Vergabeverfahren fürs neue Sturmgewehr: Mitten im Patentstreit
Mit der geplanten Auftragsvergabe für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr sind das Beschaffungsamt der Streitkräfte und das Verteidigungsministerium mitten in einen Patentstreit der beiden Waffenfirmen Heckler&Koch und C.G.Haenel geraten. Dabei geht es um ein Patent, das Heckler&Koch angemeldet hatte und durch Waffen seines Konkurrenten verletzt sieht. Der Streit wird bereits vor Gericht ausgefochten.
Am vergangenen Freitag hatte das Ministerium mitgeteilt, das Vergabeverfahren für 120.000 Sturmgewehre mit dem Zuschlag für die Waffe MK556 der Thüringer Firma C.G.Haenel werde vorerst gestoppt. Als Grund wurde eine mögliche Patentrechtsverletzung durch die Firma C.G. Haenel genannt. Zuvor war Mitte September nach einer dreijährigen Ausschreibung dieses Sturmgewehr ausgewählt worden; Heckler&Koch kam mit seinen Angeboten der Sturmgewehre HK416 und HK433 nicht zum Zuge.
Die vom Ministerium genannte mögliche Patenrechtsverletzung war schon vor dem Zuschlag für die Thüringer Firma Gegenstand einer Klage von Heckler&Koch gegen Haenel. Beim Landgericht Düsseldorf ging bereits im August, noch vor der Entscheidung über das neue Sturmgewehr der Bundeswehr, eine entsprechende Klage von Heckler&Koch ein (Aktenzeichen 4a O 68/20). Dabei beruft sich die Oberndorfer Waffenschmiede auf das bereits 2007 angemeldete Patent für ein Waffenverschlusssystem (EP 2 018 508 B1), das den Gebrauch des Gewehrs auch nach Untertauchen im Wasser sicherstellen soll:
Allgemein haben Feuerwaffen, Gasdrucklader, Rückstoßlader und auch manuelle Repetiersysteme den Nachteil, daß sie bei einem Einsatz aus einer Flüssigkeit heraus, beispielsweise bei einem Auftauchen aus dem Meer, bzw. nach einem Eintauchen oder nach einem Aufenthalt in einer Flüssigkeit, nicht funktionssicher, zumeist überhaupt nicht funktionsfähig sind. Die Flüssigkeit, insbesondere Wasser, dringt nämlich in das Waffeninnere, insbesondere das Waffenverschlußsystem, ein. (…)
Dringt Flüssigkeit in das Waffeninnere, etwa das Verschlußsystem, ein, kann die Zündung einer Patrone verhindert werden. Die zur Zündung erforderlichen beweglichen Elemente, beispielsweise der Schlagbolzen, können von der Flüssigkeit so stark abgebremst werden, daß beispielsweise der Schlagbolzen nur noch mit einer für eine Schußauslösung unzureichenden Energie auf das Zündplättchen auftrifft. (…)
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Waffenverschlußsystem bzw eine damit ausgestattete Waffe gegen etwaige Funktionsstörungen robuster zumachen, insbesondre Störungen aufgrund eines etwaigen Aufenthaltes im Wasser oder einer anderen Flüssigkeit.
Diese Aufgabe lösen jeweils die Gegenstände der Ansprüche 1 und 21. Danach sind beim erfindungsgemäßen Waffenverschlußsystem der Verschlußträger und der Schließfederkolben derart zusammenwirkend ausgelegt, das der Schließfederkolben bei zurücklaufendem Verschlussträger Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung verdrängt.
Ferner umfasst das Waffenverschlusssystem wenigstens einen Funktionsraum, insbesondere Funktionshohlraum, mit der Umgebung verbindende Fluid-Durchtritts-Öffnung, so daß etwa in den Funktionsraum eingetretenes, die Funktion des Verschlußsystems beeinträchtigendes Fluid durch die Fluid-Durchtritts-Öffnung(en) einfach und schnell nach außen ableitbar ist. So bleiben die Funktionsfähigkeit der beweglichen mechanischen Elemente sowie die Funktionssicherheit des Verschlußsystems bzw. einer damit ausgestatten. Waffe gewährleistet, sollte Flüssigkeit in das Innere des Verschlußsystems bzw. der Waffe eingedrungen sein.
