Dokumentation: Die Drohnen-Kommission der SPD (m. Nachtrag)
Nach der überraschenden Entscheidung der Sozialdemokraten im vergangenen Jahr, der Beschaffung von Bewaffnung für die Drohnen der Bundeswehr vorerst nicht zuzustimmen, soll sich eine Kommission der Partei mit der weiteren Debatte über unbemannte bewaffnete Systeme befassen. Entgegen ersten Meldungen werden diesem Gremium auch ehemalige und aktive Soldaten angehören.
Die Einsetzung dieser Kommission hatte der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, am vergangenen Wochenende bei den Petersberger Gesprächen angekündigt. Öffentlich gemacht hat die SPD die Zusammensetzung bislang nicht. Nach Informationen von Augen geradeaus! wird das Gremium von der früheren Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin geleitet, weitere Mitglieder sind (in alphabetischer Reihenfolge):
• die Bundestagsabgeordnete Gabriela Heinrich, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion
• Florian Kling, Oberbürgermeister von Calw, Hauptmann der Reserve, ehemaliger Vorsitzender des Darmstädter Signals
• die Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe, ehemalige Vorstieznde der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz
• die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion
• der Politikwissenschaftler Max Mutschler vom Bonn International Center for Conversion (BICC)
• die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer, Mitglied der SPD-Grundwertekommission
• der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der Fraktion
• Gesine Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission
• Hauptmann Andreas Steinmetz, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes und Luftwaffenoffizier
• die Bundestagsabgeordnete Gabi Weber, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion
• Andreas Wittkowsky, Projektleiter Frieden und Sicherheit beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF)
• der Völkerrechtler Andreas Zimmermann, Professor an der Universität Potsdam
Der Co-Parteivorsitzende Walter-Borjans hatte im Dezember 2020 kurz vor der erwarteten Entscheidung im Bundestags-Haushaltsausschuss über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr das Verfahren gestoppt. Als Grund hatte er die aus Sicht der Sozialdemokraten nicht ausreichend geführte ethische und gesellschaftliche Debatte über diese Systeme genannt.
Bislang hat die Partei keine Einzelheiten zum genaueren Aufgabenkatalog und zum Zeitplan der Kommission veröffentlicht.
Nachtrag: Am Rande der Petersberger Gespräche hatte Walter-Borjans via Twitter angekündigt, dass seine Aussagen bei dieser Konferenz schriftlich nachgeliefert würden – das ist wohl inzwischen passiert, wenn auch auf der Partei-Webseite bislang (Stand 16. März abends) weder diese Aussagen noch der Beschluss und die Zusammensetzung der Kommission veröffentlicht wurden. Deshalb hier, ebenfalls zur Dokumentation, die Aussagen des Co-Parteivorsitzenden zum Thema Drohnen aus der internen schriftlichen Zusammenfassung seiner Rede:
• Die Bundeswehr muss sich aber auch darauf verlassen können, dass die Politik sicherheits- und verteidigungspolitische Entwicklungen verantwortungsvoll diskutiert und begleitet. Viel schlimmer fände ich es, wenn solche Debatten gar nicht geführt würden, als ob die Welt stillstünde. Das tut sie nicht.
• Daher scheuen wir auch keine Debatten. Wo wäre Deutschland und Europa, wenn Willy Brandt nicht den Mut zu einer neuen Ostpolitik gehabt hätte? Wo wären wir, wenn Helmut Schmidt zusammen mit Giscard d’Estaing die weltwirtschaftlichen Verwerfungen und die Auswüchse des globalen Kapitalismus nicht mit mehr Europa begegnet hätten? Wo wären wir, wenn Gerd Schröder nicht „Nein“ zum Irakkrieg gesagt hätte?
• Damals wie heute kommt die Kritik an solche Debatten immer aus der gleichen Ecke. Wenig überraschend. Mein Appell wäre daher mehr Gelassenheit aller und die Bereitschaft, Bestehendes zu hinterfragen und Debatten gewissenhaft zu führen. Das gilt auch bei der Frage nach der Bewaffnung von Drohnen.
