Trump plant Beschleunigung des Afghanistan-Abzugs bis zum Ende seiner Amtszeit (Nachtrag: NATO)
US-Präsident Donald Trump, ungeachtet des Wahlausgangs bis zum 20. Januar kommenden Jahres im Amt, will bis zu diesem Zeitpunkt den von ihm seit längerem gewünschten schnelleren Abzug der US-Truppen aus Afghanistan durchsetzen. Das berichten mehrere US-Medien. Danach werde geplant, die Zahl der amerikanischen Soldaten am Hindukusch noch im Januar 2020 von derzeit knapp 5.000 auf die Hälfe zu reduzieren.
In den vergangenen Monaten, vor der Präsidentenwahl in den USA, hatte Trump mehrfach eine deutliche Verringerung der Truppen in Afghanistan verlangt. Im Oktober hatte er auf Twitter gefordert, alle US-Soldaten bis Weihnachten dieses Jahres abzuziehen. Diese Forderung schien vom US-Verteidigungsministerium aber abgewendet werden zu können.
Nachdem der amtierende Präsident in der vergangenen Woche praktisch die ganze Führungsspitze des Pentagon ausgewechselt und Verteidigungsminister Mark Esper gefeuert hatte, scheinen die Pläne unter dem neuen amtierenden Minister Christopher C. Miller wieder an Fahrt aufzunehmen – denn Esper galt als Gegner eines überhasteten Abzugs.
Aus der Washington Post vom (heutigen) Montag:
The Trump administration is planning to move ahead with a significant reduction of U.S. forces in Afghanistan before President Trump leaves office in January, despite months of Pentagon warnings that doing so could jeopardize prospects for lasting peace.
According to officials familiar with the discussions, the White House is preparing to announce as soon as this week plans to roughly halve the number of U.S. troops, from around 5,000 to 2,500, by the time President-elect Joe Biden assumes office on Jan. 20.
Nach einem Bericht des TV-Senders CNN wurden dafür bereits die ersten Vorbefehle ausgegeben:
US military commanders are anticipating that a formal order will be given by President Donald Trump as soon as this week to begin a further withdrawal of US troops from Afghanistan and Iraq before Trump leaves office on January 20, according to two US officials familiar.
The Pentagon has issued a notice to commanders known as a „warning order“ to begin planning to drawdown the number of troops in Afghanistan to 2,500 troops and 2,500 in Iraq by Jan 15, the officials said. Currently there are approximately 4,500 US troops in Afghanistan and 3,000 troops in Iraq.
Ergänzung: die gleiche Nachricht von Associated Press:
The Trump administration is expected to cut the number of U.S. troops in Afghanistan almost in half to 2,500 by Jan. 15, a U.S. official said Monday. The order would stop short of outgoing President Donald Trump’s goal to have all troops withdrawn by the end of the year, which had faced opposition from military and diplomatic advisers.
Nun hatten sich die USA zwar bereits Ende Februar mit den Taliban in einem Abkommen auf einen Abzug ihrer Truppen und der ihrer Verbündeten im kommenden Frühjahr verständigt – aber dieser Abzug sollte zum einen auf der Bedingung eines Rückgangs der Gewalt in Afghanistan basieren und zum anderen nicht so schnell passieren, wie es jetzt absehbar ist.
Bei früheren Ankündigungen zu Truppenreduzierungen hatten die USA den Verbündeten, also auch Deutschland, zugesichert, dass die für deren Einsatz am Hindukusch nötigen amerikanischen Unterstützer, die so genannten Enabler, möglichst lange bleiben sollten. Bei der jetzt anscheinend neuen Lage bleibt es vorerst eine offene Frage, ob diese Zusicherung auch weiterhin gilt – und wie sich ein beschleunigter US-Abzug auf den deutschen Einsatz in Afghanistan auswirkt.
Nachtrag 17. November: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nahm am Dienstag zu den bekanntgewordenen Planungen Stellung – und erinnerte an den Grundsatz ‚gemeinsam rein, gemeinsam raus‘; mit anderen Worten: Eine sehr diplomatische Ablehnung eines beschleunigten Abzugs.
