Afghanistan: Vormarsch der Taliban im Norden; geschätzt 65 Prozent des Landes unter Kontrolle
Alle Meldungen aus Afghanistan sind derzeit nur eine Momentaufnahme, die schon wenige Stunden später überholt sein kann: Im Norden des Landes haben die Taliban ihren Vormarsch fortgesetzt und weitere Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle gebracht. Nach Einschätzung von EU-Diplomaten kontrollieren sie inzwischen 65 Prozent des Landes.
Am (heutigen) Dienstag gab es immer mehr Berichte über Erfolge der Aufständischen, die seit dem Fall von Kunduz am vergangenen Wochenende jetzt weitere strategisch wichtig gelegene Hauptorte in Nordafghanistan in ihrer Gewalt haben (s. Karte oben). Von einem Vier-Tage-Blitzkrieg sprechen US-Medien: Kunduz, Sheberghan, Taloqan, Aybak in der Provinz Samangan, Sar-e Pol, Pul-e Khumri und Baghlan – und am späten Dienstagabend kam nach letzten Meldungen auch Feyzabad dazu.
Dabei, darauf wies mich ein Bundeswehr-Veteran hin, der selbst im Highway Triangle nördlich von Pul-e Khumri gekämpft hat, dürfte es zum Teil gar nicht um die Städte selbst gehen: eine Provinzhauptstadt wie Aybak hat vergleichsweise wenig Bedeutung. Aber die Städte unter Taliban-Herrschaft ermöglichen auch die Kontrolle über die Straßenverbindungen aus dem Norden nach Kabul – und umgekehrt.
Das hat natürlich auch Auswirkungen auf Mazar-e Sharif, die wichtigste Stadt im Norden (und jahrelang Standort der Bundeswehr): Nachschub und Verstärkung für die afghanischen Sicherheitskräfte auf dem Landweg ist nun tatsächlich unmöglich. Per Flugzeug begab sich deshalb auch ein altbekannter regionaler Warlord auf den Weg aus der Haupstadt Kabul nach Mazar-e Sharif.
Marshal Dostum has left Kabul for Mazar-e-Sharif. Ehsan Nairo, Dostum’s spokesman, says the trip is taking place in coordination with President Ashraf Ghani. pic.twitter.com/J3fSWE5H1p
— Ziar Khan Yaad (@ziaryaad) August 10, 2021
Die überraschenden Eroberungen im Norden haben den Anteil des Landes, der unter Taliban-Kontrolle ist, inzwischen auf 65 Prozent erhöht, wie ein ausländischer Diplomat laut Reuters schätzte:
Taliban forces now control 65% of Afghan territory, are threatening to take 11 provincial capitals and are trying to deprive Kabul of its traditional support from national forces in the north, a senior EU official said on Tuesday.
In Deutschland herrscht, man muss es vermutlich so sagen, angesichts der rasanten Entwicklung im ehemaligen Einsatzgebiet der Bundeswehr eine offene Ratlosigkeit. Die auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bereits am (gestrigen) Montag zwar analytisch sauber, aber ebenso ratlos in einer längeren Stellungnahme via Twitter zusammenfasste:
Die Meldungen aus #Kunduz und aus ganz #Afghanistan sind bitter und tun sehr weh. Wir haben dort gemeinsam mit den Verbündeten gekämpft, Bundeswehrsoldaten sind in Afghanistan gestorben. 1/14
Die aktuelle Lage in #Afghanistan stellt die Frage nach dem „Warum“ noch drängender und geht einher mit dem Wunsch, die Taliban zu stoppen. 2/14
Wie sieht die Lage in #Afghanistan aus? Seit Jahren haben die Taliban ihren Einfluss trotz des internationalen Einsatzes schrittweise ausgebaut. 3/14
Das unselige Abkommen von Trump mit den Taliban war der Anfang vom Ende. Aber es hat auch dazu geführt, dass die Taliban zumindest für eine Weile gegen unsere internationalen Truppen stillgehalten haben. 4/14
Jetzt schlagen die Taliban wieder mit voller Härte zu – das hätten sie auch getan, wenn wir noch im Land wären. 5/14
Wer jetzt ein erneutes Eingreifen in #Afghanistan durch die Bundeswehr verlangt, muss sich fragen lassen: Mit welchem Ziel, mit welcher Strategie, mit welchen Partnern? Mit der Bereitschaft, das Leben vieler unserer Soldatinnen & Soldaten aufs Spiel zu setzen? 6/14
Wer die Taliban dauerhaft besiegen will, müsste einen sehr harten und langen Kampfeinsatz führen. 7/14
