Der EuroHawk kommt ins Museum
Der EuroHawk war einst die Hoffnung der Bundeswehr auf eine eigene, luftgestützte Signalaufklärung. Dann lief das Projekt aus dem Ruder, und die Wirren um seine Beschaffung brachten auch den damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Bedrängnis. Nun soll die Riesendrohne im Luftwaffenmuseum in Berlin-Gatow ihren letzten Platz finden.
Der unbemannte Flieger, basierend auf dem Muster GlobalHawk des US-Herstellers Northrop Grumman, hätte als Nachfolger der ausgemusterten Breguet Atlantic-Flugzeuge die signalerfassende Aufklärung (SIGINT) für die deutschen Streitkräfte sichern sollen. Eine Mischung aus überzogenen Kosten und problematischem Zulassungsverfahren führte dazu, dass das Verteidigungsministerium das Projekt stoppte – und sich der verantwortliche Minister einem Untersuchungsausschuss des Bundestages stellen musste.
Alles Geschichte – und wie seit dem (heutigen) Dienstag klar ist, findet der deutsche EuroHawk, das einzige von der Bundeswehr beschaffte Modell, das würdige Ende im Museum. Das teilte die Rechtsabteilung des Verteidigungsministerium in seiner Antwort auf eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Aktenzeichen BMVg R I 1 Az 39-22-17/-1528) mit, die die Webseite Frag den Staat veröffentlichte:
Der Abgabeumfang aus dem Projekt Euro Hawk besteht aus verschiedenen
Anteilen. Diese sind das Euro-Hawk-Luftfahrzeug, die Bodenstationen des
Luftfahrzeugs, das Ersatzteilpaket des Euro Hawks sowie die dem
Luftfahrzeug zugeordneten Bodendienstgeräte, Prüfgeräte und
Sonderwerkzeuge.
Am 9. Oktober 2019 wurde zwischen Deutschland und der NATO Support and
Procurement Agency eine Abgabevereinbarung über die Abgabe des
Ersatzteilpakets und der Bodendienstgeräte, Prüfgeräte und Sonderwerkzeuge
geschlossen. Zwischen den Vertragspartnern wurde Vertraulichkeit über den
Inhalt des Vertrages vereinbart.
Der weitere Abgabeumfang, d.h. das Euro-Hawk-Luftfahrzeug und die
Bodenstationen des Luftfahrzeugs werden durch das Militärhistorische
Museum der Bundeswehr (MHMBw) am Standort Flugplatz Berlin-Gatow museal
verwendet werden. Nach derzeitigem Stand kann dieser Anteil, nach
Verbringung nach Gatow, frühestens ab 2022 der Öffentlichkeit im Rahmen
von Depotbegehungen zugänglich gemacht werden. Im Rahmen der Neukonzeption des MHMBw Flugplatz Berlin-Gatow werden die Exponate in die
Dauerausstellung übernommen werden.
Übrigens, auch nach dem Ende des EuroHawk haben die Bemühungen der Bundeswehr um ihren eigenen SIGINT-Flieger noch lange keinen Abschluss gefunden. Für das Projekt PEGASUS (PErsistent German Airborne SUrveillance System) favorisierte die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen den Einbau des Aufklärungssystems – für das zu Zeiten, als das noch unverfänglich klang, der Name ISIS gewählt wurde – in die US-Drohne Triton, ein dem EuroHawk ähnliches Modell.
Im vergangenen Jahr verzichtete das Ministerium jedoch auf eine unbemannte Lösung und plant seitdem den Einbau der Aufklärung in ein bemanntes Flugzeug. Allerdings, jüngster Stand: Für die Integration des Aufklärungssystems in die bereits gebilligten Global6000-Flugzeuge fehlt bislang die Finanzierung.
Möglicherweise ist also der EuroHawk eher auf dem Museumsgelände in Berlin-Gatow zu bewundern als ein PEGASUS-Aufklärer fliegt. Wer die umfangreiche Berichterstattung zur gescheiterten Drohnengeschichte, einschließlich der Auftritte vieler Handelnder vor dem Untersuchungsausschuss, nachlesen möchte:
https://augengeradeaus.net/?s=eurohawk
(Archivbild: Northrop Grumman / EADS Euro Hawk rollout on October 8, 2009 at Palmdale, CA, USA – Northrop Gumman)
Ein Teil der Ausstattung wird ja an die NATO abgegeben, aber warum nicht das Lfz? Die Sensoren müßte man natürlich wohl noch austauschen, aber es wäre ein wertvoller Beitrag zum Bündnis.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alliance_Ground_Surveillance
Und wie verkauft man das Exponat dem Besucher, ohne dass ihm der Kamm schwillt?
