Bundeswehr, lange Zeit Ausbildung und Ausrüstung waren ungenügend. Reagiert wurde erst dann, wenn die militärische Leistungsfähigkeit so offensichtlich wurde, dass der Feind Erfolg hatte oder wir Tod und Verwundung zu beklagen hatten.
Personal als auch das Material litten unter Unterversorgung und hoher Beanspruchung.
Das Verhältnis von Einsatzkräften zu Unterstützern war zum Teil so deutlich unausgewogen, dass es sogar militärischen Laien auffiel.
Höhere Mil Führung (BMVg, EinsFüKdo) hatte sich trotz gravierender Mängel in der „Blase“ Afg gut eingerichtet und lieferte, was die Politik wollte. Das waren Erfolgsmeldungen und Begründungen für die teilweise oberflächliche Parlamentsdebatte, wo in dürftig besuchten Sitzungen gelangweilt immer wieder eine Verlängerung erfolgte.
Karriere machte man z.B. im Heer nur, wenn man in Afg war, egal ich welcher Position, egal mit welcher Leistung im Einsatz. Man gefiel sich im Einsatzdenken und vernachlässigte sträflich andere Aufgaben der Bundeswehr! Beurteilungen au dem Einsatz entsprachen ja sowieso den Erzählungen der Besten. Alles andere zählte nicht!
Der würdelose Rückkehrerappell der Hauptkräfte (RS) wurde von führenden Militärs mitgetragen, Kritik erfolget kaum, schon agr nicht öffentlich, schon gar nicht von aktiven Generalen!
Die Übertreibung und „Überhöhung“ der Rückkehr nach MilEvakOp dito! Die Männer haben schlicht und ergreifend ihren Auftrag erfüllt, wie die Kauptkräfte ISAF und RS auch. Dieses Gerede von Helden ist wohl dann doch übertrieben.
Wir sollten aufhören Schwarz Weiß zu denken. Die Politik hat versagt, doch die Bundeswehr hat sich in weiten Teilen nicht mit Ruhm bekleckert. Das lag eindeutig an der Flexibilität der militärischen Führung, am teilweisen Karrieredenken von bestimmten Teilen der Generalität, an der Langsamkeit und dem zum Teil überheblichen Herangehen bei Konzeption, Weiterentwicklung und Ausbildung.
Man könnte besser MÜSSTE dies fortsetzen.
Ich bitte um deutlich mehr Ehrlichkeit, Offenheit und vor allem der Gabe, wirkliche Kritik auch zuzulassen. Und nicht nur Pseudokritik, das kann die Bundeswehr ja bestens!
@Sunziwitz sagt: 31.08.2021 um 21:32 Uhr
Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir nicht vorstellen, das irgendetwas von dem US-Material in AFG nicht schon seit Jahren auf dem Waffenschwarzmarkt zu haben ist. Anders sind die Technologiesprünge in CHN auch nicht zu erklären.
@ plato4 01.09.2021 um 8:55 Uhr
Ich stimme Ihnen 99% zu.
Wenn Sie den ein oder anderen Beitrag von mir kennen, wissen Sie das auch.
Ich benutze dabei in diesem Zusammenhang absichtlich und in intimer Kenntnis das Wort der Lüge.
Ihre Meinung, wie man die beendete EvakOp bewerten sollte, teile ich hingegen nicht.
Kein Kontingentsoldat, TF 47 eingeschlossen, dürfte eine ähnliche emotionale Achterbahnfahrt erlebt haben wie insbesondere die teils sehr jungen FschJg. Das verdient schon uneingeschränkte Anerkennung!
@KPK: Es ist schlicht schwierig die Eckpunkte der Evolution der Organisationen vorauszusagen. Ich bleibe aber bei meiner Arbeitsthese.
Organisationsziele, Organisationslegitimation, Organisationsfinanzierung wie Organisationszweck erscheinen mir bei allen drei über die lange Frist recht ähnlich bzw. Deckungsgleich.
Der Unterschied, Al-Kaida hatte einen Charismatischen Anführer, die anderen mit Hekmatyar und Al-Bagdadi eher mittelmäßige Charaktere.
Die Taleban waren recht Regional, ethnisch paschtunisch konzentriert, heute sind sich ethnisch vielfältiger. DAESH und Al-Kaida waren eher ethnisch arabisch konzentriert, heute sind sie eher vielfältiger. Die Eliten hingegen noch ethnisch in Zusammensetzung aus Gründungszeit.
Was auffällt sind Doppelmitgliedschaften in die Eliten und Gesellschaften der arabisch-islamischen Welt hinein wie auch untereinander.
Der größte Unterschied sind die in der Momentanaufnahme erkannten Agenden der Organisationen mit steigender geographischer Reichweite Taleban, Al-Kaida, DAESH. Wobei die Organisationen voneinander lernen. Was lernen sie?