Ist die deutsche Gesellschaft, ist das deutsche Parlament wirklich in letzter Konsequenz dazu bereit, in #Afghanistan wieder hart in eine militärische Auseinandersetzung zu gehen? 8/14
Sind Gesellschaft und Parlament dazu bereit, die Bundeswehr in einen Krieg zu schicken und mindestens eine weitere Generation lang mit vielen Truppen dort zu bleiben? Wenn wir das nicht sind, dann bleibt der gemeinsame Abzug mit den Partnern die richtige Entscheidung. 9/14
Die Bundeswehr hat in #Afghanistan alle Aufträge erfüllt, die ihr der Deutsche Bundestag gegeben hat. 10/14
Gemeinsam mit anderen haben wir in #Afghanistan erreicht, dass der Terrorismus von Al-Qaida uns von dort aus nicht mehr bedrohen kann, dass eine ganze Generation von Afghaninnen & Afghanen bessere Chancen bekommen hat, dass Frauen & Mädchen Zugang zu Bildung bekommen haben. 11/14
Was wir augenscheinlich nicht erreicht haben, ist ein dauerhaft und umfassend zum Positiven verändertes #Afghanistan. Für die Ziele künftiger Auslandseinsätze sollten wir daraus lernen. 12/14
Deutschland muss und wird weiterhin viel tun: Die Aufnahme weiterer ehemaliger Ortskräfte der Bundeswehr und ihrer Familien, von denen 1700 bereits in Deutschland angekommen sind, aktive Diplomatie, die Unterstützung des Friedensprozesses, Entwicklungszusammenarbeit, 13/14
humanitäre Hilfe, Ausbildung und die Unterstützung des Aufbaus effektiver Staatlichkeit. 14/14
Unklar ist – aus deutscher Sicht – auch weitgehend, was aus den früheren Mitarbeitern der Bundeswehr und anderen Ortskräften deutscher Institutionen wird. Eine scheinbar positive Bilanz des Verteidigungsministeriums offenbart eher die Schwächen:
Denn so positiv 70 Prozent klingen: Es sind, erste Einschränkung, nur die Bundeswehr-Mitarbeiter der vergangenen zwei Jahre erfasst (obwohl diese Einschränkung bereits im Juni gefallen ist). Und von denen wiederum nur die, die bereits eine Aufnahmezusage haben. Und von denen haben es 70 Prozent bereits geschafft. Ob es die anderen schaffen, ganz zu schweigen von denen, die die Jahre zuvor für die Bundeswehr gearbeitet haben – das bleibt offen.
(Weiter ggf. nach Entwicklung)
(Karten: OpenStreetMap)
Ich habe heute morgen das Interview live gehört (DLF). Es war leider einfach nur traurig und bedrückend.
Mit welchen Floskeln und Ausflüchten versucht wurde zu erklären, warum das so lange dauert Ortskräfte nach Deutschland zu bringen.
Eventuell sollten sich diejenigen die gefordert haben, dass Afghanistan nur mit Hilfe der Afghanen aufgebaut und stabilisiert werden kann, nun einmal überlgen, was mit unseren Helfern/Freunden/Mitarbeitern und Kameraden passiert, wenn sie in die Hände der Taliban geraten.
Diese Menschen, solange sie zu uns möchten, müssen ohne wenn und aber aufgenommen werden, bevor sie zum Hauptdarsteller ihres eigenen Exekutionsvideos werden nur weil sie uns einmal geholfen haben! So etwas gebietet der Anstand, der Respekt vor dem Leben und die eigenen Werte welche wir hier in Deutschland gerne so betonen.
Und trotzdem verstecken uns hinter der Bürokratie und der „Nichtzuständigkeit“…
So argumentierte Frau Kramp-Karrenbauer, dass auf jeden Fall die Möglichkeit und der Wille zur Aufnahme durch Deutschland bestehe, aber die afghanische Regierung niemanden ohne einen afghanischen Pass ausreisen lässt…. so kann man sich natürlich auch vor eigener Verantwortung drücken :-(
Fr. Kramp-Karrenbauer sollte sich einmal vor Augen führen, wie lange eine Passaustellung schon in Deutschland dauert und sich dann überlegen, wie lange das in Afghanistan dauern kann, wenn man es ersteinmal nach Kabul geschafft hat um dort den Pass zu beantragen…. In 14 Tagen sieht Afgahnistan wahrscheinlich „leicht“ anders aus, was die Gebietsverteilung ANA und Taliban angeht.
Das „lustigste“ an diesem Interview war die Darstellung der „schwierigen sicherheitspolitischen Situation“. Eine famose Umschreibung für: Es herrscht Krieg und unsere Verbündeten verlieren ihn gerade haushoch weil wir nichts machen wollen.
