DroneWatch: Streit um bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr – Der Sammler zum Jahresende
Der Streit innerhalb der Regierungskoalition um die Bewaffnung für Drohnen der Bundeswehr ist in diesem Jahr in zuvor so nicht erwarteter Schärfe neu ausgebrochen – und er wird mit ziemlicher Sicherheit auch im neuen Jahr weitergehen. Die überraschende Weigerung der SPD, eine Beschaffungsentscheidung nicht mitzutragen und nach mehrjähriger Debatte weitere Diskussionen zu verlangen, ist ja voraussichtlich bis zur Bundestagswahl im September nicht vom Tisch. Deshalb zum Jahresende eine Materialsammlung zu diesem Thema:
Aktueller Anlass (außer dem Jahresende): In einem Interview mit n-tv am (heutigen) 30. Dezember reagiert Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf eine Forderung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zum Thema bewaffnete Drohnen – und dieser Austausch per Fernschach, über jeweilige Interviewäußerungen, macht sehr schön deutlich, wie die beiden Koalitionspartner aneinander vorbeireden.
In einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, veröffentlicht am 28. Dezember (Link aus bekannten Gründen nicht), antwortet der SPD-Fraktionschef auf die Frage Sie wollen einen Rüstungskontrollvertrag für Drohnen? mit den Worten:
Ich will zumindest internationale Gespräche darüber, ob Rüstungskontrolle für Drohnen auf Ebene der Vereinten Nationen oder der Nato-Staaten möglich ist. Leider hat die Verteidigungsministerin es versäumt, das Thema in der Nato anzusprechen. Ich fordere sie auf, das jetzt zu tun.
Dazu die Ministerin im n-tv-Interview:
Die Bundesregierung bereitet eine Initiative für internationale Einsatzprinzipien auf der Grundlage des Völkerrechts für bewaffnete Drohnen vor. Das Auswärtige Amt ist federführend und arbeitet bereits daran. Wir haben das schon im Juli mit dem Bericht zur Debatte und den Einsatzgrundsätzen festgelegt. Insofern fordert der SPD-Fraktionsvorsitzende etwas, was schon in Vorbereitung ist.
Und in der Tat, das ist in der öffentlichen Debatte schlicht untergegangen – selbst die Kritiker bewaffneter Drohnen haben offensichtlich den Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung an den Deutschen Bundestag zur Debatte über eine mögliche Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr vom 3. Juli dieses Jahres nicht gelesen:
Darüber hinaus strebt die Bundesregierung auch im internationalen Rahmen verbindliche Regeln für den Einsatz bewaffneter Drohnen an. Hierzu bereitet die Bundesregierung eine Initiative für internationale Einsatzprinzipien vor. Ausgehend von den völkerrechtlichen Bestimmungen wird ein Katalog von Einsatzprinzipien, wie z.B. die Begrenzung auf legitime Ziele, die Festlegung zulässiger Einsatzgebiete und die Sicherstellung ausreichender menschlicher Kontrolle abgeleitet, die durch die Unterzeichnerstaaten als für die nationale Einsatzpraxis verbindlich anerkannt werden.
Dass Kramp-Karrenbauer ein wenig süffisant darauf verweisen kann, dass diese Bemühungen für Rüstungskontrolle bereits Beschlusslage sind und dass der dafür zuständige Minister der SPD angehört, ist allerdings vermutlich ebenso richtig wie folgenlos für den Schlagabtausch der beiden Noch-Koalitionspartner. Und auch die Ministerin, noch CDU-Vorsitzende, hatte ja zuvor schon die Wahlkampfkeule rausgeholt, im Interview mit der Welt am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht) ebenfalls am 28. Dezember:
Die SPD macht zum zweiten Mal einen Rückzieher bei der Anschaffung von bewaffneten Drohnen zum Schutz der Bundeswehr im Einsatz. Die Soldatinnen und Soldaten können sich augenscheinlich nicht auf die SPD verlassen.
Das Narrativ von den Sozialdemokraten als vaterlandslose Gesellen ist nicht neu, und natürlich weiß auch die Ministerin, dass der Aufwuchs des Verteidigungshaushaltes in den vergangenen Jahren und die – mit Ausnahme eben der Drohnenbewaffnung – weitgehend problemlose Zustimmung des Bundestages zu den diversen Rüstungsprojekten der jüngsten Zeit ohne die SPD nicht möglich gewesen wäre.