Von den Taleban, dass Resilienz und eine Kombination aus Verhandeln und Kämpfen sich auszahlen. Von Al-Kaida, dass Kooperation mit regionalen Akteuren und schleichende Übernahme der Sache das Überleben der Organisation sichern (Jemen / Syrien), dass es gar zu Schutz durch regionale Akteure kommt (Iran -Houthi / Türkei -HTS). Von DAESH, dass Barbarei und sich ein sehr offensichtliches wenden gegen die Ummah (Islamische Welt) zur sofortigen Zerstörung führt (vgl. Verhaltensweisen DAESH Sahel).
Meine Absicht immer noch die selbe: Diese Organisationen zu Unterscheiden ist mühselig und wenig zielführend. In der langen Frist kommt es auch dort zur institutionellen Isomorphie, was sich bereits abzeichnet. Sind die sich wirklich Spinnefeind oder Konkurrieren sie eher produktiv auf ihre eigene dämonische Art und Weise?
Also wie z.B Konzerne auf dem Automobilmarkt. (/SCNR) Bedienen wie und doch den bekannten Analyseinstrumenten.
Ich kann da @plato4 zustimmen.
Die Politik und die Bundeswehrführung und einige höhere Soldaten haben versagt. Nicht der einzelne Einsatzsoldat oder die Gesamtheit der Soldaten im Auslandseinsatz!
Ich selbst hatte auch eine Situation in AFG, bei der hoher militärischer Besuch kam und mein Chef meldete auf Nachfrage ob alles in Orndung sei, alles grün. Das war es aber nicht einmal Ansatzweise und das wusste er auch und bei mir ging der Blutdruck auf 200.
Genau diese realistischen Einschätzungen gab es viel zu selten.
Man muss aber auch der Ministerin vdL Fehler anlasten.
Ihr Führungsstil (Umgang mit den Stabsoffizieren und die Beförderung von Ja-Sagern) sprach sich herum und so formierte sich schnell eine Kaste an Ja-Sagern und Beschönigern und alle Kritiker haben noch häufiger den Mund gehalten.
Das ist ein Kernproblem in unserer Armee. Es fehlt ein Ansprechen von gemachten Fehlern. Gerne auch nur im Hinterzimmer.
Das bedeutet noch lange nicht, dass man diese Fehler sofort rückgängig machen muss. Die Politik entscheidet über unser Vorgehen und das Militär führt aus, auch militärisch fehlerhafte Entscheidungen.
Aber sehr viele Politiker und auch höhere Militärs hatten andere Informationen, weil leider nicht die komplette Wahrheit nach oben transportiert wurde.
@Eric Hagen:
Heiko Maas in Qatar:
„
Germany sees ‘no way around’ Taliban talks
Maas, in turn, said he saw “no way around” talking with the Taliban.
“I personally believe there is absolutely no way around having talks with the Taliban … because we absolutely cannot afford to have instability in Afghanistan,” he said.
„
https://www.aljazeera.com/news/2021/8/31/qatar-urges-taliban-to-fight-terrorism-after-us-afghan-pullout
Liegen im AA Analysen der im Beitrag benannten Akteure vor? Was für DEALS hat Trump im Hinblick auf bemannte Akteure und entstehen des Doha Agreements gemacht? Welche Interessen haben die Akteure, wenn es um die Gestaltung der Islamischen Welt, der Ummah, geht? Was soll dieses Framing, sind die Taleban jetzt kein extremistischer Akteur mehr? Was für Interessen haben eben benannte Akteure z.B in Mali oder Syrien? Welche Mittel wenden sie an, welche Akteure unterstützen sie dort? Die Taleban als Stabilitätsgarant, im Ernst jetzt?!
Ein Phrasenschweres Auswärtiges Amt auf Alleingang im Wahlkampf in Ermangelung eines nationalen Sicherheitsrats, der Lagebild und Interessen subsumiert. Eine nahöstliche Szenerie voller Schwelbrände ausgelöst vom neuzeitlichem NERO, Donald Trump, der vor den Taleban kapitulierte indem er den Vertrag von Doha mit festen Abzugsdaten versah, wie Kanzlerin Merkel so treffend kritisierte.
@ plato4
01.09.2021 um 8:55 Uhr
Ich teile ihre Aussagen in den meisten Punkten.
Eine Niederlage nun mit allen Mitteln als Erfolg zu verkaufen, das beschämt und ist skuril!
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zog noch im Juli im Dlf eine positive(!) Bilanz aus der Mission in Afghanistan: „Wir haben das Ziel erreicht, dass ganz sicherlich El Kaida nicht in dem Maße international operiert hat, wie es der Fall war, als es zu 9/11 gekommen ist. Und wir haben es geschafft, dass eben dieses Land in den letzten 20 Jahren nicht von den Taliban regiert worden ist, dass wir eine demokratisch gewählte Regierung haben.“
Es istzwar gelungen, die von Afghanistan ausgehende Terrorgefahr in der Vergangenheit abzuwenden, eine funktionierende Demokratie habe jedoch nie etabliert werden können!
