Drohnen-Lieferant der Bundeswehr im Insolvenzverfahren – Und was wird nun aus dem neuen HUSAR? (Nachtrag: BAAINBw)

Das Unternehmen EMT, wesentlicher Lieferant der kleinen Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr, befindet sich in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Als Grund nannte die Firma Liquiditätsschwierigkeiten nach Rücknahme einer Ausfuhrgenehmigung und Verzögerungen in der Fertigstellung von Auftragsdokumentationen. Ob sich das auf das geplante neue Aufklärungssystem HUSAR des Heeres auswirkt, das ohnehin hinter dem Zeitplan liegt, ist bislang unklar.

EMT ist der Hersteller der Drohnen vom Typ Aladin  und LUNA (Luftgestützte unbemannte Nahaufklärungsausstattung), die seit Jahren von der Bundeswehr auch in Auslandsmissionen eingesetzt werden.

Die aktuelle finanzielle Lage teilte das Unternehmen am vergangenen Freitag per Pressemitteilung* mit:

Die EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH saniert sich in Eigenverwaltung.
Das Amtsgericht Weilheim hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2020 antragsgemäß die vorläufige Eigenverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft angeordnet und Herrn Ivo-Meinert Willrodt von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Die Gesellschaft wird durch den Generalhandlungsbevollmächtigten, Herrn Dr. Oliver Liersch, Brinkmann.Weinkauf Rechtsanwälte in der Sanierung unterstützt. (…)
Grund für die Antragstellung sind Liquiditätsschwierigkeiten. Infolge des gegen einen Kunden verhängten Embargos konnten geplante Auslieferungen nicht erfolgen, was zu erheblichen Einnahmeausfällen führte. Hinzu kamen zuletzt Verzögerungen in der Fertigstellung von Auftragsdokumentationen, was weitere Liquiditätslücken entstehen ließ.
Verhandlungen mit den Kunden scheiterten zuletzt, weshalb der Schritt in die Eigenverwaltung erforderlich wurde. Dieses Verfahren erlaubt die erfolgreiche Restrukturierung der Gesellschaft, die Fortführung des Geschäftsbetriebs und den Erhalt der Arbeitsplätze.

In welches Land die Ausfuhr von Drohnen untersagt wurde, teilte das Unternehmen zwar nicht mit. Aus Expertenkreisen wurde aber auf Lieferungen an Saudi-Arabien verwiesen – und die bisherigen Genehmigungen für Rüstungsexporte fast aller Firmen in das arabische Land wurden widerrufen, ein Exportstopp gilt bis Ende kommenden Jahres, wie der Stern-Kollege Martin Tillack kürzlich erfuhr:

Im vergangenen Jahr waren in iranischen Medien Fotos aufgetaucht, die eine von jemenitischen Kräften in Saudi-Arabien abgeschossene LUNA-Drohne zeigen sollen:

Für die Bundeswehr stellt sich in dieser Situation möglicherweise die Frage, wie es ihren Planungen für Drohnen in dieser Größe weitergeht. Bereits im August 2015  hatte das Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass die geplante Nutzung der LUNA wie auch des Kleinfluggeräts Zielortung (KZO) bis zum Jahr 2020 begrenzt sei.

Dringend ist für das Heer vor allem die Nachfolge des KZO-Systems. Im September 2016 hatte das Ministerium dafür das System HUSAR in Aussicht gestellt:

Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat am 15. August 2016 im Projekt HUSAR den Lösungsvorschlag 4 (Kombination aus Nutzungsdauerverlängerung (NDV) von acht Systemen LUNA und Neubeschaffung von drei marktverfügbaren UAS) zur Auswahlentscheidung (AWE) erhoben. Mit dieser Entscheidung wurde die Vorgabe verbunden, im Laufe des kommenden Planungszyklus eine Realisierung weiterer Systeme ab 2020 gemäß LV 5 mit dem Ziel des Erreichens einer aufgabenorientierten Ausstattung zu prüfen.

Die Bundeswehr plant dabei mit einer weiterentwickelten LUNA NG (Next Generation) – und der Zeitplan ist ohnehin schon ins Rutschen gekommen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Silberhorn sagte dazu am 18. November dem Bundestag:

Der derzeit mit dem Auftragnehmer abgestimmte Zeitplan sieht vor, die ersten drei Seriensysteme mit ihren insgesamt 15 Luftfahrzeugen Anfang des Jahres 2021 mit einer Anfangsbefähigung in Nutzung zu nehmen. Zusammen mit den fünf Luftfahrzeugen des bereits abgenommenen Pilotsystems sollen sie im Schwerpunkt zu Ausbildungszwecken eingesetzt werden. Alle Systeme dieses Bauloses werden bis Ende des Jahres 2021 auf die Zielbefähigung umgerüstet. Der Zulauf der übrigen mit der Zielbefähigung ausgerüsteten Luftfahrzeuge ist derzeit ab Ende des Jahres 2021 vorgesehen und soll bis zum Jahr 2023 abgeschlossen sein.Aus der aktuellen Covid-19-Pandemie resultierende Einschränkungen beim Auftragnehmer und dessen Zulieferern führen zu Verzögerungen, sodass der bestehende Zeitplan absehbar anzupassen sein wird.

und Heeresinspekteur Alfons Mais hatte sich bereits Anfang November im Hinblick auf die von Deutschland gestellte NATO-Speerspitze VJTF2023 ebenfalls skeptisch zum Zeitplan geäußert:

Auch das ein oder andere Rüstungsprojekt, das dezidiert auf die VJTF 2023zugeschnitten war kommt mit Sicherheit nicht rechtzeitig (HUSAR, qualifizierte FlgAbw) oder in abgestufter Qualität.

Nachtrag (Danke für den Leserhinweis!): Auf unternehmensregister.de, das im Auftrag des Bundesjustizministeriums betrieben wird, findet sich im Jahresabschluss 2018 für die EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH, Penzberg, unter Sonstige Pflichtangaben der Hinweis:

Der Exportstopp für Lieferungen nach Saudi-Arabien wurde bis zum 31.03.2020 verlängert. Als Reaktion auf die Verlängerung wurde EMT bei einem Kundenbesuch am 02.10.2019 in Saudi-Arabien mitgeteilt, dass EMT der vom Exportstopp betroffene Vertrag entzogen werden soll. (…) Dementsprechend geht EMT aus heutiger Sicht nicht mehr davon aus, dass der Vertrag mit dem Kunden aus Saudi-Arabien fortgeführt werden kann oder mit weiteren nennenswerten Umsätzen in der Zukunft zu rechnen ist.

Nachtrag 8. Dezember: Das BAAINBw sagte dazu auf meine Nachfrage:

Dem Antrag der Fa. EMT auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Anordnung der Eigenverwaltung wurde durch das zuständige Amtsgericht am 04.12.2020 stattgegeben. Die Auswirkungen auf das Projekt HUSAR können zum jetzigen Zeitpunkt, zwei Werktage nach Bekanntwerden des Beschlusses, noch nicht abgesehen werden.

Fürs Archiv die Sicherungskopie der EMT-Pressemitteilung: 20201204_EMT_Penzberg_Eigenverwaltung

(Archivbild April 2013: LUNA am OP North in Afghanistan – Andrea Bienert/Bundeswehr)