• Bewaffnung von Drohnen
• Die Bewaffnung von Drohnen ist eine neue Entwicklungsstufe von Waffensystemen für die Bundeswehr. Eine Entscheidung bedarf einer sorgfältigen gesellschaftlichen wie auch politischen Debatte. Das haben die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD so auch im Koalitionsvertrag beschlossen.
• Der massive Einsatz von bewaffneten Drohnen als Angriffswaffen im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien und im Libyen-Konflikt wirft zudem neue Fragen auf, die in einer umfassenden Debatte zu berücksichtigen sind. Ich werbe sehr dafür, die Vertreter einer Bewaffnung mit enger parlamentarischer Kontrolle genauso zu respektieren wie die Bedenken, Sorgen und Ängste vieler Menschen im Land. Es geht hier nicht um Expertise und Pragmatismus versus Naivität und Ideologie, sondern um ein ernsthaftes Bemühen aller.
• Die SPD nimmt ihre sicherheits- wie auch friedenspolitische Verantwortung ernst und wird ihren Beitrag zur umfänglichen und sorgfältigen Diskussion leisten. Der SPD-Parteivorstand wird am kommenden Montag (15.03.) eine Projektgruppe zur Frage der Bewaffnung von Drohnen einsetzen.
• Die Projektgruppe hat den Auftrag, die Frage einer möglichen Bewaffnung von Drohnen unter der sorgfältigen Würdigung außen-, verteidigungs-, rüstungskontroll- und friedenspolitischer sowie völker- und verfassungsrechtlicher sowie ethischer Aspekte zu erörtern. Die Sicht von Soldatinnen und Soldaten wie auch die Bedeutung Künstlicher Intelligenz für neue Waffensysteme sind wichtiger Bestandteil der Diskussion. Dabei freue ich mich besonders, dass Hauptmann Steinmetz die Argumente der Soldatinnen und Soldaten einbringen wird.
• Die Projektgruppe soll bis Spätsommer/Herbst Abschlussbericht vorlegen. SPD wird noch in diesem Jahr entscheiden.
Abgesehen vom Bedeutungsverlust der Partei und einem offensichtlich abhanden gekommenen Realitätssinn nach den Ergebnissen des letzten Sonntages: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese Kommission letztlich ergebnisoffen arbeiten wird. Führende Köpfe der SPD haben sich in der jüngsten Vergangenheit so sehr als „Friedenspolitiker“ positioniert, dass man sie nun öffentlich diskreditieren würde, käme man insgesamt zu einem Ergebnis „pro Drohne.“ Es würde mich also doch sehr überraschen, sollte die SPD ihren Kurs korrigieren.
Oh Gott! Endlich mal wieder eine Kommission.
Anstatt sich mit bewaffneten Drohnen zu befassen, sollte sich die SPD mit dem Erreichen der 5-Prozent-Hürde bei kommenden Wahlen befassen. Das würde mehr Sinn machen.
Was soll diese Alibi-Kommission?
Ein Ergebnis vor der Wahl (und damit ist gemeint, so rechtzeitig dass im Bundestag vor der Sommerpause noch entsprechende Beschlüsse gefasst werden können) ist auszuschließen. Wenn nach der Wahl Grün-Rot-Rot, Rot-Rot-Grün oder eine Ampel kommmen, hat sich das Drohnen-Thema eh erledigt.
Und wenn die SPD bei der nächsten Regierung nicht beteiligt ist, interessiert das Ergebnis schlicht und ergreifend niemand.
Es ist also auch müßig, sich bereits frühere Stellungnahmen der Beteiligten und damit deren Positionen anzusehen und im Kaffeesatz zu lesen.
Heißt also, die SPD führt die bereits erfolgte öffentliche Debatte noch einmal für sich selbst. Schön.
Die Diskussion dürfte ja wohl erst nach der Wahl zu einem wie auch immer gearteten Ende finden, wenn die SPD (wahrscheinlich) nicht mehr an der Regierung beteiligt ist…
Aber schön, dass sie dann immerhin eine Meinung zu dem hat, was die nächste Richtung beschließt.
Abgesehen von Hptm Andreas Steinmetz, ausgesprochener Befürworter bewaffneter Drohnen für Deutsche Streitkräfte, wo sind andere Hoffnungsträger des Pro, Gegner sehe ich zuhauf.