I am in close contact with the US, as well as all other Allies as regards our mission in Afghanistan. NATO went into Afghanistan after an attack on the United States to ensure that it would never again be a safe haven for international terrorists. Hundreds of thousands of troops from Europe and beyond have stood shoulder to shoulder with American troops in Afghanistan, and over one thousand of them have paid the ultimate price.
We now face a difficult decision. We have been in Afghanistan for almost 20 years, and no NATO ally wants to stay any longer than necessary. But at the same time, the price for leaving too soon or in an uncoordinated way could be very high. Afghanistan risks becoming once again a platform for international terrorists to plan and organise attacks on our homelands. And ISIS could rebuild in Afghanistan the terror caliphate it lost in Syria and Iraq.
NATO Allies support the peace process in Afghanistan. As part of this process, we have already significantly adjusted our presence. And we have repeatedly said that we will continue to review our troop levels. We now have under 12,000 NATO troops in Afghanistan, and more than half of these are non-US forces. Even with further US reductions, NATO will continue its mission to train, advise and assist the Afghan security forces. We are also committed to funding them through 2024.
We went into Afghanistan together. And when the time is right, we should leave together in a coordinated and orderly way. I count on all NATO allies to live up to this commitment, for our own security.
(Archivbild September 2020: Übung des Personnel Recovery Teams der Bundeswehr bei Mazar-e Sharif in Nordafghanistan im Rahmen der Mission Resolute Support – Andre Klimke/Bundeswehr)
Eine Halbierung der Kräfte wird wohl mit einem (teilweisen) Rückzug aus der Fläche einhergehen müssen.
Den inneren Ring bilden sicher Kabul (Stab, Eigensicherung) und Bagram (Logistik, Lufttransport, Luftangriff, Spezialkräfte).
Ob MeS in der Gesamtbetrachtung noch wirklich relevant ist?
urde der Abzug nicht sogar vertraglich festgeschrieben?
https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/Agreement-For-Bringing-Peace-to-Afghanistan-02.29.20.pdf
“
1) The United States, its allies, and the Coalition will complete withdrawal of all remaining
forces from Afghanistan within the remaining nine and a half (9.5) months.
2) The United States, its allies, and the Coalition will withdraw all their forces from
remaining bases.“
Das war Stand Ende Februar 2020. Man kann natürlich argumentieren, daß dies nicht der startzeitpunkt war, jedoch ist die Truppenreduzierung sicher als Zeichen des guten Willens anzusehen. Davon ab: wie lange wollte man denn noch vor Ort sein? Mit welchem Kräfteansatz?
Vielleicht oassend
„Der Chefunterhändler der Taliban in Doha, Mawlawi Abdul Hakim Sharai, erklärte, der US-Truppenabzug sei keine Friedensvereinbarung, sondern ein Zeichen für die Kapitulation der USA vor den Taliban.“
aus: https://www.tagesschau.de/ausland/afghanistan-usa-truppenabzug-103.html
Solange es nicht Saigon ’75 wird!
Bei Reduzierung um 50%, welche Auswirkung auf uns, unsere Anlehnungspartner?
Wenn Trump bis 20.01.21 Fakten schaffen will, beginnt ab Weihnachten die kritische Phase. Emotional ungünstig für abendländische Truppe.
Na also, alles halb so heiß?
@lindsaywise
„Senate Majority Leader Mitch McConnell delivered a sharply worded warning on the floor of the Senate against plans being drafted by the Trump administration to withdraw forces from Afghanistan, comparing a rapid pull out to „the humiliating American departure from Saigon in 1975“.
Saigon ’75, das Waterloo des 20. Jahrhunderts!
Die Sache steht auf verlorenen Posten!
Die USA werden abziehen nur damit Trump noch behaupten kann – Er alleine hätte den Krieg beendet und die Boys heim gebracht. –
In 2021 wird man dann im TV die Bilder sehen wie die Taliban durch Kabul marschieren.
Weil die Zentralregierung keine Ausrüstung/Munition/Ersatzteile mehr aus dem Westen bekommt und ihre Soldaten noch schnell die Seite des Siegers wählen.
Hoffe das der Benderblock schon die Notfall Evakuierungspläne in der Schublade hat…..