Cheers!
@T.W. sollte ich mich irgendwie im Ton vergriffen haben o.ä. bitte schalten sie diesen Kommentar nicht frei. Mich und meine Frau hat das ganze heute Morgen einfach nur unglaublich wütend gemacht wie die Argumentationslinie aufgebaut und durchgezogen wurde, auch auf die teilweise schon recht kritischen Nachfragen des Journalisten.
@Sindbad sagt: 12.08.2021 um 11:44 Uhr
Ich frage mich die ganze Zeit, von welcher Niederlage Sie sprechen. Vielleicht sollten Sie den Auftrag der Bw während ISAF und RS einfach nochmal rekapitulieren. Da steht nichts drin von „Taliban bekämpfen, vernichten oder werfen“. der Auftrag war ganz klar, die Lage soweit stabil zu halten als Voraussetzung, das die GO´s und NGO´s ihre Vorhaben, Projekte und Tätigkeiten verrichten konnten. Daneben natürlich noch Ausbildung der afghanischen Armee. Und genau das hat die Bundeswehr bis zum Schluß getan. Das „bisschen“ Vernichten von Terroristenausbildungscamps etc. war doch quasi mit OEF abgeschlossen. Bin Laden hat man in Pakistan erledigt, dafür brauchte man kein ISAF oder RS.
Versagt und, wenn Sie so wollen, eine Niederlage eingesteckt hat die westliche Politikerkaste. Es ist offensichtlich nicht gelungen, in Afghanistan bei der Bevölkerung ein irgendwie geartetes Interesse für einen demokratischen Staat in irgendeiner Form zu wecken. Also wird auch nicht dafür gekämpft.
Gerade kam bei tagesschau.de die Meldung, dass die Taliban Ghasni genommen hätten, als 10. Provinzhauptstadt (!) und 150 km von Kabul entfernt. Bei dem Tempo, in dem die Taliban vorrücken, kann es schon gar keine Gefechte mehr geben. Jahrzehntelange Ausbildung von Polizei und Armee und wofür? Für die Katz, wenn es hart auf hart kommt und nicht Streitkräfte der westlichen Allianz parat stehen, wird das Kämpfen einfach eingestellt.
Ich hoffe sehr, man zieht in der Bundeswehr und der NATO seine Lehren daraus und lässt zukünftig seine Finger von irgendwelchen unausgegorenen Stabilisierungseinsätzen. (Gilt auch schon für Mali.)
@Orontes & TaDa +1
Grundlegedens Missverständnis, dass die Ortskräfte „uns“ unterstützt haben.
„Wir“ haben das afghanische „Volk“ unterstützt den Weg in eine Art Nation/Demokratie zu gehen.
Das hat nicht geklappt. Und das war lange abzusehen. Und das weiß auch das Ministerium (UvdL/AKK).
Die „Taliban“ sind keine externe Mörderbande (à la IS) sondern offensichtlich diejenigen im Lande, denen man/frau – warum auch immer – zutraut zu führen.
Ferner:
„Die Menschenrechte“ [UN] gelten eben nicht weltweit. Wer es noch nicht getan hat, kann gerne die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte“ durchlesen. Unterschrieben von 56 islamischen Staaten.
Und auch das GG findet seine Grenzen in der BRD.
Das ist zwar alles bedauernswert aber die anzuerkennende Realität.
》Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirkluchkeit《 …haben schon andere früher gewusst.
P.S.: Was bedeutet das für MINUSMA^^?
@NMcM sagt: 12.08.2021 um 13:02 Uhr
„Diese Menschen, solange sie zu uns möchten, müssen ohne wenn und aber aufgenommen werden, bevor sie zum Hauptdarsteller ihres eigenen Exekutionsvideos werden nur weil sie uns einmal geholfen haben!“
Natürlich möchten die gerne zu uns, weil ihr eigener Staat nicht funktioniert, an dem sie mitgestaltet haben. Und bisher gibt es keine Meldungen über (Massen-)Exekutionen durch die Taliban. Alle Schwarzmalerei hat sich bisher (glücklicherweise) nicht bestätigt. Und die Hilfe war ja nicht selbstlos oder aus Gutmenschentum, die Ortskräfte wurden dafür ordentlich bezahlt, gemessen an den Landesverhältnissen überdurchschnittlich gut. Grundsätzlich ist damit alles abgegolten.
„So argumentierte Frau Kramp-Karrenbauer, dass auf jeden Fall die Möglichkeit und der Wille zur Aufnahme durch Deutschland bestehe, aber die afghanische Regierung niemanden ohne einen afghanischen Pass ausreisen lässt….“
Isso. Wieso Sie jetzt die Forderung der afghanischen Regierung Deutschland anlasten wollen, erschliesst sich wahrscheinlich nur Ihnen.