Die SPD macht sich angreifbar, vonwegen der Partei genehmer Diskriminierung der Teilnehmer? Wo militärische Teilnehmer BMVg etc, siehe Bericht BMVg vom 03.07.20?
Siehe: https://t.co/4ZBqOj9Nvv?amp=1
Einmal Gold auf den Epauletten wird die SPD sicher aufbieten wollen, dient vermeintlicher Nichtangreifbarkeit, oder? Es ist zumindest fair, der Ernsthaftigkeit der (künftigen?) Entscheidung mehr als angemessen, mit (!) Betroffenen als über sie und ihre vom Parlament beschlossenen Aufträge zu sprechen.
Vielleicht kurz vor dem Ausscheiden Sts Dr. Peter Tauber noch einmal?
Die Partei muss zuvorkommen, dass eine Politposse in Augenhöhe mit dem Parteiprogramm produziert wird.
[Wir machen hier nicht Fantasy, warum man einen CDU-Politiker für eine SPD-Parteikommission ins Gespräch bringen sollte, erschließt sich nicht. T.W.]
Ehrlich gesagt finde ich die Idee aus SPD Sicht ganz smart. Es schindet Zeit. Kommt parteiintern den Kritikern entgegen. Es sind auch genügend Befürworter in der Kommission, dass es klappen könnte.
Von daher, sosehr mich die ganze (erneute) Verzögerung ärgert, vielleicht klappt es ja doch noch.
Und wenn es dann die Bewaffnung in der neuen Legislatur vielleicht dann unter schwarz-grüner Beteiligung, aber auch mit SPD Unterstützung laufen kann (und die FDP ist ja sowieso dafür), dann könnte dieser breite, parteiübergreifende Konsens für die zukünftige „Bestandssicherheit“ sehr hilfreich sein.
OK, ich gebe es zu, nur eine schwache Hoffnung, aber ich könnte mir vorstellen, dass das der SPD Versuch ist aus dem Dilemma in das sie Mützenich & Co geführt haben wieder rauszukommen…
Hptm Andreas Steinmetz ist ein erfahrener Offz milFD und stellvertretender Vorsitzender des Dt. Bw-Verbandes und ehemals Stellvertretender Vorsitzender Lw.
Warum man den Oberbürgermeister von Calw (ehemals Vorsitzender des Darmstädter Signals) und Hptm der Reserve zu dieser Kommission einlädt ist mehr als rätselhaft.
Im Grunde müsste die Republik jedem Berufssoldaten und jedem Truppenführer zusätzlich zu seinem Sold noch einen Batzen Schmerzensgeld bezahlen, allein schon dafür, dass er es auf seinem Dienstposten aushält und angesichts der Qualität der politischen Diskussion nicht freiwillig eine geschlossene Abteilung aufsucht, um sich vor dem ganzen Wahnsinn in Sicherheit zu bringen.
Schade, dass der ehemalige verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Fritz Felgentreu an dieser Kommission nicht teilnimmt.
War doch genau dieses Thema Grund seiner Amtsniederlegung im Dezember.
Zumindest wäre durch ihn eine Sichtbarmachung der „Pro“-Argumente erwartbar gewesen.
Weiß der Hausherr zufällig, ob er nicht gefragt wurde oder nicht teilnehmen wollte?
– Wenn du nicht mehr weiter weißt dann bilde einen Arbeitskreis.
Dieses hanebüchene Feigenblatt des Anstandes, um „mal ne Debatte“ geführt zu haben, ändert sowieso nichts am Ausgang.
Und dieses ad-hominem Argument des moralischen Dammbruches kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, da sowohl Zielortung, Bekämpfung und BDA von Soldaten durchgeführt werden die für sowas jahrelang ausgebildet werden.
Aber was soll’s, nach der nächsten Bundestagswahl wird die SPD andere Probleme haben als die Bewaffnung von Drohnen.