Nun scheinen aber beide Seiten bereits im Wahlkampfmodus für die Bundestagswahl im kommenden Jahr, und es ist müßig, darüber zu streiten, wer daran die Schuld trägt. Für die Bewaffnung unbemannter Systeme dürfte entscheidend das Wort des SPD-Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans gelten, zuletzt im Interview mit der Rheinischen Post (Link aus bekannten Gründen nicht) am 28. Dezember:
Ich gehe davon aus, dass über diese Frage in dieser Legislaturperiode nicht mehr entschieden wird. (…) Es gibt auch Stimmen, die sagen, die ständige Bedrohung durch bewaffnete Drohnen heize Konfliktparteien erst auf und mache Situationen erst recht gefährlich. Ich bin für Ausrüstung und nicht für Aufrüstung.
Im vorangegangenen Thread zu diesem Thema hat ein Leser (vielen Dank!) eine umfangreiche Linkliste zur gesellschaftlichen Debatte über dieses Thema zusammengetragen. Ich ziehe sie zur besseren Auffindbarkeit mal hier rüber:
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-interview/audio-bewaffnete-drohnen-fuer-die-bundeswehr-100.html
https://www.evangelische-friedensarbeit.de/artikel/2020/offener-brief-bremer-pastoren-gegen-bewaffnete-bundeswehr-drohnen
https://www.ekd.de/news_2014_07_02_kampfdrohnen_abgelehnt.htm
https://www.welt-sichten.org/artikel/37976/kampfdrohne-ein-beitrag-zur-eskalation
https://www.evangelische-friedensarbeit.de/artikel/2020/westfaelische-kirche-bundeswehr-soll-auf-kampfdrohnen-verzichten
https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++313cf3f8-3e16-11eb-aa07-001a4a16012a
https://koeln-bonn.dgb.de/themen/++co++1720f318-5811-11e8-a19d-52540088cada
https://www.gew-berlin.de/aktuelles-beschluesse/detailseite-beschluesse/neuigkeiten/keine-kampfdrohnen/
https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/militaerische-drohnen-einschraenken-bewaffnete-drohnen-aechten-2/
https://www.spd-bonn.de/meldungen/internationale-aechtung-von-bewaffneten-drohnen/
https://www.spd-rz.de/2020/12/22/gefaehrdung-von-soldatinnen-und-soldaten-durch-bewaffnete-drohnen-wird-verkannt/
https://spd-nottuln.de/keine-bewaffneten-drohnen-mail-an-den-fraktionsvorsitzenden-im-bundestag/
Das sieht schon sehr nach breiter Debatte aus, auf verschiedenen Ebenen. Was einen fast zu der Vermutung verleiten könnte, dass es nicht mehr um die Debatte geht – sondern um die Hoheit darüber, wann die Entscheidung fällt.
Aber noch genug Debatte im neuen Jahr. Allerdings auf, ich muss das mal so sagen, deutschem Insel-Niveau: Wesentliches Argument der Befürworter ist der Schutz deutscher Soldaten insbesondere in Auslandsmissionen. Wesentliches Argument der Gegner ist die Art, wie vor allem die USA unbemannte Systeme einsetzen – dann auch mit der Begründung, diese Art des Einsatzes gefährde eben die Soldaten.
Das mag zwar ehrenwert sein, aber inzwischen weitab der Realität. Ein Blick auf die Konflikte dieses Jahres reicht, um zu erkennen: Da muss über ganz andere Entwicklungen gesprochen werden. Zum Beispiel über den Einsatz von (Kampf)Drohnen in einem Krieg. Nicht über fünf bewaffnete unbemannte Segelflieger in Stabilisierungsmissionen.
Zum Nachlesen:
2020: A year in conflict
From the use of armed drones to social media blackouts, the past year has been one of firsts for warfare.
