Dokumentation: Entscheidung über Coronavirus-Impfpflicht für Soldaten „in jedem Einzelfall“

Die Diskussion über eine mögliche Impfpflicht gegen das Coronavirus für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist bislang eine theoretische Frage: Genügend Impfstoff steht dafür bislang nicht zur Verfügung. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Pflicht zur Duldung von Impfungen für Soldaten grundsätzlich bestätigt hat, sieht jedoch das Verteidigungsministerium offensichtlich die Notwendigkeit, das noch mal zu erklären – und betont, das ist neu, dass bei Ablehnung einer Coronavirus-Impfung in jedem Einzelfall entschieden werde.

Mit der Stellungnahme am (heutigen) Dienstag reagiert das Ministerium auch auf eine öffentliche Debatte: Nachdem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mehrfach erklärt hatte, es werde keine allgemeine Impfflicht gegen das Coronavirus in Deutschland geben, wurde unter anderem von Impfgegnern die Duldungspflicht für Impfungen bei Bundeswehrsoldaten als scheinbares Gegenargument angeführt.

Zur Dokumentation die Ministeriumserklärung im Wortlaut:

Impfwesen in der Bundeswehr: „Duldungspflicht“ ist nicht gleich Impfpflicht

Bei der Bundeswehr gibt es aktuell keine Pflicht sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Allerdings überprüfen die medizinischen Fachleute der Streitkräfte ständig, ob Impfungen gegen neue Erkrankungen zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit notwendig sein könnten. Auch bei COVID-19 laufen derzeit Untersuchungen zu dieser Frage. Dabei wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich um einen ganz neuen Impfstoff handelt und möglicherweise einzelne Soldatinnen und Soldaten aus diesem Grunde Vorbehalte haben könnten. Sollte im Ergebnis dennoch eine Empfehlung zur Impfung gegen COVID-19 stehen, wird die Bundeswehr etwaige Vorbehalte sehr ernst nehmen und in jedem Einzelfall entscheiden. Wesentliche Kriterien werden die dienstliche Notwendigkeit und die Einsatzbereitschaft sein – insbesondere mit Blick auf die Auslandseinsätze.

Grundsätzliche Entscheidung zu Impfungen in der Bundeswehr

Die jüngste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Mit Beschluss (Az. 2 WNB 8.20) vom 22. Dezember 2020 wurde die sogenannte „Duldungspflicht“ von Soldatinnen und Soldaten bei der grundlegenden Impfung gegen klassische Krankheiten bestätigt.
Die „Duldungspflicht“ für Impf- und Prophylaxemaßnahmen ist vor einigen Jahren bei der Bundeswehr eingeführt worden und hat ihre Grundlage in § 17a Absatz 2 des Soldatengesetzes. „Duldungspflicht“ bedeutet, dass Soldatinnen und Soldaten verpflichtet sind, alle angewiesenen Impf- und Prophylaxemaßnahmen zu dulden. Die Impfung ist nur dann nicht zumutbar, wenn objektiv eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten vorliegt.
Der Umfang der duldungspflichtigen Impfungen orientiert sich dabei an den jeweils geltenden Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO), den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) sowie an den Anforderungen der Nationalen militärischen Strategie für die Impfungen von NATO-Streitkräften (STANAG).
Die „Duldungspflicht“ hat sich insbesondere bei den Immunisierungen der Einsatzkontingente bewährt. Durch die besonderen Bedingungen des engen Zusammenlebens in den Einsätzen und auch in Gemeinschaftsunterkünften in Deutschland sind Soldatinnen und Soldaten per se einem relativ höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als andere Bevölkerungsgruppen. Deshalb zielen Impfungen in der Bundeswehr immer gleichzeitig auf den Schutz der Gemeinschaft und des Individuums ab und darauf, die in Artikel 87a Absatz 1 des Grundgesetzes vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu gewährleisten.

Persönliche Vorbehalte der Soldatinnen und Soldaten werden ernst genommen

Der Dienstherr greift bei Impfungen in das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Soldatin bzw. des Soldaten ein. In § 17a Absatz 2 des Soldatengesetzes hat der Gesetzgeber ausdrücklich das Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung eingeschränkt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist aber natürlich auch hier in jedem Fall zu beachten, insbesondere mit Blick auf mögliche Impfnebenwirkungen. Vorbehalte und etwaige Kontraindikationen von Soldatinnen und Soldaten werden sehr ernst genommen und im Einzelfall jeweils eingehend geprüft werden.

Bereits vor Wochen hatte die Führung des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr empfohlen, eine Coronavirus-Impfung für Soldaten verpflichtend zu machen. Die Entscheidung fällt allerdings im Ministerium – die in der Erklärung genannten Untersuchungen zu dieser Frage sind wohl eher rechtlich und nicht zuletzt politisch zu verstehen.

(Archivbild 27. Dezember 2020: Oberstabsarzt Sandra Krüger zieht in einer Pflegeeinrichtung in Pasewalk eine Spritze mit Covid19-Impfstoff auf – Anke Radlof/Landkreis Vorpommern-Greifswald)