Die Klage zu dem so genannten Over the beach-Patent richtet sich – formal – noch nicht gegen das MK556, das Haenel für die Bundeswehr angeboten hat, sondern gegen dessen halbautomatische Version CR223, die von mehreren Bundesländern für die Polizei beschafft wurde. Auch bei diesem Gewehr soll das Patent von Heckler&Koch verletzt worden sein.
Nach Angaben des Düsseldorfer Gerichts wurde beiden Parteien bis zum 23. Dezember Frist für Stellungnahmen eingeräumt; damit ist recht sicher, dass das – bislang nicht terminierte – Verfahren in diesem Jahr nicht zu einer Entscheidung kommen wird.
Interessant ist in Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit, dass das Patent unter anderem von dem Waffenkonstrukteur Robert Hirt angemeldet wurde, der damals für Heckler&Koch tätig war und das HK416 mit entwickelte. Hirt war später für Caracal tätig, die Waffenfirma in den Vereinigten Arabischen Emiraten, deren Mutterkonzern auch die Thüringer Waffenschmiede C.G. Haenel gehört. Das MK556 soll wiederum dem von Caracal produzierten CAR816 sehr ähnlich sein, an dessen Entwicklung Hirt beteiligt war.
Unklar bleibt, zu welchem Zeitpunkt das Bundesamt für die Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) als Vergabestelle von dem Patentstreit erfahren hat. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums war das am 30. September mit dem Nachprüfungsantrag von Heckler&Koch bei der 1. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt der Fall. Allerdings war dieser Nachprüfungsantrag bereits der zweite Schritt in dem Verfahren – zuvor hatte Heckler&Koch beim BAAINBw selbst die Vergabe an Haenel formal gerügt. Dem zweiten Schritt, dem Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, muss also die Ablehnung dieser Rüge durch die Vergabestelle vorausgegangen sein.
(Danke für den Leserhinweis auf die Patentschrift!)
(Grafik: Zeichnung aus der Patentschrift, ebenso wie die Zitate dem vom Deutschen Patent- und Markenamt wortgleich zur Europäischen Patentschrift unter der Nummer DE202006007925U1 veröffentlichten Dokument entnommen. Als amtliche Veröffentlichung ist die Nutzung der Zeichnung urheberrechtlich zulässig. )
Vielleicht auch nicht die schlechteste Idee.
Beide Waffen sind auch – zumindest vom Kaliber her – überholt. Ich habe mir mal angesehen, wie das neue von den Amerikanern favorisierte Kaliber im Ziel wirkt. Da kommt man eine M4 Variante im Kaliber 5,56mm nicht annähernd dran.
[Das ist jetzt, zurückhaltend ausgedrückt, nicht sehr nett, schon wieder den Versuch einer Kaliberdiskussion hier zu starten. Weitere Versuche stoppe ich sofort. T.W.]
Ich verstehe nicht, warum das so ein großes Problem für die Bundeswehr ist. Sollte bei dem Verfahren zwischen HK und Haenel herauskommen, dass das Patent verletzt wurde, muss Haenel für die Nutzung des Patents Gebühren an HK zahlen. Das mag sich auf die betriebswirtschaftliche Kalkulation von Haenel auswirken hat aber mit der Bundeswehr erst mal nichts zu tun. Haenel hat die Waffe in der geprüften Form angeboten und muss den Vertrag auch erfüllen, wenn er unterzeichnet wird. Haenel kann das Angebot natürlich jetzt noch zurückziehen, aber das halte ich für eher unwahrscheinlich.
Geht alles am Kern vorbei, da die Truppe jetzt durch einen sinnlosen Patentstreit wieder auf ein modernes Waffensystem warten muss. Beschaffung für die Bundeswehr, ein Drama ohne Ende!!
@Arno Schmidt
So einfach ist das nicht: HK ist wohl nicht verpflichtet, Haenel gegen finanzielle Vergütung die Nutzungsrechte an dem Patent einzuräumen. HK kann das tun – oder aber seinen Unterlassungsanspruch geltend machen.