(Foto: Eine Heron TP bei einem Trainingsflug über Israel – Luftwaffe)
tja…wenn man jahrzehntelang diskutiert und nicht von der Stelle kommt dann holt einen manchmal die Realität schneller ein als einem lieb ist…
Es begann alles mit einfachen Aufklärungsdrohnen
Kampfdrohnen wurden zuerst durch die USA eingesetzt und nach und nach für gezielte Tötungen missbraucht…
dieser missbrauch der Mittel ist eigentlich das Hauptproblem…und das hat ja gar nichts mit der Angst vor autonomen Killer Maschinen zu tun
das Problem ist ja auch dass durch neue Techniken sich die Einsatzmöglichkeiten auch ständig ändern und eine Abgrenzung immer schwieriger wird
Israel setzt schon lange kleinst Kampfdrohnen im urbanen Umfeld ein… auch NLOS Raketen Systeme kann man ja als Killerdrohne einstufen… nur weil Aufklärung und Wirkung in einem System vereint ist… die strikte Trennung macht hier schon lange keinen Sinn mehr…moderne Artillerie und NLOS Systeme (Spike NLOS) würden für die Bundeswehr auch Sinn machen… aber letztendlich bringen diese auch ähnliche Fragestellungen mit sich… SMART Artillerie 155mm entscheidet auch selbstständig welches Fahrzeug getroffen werden soll…
bei den letzten Konflikten um Bergkarabach wurden killerdrohnen halt auch offensiv in der Kriegsführung eingesetzt…was aus militärischer Sicht natürlich sinnvoll ist…
diese Art von Kriegsführung bringt natürlich viele neue Probleme und Fragestellungen mit sich…
aber nur weil WIR die Augen davor verschließen heißt das nicht dass es diese Mittel gibt und dass sie auch eingesetzt werden!
die strikte Weigerung der SPD ist meiner Meinung nach nur der billige Versuch Stimmen für die Wahl zu gewinnen… und das zur Last unserer Soldaten
klar muss man nicht alle Systeme einsetzen nur weil sie da sind… aber vieles macht halt schon Sinn… ich kann auch bereits vorhandene militärische Hardware für gezielte illegale Tötungen missbrauchen … da ist eine heron TP mit ein paar Bomben darunter nichts Neues…
sondern die Weigerung dagegen nur Symbolpolitik
so lange am Ende der Mensch noch entscheidet wer wann getötet wird und wer nicht ist das alles im grünen Rahmen
wichtig ist auch die Fragestellung wie man militärischen und nicht militärischen Parteien begegnen kann und will die kleinst killer Drohnen und FK offensiv einsetzen… Stichwort SHORAD
Es wirkt doch bei verständiger Würdigung des Verhaltens der SPD so, als wolle sie die Bundeswehr teilweise demoralisieren.
Ein nicht zu unterschätzender Teil der deutschen Bevölkerung schaut verächtlich auf die Bundeswehr, weil diese in Teilen nur noch lächerliche Schlagzeilen produziert.
Das Bild von der Bundeswehr wird auch und gerade durch das politische System geprägt. Das politische Verhalten der SPD schadet der Bundeswehr zweifelsfrei.
Für den Ansehensverlust ist die Bundeswehr ausnahmsweise mal nicht selbst verantwortlich.
Zum Glück ist die nächste Bundestagswahl nicht mehr so weit entfernt und jede Soldatin und jeder Soldat sollte insbesondere bei der Zweitstimme genau hinschauen.
Dazu wäre es ja auch mal interessant welche mil wirkung der einsatzes von drohnen im kaukasuskrieg denn hatte. Also ob es eher psych natur war oder eben doch den verlauf beeinflust hat.
Und auch die frage wer hat was wie woher warum wogegen mit welcher schlagkraft und mit welchem effekt, eingesetzt. Ist sicher millitärisch spannend (für Frau Dr. U.Franke) und andere. Bis 2021. Alles gute.
Tobias Lindner (B’90/Grüne) äußert sich erneut deutlich konstruktiver zu bewaffneten Drohnen als die SPD-Führung.
Er sieht einen Bedarf die Vorschläge des BMVg zu Einsatzgrundsätzen und Berichtspflichten breiter zu diskutieren, um „Brücken“ zu finden.
Quelle:
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/tobias-lindner-im-dbwv-interview-das-sind-wir-den-menschen-in-afghanistan-aber-auch-unseren-gefallenen-soldaten-schuldig
Seine Ideen decken sich jedoch auch noch nicht mit der offiziellen Sichtweise der Fraktion (geprägt von Frau Keul), die weiterhin den Bedarf grundlegend in Frage stellt:
https://mobile.twitter.com/GrueneBundestag/status/1339634746872262656
Der Raketenbeschuss in Kunduz scheint als Bedarf weiterhin nicht auszureichen.