@all
Kurzer Hinweis: Zu dem Thema poppen jetzt hier Äußerungen auf, die entweder schlicht irre sind oder nur der Abneigung gegen die SPD Luft verschaffen sollen. Das ist ziemlich sinnlos. Natürlich kann man dazu eine – auch ablehnende – Haltung haben, aber ein bisschen Realitätssinn solle angesichts einer Partei(!)Kommission schon bleiben, es ist ja nicht eine Enquete des Bundestages oder so.
Ich setze setze mich für eine internationale Ächtung und ein völkerrechtlich bindendes Verbot bewaffneter Drohnen und ähnlich gearteter automatisierter, ferngesteuerter Kampfmittel ein.
Zu den Problemen, die unbemannte, automatisierte und ferngesteuerte Waffensysteme mit sich bringen;
Die Entkoppelung von physischer Gewaltanwendung und menschlicher Teilnahme führt zur Entgrenzung und Enthemmung gewaltbasierter Konfliktlösung, die ohnehin nur allerletztes Mittel sein kann und darf. Eine Standardisierung des bewaffneten Drohneneinsatzes leitet indes eine Robotisierung kriegerischer Handlungen ein, die dazu führen, wird, den Einsatz von Gewaltmitteln leichtfertiger in Erwägung zu ziehen. Damit steht langfristig eine weitaus stärkere Bedrohung menschlichen Lebens und friedlicher Ordnung zu befürchten, die einem kurzzeitigen Sicherheitsgewinn für die aktiv an Kampfhandlungen Beteiligten entgegensteht.
[Ich will nicht zu Ihrer Meinung Stellung nehmen – aber auf einen sachlichen Fehler hinweisen: „bewaffnete Drohnen und ähnlich geartete automatisierte, ferngesteuerte Kampfmittel“ ist ein Widerspruch in sich. Entweder automatisiert oder ferngesteuert – oder wie meinen Sie das? T.W.]
Neben der Zusammensetzung ist für mich besonders von Interesse in welchen Formaten die SPD nun mit dieser Projektgruppe eine breite gesellschaftliche Debatte anstoßen will (daran hat es ja bisher lt. SPD gemangelt), was die genaue Zielsetzung sein soll und was der Zeitplan ist.
Ob sich die SPD mit der Herangehensweise wirklich einen Gefallen tut?
@Georg sagt: 16.03.2021 um 16:58 Uhr
„Warum man den Oberbürgermeister von Calw (ehemals Vorsitzender des Darmstädter Signals) und Hptm der Reserve zu dieser Kommission einlädt ist mehr als rätselhaft.“
Naja, ich halte das eigentlich für eine recht gelungene Wahle (aus Sicht der SPD für eine SPD-interne Parteikommission).
Florian Kling ist als Oberbürgermeister einerseits ein Vertreter der Parteibasis, andererseits hat er mit seinen Stellungnahmen u.a. zum KSK und seiner Zeit im Darmstädter Signal auch bereits überregionale Präsenz gehabt. Darüber hinaus ist er für die „Linken“ als ehemaliger Angehöriger des DS verkaufbar und als als ehemaliger SaZ (12 glaube ich?!) auch für die Seeheimer etc.
Heute hat UK ein Policy Paper (Global Britain in a competitive Age) veröffentlicht. Mit Deutschland will man im Klimaschutz zusammenarbeiten, mit Frankreich in der Verteidigung. Die Lancaster House Treaties werden mehrfach hervor gehoben. Zu den darin vereinbarten Rüstungskooperationen gehörte auch ein bewaffnetes UCAV. Ich denke die Briten haben ein klares Bild von den Realitäten in Europa und insbesondere von Deutschland. Und wenn sie in diesem Papier weitere Nationen einladen sich am britischen FCAS zu beteiligen, dann ist wahrscheinlich nicht Deutschland gemeint.
[Das Papier wird auch schon in einem Kommentar in einem anderen Thread erwähnt – ich werde das vermutlich noch gesondert aufgreifen, aber nicht heute, und hoffe, dass das nicht allzusehr verfasert. Hier ist es am Rande des Themas… T.W.]
@ Moussa
Ihre Sichtweise ist grundsätzlich ehrenhaft.
Durch ihre Vermengung von unterschiedlichen Problemfelder wird aber den bewaffneten Drohnen nach deutschen Nutzungsmuster eine Überhöhung oder Überdramatisierung zugefügt. Dies ist ärgerlich und führt zu den Verzögerungen in der SPD.
