Dokumentation: Die Drohnen-Kommission der SPD (m. Nachtrag)

Nach der überraschenden Entscheidung der Sozialdemokraten im vergangenen Jahr, der Beschaffung von Bewaffnung für die Drohnen der Bundeswehr vorerst nicht zuzustimmen, soll sich eine Kommission der Partei mit der weiteren Debatte über unbemannte bewaffnete Systeme befassen. Entgegen ersten Meldungen werden diesem Gremium auch ehemalige und aktive Soldaten angehören.

Die Einsetzung dieser Kommission hatte der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, am vergangenen Wochenende bei den Petersberger Gesprächen angekündigt. Öffentlich gemacht hat die SPD die Zusammensetzung bislang nicht. Nach Informationen von Augen geradeaus! wird das Gremium von der früheren Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin geleitet, weitere Mitglieder sind (in alphabetischer Reihenfolge):

• die Bundestagsabgeordnete Gabriela Heinrich, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion

• Florian Kling, Oberbürgermeister von Calw, Hauptmann der Reserve, ehemaliger Vorsitzender des Darmstädter Signals

• die Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe, ehemalige Vorstieznde der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz

• die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion

• der Politikwissenschaftler Max Mutschler vom Bonn International Center for Conversion (BICC)

• die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer, Mitglied der SPD-Grundwertekommission

• der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der Fraktion

• Gesine Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission

• Hauptmann Andreas Steinmetz, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes und Luftwaffenoffizier

• die Bundestagsabgeordnete Gabi Weber, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion

• Andreas Wittkowsky, Projektleiter Frieden und Sicherheit beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF)

• der Völkerrechtler Andreas Zimmermann, Professor an der Universität Potsdam

Der Co-Parteivorsitzende Walter-Borjans hatte im Dezember 2020 kurz vor der erwarteten Entscheidung im Bundestags-Haushaltsausschuss über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr das Verfahren gestoppt. Als Grund hatte er die aus Sicht der Sozialdemokraten nicht ausreichend geführte ethische und gesellschaftliche Debatte über diese Systeme genannt.

Bislang hat die Partei keine Einzelheiten zum genaueren Aufgabenkatalog und zum Zeitplan der Kommission veröffentlicht.

Nachtrag: Am Rande der Petersberger Gespräche hatte Walter-Borjans via Twitter angekündigt, dass seine Aussagen bei dieser Konferenz schriftlich nachgeliefert würden – das ist wohl inzwischen passiert, wenn auch auf der Partei-Webseite bislang (Stand 16. März abends) weder diese Aussagen noch der Beschluss und die Zusammensetzung der Kommission veröffentlicht wurden. Deshalb hier, ebenfalls zur Dokumentation, die Aussagen des Co-Parteivorsitzenden zum Thema Drohnen aus der internen schriftlichen Zusammenfassung seiner Rede:

• Die Bundeswehr muss sich aber auch darauf verlassen können, dass die Politik sicherheits- und verteidigungspolitische Entwicklungen verantwortungsvoll diskutiert und begleitet. Viel schlimmer fände ich es, wenn solche Debatten gar nicht geführt würden, als ob die Welt stillstünde. Das tut sie nicht.

• Daher scheuen wir auch keine Debatten. Wo wäre Deutschland und Europa, wenn Willy Brandt nicht den Mut zu einer neuen Ostpolitik gehabt hätte? Wo wären wir, wenn Helmut Schmidt zusammen mit Giscard d’Estaing die weltwirtschaftlichen Verwerfungen und die Auswüchse des globalen Kapitalismus nicht mit mehr Europa begegnet hätten? Wo wären wir, wenn Gerd Schröder nicht „Nein“ zum Irakkrieg gesagt hätte?

• Damals wie heute kommt die Kritik an solche Debatten immer aus der gleichen Ecke. Wenig überraschend. Mein Appell wäre daher mehr Gelassenheit aller und die Bereitschaft, Bestehendes zu hinterfragen und Debatten gewissenhaft zu führen. Das gilt auch bei der Frage nach der Bewaffnung von Drohnen.

• Bewaffnung von Drohnen

• Die Bewaffnung von Drohnen ist eine neue Entwicklungsstufe von Waffensystemen für die Bundeswehr. Eine Entscheidung bedarf einer sorgfältigen gesellschaftlichen wie auch politischen Debatte. Das haben die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD so auch im Koalitionsvertrag beschlossen.

• Der massive Einsatz von bewaffneten Drohnen als Angriffswaffen im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien und im Libyen-Konflikt wirft zudem neue Fragen auf, die in einer umfassenden Debatte zu berücksichtigen sind. Ich werbe sehr dafür, die Vertreter einer Bewaffnung mit enger parlamentarischer Kontrolle genauso zu respektieren wie die Bedenken, Sorgen und Ängste vieler Menschen im Land. Es geht hier nicht um Expertise und Pragmatismus versus Naivität und Ideologie, sondern um ein ernsthaftes Bemühen aller.

• Die SPD nimmt ihre sicherheits- wie auch friedenspolitische Verantwortung ernst und wird ihren Beitrag zur umfänglichen und sorgfältigen Diskussion leisten. Der SPD-Parteivorstand wird am kommenden Montag (15.03.) eine Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen einsetzen.

• Die Projektgruppe hat den Auftrag, die Frage einer möglichen Bewaffnung von Drohnen unter der sorgfältigen Würdigung außen-, verteidigungs-, rüstungskontroll- und friedenspolitischer sowie völker- und verfassungsrechtlicher sowie ethischer Aspekte zu erörtern. Die Sicht von Soldatinnen und Soldaten wie auch die Bedeutung Künstlicher Intelligenz für neue Waffensysteme sind wichtiger Bestandteil der Diskussion. Dabei freue ich mich besonders, dass Hauptmann Steinmetz die Argumente der Soldatinnen und Soldaten einbringen wird.

• Die Projektgruppe soll bis Spätsommer/Herbst Abschlussbericht vorlegen. SPD wird noch in diesem Jahr entscheiden.