Dahinter steckt wohl – wie auch bei der SPD – die Vorstellung, dass in einem „Nicht-Kampfeinsatz“ nicht gekämpft werden muss.
Die #Drohnendebatte2021 wird wohl erneut so manche Merkwürdigkeit hervorbringen.
Zunächst alles Gute für das neue Jahr!
Die Haltung der SPD kann aber auch nach hinten losgehen, denn ein Großteil der Bevölkerung ist laut Umfragen für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr.
Frage : Wie geht es nun weiter?
Was geschieht nun mit der Haushaltsvorlage?
Muss diese bis Tag x bearbeitet werden?
Kann die Kanzlerin eine Entscheidung treffen?
Das Interview von Tobias Lindner ist mir auch sehr positiv aufgefallen (und verdient z.B. im Hinblick auf die Aussagen zum Vtdg-HH eigentlich noch mehr Beachtung). Ein Oppositionspolitiker formuliert wie ein externer Berater der Bundesregierung, obwohl er gegenteilige Ansichten vertritt…
Nach der Phase der Konfrontation zwischen SPD und CDU wäre jetzt in der Tat mal wieder angesagt, die Schärfte der Konfrontation herunterzufahren und einen möglichen Konsens zu suchen.
Ansatzpunkt wäre in der Tat das sehr differenzierte Papier des BMVg aus dem Sommer, das in der aktuellen Debatte kaum vorkommt. Die „GRUNDSÄTZE FÜR DEN EINSATZ VON DEUTSCHEN BEWAFFNETEN UNMANNED AIRCRAFT SYSTEMS (UAS)“ stehen da beispielsweise versteckt auf Seite 19 und wurden kaum offensiv kommuniziert – auch in Diskussionen mit Gegnern der Beschaffung.
Zudem könnte das BMVg konkrete Maßnahmen präsentieren z.B. zur Aussage „BMVg und Bundeswehr sind sich ihrer Verantwortung für die Drohnenpilotinnen und –piloten bewusst und werden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen.“ Mit Vorstellung dieser Maßnahmen würde man auch ein wichtiges Gegenargument von Nina Scheer aufgreifen, nämlich dass die Drohnen-Operateure selbst zusätzlich gefährdet werden. (BTW: Was wurde da in den letzten 6 Monaten im BMVg entwickelt?)
Abschließend würde eine stärkere Fokussierung auf den konkreten Einsatz in Mali (verbunden vielleicht mit dem Angebot ausgebauter Berichtspflichten und/oder einer zeitlichen Begrenzung) die Debatte weg von der prinzipiellen, hin zur pragmatischen Betrachtung der Bewaffnung ganzer 5 Drohnen ermöglichen. Das kombiniert mit der Fokusverschiebung (auch in der CDU) weg von der parteipolitischen Konfrontation hin zu einer ethischen, gewissensbasierten Entscheidung im Bundestag könnte noch am ehesten zum Erfolg führen.
Als einen Baustein dafür hat ja bereits Anne Bressem das direkte Gespräch mit den betroffenen Soldaten vorgeschlagen und die Zustimmung von Nowabo dafür erhalten ( https://mobile.twitter.com/AnneBressem/status/1336259484755353600 ). Genug kompetente, sich differenziert äußernde Soldaten hat man allein auf #miltwitter bei der #drohnendebatte2020 angetroffen. Diese Diskussion könnte man ja explizit mit Fokus auf diejenigen MdBs anbieten, die dem letzten Mali-Mandat zugestimmt haben, aber die Bewaffnung ablehnen.
BTW: Ich stelle mir die Frage, inwieweit CDU/CSU die Diskussion noch lösungsorientiert führen möchten oder ob es nicht auch für die Union zunehmend attraktiv ist, hier den Unterschied zur SPD wahltaktisch auszunutzen.
@Ex-Grenni:
Solange die SPD nicht will, kann die 25 Mio-Vorlage nicht parlamentarisch beraten werden.
Wenn es der Kanzlerin wirklich wichtig wäre, dann hätte sie das Thema längst im Koalitionsausschuss thematisiert.
Derlei ist aber nicht ihr Regierungsstil.
Bis zur Wahl wird also die Entscheidung um die Bewaffnung der HERON TP ausgessesen. Es stehen aber noch Entscheidungen zu Eurodrohne und FCAS noch an.