Für mich wäre es dann aber auch konsequent:
– Verbot von Abstandswaffen (Taurus)
– Verbot von reichweitengesteigerter Artillerie-Munition
– etc.
https://www.janes.com/defence-news/news-detail/israel-south-korea-to-co-operate-on-unmanned-airborne-istar Deutschland liegt nicht nur geografisch viel näher an Israel, aber es besteht eine langfristige Zusammenarbeit. Es ist schade,
@JFST: Ich meine die SPD hatte den Hausherren mal per Twitter angeeckt mit Bezug zu Debattenkultur?
So what?
Falls die nächste Regierung von SPD oder B90/Grüne geführt wird, ist die Zukunft einer bewaffneten Drohnen klar.
Falls die CDU vorsitzt, wird der Koalitionsvertrag diesbezüglich ebenfalls eindeutig sein.
@Magmakammer:
Da wäre ich mir in beiden Richtungen nicht so sicher. Die Union hat sich bisher auch immer nochmal vertrösten lassen und die Grünen werden in dem Thema sehr pragmatisch sein.
Die SPD will sich noch dieses Jahr entscheiden (siehe Nachtrag).
Wenn die Projektgruppe ihre Empfehlung im „Spätsommer/Herbst“ vorlegt, ist die Bundestagswahl ja vielleicht schon vorbei
Die SPD führt nun eine zeitlich nachgelagerte #drohnendebatte2021.
Interessant wird dann weiterhin welche öffentlichen Diskussionen und Anhörungen die Projektgruppe durchführen soll oder ob es ohne Öffentlichkeit stattfinden soll.
@Florian Staudt:
Hmm, mittelfristig dann wieder Karabiner und Bajonett? Oder doch lieber den großen Wurf und gleich zurück zu Faustkeil und angespitzten Stöcken? /sarc
Man muss es ja nicht uneingeschränkt gut finden, dass der Mensch einen solchen Erfindungsreichtum aufbietet, wenn es darum geht, sich wechselseitig möglichst effizient vom Leben in den Tod zu befördern, aber die eigentliche Zielrichtung von „smarter“ Präzisionsmunition ist ja in der Regel nicht die Generierung, sondern eher die Vermeidung unnötigen menschlichen Leidens. Und ja, ein Aspekt davon kann insbesondere sein, die eigenen kostbaren Streitkräfte vor menschlichen Verlusten zu schützen, indem man entbehrliche Maschinen einsetzt. Wie Patton sagte: „The object of war is not to die for your country but to make the other bastard die for his.“. Idealerweise hat da am Ende keiner so wirklich Lust drauf und man einigt sich, ohne die Waffen sprechen zu lassen.
Gegen vollautomatisierte Killerdrohnen habe ich allerdings auch entschieden etwas. Auch gegen solche, die von Menschen „lediglich“ programmiert werden und dann autonom töten. Eine dystopische Vision, wo so etwas möglicherweise enden kann, kann man sich auf YouTube eindrucksvoll ansehen (Sci-Fi-Kurzfilm: „Slaughterbots“, Dauer knapp 8 Minuten – ich hoffe, das ist nach den Hausregeln erlaubt).
Auch „echte“ KI hat m.E. in der Militärtechnik auch nur eingeschränkt etwas zu suchen, Roko’s Basilisk ist für sich gesehen schon furchterregend genug, da muss man ein solches System nicht schon von Beginn an mit Möglichkeiten zur Kriegsführung gegen Menschen ausstatten.
Die Linie, auf der man da balanciert, ist unscharf. Von daher ist die Idee, darüber im politischen Raum zu diskutieren, ja durchaus lobenswert. Bloß wo war die SPD denn da nur die ganzen letzten Jahre? So riecht das aufgrund der zeitlichen Komponente eher nach Schminke für den Stimmenfang im Wahlkampf. Aber ich lasse mich gern überraschen und eines Besseren belehren. Bin gespannt, wie tief die Kommission bereit ist, in das Thema letztlich einzusteigen, oder ob da lediglich altbekanntes nochmal wiedergekäut und zusammengefasst wird.