@Thomas Melber sagt: 16.11.2020 um 21:15 Uhr
Ich hatte das so verstanden, dass die zeit ab beginn der ersten Phase mit Austausch von Gefangenen beginnt, das wäre dann April. Aber die zwei Monate machen es auch nicht besser.
ich habe immer noch nicht verstanden, warum man das deutsche Kontingent nicht sukzessive im Gleichklang mit den amerikanischen Truppen abgebaut hat. Welche sog. Enabler sollen denn noch vor Ort sein, wenn die Pläne so umgesetzt werden? Man kann nur hoffen, dass die Unzuverlässigkeit der Trump-Administration in die Rückverlegungspläne des Bendler-Blocks mit eingeflossen sind. Ansonsten riskiert man unnötigerweise das Leben unserer Männer und Frauen.
Sollte das nicht der Fall sein, wäre das an Naivität und Blauäugigkeit kaum zu überbieten.
Der Abzug aus Afghanistan ist meiner Meinung nach schon lange überfällig. Wir werden dort nichts mehr erreichen. Deshalb ist es besser jetzt die Konsquenzen zu ziehen als noch länger westliche Soldaten zu gefährden.
Ich hoffe nur, die USA stürzt sich dann nicht gleich wieder in das nächste „nation building“ Abenteuer.
Wird auch interessant werden zu sehen wie sich der IS in der Situation verhält.
Küstengang01 sagt:
17.11.2020 um 8:23 Uhr
„Weil die Zentralregierung keine Ausrüstung/Munition/Ersatzteile mehr aus dem Westen bekommt und ihre Soldaten noch schnell die Seite des Siegers wählen.“
Mit Verlaub:
Die afghanische Regierung hat-so, wie das in solchen Konflikten oft gelöst wird-eine komplett ausgerüstete und ausgestattete Polizei und auch Streitkräfte bekommen.
Die Ausbildung läuft seit Jahren, und wird noch weiterlaufen, wenn auch der letzte US-Soldat abgezogen ist, denn sie wird durch private Dienstleister durchgeführt.
Allerdings gehen sowohl Material als auch Personal den „üblichen“ Weg….
Wenn der Polizist feststellt, dass er seine Ausrüstung für 1000 USD verkaufen kann (und damit-überspitzt formuliert- ein Jahresgehalt auf einmal bekommt), oder der Offizier der Streitkräfte feststellt, wie leicht man Vorräte „verkaufen“ kann…..oder auch mal ganze Panzer „verlieren kann“, die dann anderswo auf dem Markt auftauchen……dann erklärt das einiges.
Hier haben die Staaten bis heute nicht gelernt, wie manche Länder „ticken“…..
@Henrik sagt: 17.11.2020 um 9:39 Uhr
„Ich hoffe nur, die USA stürzt sich dann nicht gleich wieder in das nächste „nation building“ Abenteuer.“
ich frage mich, wo das passieren soll, aber soll sie doch. Es gibt keine automatische Verpflichtung, daran teilzunehmen.
@all
Eine Stellungnahme von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg dazu oben im Nachtrag.
Dem US-Militär, Herrn Stoltenberg und allen Uniformträgern in der NATO noch einmal ins Stammbuch geschrieben:
Der US-Präsident ist Oberbefehlshaber des US-Militärs und der NATO.
Wenn der US-Präsident den Abzug befiehlt, hat jeder subalterne Uniformträger und jeder Zivilbeamte des Militärs zu gehorchen. Punkt.
Das Pentagon hat jahrelang die Bemühungen des POTUS um einen Abzug aus AFG behindert. das Militär hat auf dessen Wunsch hin auch von Trump noch einmal Zeit und Mittel für eine militärische Lösung in AFG zur Verfügung gestellt bekommen, aber selbst eine Legende wie Mattis konnte nicht liefern. Präsidiale Order zum Abzug (respektive Erstellung und Umsetzung eines Abzugsplanes) wurden vom US-Militär verweigert. Anscheinend darf der amerikanische Oberbefehlshaber heutzutage Offiziere, die Befehle verweigern, nicht mehr an die Wand stellen lassen oder wenigstens zum einfachen Soldaten zur Frontbewährung degradieren, also hat der POTUS sie zumindest ihres Kommandos enthoben und neue Verantwortliche berufen, die es mit den Pflichten gegenüber ihrem obersten Dienstherren genauer nehmen. Besser ein Teilabzug als fortgesetzte Befehlsverweigerung.