Zum „würdelosen Rückkkehrerappell“ der Hauptkräfte ist bereits genug geschrieben, das läßt sich auch durch die geplanten Folgeveranstaltungen nicht reparieren. Deutschland stellte immerhin nach den USA die zweitgrößte Truppe in Afghanistan. Insgesamt haben rund 160.000 Soldatinnen und Soldaten am Hindukusch ihren Dienst geleistet. 59 kamen ums Leben – so viele wie bei keinem anderen Bundeswehr-Auslandseinsatz. Gewürdigt diese Leistungen von ISAF und RS bei Rückkehr nicht! Nicht ANGEMESSEN, sondern lieblos und als Pflicht wurde dies „abgehakt!“
Der angerichtete Schaden ist bereits zu groß. Schon damals fühlten sich die Kräfte des AFG Einsatzes durch Politik nicht genügend beachtet. Zur Politik gehört natürlich die politische Leitung des BMVg.
Das die geglückte MilEvakOp nun durch politisches Getöse genutzt wird, hat sicher auch den Grund vom eigentlichen, ja auch militärischen Versagen abzulenken. Schade, dass BG Arlt seine Rolle in einem überzogenem politischen Schauspiel bekam. Man merkte, also ich merkte, er fühlte sich in dieser Rolle nicht so wohl.
Wenn sie glauben, dass der AFG Einsatz schonungslos und ehrlich durch die Bundeswehr (also der militärische Anteil) aufbereitet wird, täuschen sie sich. Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen. Fehlerkultur war schon so oft Thema in der Bundeswehr, geändert hat sich nahezu nichts. Gleiches zum Thema Kriik und Selbstkritik.
Es gilt als Kern des informellen Selbstverständnisses der Bundeswehr: Stromlinienförmige Ja-Sager machen Karriere, kritische Geister werden kalt gestellt. Offiziell sagt man gern: „ich gehöre nicht zu den stromlinienförmig gestylten Ja-Sagern!“ Die Realität ist ganz anders.
Zurzeit läuft der größte solche Einsatz im westafrikanischen Mali. Aber die Parallelen zum gescheiterten Afghanistan-Einsatz sind nicht zu übersehen. Doch es wird weiter ‚gewurschtelt‘
A. Kramp-Karrenbauer twittert heute:
„Bei all dem steht fest: Als verantwortungsvoller Akteur in der Welt braucht Deutschland eine starke Bundeswehr. Diplomatie braucht Muskeln.“
Wovon redet sie?
AFG militärisch verloren! Für den Westen und seine Streitkräfte, auch die Bundeswehr
Rettung und Evakuierung nur von der Gnade (dem Schutz) der USA abhängig. Allein hätten wir nichts geschafft, nicht einmal im Verbund der EU und/oder des europäischen Pfeilers der NATO.
LV/BV über ein Jahrzehnt verschlafen, vermeintlich, um Krisenreaktion militärisch zu schultern. Doch nun sehen wir dieser militärische Beitrag war nahezu umsonst. Warum wurde hier schon mehrfach versucht anzusprechen.
Ja, der wäre noch Mali. Wir können in diesem Blog lesen, dass auch dort (erneut) ein klares Ziel und eine Strategie fehlt. Selbst taktische Abläufe bedürfen wohl Verbesserungen.
Dazu käme noch die vollmundige Ankündigung von AKK sich auf und in der (ganzen) Welt mehr zu engagieren.
Also wovon redet sie? Von welchen MUSKELN?
Zu wem spricht sie?
Wem will sie diese Vertuschung verkaufen?
Den Russen?
Den Chinesen?
Den Terrororganisationen und anderen Verbrechern?
Was glaubt man den im BMVg, wen will man mit solchen Losungen abschrecken.
Nachdem nun alle gesehen haben, dass selbst die größe Militärmacht wieder mal einen Krieg verloren hat.
Muskelschwund wäre das passende Wort. Die Muskeln können bei mangelhaftem Gebrauch verkümmern oder sich abbauen. Sind wir nicht eher in der Stagnation?
Na, auf jedem Fall im Wahlkampf. DIe Stunde der Bundeswehr, auf jeden Fall für den CDU Wahlkampf der AKK.
Dürfte interessant sein, wie die Biden – Administration mit privat organisierten Unternehmungen durch Veteranen umgeht.
Der Kopf hinter dem „Pineapple Express“ OTL Scott Mann (ex SF) hat wohl, nachdem das State Department bereits vor einigen Tagen die Anweisung an die Nachbarländer gab, derartige Vorhaben zu unterbinden, indem man die Herren keine Flugzeuge boarden lässt, angekündigt, dass man nun auf dem Landweg weitermachen will.
