Statt Truppenabzug: US-Verteidigungsminister kündigt zusätzliche Soldaten für Deutschland an
Die USA wollen nicht nur auf einen vom früheren US-Präsidenten Donald Trump geplanten Abzug von US-Truppen aus Deutschland verzichten, sondern ihre Präsenz noch erhöhen. Das kündigte Verteidigungsminister Lloyd Austin nach einem Gespräch mit seiner deutschen Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer an.
Austin sagte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kramp-Karrenbauer am (heutigen) Dienstag in Berlin, rund 500 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten sollten in der Region Wiesbaden dauerhaft stationiert werden. Dabei gehe es vor allem um mehr Fähigkeiten im Bereich Weltraum, Cyber und elektronische Kriegführung. Die Aufstockung sei vor allem ein Signal an die NATO, dass die USA zur Verteidigung Europas stünden.
Das Audio der Pressekonferenz zum Nachhören:
Etliche Details der US-Planungen sind noch offen – so äußerte sich Austin in Berlin nicht zu den Planungen für die Zukunft der US-Kommandos für Europa und Afrika (EUCOM und AFRICOM), die derzeit in Stuttgart stationiert sind und gegebenenfalls an andere Standorte verlegt werden sollten.
Nach der Wahl des neuen US-Präsidenten Joe Biden hatten die USA bereits angekündigt, dass die früheren Pläne Trumps grundsätzlich überarbeitet würden: Der hatte eine Reduzierung von rund 36.000 auf etwa 24.00 Soldatinnen und Soldaten angestrebt, erklärtermaßen um Deutschland für zu geringe Verteidigungsausgaben zu bestrafen. Dennoch kommt die Ankündigung Austins ein wenig überraschend: Dass zusätzliche Truppen dauerhaft nach Deutschland verlegt werden sollen, hatte sich bislang nicht abgezeichnet.
Der Standort Wiesbaden bedeutet, dass die zusätzlichen Truppen als Verstärkung für das Kommando der US-Army für Europa und Afrika vorgesehen sind, das in der hessischen Landeshauptstadt seinen Sitz hat. Die Zahl von 500 scheint zwar angesichts der Gesamtstärke der US-Truppen in Deutschland und Europa nicht signifikant; offensichtlich geht es aber gezielt darum, so genannte Enabler für Kampftruppen mitten in Europa präsent zu haben.
(Wird ergänzt nach Transkript Austin und ggf. weiteren Einzelheiten)
Ich sehe in der US-Ankündigung keine substantielle Erhöhung der Truppenstärke, sondern offensichtlich ein politisches Signal. Die US-Forderung nach Erhöhung der DEU Verteidigungsausgaben besteht ja weiter. Mit dem gesetzten Signal kann man DEU zeigen: Bringt mal jetzt auch Butter bei die Fische.
„als Verstärkung für das Kommando der US-Army für Europa und Afrika vorgesehen sind,“
EUCOM und AFRICOM sind doch noch in Stuttgart, wie Sie auch richtig eingangs schreiben? Eine Verlegung war zwar geplant gestaltet sich aber doch als schwierig. Oder habe ich etwas verpaßt?
Gemeint ist hier USAREUR, U.S. Army Europe and Africa.
Allerdings sollen in Wiesbaden mittelfristig auch mehr Hubschrauber stationiert werden, so die FR. Die Weltraum-Komponente könnte in Ramstein aufwachsen:
https://www.dw.com/de/nato-baut-weltraumzentrum-in-ramstein-auf/a-55349882
[Da steht doch „das Kommando der US-Army für Europa und Afrika“, wie Sie richtig zitieren. Also U.S. Army Europe and Africa. In Wiesbaden. Was wollen Sie eigentlich zum Ausdruck bringen?
/edit: Das NATO-Weltraumzentrum hat damit nix zu tun.
Die Hubschrauber sind Teil einer Multi Domain Task Force. Schreibe ich nachher in eine Zusammen/neufassung. T.W.]
Sofern für die Neufassung noch nicht bekannt hier einige Fakten:
https://www.europeafrica.army.mil/ArticleViewPressRelease/Article/2570341/
Mehr zu den Hintergründen, insbesondere zur MDTF:
https://api.army.mil/e2/c/downloads/2021/03/23/eeac3d01/20210319-csa-paper-1-signed-print-version.pdf
Interessant wird dabei immer mehr – politisch und militärisch:
Wie passt dies zu Planungen in Deutschland als wesentliches Land in Mitteleuropa?
Ich persönlich bin sehr dankbar für die Symbolik im Hintergrund. Gut für Deutschland, gut für die transatlantische Partnerschaft. Endlich wieder USA mit Weitblick-was habe ich das unter Trump vermisst.
Welcome to Germany, guys!
Eine schöne Nachricht, in der Tat.
Allerdings sehe ich jetzt schon wieder die Gefahr, dass Stimmen aufkommen, die die neue US-Administration der Retter der transatlantischen Partnerschaft darstellen – jetzt, unter einem Präsident Biden wird ja alles gut.
Die „underlying danger“ ist nach wie vor, dass Deutschland seinen Verpflichtungen (2%) nicht nachkommt und das auch nicht will. Entweder werden irgendwelche Zahlenspiele aufs Tableau gebracht, oder Schönrechnerei betrieben. Fakt ist: die Amerikaner sind – Gott sei Dank – Garant der Brücke nach Amerika.
Der Deutsche Beitrag ist und bleibt, … na ja, sie wissen schon.