Ihre Wut, Empörung und Meinung steht Ihnen natürlich zu. Es steht Ihnen allerdings nicht zu, alle, die anderer Meinung sind, moralinsauer in die Menschenverachtungsecke zu stellen.
Bestimmt gibt es die eine oder andere Ortskraft, die gefährdet ist. Zu manchen mag auch eine persönliche Bindung bestehen, die eine persönliche Betroffenheit erzeugt. Aber auf gar keinen Fall ist jeder irgendwie bei fremden Streitkräften beschäftigte Afghane bedroht und schon gar nicht jeder afghanische Soldat oder Polizist.
Mal abgesehen davon, das ich die gar nicht in Deutschland haben möchte. Die letzten 20 Jahre haben doch ganz deutlich gezeigt, das unsere Kulturen nicht zusammen passen und unsere Werte den Afghanen herzlich egal sind. Wieso soll ich mir jetzt diese Probleme, die wir dort gerade erst hinter uns gelassen haben, nach Hause holen?
Es würde meiner Meinung nach viel mehr Sinn machen, diesen Menschen zu helfen, in einer Gesellschaft ähnlich der ihren heimisch zu werden und Starthilfe zu leisten. Da entfällt dann auch der Kulturschock. Ich denke da vor allem an die Nachbarstaaten.
@Pio-Fritz: was heißt die Finger davon lassen?
Ich möchte hier dem HQ-RS/HQ-ISAF mal zur Seite stehen. Wir erinnern uns wie von dort, namentlich Mc Crystal/Nicholson- die Erwartungen in ein heimischen Regierungen richtig interpretiert wurden und öffentlich die Ressourcen an Personal, Material und Geld eingefordert wurden, um dies zu erreichen. Der politische Wille fehlte.
Zu oft sind wichtige Entscheidungen zur geoökonomischen Integration Afghanistans in die westlichen Handels- und Investitionssysteme und Abkommen vor dem Hintergrund von mächtigen Partikularinteressen abschlägig entschieden worden ( z.B. Weizenanbau). Der politische Wille fehlte.
Und weniger globalgalaktisch war der Auftrag NGO und GO das sichere Arbeiten zu ermöglichten. Wenn aber die GOs keine Vision vermitteln können, keine Giddensche Strukturation einer Republik Afghanistan vermitteln können für die es sich zu kämpfen lohnt, dann ist on the Ground schon jedem Erfolg die notwendige Basis entzogen. Oder noch schlimmer, es kam NIEMAND. Der politische Wille fehlte über den Tellerrand des auf- und ausrüsten von Barbaren gegen Barbaren zu blicken.
Hinter dem Fehlen des politischen Willens als Chiffre für ein partielles / empfundenes Scheitern verbirgt sich die Tatsache, dass wir eben kein Imperium sind, das eine Großstrategie aktiviert. Vgl. British Empire in Indien, vgl. Frankreich in Kanada etc. Und das ist auch gut so… wir sind ja nicht die Sovietunion o.Ä. Blick in das Grundgesetz genügt um derartige Gedanken abzuwürgen.
Nur eines sollten wir uns merken. Sowas kostet viel Geld, Blut und Tränen und noch mehr Zeit (vgl. Churchill). Denn was passiert, wenn der Iran kollabiert und im Bürgerkrieg versinkt, oder womöglich die Türkei, Russland nach Putin? Frankreich? Die USA?
So gesponnen sich das anhört, aber in sich in Notwendigkeit und strategischem Imperativ verschärfender Reihenfolge oben genannten muss dann angezeigte StabOps mit allen Konsequenzen ausgeführt werden.
Liveuamap hat seine Karten aktualisiert:
https://afghanistan.liveuamap.com
TB konzentrieren sich auch Herat und Kandahar. Herta soll von 800 weiteren ANA unterstützt werden.
Dostum verbleibt wohl in MeS, viel LuWa Aktivität um die Stadt, wenig TB Aktivität.
Auch interessant, die TB Trollen die ANSF mit Videoaufnahmen derer Patroullien durch ihre in Städte eingeschleusten Milizionäre.
Also wenn sich der Wiederstand gegen TB formiert, dann jetzt. Denn je enger der Ring um Kabul wird, desto weniger Overstrech erfährt die Djihadistenmiliz.
Was sich abzeichnen könnte ist tatsächlich, dass die TB versuchen, die Republik mit dem Rücken an die pakistanische Grenze zu drücken. Last stand um MeS?
