DroneWatch: Neues Drohnen-Überwachungssystem der NATO einsatzbereit
Das neue Drohnen-Bodenüberwachungssystem der NATO hat seine Anfangs-Bereitschaft erreicht: Das Bündnis erklärte die Initial Operating Capability (IOC) des neuen Alliance Ground Surveillance System (AGS). Die fünf Riesendrohnen ergänzen als zweites von der Allianz selbst – und nicht von einem Mitgliedsland – betriebenes System die Luftraumüberwachung mit den AWACS-Flugzeugen.
Die von der NATO Phoenix getauften ferngesteuerten unbemannten Flugzeuge des US-Herstellers Northrop Grumman sind auf der italienischen Basis Sigonella auf Sizilien stationiert. Nach dem Roll-out der ersten AGS-Drohne 2015 war eigentlich eine Einsatzbereitschaft der ersten Maschinen für 2017 erwartet worden. Die letzte der fünf Maschinen war allerdings erst im November vergangenen Jahres ausgeliefert worden; die anfängliche Einsatzbereitschaft hatte noch 2020 erreicht werden sollen und war dann auf dieses Jahr verschoben worden.
Der militärische NATO-Oberbefehlshaber, US-Luftwaffengeneral Tod Wolters, erklärte die IOC formal am (heutigen) Montag, wie das NATO-Oberkommando mitteilte:
NATO’s Supreme Allied Commander, General Tod Wolters, has declared the NATO AGS RQ-4D remotely piloted aircraft initially operationally ready to conduct missions. This is a major milestone for the programme, which will substantially increase the Alliance’s awareness, indications and warnings of what is happening around its borders.
NATO’s AGS system will provide a unique state-of-the-art capability for all 30 Alliance Members, with a platform adapted to meet NATO’s Intelligence Surveillance and Reconnaissance requirements. This will provide NATO decision-makers with valuable information based on a comprehensive picture of conditions on the ground, at any time.
The NATO-owned and operated AGS capability enables the Alliance to perform persistent surveillance over wide areas from high-altitude long-endurance aircraft, operating at considerable distances and in any weather or light condition. Using advanced radar sensors, these systems will continuously detect and track moving objects and will provide radar imagery of areas of interest and stationary objects. All 30 NATO Allies will have access to the intelligence they generate.
Deutschland ist an dem neuen Überwachungssystem, das mit seinen Sensoren Bewegungen am Boden und auf See bei allen Wetterlagen und auch über längere Zeit sicherstellen soll, sowohl finanziell als auch mit Personal am Betrieb beteiligt. Die Bundeswehr gab dafür – nach den 2015 vom Parlament gebilligten Zahlen – rund eine halbe Milliarde Euro aus. In Sigonella stellt die Luftwaffe nach der U.S. Air Force das meiste Personal für AGS, langfristig sollen dort rund 120 deutsche Soldaten den Betrieb sicherstellen, aus den USA rund 150.
Die technischen Daten, die die NATO für die Phoenix getauften Drohnen veröffentlichte:
General characteristics of the NATO RQ-4D remotely piloted aircraft:
Primary function: High-altitude, long-endurance intelligence, surveillance and reconnaissance
Power plant: Rolls Royce-North American AE 3007H turbofan
Thrust: 7,600 lbs
Wingspan: 130.9 ft / 39.8 m
Length: 47.6 ft / 14.5 m
Height: 15.3 ft / 4.7 m
Weight: 14,950 lbs / 6,781 kg
Maximum take-off weight: 32,250 lbs / 14,628 kg
Fuel capacity: 17,300 lbs / 7,847 kg
Payload: 3,000 lbs / 1,360 kg
Speed: 310 knots / 357 mph / 575 kph
Range: 8,700 nautical miles / 10,112 miles / 16,113 km
Ceiling: 60,000 ft / 18,288 m
Unklar bleibt allerdings noch: Die fünf Drohnen sollen im internationalen Luftraum, aber auch im Luftraum der NATO-Mitgliedsländer eingesetzt werden – aber unter welchen Bedingungen? Denn im kontrollierten Luftraum, in dem sich der – bemannte – zivile Luftverkehr abspielt, dürfen diese ferngesteuerten Flugzeuge nicht ohne entsprechende Sonderregelungen oder Flugkorridore unterwegs sein.