Mit einer einfachen Abgabe an die NATO wäre es leider nicht getan. Dort am Standort in Sigonella müssten erst die Voraussetzungen geschaffen werden ein weiteres Luftfahrzeug aufzunehmen. Das wäre ein äußerst ambitioniertes Vorhaben.
Naja. Man könnte dass alles unter Shit happens deklarieren. Wenn es nicht so blödsinnig teuer wäre. Ich warte da tatsächlich auf die mks 180. Das endet alles wie der Flughafen BER.
@Dante
Das kostspielige Scheitern gleich zweier Versuche, ein Luftfahrzeug auf Basis der RQ-4 einzuführen, steht in meinen Augen sinnbildlich für das desolate Beschaffungswesen der Bundeswehr und die überbordende Bürokratie des sie unterhaltenden Staates.
Überschreitungen des Kosten- und Zeitrahmens, Endlosbaustellen oder Fälle von Geldverschwendung finden wir auch in anderen Armeen – gleichviel ob häufiger oder nicht, jedenfalls gibt es sie. Aber EuroHawk und Triton heben das Unvermögen dieses Staates hervor, pragmatische Lösungen zu finden.
@Thomas Melber
Der EuroHawk unterscheidet sich deutlich von den von der NATO für AGS eingeführten Global Hawk. EuroHawk basiert auf dem Konstruktionststand Block 20, die RQ-4D der NATO auf dem neueren Block 40. Selbst wenn man den (nach meiner Kenntnis inoperabel und nicht mehr flugfähig ausgeschlachteten) einzelnen EuroHawk-Demonstrator wieder hoch- und für AGS umrüsten würde, wäre er technisch ein Einhorn in der Flotte, das im Betrieb mehr Probleme verursachen als Nutzen bringen würde. Sofern die NATO den überhaupt haben wollte, den Betrieb müsste man nämlich auch bezahlen…
@ muck
Zitat: “ Aber EuroHawk und Triton heben das Unvermögen dieses Staates hervor, pragmatische Lösungen zu finden.“
Nein tuen sie nicht. Eher zeugt die Vorgehensweise von einem „Wunschdenken“ der militärischen Führung unter Ausblenden sämtlicher Risiken.
Dem InspL muss klar gewesen sein, dass er für den Euro Hawk eine militärische Zulassung von der damaligen WTD 61 in Manching braucht. Es müsste ihm klar gewesen sein, dass man für diesen Zulassungsprozess die technischen Unterlagen, Konstruktionsunterlagen, Sicherheitstests, Belastungstest, Avionik Fail-Safe Dokumentation usw. benötigt.
Wenn es dann während des Zulassungsprozesses heißt, die Herstellerfirma benötigt für die Lieferung der Technischen Dokumentation zusätzlich 400 – 500 Mio Euro, weil die Dokumentation angeblich noch nicht existierte, was ist das dann ?
Ein Prototyp, der noch nicht dokumentiert ist ?
Ein Exportmodell, für das noch keine Dokumentation geschrieben wurde ?
Die Erkenntnis der Herstellerfirma, dass wenn die Dokumentation geliefert würde, der Vorgel in DEU nie eine milit. Zulassung bekommen würde, weil ….. (you name it) ?
Nein hier hat der InspL einen Versuchsballon gestartet und alle Risiken bewusst ausgeblendet um diesen neuen Vogel zu erhalten !
@muck, 16.03.2021 um 21:05 Uhr
„Und wie verkauft man das Exponat dem Besucher, ohne dass ihm der Kamm schwillt?“
Warum sollte das Museum irgendwas verkaufen? Das Museum thematisiert eine Kulturgeschichte der Gewalt und will, öffentlich, transparent und diskussionsbereit, der politisch-historischen Bildung der Bw-Soldaten dienen. Natürlich müssen dabei auch gescheiterte Rüstungsprojekte erklärt und das Verhältnis von Politik, Wirtschaft und Militär beleuchtet werden. Ein verkorkstes Rüstungsprojekt steht da neben noch viel unschöneren Zeugnissen der deutschen Militärgeschichte.
@ Muck, @ Jan Behrendt
Wenn man nach Berlin-Gatow zum Lw-Museum schaut, sieht man dass die überwiegende Anzahl von Exponaten im Freien steht. Dazu gibt es dann so eine Aufsteller-Tafel, wo die Geschichte des Lfz in der Lw erklärt wird.
Alles in allem keine große Aufarbeitung (auch nich von den von der NVA übernommenen Muster) sondern eine kurze Erklärung (vielleicht mit Ausnahme einiger besonderer Flugzeuge und Thematiken. Da gehört insbesondere die Geschichte der Berliner Luftbrücke mit der DC-3 bzw. militärisch C-47 dazu. Das ist wirklich sehr schön gemacht worden !)