Zur gedanklichen Auseinandersetzung und zur Selbstreflektion mit dem eigenen Tun und Unterlassen sei auf den heutigen Artikel:
https://taskandpurpose.com/news/white-house-afghanistan-defeat/
und insbesondere auf den alten Artikel vom März verwiesen:
„Based on all the work we’ve done, it seems obvious that the biggest mistake we’ve made was to try to build an Afghan Army in our own image and likeness,” Sopko said. “In other words, an Army that uses the systems and the equipment and the weapons that our army does. And yet, this is a country where a huge portion of the population are illiterate, where there’s very little electricity, and very little internet.”
https://taskandpurpose.com/news/afghan-security-forces-no-match-taliban/
(Ich hoffe Herr Wiegold, beide links sind hier erlaubt, wenn nicht, bitte ich um Löschung und Entschuldigung)
Ich halte das gegenwärtige Verfahren – diese unsägliche Bettelei um Schutz vor den Talibs – und der Umgang mit unseren eigenen Ortkräften für unaussprechbar unkameradschaftlich und an charakerlicher Schäbigkeit nicht zu überbieten.
Und wer sich einbildet, er könnte einen ideologischen, personellen, religiösen und politischen Trennungsstrich zwischen den Talibs und dem IS gedanklich als Rechtfertigung der Nichtaufnahme der eigenen Ortskräfte und als bestehende Nichtverpflichtung für Schutz und Obhut ziehen, sie als „ungefährliche“ Quasinationalisten, jenseits aller Fakten ihrer Deobandiherrschaft der Vergangenheit und ihrer politischen Gegenwart, zu verklären, der sollte sich schleunigst in die nächste Bibliothek zur Weiterbildung begeben.
Ich möchte einwerfen, dass ich (auch) den Begriff einer militärischen Niederlage der USA, der NATO und auch der Bundeswehr für richtig halte.
Die entschuldigende Logik, man hätte „nur das gemacht, was die Politik vorgab“, verkennt und verleugnet die Rolle von Streitkräften und verkürzt den militärischen Auftrag/die militärische Fähigkeiten auf unzulässige Art und Weise.
Ich finde, die wirkliche erfolgreichen Operationen der Bundeswehr im Sinne von COIN lassen sich mit einer Hand abzählen. Wie „erfolgreich“ die Ausbildungsunterstützung“ war sieht man derzeit.
Auch ‚Stabilisierung‘ als genutztes Instrument westlicher Außen- und Sicherheitspolitik, also eine Reaktion der der NATO und Deutschlands (NICHT der USA!) auf den Zusammenbruch staatlicher Ordnung und Gewaltkonflikte in AFG ist in der ganzheitlichen Betrachtung als gescheitert zu betrachten.
Zu schnell wurden kurzfristige und nicht nachhaltige Erfolge der frühen Stabilisierungseinsätze/ Comprehensive Approach/Vernetzte Sicherheit als Wegweiser für einen „Siegeszug der Demokratie“ verkauft. Man erinnere sich an diverse COM RC North die sich in den Medien lang und breit über Mädchenschulen und wachsende Anzahls der Handys in AFG als MILITÄRISCHE Erfolge verbreiteten und die Einordnung in das Konzept der Vernetzten Sicherheit hinten anstellten.
Dabei ist auch für den Diskurs über die ISAF und RS Mandate von immenser Bedeutung. Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan erfuhr viele Benennungen. Es wurden besonders im letzten Jahr ständig neue Debatten über den Status geführt. Es wurde Allzugern und zu oft darüber debattiert, ob der Einsatz beispielsweise Krieg, bewaffneter Konflikt oder Stabilisierungseinsatz genannt werden sollte. Dies zeigt, wie z.B. plakativunvorbereitet die Politik war (und noch ist)
Ich lasse mich gern berichtigen, wenn jemand tatsächliche Erfolge und nicht unzulässige Verallgemeinerungen und Überhöhungen nennen kann, dann nehme ich dies natürlich gern zur Kenntnis. Auf Twitter schreibt ein General der Bundeswehr sinngemäß und fast trotzig, dass man im Einsatz nur die Zeit gewinnen, die Politik braucht, um Lösungen anzubieten. Genau das hätte die Bundeswhr im parlamentarischen Auftrag getan, verbunden mit hohen Opfern und genau deshalb darf das deren Wert nicht schmälern.
DAS war es also, DAS ist die Messlatte für den Erfolg eines solchen Einsatzes?
Ich finde, dass an jedem Tag, an dem die Taliban vorrücken, wächst die Niederlage des der USA, der NATO und damit auch Deutschlands und der Bundeswehr manifestiert wird.