Er würde es bevorzugen ,wenn dies mit Unterstützung des Weißen Hauses, State Dept. und des Pentagon vonstatten geht, man werde aber nicht „um Erlaubnis bitten“.
Die Gruppe gibt ja an, zwischen 500 u. 630 Personen zum Flughafen gebracht zu haben, was schon beachtlich ist. Kann mir aber nicht vorstellen, dass man in Washington aktuell große Lust verspürt den Jungs unter die Arme zu greifen. Würde wohl auch seitens der Taliban medial ausgeschlachtet werden, indem man angibt, die Herren handeln auf Anweisung bzw. mit Rückendeckung der Regierung, womit man belegen könnte, dass inoffiziell noch „boots on the ground“ vorhanden sind.
Ganz zu schweigen von dem Szenario, lokaler Taliban – Kommandeur verkauft festgesetzte Veteranen der US – Spezialkräfte an Al-Qaida…
Milley: US coordination with Taliban on strikes ‘possible’
By ROBERT BURNS and LOLITA C. BALDOR
„ Although the Taliban oppose IS, it’s far from clear that they will be inclined to work with the U.S. military or the Central Intelligence Agency now that they have regained power in Kabul.“
https://apnews.com/article/joe-biden-ap-top-news-afghanistan-evacuations-kabul-c134d2abf8977b87d2965d9fe3e1565f
@A.Teodora:
AKK ist Teil der Debatte der EU um eigene Projektionsfähigkeit. Da stelle ich bei der Case Study KIA eher die Fragen:
-Wie ohne Flugzeugträger für Aufklärung / Wirkung aus der Luft?
-Wie ohne eigenen Geheimdienst, der Ereignisse im Umfeld on the Ground beeinflussen kann?
-Wie ohne bewaffnete Drohnen?
Oder stückelt man dann eine anvisierte OP aus den Fähigkeiten der Mitgliedsstaaten zusammen, die unterschiedlich viel Bock haben? Im Kern hat AKK recht, aber wenn man KIA als Ausgangspunkt der Maßnahme sehen will, scheint mir EUBG eher ein Feigenblatt.
Folgen aus Afghanistan-Abzug
EU berät über schnelle Eingreiftruppe
Stand: 02.09.2021 03:33 Uhr
Die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Staaten beraten heute über die Entwicklungen in Afghanistan – und darüber, welche Lehren daraus zu ziehen sind. EU-Chefdiplomat Borrell plädiert für eine Eingreiftruppe.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/afghanistan-eu-minister-101.html
So absurd ist die These vom strategischem Sieg des Westens in der Gegend garnicht.
Bisher hat die NATO im Hinterhof ihrer ärgsten Gegner gratis den Rasen gemäht so daß diese Gegner Resourcen frei hatte für Abenteuer in Syrien, chinesisches Meer, Ukraine und andere Schauplätze. Kein einziger Staat in der Region war jemals ein Freund des Westens.
Und jetzt haben auf einmal Rußland, China, Iran und Pakistan einen ausgewachsenen Jihad im Hinterhof. Truppenverschiebungen sind da praktisch unausweichlich. Ich schätze daß es die Nachbarn knallhart getroffen hat daß die alte Regierung über Nacht verschwunden ist denn viele Ansätze um die direkte Nachfolge der USA in der Region anzutreten sind schlicht im Sande verlaufen.
Da helfen auch keine schönen Worte, die Taliban sind als Ansprechpartner für die regionalen Mächte schon deshalb weniger interessant weil sie in keinster Weise einen funktionierenden Staat darstellen. Kein Schutz der Aussengrenzen, keine zivilen Sicherheitskräfte, kein funktionierendes Sozialsystem und die Taliban werden in den nächsten Wochen vermutilch in radikale Islamisten und traditionelle Afghanen zerfallen und zwischen Drogenkorruption und Policing als geschlossene Einheit zerrieben. Bestenfalls bleibt am Ende eine geschlossene Truppe von 20.000 bis 30.000 Mann übrig die dann völlig mit der Sicherung in Afghanistan überfordert ist zumal sich die Taliban zur Sicherung des öffentlichen Raumes nicht mehr in der Zivilbevölkerung verstecken können und vom Feinden bestens per bekämpft werden können.
Ich sehe das Land entweder in einen weiteren Bürgerkrieg gleiten oder vom nächsten Nachbarn besetzt werden. Alles schaded den Regionalmächten mehr als dem Westen.
Das einzige was der Westen jetzt noch moralisch machen sollte ist eine Sperrung der Finanzen, besonders der korrupten Elite die den Zusammenbruch ja in der Tat mit wenig Aufwand hätte verhindern können.