@Moussa: Danke für ihren Beitrag, den ich aus friedenspolitischer und ethischer Sicht durchaus teile. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich die internationale Staatengemeinschaft einig wäre und diesen Weg nicht weiter beschreiten würde. Meine Wahrnehmung ist aber eine andere: Drohnen werden, bewaffnet und unbewaffnet, bereits breit eingesetzt – vor einigen Monaten z.B. im Kaukasus zu beobachten – und sind durchaus in der Lage, die Kräfteverhältnisse in einem bewaffneten Konflikt massiv zu beeinflussen. Das können Streitkräfte, z.B. die Bundeswehr, nicht ignorieren, sondern müssen sich mit diesen Szenarien auseinandersetzen. Die Argumente gegen eine Bewaffnung von Drohnen kann ich teilweise nachvollziehen, einige haben sie genannt. In ihren Formulierungen „… Enthemmung gewaltbasierter Konfliktlösung“ oder „… leichtfertiger in Erwägung zu ziehen …“ klingt aber ein vorauseilender Vorwurf durch, den ich gegenüber der Bundeswehr für unangebracht halte. Ich habe gegen bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr mit Stand heute keinen Einwand, sondern großes Vertrauen, dass mit ihnen genauso verantwortungsvoll umgegangen wird, wie mit all den anderen tödlichen Waffen, die auch ich nicht mag, aber die auch mich als Zivilisten verteidigen könnten und deren Existenz ich schlichtweg anerkennen muss. Zudem möchte ich sicher sein können, dass die Soldatinnen und Soldaten – meine Mitmenschen -, die von unserem demokratisch gewählten Parlament in Einsätze geschickt werden, unseren Auftrag mit modernem Gerät und optimalem Eigenschutz ausführen können.
Auch mit dieser Kommission verfehlt die Politik mal wieder ihre Hauptaufgabe. Politik darf sich nie Entwicklungen/ Technologien verschließen, sondern muss dafür geeingente Rahmenbedingungen diskutieren und auch schaffen. Seit Jahren verschanzt man sich hinter dem Thema “ Beschaffung von Bewaffnung für die Drohnen der Bundeswehr“ das Thema sollte lauten wie kann ich Bewaffnete Drohnen Verantwortungsbewusst einsetzen. Was hier läuft, ist seit Jahren eine Blockade die dafür sorgt, das wir den Anschluss an die Entwicklung / Technologie verlieren und anderen Überlassen. Somit verlieren wir auch jegliche Gestaltungsmöglichkeiten und Einflussnahme für die Zukunft.
Ich denke Andreas Steinmetz wird den Damen und Herren der SPD eindeutig zu verstehen geben, dass mit ihrer bis jetzt eingenommenen Haltung der Deutsche Bundeswehr Verband seinen ca. 200 000 Mitglieder eine eindeutige Wahlausschlussempfehlung geben wird – wenn sich die Kommision auf ihren absehbaren Standpunkt nicht bewegen wird.
Sicherlich bin ich kein Drohnen-Experte, aber mich stört, teilweise auch durch die Besetzung der Kommission, aber auch hier in der Diskussion, dass KI und Drohnen vermengt wird.
Das sind zwei unterschiedliche und zu trennende Themen; und beides Fähigkeiten die es zu managen gilt. Augen zu und ignorieren funktioniert da nicht.
Die Einwände „Enthemmung gewaltbasierter Konfliktlösung“ oder „… leichtfertiger in Erwägung zu ziehen …“ kann ich nicht nachvollziehen.
Die parlamentarischen Schranken zum bewaffneten Einsatz sind in Deutschland hoch und könnten, wenn man das ParlBG mal endlich verfassungskonform (siehe BVerfG-Rspr.) umbaut, um spezifische Drohneneinsätze ergänzt werden; aber da herrscht hier vielleicht auch Aberglaube bzgl. solcher technischer Fortschritte (Grüße gehen raus an die starke Internetinfrastruktur; #PrivatisierungistmmerbesserNOT).
