Dokumentation: Verschärfte Sicherheitsüberprüfung für Soldaten in kritischen Bereichen – mit Blick in soziale Netzwerke

Angesichts der bekannt gewordenen rechtsextremistischen Vorfälle in der Bundeswehr soll die Sicherheitsüberprüfung von Soldatinnen und Soldaten in besonders sicherheitsempfindlichen Bereichen verschärft werden. Dazu gehört auch der Blick auf den Auftritt in sozialen Netzwerken. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, den das Bundeskabinett bereits am 10. Februar beschlossen hat – zur Dokumentation ein Blick auf die wesentlichen Punkte der Neuregelung.

Die geplante Verschärfung hatte das Verteidigungsministerium schon im September vergangenen Jahres nicht zuletzt mit Blick auf das Kommando Spezialkräfte (KSK) angekündigt. Zudem sollen künftig alle Reservisten vor ihrem Dienst einer (einfachen) Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, auch wenn die bislang nicht durch die Art ihres Dienstpostens ohnehin vorgegeben war.

Der Gesetzentwurf wurde bislang noch nicht im Bundestag behandelt; da er aber bereits an den Bundesrat weitergeleitet wurde, liegt er dort zum Nachlesen vor (Bundesratsdrucksache 154/21). Im Einzelnen:

• Die Verwendungen mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen in der Bundeswehr sind zwar im Gesetz noch nicht näher definiert; dafür ist eine spätere Rechtsverordnung des Verteidigungsministeriums in Abstimmung mit dem Innenressort vorgesehen. Die Einleitung des Gesetzestextes macht allerdings schon recht deutlich, dass mit dieser Eingrenzung vor allem Spezialkräfte gemeint sind, aber auch bestimmte IT-Spezialisten:

In solchen Verwendungen werden Soldatinnen und Soldaten in besonderem Maße qualifiziert. Dies ist zur Gewährleistung einer umfassenden Schlagkraft der Streitkräfte und zur Bereithaltung von militärischen Fähigkeiten für besondere Einsatzlagen unabdingbar. Auf Grund ihrer besonders qualifizierenden Ausbildung und ihrer Kenntnisse verfügen diese Soldatinnen und Soldaten (häufig auch ohne dabei auf militärische Waffen oder auf organisatorische Elemente der Streitkräfte zurückgreifen zu müssen) über eine individuelle militärische Wirkfähigkeit, welche diejenige der übrigen Soldatinnen und Soldaten sehr deutlich übersteigt: Etwa herausragende Kampffertigkeiten mit und ohne Waffen, besondere Kenntnisse über Einsatzmöglichkeiten von Sprengmitteln oder Kompetenzen für Cyberoperationen. Die Folgen eines Missbrauchs dieser Kenntnisse und Fertigkeiten könnten sehr weit-reichend sein. Verwendungen, in denen derartige Qualifizierungen und Kenntnisse vermittelt werden, sind daher als ganz besonders sicherheitsempfindlich zu qualifizieren.

• Für diese Bereiche mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen legt ein neuer Paragraph 3a im Soldatengesetz fest:

(1) Ein Soldat, der in einer Verwendung mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen eingesetzt werden soll, ist zuvor einer intensivierten erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen zu unterziehen. Ist ein Soldat bereits in einer solchen Verwendung eingesetzt, so ist unverzüglich eine intensivierte erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen durchzuführen.
(2) Die Verwendungen mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen werden durch Rechtsverordnung festgelegt.

