Bundeswehrtagung 2021: Kleine blaue Männchen und Bundeswehr-Einsatzbereitschaft (Zusammenfassung)

Die jährliche Bundeswehrtagung fand in diesem Jahr – pandemiebedingt – nicht nur weitgehend online statt, sondern auch komplett öffentlich per Livestream (dafür gab’s dann eben nicht die interne Fragerunde). Und im Mittelpunkt standen vor allem die Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft. Ein paar Merkposten aus dieser Veranstaltung am (heutigen) Freitag:

• Die Eröffnungsrede von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer setzte, wie zu erwarten, den Rahmen für die Bedrohungslage, die für die Streitkräfte ausschlaggebend ist. Dabei schlug sie den ganz großen globalen Bogen – von der Aufrüstung Russlands mit 20 neuen Großverbänden an der Westgrenze, vor allem aber der erwarteten zunehmenden militärischen Integration von Belarus und Russland, mit der die russischen Streitkräfte näher an die Grenzen einiger NATO-Länder rückt, bis zu China und dessen maritimen Milizen im Südchinesischen Meer, die sie als kleine blaue Männchen mit den kleinen grünen Männchen verglich, den russischen Soldaten, die ohne Hoheitskennzeichen in der Ukraine im Einsatz waren.

Ein Schwerpunkt ihrer Rede war, auch das absehbar, die schwierige Haushaltslage der Bundeswehr. Die Streitkräfte dürften in den nächsten Jahren nicht wieder zum Steinbruch werden, aus dem die Lücken im Bundeshaushalt geschlossen würden. Eine Konsequenz: von der Bundesregierung und der deutschen Politik gewünschte multinationale Projekte könne der Verteidigungshaushalt nicht alleine stemmen, sie müssten auch von anderen Ressorts mitgetragen werden.

Dass die Umstrukturierungspläne für die Bundeswehr der Zukunft wenige Monate vor der Wahl kamen, ist für die Ministerin kein stichhaltiges Argument: Der Umbaubedarf der Bundeswehr kennt keine Wahlperiode, er kennt nur Handlungsnotwendigkeiten.

Für den – nach dem Abzug aus Afghanistan – künftig größten Auslandseinsatz der Bundeswehr, das Engagement in Mali, hatte Kramp-Karrenbauer eine Botschaft, die nach der Ankündigung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron am (gestrigen) Donnerstag aufhorchen lässt: Wir können nur bleiben, wenn absehbar wieder reguläre demokratische Verhältnisse herrschen. Als Feigenblatt werde sich die Bundeswehr von der Regierung des westafrikanischen Landes nicht missbrauchen lassen.

Die komplette Rede zum Nachhören:

AKK_Bw-Tagung_11jun2021     

 

• Generalinspekteur Eberhard Zorn stellte seine Rede komplett auf die geplanten Umstrukturierungen ab. Das Team GI begleitete das dankenswerterweise mit den wesentlichen Aussagen via Twitter, hier dokumentiert:

Insgesamt geht es in der NATO vor allem darum, wie die Einsatzbereitschaft in der Breite unserer Truppen – die Readiness von geschlossenen Verbänden – weiter gesteigert werden kann.
Wenn wir dauerhaft Kräfte mit kurzer Vorwarnzeit verlegefähig & einsatzbereit halten, trägt dies zur Abschreckung im NATO-Rahmen bei. Dies gibt der Politik Handlungsoptionen, wenn an anderer Stelle Krisen aufkommen & es gibt uns dann auch Relevanz im Bündnis.
Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 steht die LV/BV für uns wieder an erster Stelle. Für die Bundeswehr ist sie parallel zu unseren Einsätzen die anspruchsvollste Aufgabe. Wir unternehmen alles, um sie dafür wieder umfassend zu ertüchtigen.
Mit unseren internen Analysen haben wir die für die Landes/Bündnisverteidigung erforderliche Führungsstruktur untersucht. Insbesondere haben wir die Szenare betrachtet, die unterhalb des Artikels 5 angesiedelt sind.
Mit den Eckpunkten haben wir die Struktur der Bundeswehr weitergedacht & die nötigen Entscheidungen getroffen. Wir richten uns künftig an den vier Dimensionen Land, Luft/Weltraum, See & Cyber- und Informationsraum aus.
Zudem werden wir zwei operative Führungskommandos haben, eines für die Auslandseinsätze & eines für die territorialen Aufgaben. Mit dieser „Zwei-plus-vier-Struktur“ schaffen wir klare Verantwortlichkeiten & reduzieren die Komplexität.
Damit wir wieder zu einer besseren Balance kommen, müssen wir Stabselemente reduzieren und die Truppe stärken. Wir werden Dienstposten in den heute bestehenden höheren Stäben einsparen.
Die hohe Qualität der Gesundheitsversorgung ist für uns die Messlatte. Diese gilt es zu erhalten.
Damit wir wieder zu einer besseren Balance kommen, müssen wir Stabselemente reduzieren und die Truppe stärken. Wir werden Dienstposten in den heute bestehenden höheren Stäben einsparen.
Mit Blick auf unsere Fähigkeiten will ich an dieser Stelle noch einmal ein Plädoyer für den im Eckpunktepapier erwähnten breiten Fähigkeitsmix abgeben. Wir sind Anlehnungsnation für unsere europäischen Partner.
Anlehnbarkeit bedeutet immer die Zusammenarbeit mit Partnern. Multinationalität ist für uns eine wesentliche politische Bestimmungsgröße, die sich im Denken, Handeln und auch in den Strukturen der Bundeswehr materialisiert.
Alle Maßnahmen des Eckpunktepapiers haben zum Ziel, dass die Truppe ihren Auftrag bestmöglich wahrnehmen kann.
Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem Veranlassten einen weiteren Schritt machen, um nicht nur „geplant einsatzbereit“ zu sein, sondern mit guter Kaltstartfähigkeit aus der Grundgliederung heraus geschlossene Truppenkörper anbieten können.
Das Tempo der Umsetzung ist hoch. Das muss es aber auch sein, damit die Veränderungen schnell und spürbar in der Truppe ankommen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem Veranlassten einen weiteren Schritt machen, um nicht nur „geplant einsatzbereit“ zu sein, sondern mit guter Kaltstartfähigkeit aus der Grundgliederung heraus geschlossene Truppenkörper anbieten können
Alle Maßnahmen des Eckpunktepapiers haben zum Ziel, dass die Truppe ihren Auftrag bestmöglich wahrnehmen kann.

Die Rede zum Nachhören:

GI_Zorn_Bw-Tagung_11jun2021     

 

• Aus der Podiumsdiskussion bei dieser Bundeswehrtagung ein Beitrag aus der Truppensicht – Oberstleutnant Anja Buresch-Hamann, Kommandeurin des Logistikbataillons 172, schildert ihre Erwartungen an die Umstrukturierungen. Und dazu gehört auch (wenn auch nicht nur) eine Beschreibung der Wirklichkeit. Zum Beispiel, dass Planung und Bau einer Mehrzweck-Lagerhalle für ein Logistikbataillon seit zehn Jahren andauern…

Bundeswehr-Tagung_Buresch_11jun2021     

 

• Wer die komplette Podiumsdiskussion nachhören will (den Anfang macht Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik; die weiteren Redner werden in der Moderation angekündigt):

Bundeswehr-Tagung_Panel_11jun2021     

 

(Foto: Panel auf der Bundeswehrtagung 2021, v.l.: Claudia Major, SWP; Generalinspekteur Eberhard Zorn; Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Generalleutnant a.D. und ehemaliger Beigeordneter NATO-Generalsekretär Heinrich Brauß; Oberstleutnant Anja Buresch-Hamann, Kommandeurin Logistikbataillon 172; Moderator Klaus Schweinsberg; per Video zugeschaltet Gaby Dreo vom Forschungsinstitut Cyber Defence an der Bundeswehruniversität München und der niederländische Admiral Rob Bauer, künftiger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses – Sebastian Wilke/Bundeswehr)