Weiterhin wird ein Ziel immer Menschenverlust sein, schon weil es die Moral des Gegners stärker senkt und letztlich die Individuen des Gegners ja die zu besiegenen Kombatanten sind; weshalb diese Konzequenz ausgeblendet werden sollte, nur weil man ggf. per Drohne agiert, erschließt sich mir absolut nicht.
Ich habe etwas das Gefühl, dass über das Drohnenthema wieder probiert wird Pazifismus irgendwie zu vergrößern, dass Pazifismus extrem gefährlich ist und Menschenrechtsschutz eher senkt, sollte nicht erst seit Neville Chamberlain bekannt sein.
@Georg: Die (von mir unterstellte) politische Rolle der Kommission ist doch die, ein Feigenblatt für die ganzen Friedensbewegten darzustellen, damit deren Stimmen nicht zu 100% bei Bündnis 90/DIE GRÜNEN oder DIE LINKE landen, oder diese Parteien programmatisch daran hindern könnten, für eine rot-rot-grüne Regierung zur Verfügung zu stehen. Bei einer Regierungsbeteiligung mit der Union nach der nächsten Wahl können Sie dann zugucken, wie schnell der Pragmatismus obsiegt und die Drohnen dann sang- und klanglos bewaffnet werden, wenn es dafür an anderer Stelle was für die linke Seele gibt. Muss die SPD die Opposition, kann man mit Argumenten und Bedenken aus der Kommission prima Stimmung machen. Und im Falle eines Wahlsiegs und Bildung einer SPD-geführten Regierung mit den Grünen und Linken lässt sich so schön die eigene Falken-Fraktion kontern. Deshalb ist es politisch untunlich, jetzt eine Entscheidung treffen zu müssen, die ihr möglicherweise Kritik von möglichen Koalitionspartnern einbringt oder Spaltungen innerhalb der Partei befördert. Sein Eintreten für den NATO-Doppelbeschluss kostete Helmut Schmidt nach Ansicht einiger Historiker parteiintern die Kanzlerschaft, jedenfalls zu einem signifikanten Anteil.
Und bevor jetzt der Vorwurf erhoben würde, das seien ja lediglich bösartige Gedankenspiele; gewisse Erinnerungslücken bei der SPD sind durchaus nicht ohne jede Präzedenz, wenn es auf Wahlkampf zugeht: Es sei diesbezüglich daran erinnert, wie sich beispielsweise SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück 2012/2013 zur Frage von genehmigten Waffenexporten positioniert hat – obwohl die SPD diese zu einem sattsamen Teil in der Vorläuferregierung selbst mit beschlossen und eingefädelt hatte.
Mir ist natürlich bewusst, dass sich ähnliche Vorgänge bestimmt auch zu Genüge in anderen Parteien finden ließen, aber hier befassen wir uns bekanntlich mit der Entscheidung der SPD, diese Kommission einzuberufen. Die Anzeichen deuten für mich eher auf ein Motiv zur taktischen Positionierung hin.
@Pjotr23: Warum sollten „KI und Drohnen“ getrennt betrachtet werden? Automatische Prozesse werden in (Waffen)Systemen bereits genutzt, das ist keine rein manuelle Anwendung. Und wenn ich zu einem späteren Zeitpunkt entsprechend fortgeschrittene und zuverlässige Technik einsetzen möchte – Stichwort Zielauswahl und – bekämpfung – ist der Zwischenschritt dorthin die Bewaffnung eines RPAS.
Eine Trennung und Diskussion von Drohnenbewaffnung ist daher nur in Ignoranz der möglichen Folgewirkung möglich – was ich für wenig verantwortungsvoll hielte. Stattdessen ließe sich doch zugleich eine (wenn auch noch recht grobe) rote Linie in Bezug auf den Autonomiegrad ziehen.
@Kevo und andere:
Die Sorgen bezüglich KI in Hinblick auf LAWS (Lethal Autonomous Weapon Systems) sind mit Blick auf die kommenden Jahrzehnte nicht völlig unbegründet, allerdings bei der konkreten Diskussion über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr in der unmittelbaren Gegenwart und absehbaren Zukunft falsch platziert, denn da geht es ausschließlich um „human piloted“ Drohnen. Und diese sind eben technologisch in keiner Weise mit LAWS gleichzusetzen; das wurde hier und an anderer Stelle auch schon zig Mal ausgeführt, Trotzdem wird von interessierter Seite immer wieder mehr oder minder sachlich versucht, diese beiden Themen miteinander zu vermengen, so wie es im Beitrag von Moussa oder eben auch in Ihrem Beitrag sichtbar wird.