Herr Stoltenberg sei gefragt: Wenn ein Abzug nach 20 Jahren „too soon“ ist, wann wäre es denn dann für ihn passend? 30 Jahre? 50 Jahre? 100 Jahre?
Die Bundeswehr sollte besser mit dem Packen anfangen. oder schneller machen, wenn sie schon dabei ist. den Letzen beißen die Hunde. Oder die Taliban. Auch nicht angenehmer.
[Meinung können Sie haben, Fakenews sind hier nicht so gerne gesehen – nein, der US-Präsident ist nicht Oberbefehlshaber der NATO. Faktisch wirken sich seine Entscheidungen auf die NATO zwar aus, was Sie hier behaupten, stimmt schlicht nicht. T.W.]
@GSPSipo
„US-Armee bereitet sich wohl darauf vor, Zahl der Soldaten in #Afghanistan bis 15.1.2021 von z.Zt. 4.500 auf 2.500 zu reduzieren. Im #Irak sei Ähnliches geplant. Zudem sollen fast alle der >700 in #Somalia stationierten Soldaten das Land verlassen.“
@ntv_EIL
Trump ordnet Truppenabzug aus Afghanistan und dem Irak an!
AFG und IRK war erwartet worden, die Entscheidung zu den 700 in Somalia kann sich sehr kurzfristig fatal auswirken, die Lage im benachbarten Äthiopien/Tigray läuft aus dem Ruder.
[Ich hätte dann gerne noch eine belastbare Quelle für Somalia. Im Statement des US-Verteidigungsministers wird das nicht erwähnt. T.W.]
@KPK
„… die Lage im benachbarten Äthiopien/Tigray läuft aus dem Ruder.“
Ja, aber was sollen die USA da ausrichten?
[Wie schon bei @KPK angemerkt: Was ist die Quelle für einen Abzug aus Somalia? T.W.]
@Pio-Fritz
„Man kann nur hoffen, dass die Unzuverlässigkeit der Trump-Administration in die Rückverlegungspläne des Bendler-Blocks mit eingeflossen sind.“
Trump war da doch sehr berechenbar, mit dem Abzug war zu rechnen, zumindest aber die zügige Rückverlegung auszuplanen. Ich wundere mich bloß, daß er das erst so spät tut. Seine Militärs haben ihm vielleicht auch nicht immer reinen Wein eingeschenkt.
Oder war bei uns das Prinzip Hoffnung („wird schon nicht so kommen, und Biden macht das nicht“) handlungsleitend? Ich hoffe (sic!) nicht.
@KPK, @TM
So, jetzt die Quelle für einen angeblichen Abzug von US-Truppen aus Somalia gefunden: Die GSP twittert, dass n-tv melde, dass die New York Times heute vorab aus dem Entwurf der geplanten Anordnung des Pentagon gemeldet habe, auch der Abzug aus Somalia sei geplant.
Nachdem wir das Statement des US-Verteidigungsministers haben und das da nicht drinsteht, legen wir die Spekulation beiseite, bis sich da was Reales abzeichnet, ja? Das kann natürlich noch kommen; heute scheint es noch nicht spruchreif.
@all
Zu den bestätigten Reduzierungsplänen der USA für Afghanistan (und Irak) gibt’s einen neuen Thread.
@TW
Das hätte man schon früher wissen können – Stand: Mitte Oktober (sic!):
https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-10-13/trump-demands-plan-to-pull-hundreds-of-u-s-troops-from-somalia (u.a. Quellen, also durchaus nicht überraschend).
Das läuft unter „global pullback“ – https://de.reuters.com/article/us-usa-somalia-withdrawal/trump-could-withdraw-troops-from-somalia-as-part-of-global-pullback-idUSKBN27X1YU
[Ja, auch den beschleunigten Abzug aus Afghanistan konnte man aus Trumps Tweets schon seit Monaten lesen. Und? Heute gab’s die Bestätigung. Für Somalia noch nicht. T.W.]
@TW
Most likely, most dangerous. Bei Trump mußte man sich auf „most dangerous“ einstellen.
Es gibt ein Grundproblem bei diesen meist politisch motivierten Einsätzen : in fast allen Einsätzen war es von Anfang an klar, dass diese Kriege nicht zu „gewinnen“ sind. Sollte nicht von Anfang an überlegt werden, ob diese Kriege auch rein militärisch einen Sinn haben?