Letztlich kann der immer sichtbarerer werdende Grad dieser Niederlage als Messlatte dafür dienen, wie falsch die ursprüngliche Ableitung der Bundeswehr für die Chancen eines mil Beitrag zur Lösung dieses Konflikts war. Manche sprechen von Blauäugigkeit, Naivität und ‚learning by doing‘ – ob dies tatsächlich so war, wird die hoffentlich bald vorliegende Auswertung dieses Einsatzes zeigen.
@Pio Fritz
„Ihre Wut, Empörung und Meinung steht Ihnen natürlich zu. Es steht Ihnen allerdings nicht zu, alle, die anderer Meinung sind, moralinsauer in die Menschenverachtungsecke zu stellen.“
Wenn sie meinen, dass ich hier den moralischen Zeigefinger erhebe, gern geschehen :-)
Moral bedeutet für mich, für etwas einzutreten wovon ich überzeugt bin, also Menschenrechte, Frieden und dergleichen. Das habe ich auch schon als Soldat gemacht und werde das auch nun weiterhin ohne Uniform machen. Natürlich werden wir auf absehbarer Zeit nicht im Paradies leben, aber man kann durchaus versuchen diese Welt immer ein klein wenig gerechter, friedlicher und schöner zu machen.
@CRM Moderator:
Ich halte es gerne bei Kant:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie allgemeines Gesetz werde.“
@AoR
Ja MeS könnte durchaus der letzte Rückzugsort werden -> „Nordallianz“ 2.0?
Cheers!
Khandahar ist gefallen.
@FrancescComito/Tolo News
Taliban inside Kandahar (2nd largest City) they are heading towards police headquarters and governors office.
Nach Khandahar folgt Kabul nicht zwangsläufig, jedenfalls nicht im Kampf. Es kommt die Stunde der Überläufer und Kollaborateure.
Das Interesse der TB muss die Übernahme einer weitgehend intakten (Infra)Struktur in der Stadt sein, auf die auch eine „Islamische Republik Afghanistan“ angewiesen bleibt.
@michaeltanchum
China via Tadschikistan im Wakhan Korridor aktiv?
Sollte das belegbar sein, wird RUS dies nicht unbeeindruckt lassen.
China’s military „base“ in Tajikistan near Afghanistan’s Wakhan Corridor. Chinese paramilitary are thought to be already operating in the corridor/Maps.
https://mobile.twitter.com/michaeltanchum/status/1425810680536473600/photo/1
@AoR
Da sind wir uns doch einig. Natürlich fehlte und fehlt der politische Wille. Sowohl in Afghanistan als auch in Mali.
Aber die Entscheidungen werden bei der UN oder NATO von Politikern getroffen. Und die Bw bekommt ihre Mandate vom Bundestag. Das ist der Personenkreis, der die entsprechenden Lehren ziehen muss.
@Pio-Fritz:
Ganz so technokratisch ist die wirkliche Politik nicht. ISAF wurde auf Initiative Deutschlands (BM Fischer) bei der Petersberger Konferenz „geboren“.
Deutschland hat dann auch später die landesweite Ausweitung von ISAF im Bündnis vorangetrieben. Wir gingen ganz konkret nach Kunduz, da wir nicht mit den Irak wollten.
Bei der Durchführung der „Präsenz in der Fläche“ wich Deutschland dann maßgeblich vom Ansatz von ISAF ab (COIN, offensive ROE). Der Auftrag des Bundestages wird übrigens von der Bundesregierung formuliert, der Bundestag kann nur zustimmen.
Was sicher stimmt, ist das fehlende schlüssige Konzept, das kommt aber auch nicht aus dem NATO HQ oder dem HQ ISAF/ RS, sondern von den Mitgliedsstaaten.
Also alles zeigen auf andere ist ein großer Bumerang.
Die militärische Führung hat all diese Problem fast nur schön geredet und war bezüglich der ANDSF stets überoptimistisch.
Nun gut. Nennen Sie es Abzug, Niederlage oder politisches Versagen. Fakt ist dass die Talib etwa 2 WE vor Kabul stehen. Mit allen Konsequenzen. Wie gedenkt die Welt und die UN die inc Flüchtlinge ca 5 Mio Ew Stadt zu Schützen? Stellen sich jetzt alle mit den Händen in den Hosentaschen hin und fragen sich in 2 We „wie konnte dass nur kommen“ dass die Talib mit den schwarzen Fahnen auf erbeuteten (oder geschenkten) Hmmve durch Kabul rollen?
@KPK: Herat ist auch gefallen, mit Kandahar zusammengenommen kann die Kampagne der TB von Südwesten aus an Fahrt aufnehmen.