„Politik der USA mit Weitblick“ wurde durch einen Con-Foristen gesagt. Klar, jetzt wo die Amis wieder zahlen, sorgen sie wieder für unsere Sicherheit und Deutschland kann in Untätigkeit verharren. Trumps Spiegel-vorhalten tat manchmal weh. Dadurch verlieren Wahrheiten aber nichts von ihrem Wert.
Hier noch etwas mehr Kontext zu den Entscheidungen:
https://breakingdefense.com/2021/04/breaking-new-army-long-range-units-coming-to-germany/
Eine rein quantitative Betrachtung ist fehlgeleitet.
Die USA zeigen damit, dass die USA oberhalb der Korpsebene wesentliche Fähigkeiten einbringen wollen.
Derzeit sind dies aber nationale Konzepte, die noch nicht mit der NATO komplett synchronisiert sind und zudem darauf aufbauen, dass die NATO-Staaten ihre Beiträge (gem. NDPP, nicht 2%) insbesondere auf Divisionsebene einbringen.
Die strategische und operative Debatte dazu ist ziemlich unterentwickelt, wobei Frankreich und Großbritannien noch deutlich vor Deutschland liegen:
https://augengeradeaus.net/2021/04/sicherheitshalber-der-podcast-folge-42-der-grosse-europaeische-strategievergleich-frankreich-grossbritannien-deutschland/
Hoffentlicht wird das keine deutsche „Tarntschuldigung“ um weiterhin alle europäische Verteidigungs-und-industrielle Projekte ins Feuer zu werfen… um alles nachher an den Amis zu kaufen !
Der deutschen Vtg-Beitrag wird immer noch erwartet, und nette Worte von Heiko Maas in Richtung Japan sowie nette Worte von AKK in Richtung NATO reichen nicht.
Oder sollen wir etwas von dem Superwahljahr, ab Oktober verlangen ?
@Auslandsdiener:
Es ist eigentlich nicht gut, immerzu wieder die gleichen Diskussionen führen zu müssen, aber offenbar ist es zur Vermeidung der Bildung von Legenden leider immer wieder nötig. Das hatte schon Trump ganz eklatant missverstanden – oder einfach nur immer wieder falsch kolportiert.
Deutschland hat sich nicht verpflichtet, der NATO irgendwas zu „zahlen“, sondern es wurde unter den NATO-Mitgliedsstaaten langfristig vereinbart, dass diese „darauf hinarbeiten“, 2% ihres BIP als Verteidigungsausgaben aufzuwenden. Wie diese Zahl zustandekommt, wird unter den NATO-Mitgliedsstaaten höchst unterschiedlich gehandhabt. Dinge, die in Deutschland anderen Haushaltsplänen unterfallen, werden von anderen Staaten munter in diese Zahlenwerke für die NATO mit reingerechnet. Es ist also mitnichten nur Deutschland, welches sich in Rechenspielchen übt.
Ich persönlich halte das mittel- bis langfristige Ziel, die Verteidigungsausgaben auf ein gewisses Maß zu erhöhen durchaus für wünschenswert, angesichts des aktuell desolaten Materialzustands sogar für notwendig für die Wiederherstellung essenzieller Fähigkeiten in der Landes- und Bündnisverteidigung, aber es ist schlicht falsch, dass Deutschland sich von anderen Staaten konkret vorschreiben lassen müsste, ab morgen gefälligst 2% des BIP an Verteidigungsaufwendungen klopfen zu müssen. Das ist in so nicht beschlossen worden und steht auch in dem gemeinsam vereinbarten Dokument nicht drin.
Abgesehen davon ist die Festlegung auf 2% BIP als gewählte Messgröße denkbar weltfremd. Deutschland liegt bei den absoluten Verteidigungsausgaben definitiv nicht hinten oder auch nur im Mittelfeld, sondern ist stets weit vorne dabei. Grundlage der Frage, ob ein Verteidigungshaushalt „angemessen“ ist, oder nicht, sollte sich im Übrigen primär daran orientieren, ob sich die eigene Verteidigungsstrategie mit den vorhandenen Mitteln umsetzen lässt oder nicht, nicht nach gegriffenen Zahlen, die zudem noch konjunkturabhängig sind, und somit überhaupt keinen Bezug zu tatsächlichen militärischen Fähigkeiten oder Strukturen besitzen.
Ansonsten würde das bedeuten, dass wir in Zeiten der Rezession plötzlich die 2% erreichen, obwohl uns die Streitkräfte auseinanderbröseln. Und mit steigendem BIP müssten wir auch dann zwingend mehr Geld für Verteidigung ausgeben, wenn das eigentlich gar nicht nötig wäre. Also Soldaten reihenweise alle zwei Wochen zum Juckuhu-Schießen in die Heide fahren, bloß weil „noch Mittel da sind“. Na prost… Geld verjuxen, um den Gesslerhut der 2% zu grüßen? Kann man schon so machen, nur dann isses halt K….
@Metallkopf:
Die gesamte 2%-Debatte ist sehr oberflächlich – auch die Gegenargumente.
Entscheidend sind die Fähigkeitszusagen an die NATO im NDPP:
https://augengeradeaus.net/2020/10/sicherheitshalber-der-podcast-folge-34-militaerische-nutzung-von-neurotechnologie-die-nato-2-oder-wieviel-prozent-haetten-sie-denn-gern/#comment-351237
Auch das kann man wohl nicht oft genug sagen.
Genau da versagt Deutschland erheblich.
Aber ist ist halt in allen politische Lagern interessanter sich über die 2% zu streiten.
Seit Jahren das gleiche niedrige Niveau der Debatte.