Lürssen baut neue Flottendienstboote – Marine soll neue Aufklärungsschiffe ab 2027 bekommen (Nachtrag: BAAINBw)

Dass die Bremer Lürssen-Werft die neuen Flottendienstboote der Deutschen Marine bauen soll, war schon seit einiger Zeit ein offenes Geheimnis – jetzt ist es auch offiziell: Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages dafür am (gestrigen) Mittwoch das Geld freigegeben hatte, wurde der Vertrag mit dem Unternehmen unterzeichnet. Die drei neuen Aufklärungsschiffe sollen der Marine ab 2027 zur Verfügung stehen.

Den Vertragsschluss machte Lürssen am (heutigen) Donnerstag bekannt:

Das Bremer Familienunternehmen Lürssen ist mit dem Bau von insgesamt drei neuen Flottendienstbooten für die Deutsche Marine beauftragt worden. Die neuen Boote werden die aktuellen Einheiten der OSTE-Klasse ersetzen und der Deutschen Marine voraussichtlich ab 2027 zur Verfügung stehen.
„Wir freuen uns, dass uns das Bundesverteidigungsministerium im Anschluss an die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages die Verantwortung übertragen hat, als Generalunternehmer dieses wichtige Beschaffungsvorhaben zu realisieren“, sagte Tim Wagner, Geschäftsführer der Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG. „Wir werden nun unverzüglich in die Entwurfsphase einsteigen und Gespräche mit potenziellen Partnern aus der Werftenbranche und Systemtechnik aufnehmen. Mit einer werftenübergreifenden Kooperation wollen wir das Know-how und die Kompetenzen an Werftstandorten der Lürssen-Gruppe mit den Kapazitäten weiterer norddeutscher Werften zusammenführen, um die dringend benötigten neuen Flottendienstboote unter Einbindung aller notwendigen Ressourcen auf den Weg zu bringen.“
Auch führende deutsche Unternehmen der Systemtechnik werden an diesem Projekt beteiligt und für die Realisierung der hochkomplexen Elektronikausstattung verantwortlich sein.
Die rund 130 Meter langen neuen Flottendienstboote werden der Deutschen Marine zur elektronischen Aufklärung und Informationsbeschaffung dienen und sollen mit modernster Sensorik ausgerüstet werden. Ihre Auslegung erfüllt die neuesten Anforderungen an zukunftsfähige Marineschiffe.

Die Nachfolger der drei bisherigen Flottendienstboote Oste, Oker und Alster sollen nach der vom Parlament gebilligten Vorlage einschließlich einer Ausbildungs-und Referenzanlage Aufklärung (ARAA) knapp 2,1 Milliarden Euro kosten. Bei der Technik dieser Kriegsschiffe, die mit moderner Elektronik gegnerische Schiffs- und Flugbewegungen aufklären sollen, handelt es sich gleich mehrfach um so genannte nationale Schlüsseltechnologien: Sowohl der Überwasserschiffbau der Marine als auch die informationstechnische Ausstattung und die Verschlüsselungstechnik werden nicht europaweit ausgeschrieben; in diesem Fall wurde die Vergabe gezielt vorgenommen.

Der Haushaltsausschuss hatte die Freigabe der Gelder deshalb auch mit umfangreichen Vorgaben verbunden. Aus dem so genannten Maßgabebeschluss zur Billigung des Projekts:

1. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sicherzustellen, dass beim Gesamtprojekt Flottendienstboote die industrielle Fähigkeit zur Anpassung- und Weiterentwicklung sowie zur Herstellung national durchgehend gewährleistet wird.
2. Das Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vom 12. Februar 2020 wird zum Erhalt von Schlüsseltechnologien in diesem Vorhaben vollständig angewendet. Das BMVg hat über den Generalunternehmer sicherzustellen, dass solange ein Wettbewerb zur Aufklärungstechnik ohne Produktvorgabe wirtschaftlich national möglich ist, dieser durchgeführt wird.
3. Die bestehenden Flottendienstboote (Klasse 423) wurden Ende der 80iger Jahre in Dienst gestellt und eine Ersatzbeschaffung ist geboten. Die Abnahme der Bauspezifikation hat bis spätestens zum 28. Februar 2023 zu erfolgen und darf den im Vertrag vorgegebenen Finanzrahmen nicht übersteigen. Der Haushaltsausschuss behält sich sonst vor, über eine Anpassung der Maßgabe oder Fortführung des Projektes neu zu entscheiden.
4. Der Haushaltsausschuss begrüßt das Ansinnen des Bundesministeriums der Verteidigung die Bauweise der Plattform so weit wie möglich nach zivilen Standards und Spezifikationen auszulegen, solange die Qualität der Aufklärungsergebnisse und/oder die militärischen Kernfähigkeiten dadurch nicht beeinträchtigt wird.
5. Das Projekt bereits in der Entwurfsphase ausreichend mit Personal auszustatten.
6. Am Ende der Entwurfsphase mit der Bauspezifikation eine klare Definition der Forderungen, eine mess- und prüfbare Beschreibung der Leistung sowie der Leistungsnachweise sicherzustellen.
7. Die Ausgaben im Beschaffungsvorhaben weiter im Blick zu behalten und für notwendige Aufwüchse in der Ausstattung rechtzeitig haushalterische Vorsorge zu treffen.

Nachtrag: Die Mitteilung dazu vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw):

Mit dem Ziel des bruchfreien Fähigkeitserhalts zur seegestützten signalerfassenden Aufklärung hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mit der Firma Lürssen Werft GmbH & Co. KG am 23.06.2021 einen Vertrag über den Entwurf und den Bau von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 inklusive einer Ausbildungs- und Referenzanlage geschlossen.
Die besonderen Anforderungen an die Über- und Unterwasseraufklärungskomponenten im weltweiten Einsatz in Verbindung mit spezifisch militärischen Anforderungen wie Eigenschutz, Führungsfähigkeiten und der Notwendigkeit extrem geräuscharmer Fahrantriebe charakterisieren exemplarisch die hohe Komplexität des Projektes. Um eine möglichst wirtschaftliche Beschaffung zu gewährleisten, basieren die neuen Boote auf zivilen Schiffbaustandards.
Im Jahr 2027 soll das Erste der drei Boote in Dienst gestellt werden und damit nahtlos die seit über 30 Jahren in Nutzung befindlichen Flottendienstboote Oker, Alster und Oste der Klasse 423 ablösen.

(Grafik: Designskizze der neuen Flottendienstboote Klasse 424 – BAAINBw)