TB Aktivitäten an und um Kabul intensiver als um MeS.
Berichte von Exekutionen von Zivilisten / Stammesführern häufen sich… es wird hässlich. Ich sehe den Unterschied zwischen DAESH und TB nicht außer dass die einen weis auf schwarz und die anderen schwarz auf weis beflaggen.
Die IBuK im NDR sinngemäß, wenn wir eingreifen, dann bedeutet das Krieg. Sie sieht keine politische Unterstützung hierfür.
Gerade kam bei Welt.de die Eilmeldung rein, dass das Pentagon 3000 US-Soldaten nach Afghanistan schicken will.
Mal sehen, ob es dabei bleibt.
[Etwas genauer:
T.W.]
Stunde der Spezialkräfte und der Infanterie.
@BBCBreaking
Around 600 troops to be deployed to Afghanistan to assist British nationals to leave, UK announces.
@W7VOA
Three infantry battalions to move to Kabul airport in the next 24 to 48 hours, announces
@PentagonPresSec. And: US military will also locate and help secure facilities for the movement and relocation of SIV applicants.
@W7VOA
Clarifying:
~3,500 additional US troops to the region to be on standby plus ~1,000 personnel to help process Afghans going through the special immigration process.
Auftrag ist Schutz der Botschaft und Sicherung des Abflugs der U.S. Ortskräfte..
Da die USA über eigene Transportflieger zur Evakuierung verfügen, entgehen sie den DEU Problemen zur Evakuierung. Laut AKK am Morgen im DLF verlangt Kabul inzwischen Reisepässe, ein limitierender Faktor bei offizieller Ausreise über Kabul International.
TaDa sagt:
12.08.2021 um 16:44 Uhr
„Jede einzelne Aufgabe hätten wir auch selbst bzw. anderweitig abbilden können. Darum ging es nie. Die Ortskräfte waren niemal „kritisch“ für die Mission.“
Sie denken da nicht langfristig und über den Tellerrand. Sie schreiben paar Sätze vorher selbst:
„Das Ortskräftetum wurde betrieben, um mit der örtlichen Bevölkerung zu connecten. Um Ihnen in gewisser Weise zu Mittelstand zu verhelfen. … Die sollten Kaufkraft in die Stadt bringen.“
Sie waren damit eben doch kritisch. Wenn man nämlich 0 (null) Ortskräfte beschäftigt, wirkt man nach ein paar Jahren als Besatzer und nicht als Helfer.
Ortskräfte sind genau wegen ihrer Punkte ganz entscheidend für die Sicherheitslage gewesen. Nicht die einzelne Ortskraft an sich, sondern das Vorhandensein von einer großen Zahl an Ortskräften.
Gleichzeitig geht es nicht nur um Afghanistan. Das meine ich mit Tellerrand.
Wenn jetzt nur 1 % der Ortskräfte oder sogar nur 0,1 % im Nachgang, nach der kompletten Eroberung Afghanistans, durch die Taliban gefoltert oder umgebracht weren (als Exempel), dann hat das auch Auswirkungen auf künftige und momentane Auslandseinsätze.
Jede potentielle Ortskraft irgendwo in der Welt in der Zukunft weiß:
Deutschland interessiert sich nicht für uns, wenn der Einsatz (aus welchen Gründen auch immer) zu Ende ist. Wieso sollte ich also eine Zusammenarbeit riskieren, wenn eine „Niederlage“ oder ein baldiger Abzug Deutschlands nahe ist?
Ich erinnere da nur an die Kurden und die USA. Die werden sich 3 mal überlegen mit den USA zusammenzuarbeiten in der Zukunft.
Leider geht m.E. die ganze Diskussion komplett am Thema vorbei. Es geht hier nur vordergründig um ein militärisches Problem, islamischen Fundamentalismus oder um “nation building”. Vielmehr handelt es sich bei der Konfrontation mit den Taliban ganz simpel um die Bekämpfung von organisierter Kriminalität im ganz großen Stil, die unter einem religiösen Deckmantel daherkommt. Wer die Taliban schlagen möchte, muss ihnen die Finanzmittel wegnehmen und ihr Geschäftsmodell angreifen: Drogenhandel, Schmuggel, Kidnapping, Schutzgelderpressung… Doch damit hat man sich auf Seiten ISAF in 20 Jahren Afghanistaneinsatz leider noch nicht mal ansatzweise ernsthaft beschäftigt-zu kompliziert, zu viele Nutznießer in Pakistan und in der afghanischen Regierung.