Und die im Nachbarfaden diskutierte Nachfolge des MPA Breguet Atlantic kann man hier im Original auch sehr schön anschauen und fotografieren !
@Georg
Das Parlament hatte den Vertrag abzusegnen. Und sowohl Legislative als auch Exekutive hatten jede Menge Zeit, die gesetzlichen Anforderungen zu überprüfen, gegen konkurrierende Interessen abzuwägen und gegebenenfalls nachzujustieren.
@Jan Behrendt
Schön, aber mir scheint, da gibt es doch einen Unterschied, ob ich vor einem vor 40 Jahren aufgegeben Prototypen stehe, oder vor einem Flugzeugtyp, der prinzipiell jederzeit in Dienst gestellt und noch jahrzehntelang geflogen werden könnte, würde Berlin nur die Voraussetzungen schaffen.
Der Witz ist doch, dass die Amerikaner – unbeschadet des 737 MAX-Skandals – ähnlich strenge Sicherheitsstandards anlegen wie wir und den Vogel trotzdem betreiben können. Und zwar ohne dass andauernd welche über Innenstädten abstürzen.
Das Kernproblem des Global Hawk war, dass er ein Forschungsprojekt war und nicht gegen eine Zulassungsvorschrift entwickelt wurde. Nach 9 11 wurde die entwickelnde. Fa an Northrop Gruman verkauft, die das System schnell in die Nutzung bringen sollte. Nachträglich ein bereits fertigentwickeltes Produkt zuzulassen kommt einer Neuentwicklung gleich. Der Global Hawk hat deshalb in den USA auch keine Musterzulassung (Type. Certificate) sondern ein Restricted Certificate of Airworthiness, das auf einem risikobasierter Zulassungsansatz beruht. Vereinfacht gesagt, je größer das Problem ist, um so höher ist die Dotierung dessen, der das freigeben muss. In Deutschland hat man auf einer Musterzulassung bestanden, die Dauerhafte Flugfreigabe gab es damals nicht. So blieb nur der Weg eine Vollständige Musterprüfung durchzuführen, was entsprechend teuer geworden wäre, aber nicht die Gewähr geboten hätte, am Ende auch ein zulassungsfähiges Produkt zu haben.. Man stelle sich nur mal vor, drei wären gekauft worden und jedes Jahr wäre einer abgestürzt (Siehe Heron 1). Dann hätte man noch mehr Geld verloren. Der Abbruch war eine schmerzhafte aber weise Entscheidung.
@muck:
Die US Navy betreibt RQ-4/MQ-4 nicht in engen zivilen Lufträumen, sondern über dem Pazifik, Atlantik und in Einsatzgebieten.
Auch der Eurohawk ist damals von Kalifornien aus über dem Pazifik nach Norden und dann über unbewohnten kanadischen Gebiet nach Deutschland geflogen, weil es keine Genehmigung gab durch zivilen US-Luftraum zu fliegen.
Auch AGS fliegt in Europa nur in temporär abgesperrten Korridoren, mitnichten integriert in zivilem Luftraum wie das beim Eurohawk geplant war.
Es sind also nicht nur die Deppen in Berlin, die nur nicht wollen. Und auch nicht alles was technisch vielleicht machbar wäre lässt sich finanzieren.
https://www.thedrive.com/the-war-zone/39852/germanys-unwanted-euro-hawk-drone-has-finally-become-a-very-costly-museum-exhibit
THE DRIVE hat das Thema auf Englisch aufbereitet
Guten Morgen,
nur drei kurze Informationen:
– Den EURO HAWK hätte man rein technisch gar nicht mehr auf NATO AGS RQ-4D rüsten können. Dazu hätte man diesen von innen heraus komplett neu verkabeln müssen (= wenig sinnvoll);
– NATO AGS RQ-4D PHOENIX besitzt eine militärische Zulassung/ MTC;
– NATO AGS wird mit Nichten ausschließlich in temporär abgesperrten Korridoren und/ oder Lufträumen betrieben.
Die hier anklingende Kritik geht aus meiner Sicht schon in die richtige Richtung. Es wurden beim Projekt des EH – durchaus kommunizierte – Risiken durch die Entscheidungsvorbereiter und -träger ausgeblendet. Gleichzeitig wird klar, dass man von EH bis Pegasus unbemannt das Problem von technologischen und gleichzeitig regularischen Defiziten nicht lösen konnte.