Da wird es mit der Verzögerung deutlich schwieriger, da dies multinationale Programme sind.
@K.B.:
Richtig das Papier wird zu wenig in der Debatte verwendet. Die Kernaussagen darin decken sich jedoch auch nicht immer mit den Aussagen der Union (Schutz vs. Auftragserfüllung).
@all:
Prof. Münkler hat im Tagesspiegel die Debatte gut zusammengefasst:
„Wenn man keine Kampfdrohnen anschaffen will, kann man auch den Rest vergessen.“
Etwas zugespitzt.
Aber das will ja nun auch die SPD, die das Thema prominent im Wahlkampf behandeln will, aber wohl ohne eigene Position.
@K.B.:
Ein Nachtrag zum Papier des BMVg, das ja hier (auch nur kurz) diskutiert wurde (https://augengeradeaus.net/2020/07/dronewatch-verteidigungsministerium-legt-regeln-fuer-bewaffnete-deutsche-drohnen-vor/).
Auch in dem Papier schwankt das BMVg, wie schon seit Beginn der Debatte (Eingangsstatement von PSts Tauber bei der Auftaktveranstaltung, https://augengeradeaus.net/2020/05/dronewatch-neue-debatte-argumente-wie-schon-2014/comment-page-1/#comment-343242), in der Zielsetzung zwischen Eigenschutz und Auftragserfüllung.
Dahinter verbirgt sich das Grundproblem der deutschen Sicherheitspolitik:
Das Negieren der Rolle von Gewalt (hard power) in der Sicherheitspolitik.
Die Koalitionspartner werden bis zur Wahl die Diskussion nicht versachlichen wollen.
Es geht – wie schon öfter erwähnt – nur um Profilierung für das jeweilige Publikum. Auf beiden Seiten mit recht grobschnittigen Argumenten.
Mit den Grünen geht die Debatte nach der Wahl wieder los. Auch dort ist die Basis ziemlich weit weg von den Fachleuten in der Fraktion.
SPD ergeht sich in Denkverboten und Verboten an sich, flexibel, zukunftsgerichtet, offensiv dagegen Grüne.
„In einem Interview forderte Grünen-Chefin Annalena Baerbock vor kurzem eine strategische Neuaufstellung der Nato“. (Cicero.de)
Wie realistisch, bzw. konsensfähig dies auch ist, der Unterschied wird deutlich; hier „wir sind dagegen“ also lediglich die Aussage, was Sozialdemokratie nicht will, dort ein gewagter Blick nach vorn, wie er auch bei Tobias Lindner erkennbar wird.
Wer bewaffnete Drohnen kategorisch negiert, gibt den Anspruch auf, Europas Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken und in der Welt eine Rolle im System der großen Vier einzunehmen.
Der Wille zur Regierungsfähigkeit kommt in den Aussagen von Grünen zur Geltung, wohingegen Mützenich &Co eher die Opposition manifestieren, ohne dies zu wollen.
https://theprint.in/defence/upgraded-israeli-drones-airbus-aircraft-tejas-deals-on-defence-ministry-agenda-for-2021/579794/ „…According to the plan, the Herons are supposed to be upgraded with laser-guided bombs, precision-guided munitions, and anti-tank missiles.
The forces are also planning to equip the drones with better surveillance and reconnaissance capabilities.“
Sorry, aber das kannst du nicht aufhalten…
Also, bei aller Liebe zu den regierungswilligen Gruenen, aber das Bild ist bei denen doch aehnlich gemixt wie bei der SPD, die haben doch auch keine klare Haltung, ausser dass die eine Partei instinktiv als Juniorpartner aus der Regierung raus und die andere als Juniorpartner in eine Regierungskoalition eintreten moechte, was die jeweilige Verteilung der Sprechtexte ein klein wenig aendert. Geschlossenheit sieht anders aus.
Ich bleibe dabei, diese 15 Jahre verspaetete Gespensterdebatte ist deutsche politische Folklore, was die geringe strategische Relevanz dieser Beschaffungsfrage unterstreicht, wenn alle ihre Standardsaetze und -bedenken ablassen duerfen, ohne dass es wirklich zum Schwur kommen muss vor der BT-Wahl. Ich glaube kaum, dass sich das militaerische Gewicht Deutschlands und Europas an dem Besitz oder Nichtbesitz von bewaffneten ferngesteuerten Kolbenmotor-Fluggeraeten messen lassen muss. Denn wenn das so wichtig gewesen waere fuer das buergerlich-konservative Lager, wie man sich dort bei der aktuellen Debatte den Anschein gibt, haette die letzte gelb-schwarze Koalition das ja durchwinken koennen.