Nun werden die Maschinen in der Regel auf Sizilien starten und ihr Aufklärungsgebiet weit oberhalb des normalen Flugverkehrs ansteuern. Allerdings muss es auch Regeln für Sicherheitslandungen und ähnliches geben, wenn die Drohnen ihre Flughöhe verringern müssen. Da bemühe ich mich noch um Klärung.
(Archivbild: Überführungsflug der ersten AGS-Drohne von der Palmdale Air Base in Kalifornien nach Signonella im November 2019 – Alan Radecki/Northrop Grumman via NATO)
Die PHOENIX nutzen zur Überwachung russischer Aktivitäten den gleichen Korridor über Frankreich und Deutschland zur Ostsee, der für die beiden GLOBAL HAWK der US-Luftwaffe im Jahr 2015 eingerichtet wurden. Das hat das BMVg kürzlich bestätigt. Als Notlandeplätze in Deutschland wurden damals die Militärflugplätze Nörvenich und Schleswig bestimmt. Ein weiterer Korridor führt über Bulgarien ins Schwarze Meer, auch diese dürfte durch die PHOENIX genutzt werden. Einsätze der NATO-Drohnen erfolgten Trackingwebseiten zufolge in den vergangenen Wochen bereits vor Libyen und der Krim.
Thumbs up & smart move ! Glückwunsch an die NATO zur zweiten „eigenen“ Flugzeug-Staffel (alongside HAW, MRTT, MNAU); gut gemacht an die deutsche Luftwaffe zur deutlichen Beteiligung !
Und wass soll man jetzt davon halten wenn es eh nicht über bewohnten Gebiet fliegen darf? Wir leben in einer Zeit in dem jeder ein internetfähiges Handy hat. Hier kann nichtmal nen Sack Reis umfallen ohne dass das Video in irgendwelchen Netzwerken auftaucht. Sollte in Russland irgendeine Rakete starten ist es schneller bei dem 16 jährigen auf dem Tablett in Berlin Neukölln über tiktok als bei der Nato.
@Dante, wovon reden Sie eigentlich?
Das AGS ist kein taktisches Aufklärungssystem zur Deckung von Aufklärungsinteressen irgendeines Kommandeurs.
Es werden allen Bündnispartnern über die NATO Echtzeitinformationen mit strategischer Bedeutung über eine direkte oder satellitengestützte Breitbandverbindung in Echtzeit gesendet, über die „NATO Alliance Ground Surveillance Management Agency (NAGSMA)“.
Absicht war die Installierung einer Fähigkeit zur dauerhaften Überwachung, Aufklärung und Kontrolle weiter Gebiete, „to meet NATO’s Intelligence, Surveillance and Reconnaissance requirements“.
Das ist nunmehr umgesetzt.
Bewohntes (deutsches) Gebiet interessiert, im tiefsten Frieden.
@Dante sagt: 15.02.2021 um 21:02 Uhr
Russland hat kein Interesse an einer bewaffneten Auseinandersetzung. Wer soll dann deren Gas kaufen?
Desinformationskampagnen gegen Europa (zwecks Zeitgewinnung) reichen da vollkommen aus.
Zurück zum topic: Bei den Einsatzgebieten über der EU sehe ich schwarz. Europa ist so dicht besiedelt, daß ich mir den Einsatz über dem Festland nicht vorstellen kann und deshalb befürchte, daß diese Drohnen weitestgehend im Hangar stehen werden.
@ All Es war ja schlicht so gemeit dass gefühlt durch dinge wie tragbares Internet für jeden, verhältnismäßig viele Informationen für jeden den es interessiert auch ohne diese Drohne zur verfügung stehen. Und dass im Zweifel wesendlich günstiger.
@ Dante
Sorry, aber Sie wissen nicht über was Sie schreiben.