Hinsichtlich HALE/MALE Lösungen ist hier insbesondere bzgl Eurodrohne weiterhin ein gutes Stück Weg zu gehen. Das LufABw hat hier, auch vor dem Hintergrund eines aktuell noch gar nicht verfügbaren Detect & Avoid Systems, regularisch noch ein dickes Brot zu bohren, genauso wie die beteiligte Industrie noch nachweisen muss, dass es ihr zeitgerecht gelingt ein hinreichend verlässliches und operativ serientaugliches System auf den Hof zu stellen.
Darüber hinaus ist das erst der Anfang. Wir stehen vor der Einführung von autonomen fliegenden Systemen die mittels KI gesteuert werden. Damit wir hier mit der Entwikcklung unserer potentiellen (militärischen) Gegner schritthalten können bedarf es nicht nur agiler Entwicklungs- und Beschaffungsmethoden. Es bedarf insbesondere auch einer agilen Weiterentwicklung der entsprechenden Regularien zur Zulassung.
Dabei bedarf es auch einer hinreichenden Differenzierung zwischen Produkten, die primär für den bewaffneten Einsatz gedacht sind und Produkten mit denen die Bw außer zu Trainings- oder Transferzwecken, tatsächlich in signifikantem Umfang am zivilen Luftverkehr teilnehmen möchte.
Des weiteren werden die Zulasser vor der Herausforderung stehen neue Abgrenzungen zwischen Produkten wie Loitering Munition und UAS zu ziehen. Es ist absehbar, dass LM in Zukunft große Strecken bis zum Angriffsziel zurücklegen soll, dort ggf. Stunden verbringen soll um ggf. ein zu Beginn des Fluges noch gar nicht bekanntes Ziel zu bekämpfen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Überlegeungen, ob eine wie auch immer geartete Wiederverwendbarkeit (im Falle dass kein geeignetes Ziel bekämpft werden konnte) nicht zweckmäßig wäre. Dabei wird es wichtig sein, dass LM weiterhin Munition (z.B. im Sinne eines LFK) bleibt und nicht als UAS angesehen wird. Trotzdem werden die oben genannten Forderungen dazu führen müssen, dass gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, dass diese Kategorie Luftraumteilnehmer soweit in einen (Wartime)Luftraum integriert werden können, um zumindest eine Gefährdung eigener Kräfte zu minimieren.
@Max
Die US Air Force hat laut ihrer Website E/RQ-4 in North Dakota stationiert. Es geht aber nicht so sehr um das Muster an sich, es geht vor allem um die Anzahl der Triebwerke, das MTOW (wg. der Menge des mitgeführten Treibstoffs) und Anforderungen in puncto Redundanz und Sicherheitsvorkehrungen bei Verbindungsverlust.
[Weiter im Folgenden.]
Mir ist klar, dass hier EU-Recht in die nationalen Normen hineinwirkt. Aber entgegen anderslautender Vorurteile ist EU-Recht (selbst im Bereich der ausschließlichen Kompetenzen) keine Naturgewalt, der wir schutzlos und ohne Mitspracherecht ausgesetzt wären.
Polen versucht seit bald einem Jahrzehnt, die Safran Patroller als Überwachungsplattform im Grenzschutz ohne ein Flickwerk aus Ausnahmegenehmigungen einsetzen zu dürfen und hat neue Regeln für im Bereich Verteidigung, innere Sicherheit und Katastrophenschutz eingesetzte Luftfahrzeuge vorgeschlagen.
Der Ministerrat, d.h. auch Berlin, hat die vorgeschlagene Gesetzesnovelle abgelehnt. Wegen Sicherheitsbedenken. Während z.B. das Heimatschutzministerium der USA die MQ-9B über dem Großraum El Paso einsetzt, kommt in Europa der Einsatz der kaum ⅕ so schweren Patroller nicht mal über Podlachien infrage.
Ich sehe den Sinn nicht.
@okzident
Bei der Zulassung handelt es sich um ein Limited Military Type Certificate,
@ Fucus
Danke für den Hinweis; im Hinblick auf das vormals Geschriebenen ändert sich unter Zugrundelegung der „limited MTC“ allerdings nichts. Die mit dem Military Type Certificate im Zusammenhang stehend Limitierung entfaltet in der praktischen Umsetzung hinsichtlich des Flugbetriebs eine, in ihrer Bedeutung und der Auswirkung als deutlich nachrangig zu bewertende, einschränkende Wirkung.
@ Okzident
Welche Einschränkung hat denn die „Limited Military Type Certificate“ Zulassung für den Betrieb der RQ-4 im zivilen Luftraum (gemeint ist der Flugverkehr bis FL660, Luftraum „C“).
Sie schreiben so, als würden sie die Einschränkung des Typenzertifikat kennen.