Follow the money: Dieser sechs Jahre Artikel ist in diesem Zusammenhang (leider) immer noch lesenswert // http://www.huffpost.com/entry/how-the-taliban-gets-its_b_8551536 //
@Delta November sagt: 12.08.2021 um 23:44 Uhr
Ein weiteres Problem auf der Liste. Aber diese Messe war schon zu Beginn von ISAF ziemlich schnell gesungen. Um den Drogenhandel auszutrocknen hätte man nicht nur den Taliban sondern auch den „freundlich gesonnenen“ Warlords richtig weh tun müssen. Und gegen die Einhegung von Pakistan haben sich ganz eindeutig die USA gewandt. Schließlich ist das der einzige ihnen halbwegs freundlich gesonnene Staat in der ganzen Region.
Mit solchen Restriktionen machen Sie da weniger als nix – nämlich gar nix.
Ich könnte jetzt Sachen wie: „Parlamentsarmee = Parlamentsentscheidung, gewunden wie ein Aal, rückratlos wie ein ein Wurm, getretener Hund, gelaufen wie die Hasen“, in einer detaillierten Erklärung unterbringen.
Aber simpele Wahrheit ist:
Hat das jetzt wirklich jemanden Überrascht.
https://www. youtube.com/watch?v=7FDedzGsF8s
Vormarsch der Taliban: Was Afghanistan droht | ZDFheute live
heavy wie wir uns auf der anderen Seite verhalten
@ Sindbad, Orontes, TaDa und Co.
Verpflichtungen übernimmt man natürlich immer nur für sich selbst und nicht für andere. Alle anderen sind egal. Is klar.
Gestern auf SPON zwei Kommentare zum Thema. Einer davon mit dem Titel „Beschützt Kabul!“
Bester Satz darin: „Die Vorstellung wäre naiv, dass die Taliban Afghanistan erobern und dann Ruhe einkehrt.“
Vielleicht regt Sie das heimliche Lesen zum stillen Nachdenken nach der Stammtischdebatte an. Muss ja niemand erfahren.
@sputo.di.rospo und Co:
Ihr Lösungsvorschlag hier im Stammtisch? Mehr Gratismut?
Aber sehen wir es doch mal positiv. Mit den vielen Beutewaffen und den übergelaufenen ANA Soldaten, haben wenigstens die Talib Vollausstattung. Sarc off.
Bei der WELT ein lesenswerter Bezahlartikel mit 3 längeren Interviews von Einsatzsoldaten und deren Einschätzung.
Kurzes Zitat [hoffentlich im Rahmen erlaubt]:
》Wir haben gewusst, dass es so kommen wird. Ich habe Dorfbewohner mal gefragt: Was ist besser, die Zeit unter den Taliban, oder die Zeit jetzt mit uns? Die Antwort lautete: die Taliban.
Weil die berechenbar seien und es keine Korruption gegeben habe. Weil eine Ruhe ohne Freiheiten und mit Scharia erträglicher sei als dauernder Krieg mit Angst um das Leben von Frau und Kindern.《
Bingo CRM !! Ein strenges Regime mit klaren Regeln Scharia ist besser als dauerhafte Korruption. Auch wenn die Frauen da den Kürzeren ziehen. Bei den Kurden sind alle gleichberechtigt. Auch die Frauen dürfen hinter dem MG liegen und da Kinder kriegen.
@CRM-Moderator: Erschütternd, wenn man bedenkt, dass die arabisch-islamische Welt über weite Strecken Probleme weit unter eine fundamentalistischen Scharia, einer Cairo Declaration oder gar der Arab Declaration of Human Rights hat.
Der IS wurde nicht umsonst als DAESH(Trampler) beschrieben, was auch für die Taliban gelten kann.
Die Menschen wurden derart terrorisiert, dass sie nur noch den nächsten Tag erleben wollen. Die sogenannte „Republik“ Afghanistan hat ihren Teil dazu beigetragen, indem sie den Menschen keine glaubwürdige Alternative bot. Z.B in einem ersten Schritt hin zur Cairo oder Arab Declaration of Human Rights in einem ersten Schritt als frühes Fundament für eine zu entstehende Rechtsstaatlichkeit. Etwas für was man kämpfen möchte.
https://www.youtube.com/watch?v=APiRZ9xjMmg
Gravitas: Taliban executes 22 Afghan Commandos
das ist dann die Seite die keiner zeigen will, und ist dann das Argument warum dann doch Afghanen die in deutschen Diensten waren mit Familien auch nach unserem Gesetz aufgenommen werden müsssen.
was in letztendlicher Folge auch heißt das wir nicht nur diesen Asyl gewähren müssen – aber vielleicht mal ein Anlass auch über deutsches weltweites Engagement nachzudenken.