Unterm Strich bleibt: Die im Parlament vertretenen Parteien machen derzeit den Eindruck, bei Aussen- und Sicherheitspolitik nicht strategiefaehig zu sein, da saubere Ableitungen in der Beschaffungsdebatte vordergruendig nicht vorkommen, sondern nur unreflektiert in moralinsauren Sossen geruehrt wird („Schutz der Soldatinnen und Soldaten!“ vs. „Ganz, ganz schlimm, was da in Armenien passiert ist!“) . Das Rumgemuenkler von wegen „Ohne Drohne ist Alles nix“ unterscheidet sich davon auch nur geringfuegig.
Aber auch bei Parteien gilt: Was nicht reingesteckt wird, kommt auch nicht raus. Wenn die innerparteilichen Willensbildungsprozesse im Bereich Aussen- und Sicherheitspolitik ohne umfassend informierte Debatten und ohne entsprechend interessierte und qualifizierte Teilnehmende stattfinden, wird sich das im Parlament nicht ploetzlich bessern.
@ J10
Die Heron TP ist wie der Name schon sagt eine Turboprop-Turbinen angetriebene Drohne. Ist also schon eine Hausnummer größer als die jetzt eingesetzte Herron 1 mit dem Rotax 914, 115 PS Kolbenmotor.
@J10:
Natürlich geht es in der Gespensterdebatte nicht um die 5 Drohnen. Es geht um das Selbstverständnis Deutschlands in der internationalen Politik, anhand eines sehr emotionalisierten Themas.
Anhand von bewaffneten Drohnen kann man eben als Partei jeweils zeigen, ob man für Frieden oder für einsatzbereite Streitkräfte steht.
Den Befürwortern in der Union war es aber halt erst wieder wichtig nachdem es AKK wichtig fand.
Im Kern argumentiert aber niemand ehrlich entlang der Fähigkeiten von Streitkräften: Gewalt offensiv anzudrohen und anzuwenden und dies jeweils auf strategischer, operativer und taktischer Ebene zu unterscheiden.
Da kann man sagen es ist zu kompliziert in der Kommunikation, das letzte Jahr zeigte mir, dass der Wesenskern von Streitkräften von sehr vielen politischen Entscheidern gar nicht mehr verstanden wird.
Genau darin liegt die Brisanz der Gespensterdebatte – nicht nur für J3 und J5.
In einem Interview mit der ZEIT (morgige Ausgabe) begrüßt Norbert Walter-Borjahns erneut die SPD-interne Drohnendebatte, da diese stellvertretend (!) für unterschiedliche Vorstellungen von Friedenssicherung in der Gesellschaft stehe.
Man könnte meinen die SPD ist seit Jahrzehnten in der Opposition.
Na dann diskutiert mal schön…
Für die Aufklärung auch ungünstige Aussichten: @soldat_technik
Das @BMVg_Bundeswehr erwartet weitere Verzögerungen bei der Beschaffung der neuen Aufklärungsdrohne #HUSAR für das @Deutsches_Heer. Dies geht aus einer jüngst veröffentlichten Antwort von @SilberhornMdB an @MarcusFaber hervor.
HUSAR soll das in die Jahre gekommene Kleinfluggerät Zielortung (KZO) des Heeres ablösen.
Sts Silberhorn: „… ersten drei Seriensysteme mit ihren insgesamt 15 Luftfahrzeugen Anfang des Jahres 2021 mit einer Anfangsbefähigung in Nutzung zu nehmen …“.
Ein System HUSAR = fünf Drohnen. Verzögerungen durch CORONA-Liefertückstände?