Inbteressant, dass die Klage dann doch gegen die halbautomatische Version gerichtet ist, die ja doch bereits bei der Polizei eingeführt wurde, also vmt. schon durch Vergabeverfahren usw. durch ist. Ist natürlich das gute Recht von HK, das erst jetzt zu machen, aber schzon interessant. Für mich als Justiz-Laien käme dann die Frage auf, ob das bisherige Unterlassen einer Klage dagegen eventuell positiv für Haenel zu werten wäre.
@Arno Schmidt
Naja, so einfach ist es nicht. Das wäre ja quasi ein Lizenzdeal ohne Lizenz und ohne Einwilligung eines der beiden Partner. Wenn hier Patentrechte von H&K verletzt werden, dann war es das. H&K wird nichts zustimmen, was dazu führt, dass Haenel Sturmgewehr-Lieferant der Bundeswehr wird.
Aber ich frage mich wirklich, was das nun für die anderen Nutzer der CR223 heißt.
Und so langsam aber sicher habe ich das Gefühl, dass das BAAINBw hier fröhlich pfeifend mit geschlossenen Augen in ein offenes Haifischmaul spaziert ist. H&K hat sein Pulver ja offenbar eine ganze Weile trocken gehalten und dann losgelegt. Gut für die. Aber dass vordergründig „einfache“ off the shelf Beschaffungen trotzdem ständig vor die Wand fahren, daran sollte man was ändern. Und das sollte, auch wenn das Agieren in der Behörde eine Rolle gespielt hat, von der politischen Führung kommen. Da müssen Prioritäten gesetzt werden. Man kann eben nicht alles haben: Jobs zuhause, superbillig aber Spitzenleistung.
Witzig. Dabei läuft das Patent laut WHQ-Forum auch auf die H&K Jagd- und Sportwaffen GmbH – die aber an C. G. Haenel verkauft wurde. Und – viel wichtiger weil ein Formfehler – die Schutzfrist des PAtents ist wohl bereits 2016 ausgelaufen.
http://www.whq-forum.de/invisionboard/index.php?s=&showtopic=30528&view=findpost&p=1429579
http://www.whq-forum.de/invisionboard/index.php?s=&showtopic=30528&view=findpost&p=1430437
Mir ist schon klar, dass sich jetzt viele zum Patentjuristen berufen fühlen. Ich bin keiner und enthalte mich deshalb der Aussage dazu, ob das Patent nun abgelaufen ist oder nicht. Aber einen Hinweis dennoch: Es scheint mir nach allgemeiner Lebenserfahrung recht unwahrscheinlich, dass ein deutsches Landgericht eine Klage zu einem bereits abgelaufenen Patent annimmt. Das weitere werden wir ja dann vom LG Düsseldorf hören.
Keine kann einem Patentinhaber vorschreiben, wann er die Verletzung seines Patentes feststellt. Ist ja nicht so, das HK einfach mal bei Haenel ein MK556 kaufen kann. Das CR223 kann HK zwar kaufen, aber das heißt ja nicht, das Sie es tun müssen. Ihnen wird das jetzt eingefallen sein um sich eine bessere Position zu verschaffen, aber ankreiden wird man den Zeitpunkt HK nicht können. Sollte Haenel verlieren und HK darauf bestehen, dass Haenel die Verletzten Merkmale weglässt, wäre das MK556 nicht mehr die gleiche Waffe, die getestet wurde. Ohne diese Merkmale könnte das MK556 eventuell bei manchen test schlechter abschneiden wie bisher. Zum anderen müsste Haenel vermutlich für ca. 10.000 CR223 und MK556 die es bisher gibt Strafe zahlen. Ebenso müsste Haenel sich eine neue Lösung für diese Merkmale einfallen lassen, welche nicht vom HK Patent geschützt sind. Diese würde neue interne Test der Waffe bedeuten und ein neue Tests beim Beschaffungsamt, da es somit eine neue Waffe ist. Ob eine Nachprüfung ohne neue Ausschreibung möglich ist, oder ob dann HK nachrückt, um ein neues, langes und teures Verfahren zu umgehen weiß man noch nicht.
Und noch zu Herr Hirt und den verschiedenen Sturmgewehrmodellen.
