Soldaten dürfen Schnelltests auf Corona vornehmen – aber die Kommune haftet (m. Nachtrag)

Soldaten der Bundeswehr sollen künftig bei der Unterstützung in Alten- und Pflegeheimen auch Schnelltestests auf das Coronavirus durchführen, die Verantwortung dafür tragen aber die Kommune oder die Heimleitung. Das stellte das Verteidigungsministerium klar, nachdem Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vor zwei Tagen die entsprechende Unterstützung der Streitkräfte angekündigt hatte.

Die Ministerin hatte am vergangenen Mittwoch angeboten, bis zu 10.000 Soldatinnen und Soldaten für die Tests in Alten- und Pflegeheimen bereitzustellen, wenn wir gerufen werden. Ministerium und Bundeswehr versuchten daraufhin hektisch, die rechtliche Situation für diese Fälle zu klären – schließlich handelt es sich bei den Soldaten, die in diesen Einrichtungen unterstützen, überwiegend nicht um medizinisch ausgebildetes Personal.

Am (heutigen) Freitag konnte eine Sprecherin des Ministeriums dann die Lage erläutern:

In der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 5. Januar 2021 wurde unter Punkt 6. zur Ausweitung der Testung in den Alten- und Pflegeheimen festgehalten, dass „Bund und Länder aufbauend auf bestehenden Maßnahmen der Länder eine gemeinsame Initiative starten, um Freiwillige vorübergehend zur Durchführung von umfangreichen Schnelltests in die Einrichtungen zu bringen. Die Hilfsorganisationen in Deutschland haben bereits zugesagt, die entsprechenden Schulungen zu übernehmen.“ Daher ist auch Personal der Bundeswehr, das auf Antrag einer zuständigen Behörde in Amtshilfe zur Testung eingesetzt werden soll, in Verantwortung der zuständigen Behörde bzw. des Betreibers der Einrichtung entsprechend zertifiziert zu schulen; die Schulungsmaßnahmen sind durch die zuständige Behörde bzw. den Betreiber der Einrichtung zu dokumentieren. Sollten hierzu durch das Bundesministerium für Gesundheit Vorgaben zur Ausbildung gemacht werden, so muss die Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten auf Grundlage dieser Vorgaben erfolgen.
Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass der Hersteller eines In-vitro-Diagnostikums im Rahmen der Gebrauchsinformationen festlegt, durch wen sein Test angewandt werden kann bzw. für welche Anwendung sein Test vorgesehen ist. Ein Abweichen von dieser Zweckbestimmung kann für die Einrichtungen und Anwender mit haftungsrechtlichen Risiken verbunden sein. Daher muss die Schulung auch die Herstellervorgaben des konkreten Testsystems berücksichtigen.
Bei der Durchführung von Tests auf SARS-CoV-2 in Alten- und Pflegeheimen sowie vergleichbaren Einrichtungen ist zu berücksichtigen, dass neben der Verletzungsgefahr bei einer inadäquaten Abstrichentnahme auch die unsachgemäße Anwendung von Schnelltests ein Risiko von Ausbrüchen in den Einrichtungen sowie in der Folge von schweren und tödlichen Verläufen von COVID 19 birgt. Insofern muss im Vorfeld der Amtshilfe geklärt sein, dass die haftungsrechtlichen Konsequenzen nicht beim Durchführenden (Bundeswehrangehörigen und damit auch nicht bei der Bundesrepublik Deutschland), sondern ausschließlich bei der Amtshilfe ersuchenden Behörde bzw. beim Betreiber der Einrichtung liegen.
Die übrigen für die Durchführung von Amtshilfemaßnahmen (Verfügbarkeit der einzusetzenden Ressourcen, rechtliche Zulässigkeit) müssen natürlich überdies gegeben sein.

Die offensichtlich juristisch abgesicherte Antwort auf den Punkt gebracht: Ja, Soldatinnen und Soldaten dürfen diese Tests vornehmen, wenn etwas schiefgeht, muss der Betreiber des Heims oder die Kommune, die Amtshilfe angefordert hat, dafür geradestehen.

Derzeit sind – im Vergleich zu den Vortagen praktisch unverändert – knapp 1.200 Soldatinnen und Soldaten in fast 270 Alten- und Pflegeheimen in 13 Bundesländern im Einsatz. Ob diese Zahl aufgestockt wird, und dann auch noch so erheblich, wie es inzwischen teilweise öffentlich gefordert wird, hängt von den konkreten Amtshilfeanträgen der jeweiligen Kommunen ab.