Strategische Primäraufklärung ist etwas anderes. Da werden von der Drohne bestimmte Handy-Verbindungen rund um die Uhr bewacht, ebenso Funkfrequenzen in einem bestimmten Gebiet. Da werden Kfz-Marschkolonnen beobachtet, da werden bauliche Aktivitäten in der Veränderung von Monat zu Monat beobachtet. Da werden Handydaten, Gesprächs-Verbindungen und die Geolocalisation der Sendestelle mit beobachteten Bewegungen am Boden korreliert und dann Handy-Daten mit beobachteten Bewegungsdaten in Übereinstimmung gebracht und wenn dann die Handy-Verbindung abgeschaltet wird und gleichzeitig eine militärische Kommunikationsverbindung über Bodenfunk oder Satellitenfunk auftaucht werden diese Daten auch korreliert, zu hause in Ruhe ausgewertet und ein Profil erstellt.
Da ist nichts a al Bellingcat, Auswertung von privaten Handy-Fotos wo ein BUK-Werfer sich über die Straßen bewegt und verlegt wird.
[Ehe hier alles durcheinanderkommt: AGS ist weder die geschilderte Signalaufklärung (SIGINT) noch „Spionagekameras“ (IMINT), sondern Boden-Radaraufklärung mittels Synthetic Aperture Radar (SAR). T.W.]
@Dante: Mittlerweile knippsen Regirungen das Internet aus, bevor was passiert. Und nun?
Hallo Herr Wiegold,
und was vermuten Sie wird durch Synthetic Aperture Radar (SAR) aufgeklärt ?
Es sind Radarschattenbilder von Objekten, Gegenständen und Gebäuden am Boden. Interessant werden diese Aufnahmen in der Veränderung zwischen zwei Zeitpunkten mit den gleichen Aufnahmeobjekt.
Das ist genau der Auftrag den das damalige AG 51 und AG52 mit der RF4-E mit dem Seitensichtradar SLAR auf der taktischen Ebene jenseits der innerdeutschen Grenze gemacht hat und an der Grenze zu Polen von See aus.
Diese Radarbilder werden dann mit den Ergebnissen der SigInt (Handy, Sprechfunk, Radarausstrahlung) und event. nach IMINT korreliert und dann sieht man mehr oder weniger was da unten gerade vor sich geht und wie z.B. eine miliätärische Infrastruktur langsam wächst und aus einem vermuteten Betriebsstofftank plötzlich eine Abschussrampe oder ein Raketensilo wird.
[Schon klar. Ich wollte aber vor allem das Missverständnis vermeiden, dass AGS eine SIGINT-Plattform wäre. T.W.]
@all Naja, Die Frage ist ja eher was es kostet, was es am Ende bringt und ob man dass nicht auch hätte billiger haben können. Warum nicht mal ne drohne auf atr 72 basis?
Sehr gut, dass sich die Bundeswehr hier so sehr engagiert.
Sicherlich sind die Erfahrungen von Vorteil für unsere Aufklärung, aber auch für die Industrie.
Hr Wiegold erklärt, dass diese Drohnen das Awacs ergänzen.
Frage : Wären diese Drohnen auch ein ergänzendes Mittel für die Aufklärung von U-Booten in Nord- und Ostsee?
Und weiter gedacht : Eventuell eine Unterstützung für die Nachfolge der P 3-C Orion?
Konkret: Weiträumige Aufklärung durch die Phoenix, detaillierte Aufklärung und Bekämpfung durch P 3 – C?
@T.W.: Eine Idee: Sie selbst und Fr Franke kennen sich sehr gut aus auf diesem Gebiet. Wäre ein kurzer Kommentar / Einordnung zu dieser Meldung nicht interessant für die Leser:innen? (insbesondere die nicht-Experten)
@nurso:
Einfach gesagt: wenn ein U-Boot abseits seiner Stärke über Wasser rumschippert, könnte man es mittels SAR auffassen. Die Fähigkeit eines Seefernaufklärers wie der P-3C liegt aber im Abwerfen von Sonarbojen und Auswertung deren Auffassung von Unterwassersignalen.
Also kurz: sinnvoll wäre Phoenix daher nur zum Auffassen des Auslaufens des U-Bootes aus dem Hafen
@Fux: Danke für die Info. Dann habe ich das richtig verstanden.