Das HK416 ist der Ausgangspunkt. Daraufhin wollte Sig auch sowas und es wurde ab 2009 das Sig 516 entwickelt, welches außer dem Kurzhubgaskolbensystem nichts mit dem HK416 gemein hat. Basierend auf dem Sig 516 wurde ab 2014 das Caracal CAR816 entwickelt, sowie dessen Derivate. Haenel stellte das auf dem HK416 basierende CR223/MK556 2013 vor, also begann die Entwicklung schon früher. Das CR223 wurde aber Kurzzeitig von Caracal als CAR816 beworben. Dies war aber vor der Zeit von Herrn Hirt bei Caracal. Denn mit der Entwicklung des auf dem Sig 516 basierenden CAR816 welches nur den gleichen Namen hat, wie die ersten Vollauto CR223, wurde bei Caracal der HK416 Klon verworfen und Haenel überlassen. Alle Haenel CAR816 sind Made in Germany und waren reine Demo und Messewaffen. Denn um das Haenel CAR816 in den VAE herzustellen, hätte es der Zustimmung der Regierung und der Bafa benötigt. Dies war Caracal sicher zu unsicher, da man somit von dem guten Willen der Regierung abhängig ist, wenn noch Komponenten der Waffe aus Deutschland kommen, was vermutlich nicht anders genehmigt worden wäre(siehe G36 Lizenzfertigung in Saudi Arabien). Da war es geschickter und einfacher, wenn man die Entwicklung in den VAE macht und sich sein Entwicklerteam bei Sig einkauft. Inwieweit das CAR816 eine Lizenzfertigung des Sig516 ist, bzw. Ob es einen genehmigten Technologietransfer aus den USA gab ist unbekannt. Das ab 2014 die Entwickler von Caracal mit an der Produktverbesserung des CR223/MK556 mitwirkten ist nicht bekannt. Jedenfalls weißt das MK556 auch Merkmale der Sig MCX auf. Gerade die Idee von wechselbaren Stahleinsätzen am Upper Receiver. Inwieweit dies Sig Patente verletzt? Jedenfalls war Herr Hirt auch an der Entwicklung des Sig MCX beteiligt.
@ Arno Schmidt sagt: 12.10.2020 um 16:06 Uhr
„Ich verstehe nicht, warum das so ein großes Problem für die Bundeswehr ist. Sollte bei dem Verfahren zwischen HK und Haenel herauskommen, dass das Patent verletzt wurde, muss Haenel für die Nutzung des Patents Gebühren an HK zahlen.“
Ganz so einfach ist die Sache nun nicht. Angenommen bei den Patentstreitigkeiten handelt es sich nur um das Over-the-Beach Patent und HK würde vom Gericht Recht bekommen.
Dann müssten sich Haenel und HK über Lizenzgebühren einigen. Nun ist aber bereits öffentlich bekannt wie hoch die beiden Angebote waren. Wenn HK nun beispielsweise sagt man will 28 Mio Lizenzgebühren haben, dann wird das HK Angebot plötzlich günstiger als das Haenel Angebot und die Bundeswehr müsste HK den Zuschlag erteilen. Selbst wenn HK nicht 28 Mio sondern weniger verlangen würde, liefe Haenel Gefahr, dass die Produktion der Gewehre unter Umständen mehr Kosten würde als die Einnahmen (denn keiner kennt die Kosten). Dann müsste immer noch vor der Vergabekammer oder später vom OLG geklärt werden ob nicht Preisdumping vorliegt. Heißt also für Haenel wird die Position automatisch schlechter vielleicht sogar richtig schlecht, wenn das HK Recht bekommen sollte.
Richtig interessant wird es wenn es tatsächlich einen Patentstreit rund um das Magazin geben sollte. Denn unabhängig vom Geld spielt da auch noch das Thema ITAR einer Rolle. Gemäß Ausschreibung müssten die Angebote auch ITAR frei sein. Sollte also Magpul, wenn da tatsächlich ein Rechtsstreit laufen sollte, Recht bekommen, würde man die Sache auch nicht mit einer simplen Nachkalkulation lösen können. Dann müsste man ein anderes Magazin verwenden. Dies würde wiederum HK in eine gute Ausgangsposition für eine stichhaltige Beschwerde bringen. Denn so trivial sind Magazine nicht. Es gibt auch da Einflüsse auf die störungsfreie Funktion der Waffe.