Nachtrag: Die vom Ministerium erwähnte Absprache der Kanzlerin mit den Ministerpräsident*innen, aber vor allem der Druck aus dem Kanzleramt haben offensichtlich dieses Vorgehen beschleunigt. Die Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr erhielten dazu dieses Schreiben von ihren Landeskommandos:

Sehr geehrte Kameraden,
heute oder morgen wird ein Brief des Bundeskanzleramtes bei allen LK und kreisfreien Städten eingehen, in dem die Unterstützung der Bw auch bei Testungen zugesagt wird.
Bitte gehen Sie proaktiv sofort auf Ihre Ansprechpartner zu und versichern Sie diese jeglicher Unterstützung durch Helfende Hände. Stellen Sie klar, dass alle Aktionen auf den eingeübten und bewährten Verfahren der Hilfeleistung (einschl. der Anträge) beruhen werden. Sie sind das Bindeglied, das den Willen der Bundeskanzlerin in der Fläche umzusetzen hat.
Es geht der mil. Führung jetzt darum, sehr schnell zu reagieren. Das schließt höhere Bereitschaftsstufen und ggf. Personalumfänge auf allen Ebenen ein, um die zu erwartende Antragsflut zu bearbeiten und rasch, erfolgreich umzusetzen. Unten aufgeführt sind einige Rahmenbedingungen seitens Kdo TerrAufgBw – natürlich gilt auch bei all´ diesen HLA, dass die Direktion/Ltg und Haftung bei zivilen Verantwortlichen liegen muss, die PSA (inkl. FFP 2-Masken o.ä.) durch die Antragsteller gestellt wird und eine gründliche Einweisung vor Ort stattfindet!
Mit kameradschaftlichen Grüßen
Ihr
(Kdr eines Landeskommandos)

Überschrieben ist diese – nicht eingestufte – Rundmail mit einem Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel:  Das Sterben in den Altenpflegeeinrichtungen muss aufhören.

Das erwähnte drei Seiten umfassende Schreiben aus dem Kanzleramt an die Kommunen, unterzeichnet von Kanzleramtschef Helge Braun, hebt vor allem auf den Schutz von Menschen in Heimen ab:

Der Schutz von Menschen, die in stationären Pflegeeinrichtungen sowie in Einrichtungen der Behindertenhilfe gepflegt, betreut und behandelt werden, hat für die Bundesregierung in der Pandemiebewältigung höchste Priorität. Denn diese Menschen haben bei einer SARS-CoV-2-Infektion ein erhöhtes Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe. Zugleich wollen wir verhindern, dass diese Menschen isoliert werden, vereinsamen und von der Teilhabe am Leben abgeschnitten sind. (…)
Der Bund wird zunächst Personal der Bundeswehr für die Durchführung von Schnelltests in Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Eingliederungshilfe kurzfristig maximal für einen Zeitraum von drei Wochen ab Beginn des jeweiligen Einsatzes zur Verfügung stellen. Anschließend wird das Bundeswehrpersonal ersetzt durch die über den Aufruf gewonnenen Tester.
Das Personal der Bundeswehr und die ausgewählten freiwilligen Tester erhalten eine Schulung durch das DRK oder, abhängig von der örtlichen Situation, andere Hilfsorganisationen.

Insgesamt sind zur Hilfeleistung in der Pandemie aktuell rund 800 Soldaten aus dem Sanitätsdienst und rund 11.800 aus anderen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen gebunden – in dem so genannten Corona-Kontingent stehen damit rund 8.200 weitere Soldatinnen und Soldaten in Bereitschaft.

Die Zahl der infizierten Soldaten steigt unterdessen wieder an. Die Zahlen des Sanitätsdienstes:

13. Januar
Soldatinnen und Soldaten: 483  tagesaktuell bestätigte Fälle
kumuliert: 3559, davon kumuliert genesene Fälle: 3077

14. Januar
Soldatinnen und Soldaten: 526  tagesaktuell bestätigte Fälle
kumuliert: 3613, davon kumuliert genesene Fälle: 3087

15. Januar
Soldatinnen und Soldaten: 538  tagesaktuell bestätigte Fälle
kumuliert: 3645, davon kumuliert genesene Fälle: 3107

In den Auslandseinsätzen gab es nach Angaben des Einsatzführungskommandos in der vergangenen Woche vier neu festgestellte Fälle, alle in Mali: Drei in der UN-Mission MINUSMA und einen bei der EU-Ausbildungsmission (EUTM Mali). Mali und die Sahel-Region zeichnen sich ohnehin als anhaltender Infektionsschwerpunkt ab: Die Belgier stoppten in dieser Woche ihre Ausbildungsmission im Niger, weil mit rund 20 Infektionsfällen und 30 Kontaktpersonen ihr Ausbildungskontingent nicht mehr einsatzfähig war. Die belgischen Soldaten wurden, zum großen Teil mit der Bundeswehr, nach Europa ausgeflogen.

(Archivbild April 2020: Soldaten des Panzerbataillons 104 aus Pfreimd bei der Unterstützung in dem Altenheim in Bamberg – Marius Erbrich/Bundeswehr)