Zu den tatsächlich realistisch absehbaren Möglichkeiten für die militärische Nutzung von KI (abseits von durch einschlägige Sci-Fi Movies oder das weiter oben erwähnte Slaughterbot Video geprägten Horrorszenarien) empfehle ich den Artikel/Kommentar „The Artificial Intelligence Battlespace“ auf der Website des britischen Royal United Services Institute (RUSI) zu lesen. Darin wird nämlich sachlich nachvollziehbar aufgezeigt, warum das Eintreten der ganzen antizipierten Horrorszenarien eben nicht so wahrscheinlich ist (zumindest, solange zwischen den Konfliktparteien ein ungefähres Gleichgewicht im Bereich der KI-Fähigkeiten besteht).
Ich habe den Eindruck, hier werden Politikerinnen und Politiker bezueglich der Annahme von allgemeiner „taktischer Finesse und Durchtriebenheit“ unrichtiger Weise ueber einen Kamm geschert. Auch zu behaupten, das Thema kritisch zu beleuchten, sei Ausdruck einer grundsaetzlichen Ablehnung der Streitkraefte, ist auch schon sehr kryptoparteiisch.
Wenn man sich mal in den BT-Fraktionen so umguckten wuerde an einem beliebigen Dienstag in einer beliebigen Sitzungswoche, wuerde man wahrscheinlich feststellen, dass die meisten MdB eher stinknormale Mittelschichts-Muttis und Papis aus der deutschen Provinz sind, als dass sie verhinderte Grosstrategen wie wir auf diesem Blog Kommentierenden waeren.
Das heisst, um das mal wieder anzubringen, dass die schwachen Ueberzeugungseffekte der mit durchsichtigen Scheinargumenten gefuehrten BMVg-Drohnendebatte angesichts des letzten Armenien-Konflikts verdampft sind. „Schutz von Soldatinnen & Soldaten!“ und „Will ich auch haben!“ sind zwar wirkungsmaechtige Motive, aber nicht immer gute, von politischer und strategischer Weitsicht informierte Argumente.
Unterm Strich koennte man sagen, dass die SPD hier mal wieder stellvertretend fuer die gesamte Gesellschaft eine Debatte fuehrt, die normalerweise zwischen Regierung und „the Republic’s most loyal opposition“ im Sinne des Konzepts von einer repraesentativen Demokratie gefuehrt werden muesste. Ich finde den Einwurf von @Memoria treffend, dass die CDU sich das gerne gefallen laesst, wenn die SPD mal wieder mit sich ringt, denn zu Recht kommt bei diesem hoechst gestrigen Thema auch in der Unionsfraktion nicht so richtig Stimmung auf.
Also: Mal schauen, was die Projektgruppe im Laufe des Jahres wann & wie praesentiert. Dann haben wir hier gewiss wieder Chance, uns auszutauschen.
https://www.youtube.com/watch?v=9PBXtVcfr34
Ihr habt größere Probleme. (smiley)
@J10:
Drohnen selbst zu unterhalten und einzusetzen bedeutet ja nicht nur, die eigenen Soldaten vor Risiko bei eigenem Einsatz zu schützen, sondern wirft auch Erkenntnisgewinn für die Drohnenabwehr ab. Denn andere setzen bekanntlich schon welche ein und werden das auch in Zukunft weiterhin tun. Also muss man sich auch Gedanken machen, wie man solche Systeme wirksam abwehrt. Wie man das effektiv tun will, ohne selbst welche zu haben, Einsatzdoktrinen dafür zu entwickeln und zu überprüfen, naja, ist einigermaßen klar, oder?
Danke übrigens für „verhinderte Grosstrategen“. :-) Musste doch drüber schmunzeln, auch als stinknormaler Mittelschichts-Papi. Denn das eine schließt ja das andere nicht aus…