[Ich wäre dankbar, wenn hier nicht spekuliert würde, sondern einfach mal ein Blick auf die Fakten geworfen wird… zum einen: Wie hier zu lesen war, läuft bei der Herstellerfirma ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung
https://augengeradeaus.net/2020/12/drohnen-lieferant-der-bundeswehr-im-insolvenzverfahren-und-was-wird-nun-aus-dem-neuen-husar/
Zum anderen kann man sich auch das Original der Antwort von Silberhorn ansehen:
Das projektbegleitende Forderungscontrolling erfolgt durch die Vorlage von Nachweisen gemäß dem vertraglich vereinbarten Abnahme- und Nachweisplan. Somit erfolgt die Qualifikation der Seriensysteme HUSAR kontinuierlich und führt zum vertraglichen Meilenstein „Erteilung der Musterzulassung“. Bezogen auf diesen Meilenstein weist das Projekt einen Verzug von ca. 16 Monaten auf.
Im Rahmen der gerichtlich angeordneten vorläufigen Eigenverwaltung bleiben die bestehenden Verträge grundsätzlich erhalten. Daher behält der Bund die EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH als Vertragspartner, sofern der Auftragnehmer den Vertrag nicht kündigt.Auch wenn sich die zeitliche Ausplanung der Serienproduktion durch die Eigenverwaltung vorerst nicht ändert, lassen sowohl der bisherige Projektfortschritt als auch die neue rechtliche Konstellation erwarten, dass es zu weiteren Verzögerungen kommt. Konkrete zeitliche Abschätzungen werden erst im weiteren Verfahrensgang möglich sein.
https://dserver.bundestag.de/btd/19/254/1925435.pdf
Also kein Corona-Bezug über den von Silberhorn bereits im November genannten hinaus. Und übrigens auch kein Zusammenhang mit dem Thema dieses Threads.
T.W.]
Memoria sagt:
06.01.2021 um 0:28 Uhr
„Anhand von bewaffneten Drohnen kann man eben als Partei jeweils zeigen, ob man für Frieden oder für einsatzbereite Streitkräfte steht.“
Wenn das so sein sollte, vergessen wir die bewaffneten Drohnen, denn Frieden ziehe ich in jedem Fall vor. ;-)
Im Ernst: Ich halte das Bild für falsch, oder für schlecht gewählt. Damit kriegen Sie die bewaffneten Drohnen in absehbarer Zeit nie, da eine CDU/FDP-Mehrheit unrealistisch ist, und querschnittlich „einsatzbereiter“ wird die BW mit einem halben Dutzend bewaffneter Herons doch auch nicht, schon gar nicht in LV/BV…
Die Grünen bekommt man mit der „Wir haben immer gesagt „Nie wieder Krieg“, aber wir haben auch immer gesagt „Nie wieder Auschwitz““ Aussage von Joschka Fischer beim Kosovo-Konflikt auf seine Seite. Militäreinsatz ausserhalb von LV/BV als Ultima Ratio um schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern, mit klarem Ziel, trägt die Grüne Basis mittlerweile mehrheitlich mit. Wenn klar wäre, dass für so etwas bewaffnete Drohnen einen erheblichen Vorteil bieten, der nicht sinnvoll durch andere Massnahmen erreicht werden kann, kann man die Grünen für sich gewinnen. Aber wie schon vorher diskutiert, die Argumentationsfähigkeit von Union und BW-Führung war bisher auch bemerkenswert schlecht.
@Landmatrose3000:
Man kann es wohl nicht oft genug sagen:
Es geht natürlich nicht um die Bewaffnung von 5 Drohnen. Die Debatte ist ein Symbol, dafür wie deutsche Politik gestaltet werden soll – quasipazifistisch oder realpolitisch.
So ist auch mein oben zitierter Kommentar zu verstehen.
Den Grünen gegenüber kann man alldas auch sehr gut mit R2P begründen.
Mir geht es aber zunächst darum aufzuzeigen, dass es sich nicht um eine Sachdebatte handelt. Es geht um Grundfragen von Politik, die sehr wenig mit technische Fragen zu Drohnen zu tun haben.
Gerade auch die Grünen vereinen eben weiterhin beide Denkschulen (Nie wieder Krieg und Nie wieder Auschwitz).
Helmut Schmidt sagte mal jeder der Sicherheitspolitik betreibt sollte wissen was ihm ultimativ wichtiger ist:
Frieden oder Freiheit.
Diese Fragen aus den Debatten um ide Wiederbewaffnung und vorallem die Nachrüstung holen uns nun wieder ein.
Die wesentlichen Entscheider wurden politisch mit der Nachrüstung geprägt.
5 bewaffnete Drohnen hin oder her.