• In diesem neuen Paragraphen wird auch die Überprüfung eines Auftritts in sozialen Netzwerken festgeschrieben, einschließlich der Pflicht, für solche social-media-Präsenzen einen eventuellen Nickname, also das Pseudonym, offenzulegen:

(3) Die Vorschriften des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes für erweiterte Sicher-heitsprüfungen mit Sicherheitsermittlungen gelten mit den Maßgaben, dass  (…)
2. zu der betroffenen Person – abweichend von § 11 Absatz 2 und § 12 Absatz 3a des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes – in jedem Fall Einsicht genommen wird
a) in öffentlich zugängliche Internetseiten und
b) in den Teil ihres Profils in einem sozialen Netzwerk, der für alle Mitglieder des Netzwerks sichtbar ist,
3. die betroffene Person in der Sicherheitserklärung – zusätzlich zu den Angaben nach § 13 Absatz 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes – anzugeben hat,
a) welche sozialen Netzwerke sie derzeit nutzt,
b) unter welchen Namen sie dort derzeit angemeldet ist

Dabei wird auch der Begriff soziales Netzwerk in der Begründung näher definiert:

Soziale Netzwerke sind Plattformen im Internet, die dazu bestimmt sind, Inhalte mit anderen Nutzerinnen oder Nutzern zu teilen oder einer darüber hinaus gehenden Öffentlichkeit zugänglich zu machen, z. B. Facebook, Twitter, Snapchat, Instagram, YouTube, TikTok, XING und LinkedIn. Abzugrenzen davon sind Plattformen, die ausschließlich der Individualkommunikation mit gezielt ausgewählten Nutzerinnen oder Nutzern dienen. Messenger-Dienste, wie etwa Whats-App, sind daher keine sozialen Netzwerke in diesem Sinne. (…) Die Einsichtnahme in öffentlich zugängliche Internetseiten sowie in Teile sozialer Netzwerke der zu überprüfenden Soldatin oder des zu überprüfenden Soldaten, die für alle Mitglieder des Netzwerks sichtbar sind, ist zudem präventiv geeignet, zu einer prognostischen Einschätzung möglicher Entwicklungstendenzen der zu überprüfenden Soldatinnen oder der zu überprüfenden Soldaten zu gelangen.

So weit so scheinbar klar – die Frage ist allerdings, wie geschlossene Nutzergruppen zum Beispiel auf Facebook eingeordnet werden: Öffentliches zugänglich machen oder Individualkommunikation? (Ich bemühe mich um Klärung.)

• Die Fristen für die Wiederholung der Sicherheitsüberprüfung werden verkürzt.

• Jede Reservistin und jeder Reservist, der zu einer Reservistendienstleistung antritt (früher hieß das Wehrübung), soll künftig eine einfache Sicherheitsüberprüfung durchlaufen – das folgt der Logik bei neu eingestellten Soldat*innen, die vor der Ausbildung an Kriegswaffen ebenfalls überprüft werden sollen. Die geplante Neufassung im Reservistengesetz:

(1) Für jede beorderte Reservistin und jeden beorderten Reservisten, die oder der zu einer in § 60 des Soldatengesetzes genannten Dienstleistung bestimmt ist, ist vor Beginn der Dienstleistung eine einfache Sicherheitsüberprüfung durchzuführen.
(2) Für jede Reservistin und jeden Reservisten, mit oder ohne Beorderung, die oder der zu einer in § 60 des Soldatengesetzes genannten Dienstleistung herangezogen wird, ist vor der Heranziehung zur Dienstleistung eine einfache Sicherheitsüber-prüfung durchzuführen.

Der Verweis auf §60 des Soldatengesetzes ist ziemlich weitgehend – damit sind zum Beispiel auch die Einsätze von Reservisten in der Amtshilfe bei der Coronavirus-Pandemie erfasst.

Die Neuregelungen sollen, so ist es im Entwurf angelegt, allerdings nicht sofort in Kraft treten: Geplant ist dafür der 1. Oktober 2022.  Allein schon, um das für die zusätzlichen Überprüfungen nötige zusätzliche Personal zu bekommen.

(Archivbild: Auch die Kampfschwimmer der Marine gehören voraussichtlich zu den Einheiten in besonders sicherheitsempfindlichen Bereichen. Hier bei einer Übung im März 2014 – Andrea Bienert/Bundeswehr)