[Vorsorglicher Hinweis: Ich habe oben vom Rechtsstreit HK vs Haenel berichtet. Ob es auch einen Rechtsstreit Magpul vs. Haenel gibt, weiß ich nicht – wenn jemand was weiß, bitte sachdienliche Hinweise (welches Gericht möglichs Aktenzeichen usw. T.W.]
Nach meinem Verständnis des Vergabeverfahrens, wäre so spät im Prozess eine Nachprüfung eines stark geänderten MK556 nicht mehr zulässig. Es handelt sich ja um einen streng formalen Prozess, in dem definierte Liefergegenstände zu festgelegten Zeitpunkten bei der Behörde vorgelegt werden müssen. Man kann dort schon ausscheiden wenn Unterlagen 5 Minuten zu spät im Amt eintreffen.
Man müsste dann entweder HK den Zuschlag erteilen oder die Vergabe komplett stoppen.
Einfach mal VSVgV lesen. Auf der Webseite des BAAINBw gibt es auch die lesenswerte Broschüre Auftraggeber Bundeswehr. Mit Corona kann man jetzt sowiso nicht mehr in die Kneipe gehen. Da bleibt viel Zeit zum lesen ;-)
Wenn „das Ministerium“ sich berufen fühlt, „etwas“ zu beschaffen, dessen Produktion durch ein bereits VOR der „Zuschlagsentscheidung“ eingeleitetes und dem Ministerium BEKANNTEN Rechtsstreit bedriht ist, zeugt das von absolutem „Berufsamateurtum“ auf Seiten des BMVg. Da sollten wohl auch einmal einige der Hochleistungsjuristen zur Ruhe gestzt werden, ggf nach Durchlaufen einer disziplinar-/dienstrechtlichen Prüfung.
[Jaja. Dennoch weise ich hin, dass wir hier bei den Fakten bleiben; wenn’s einen Beleg dafür gibt, dass der Rechtsstreit dem Ministerium vor der Zuschlagsentscheidung bekannt war, bitte umgehend nachtragen. T.W.]
Immer wieder interessant, wie intensiv das Thema neues Sturmgewehr (und natürlich das Kaliber) hier diskutiert werden.
Dabei wird nur leider übersehen, dass derlei insgesamt vorallem von den echten Problemen ablenkt:
Keine klare Analyse des wahrscheinlichen Kriegsbildes, keine entsprechenden Konzepte, keine gesamtheitlichen Planungsansätze (trotz IPP bzw. IPD).
Selbst in einer InfGrp wäre bei einem zielorientierten und innovativen Ansatz das Sturmgewehr nur noch eine Waffe für wenige (2 Fireteams, jedes Team mit MG-Trupp, PzF-Schütze, ZF-Schütze, MGL-Schütze, etc).
Oberhalb der Ebene verschieben sich die Möglichkeiten ebenfalls in folgende Richtung:
– umfassende Aufklärung,
– schnelle Führung,
– weitreichendes indirektes und direktes Feuer (Einzel-, Punkt- und Flächenziel). Wobei indirektes Feuer deutlich mehr Potentiale hat.
Fazit:
Bei Sturmgewehren kann (fast) jeder mitreden, da persönlich betroffen.
Aber ist dies wirklich so entscheidend?
Hier regen sich einig darüber auf, dass H&K auf dem Rücken der Truppe einen Patentstreit austrägt.
Falsch H&K will seine durch das Grundgesetz geschützten Rechte am Geistigen Eigentum wahren. Die ein anderes Unternehmen mutmaßlich verletzt hat. Dazu haben sie Klage vor einem deutschen Gericht eingereicht. Unter anderem diese Werte und Normen hat jeder deutsche Soldat geschworen zu verteidigen.
Einen Vorwurf kann man nur der Beschaffungsbehörde machen der das Vergabeverfahren offensichtlich entglitten ist.
Ich denke, da dass g36 im Grunde recht beliebt ist, dürften sich doch insgeheim einige Leute, auch bei der BW freuen, dass erstmal alles beim alten bleibt. Die Zeichnung mit den Zahlen finde ich toll. Giebt es sowas auch zum ausmalen, für den Nachwuchs? (Grins)
@Memoria: 1+
Ein interessanter psychologischer Punkt. Natürlich suggeriert die persönliche Bewaffnung sich verteidigen und eingreifen zu können, auch wenn der Kampf Mann zu Mann zunehmend marginalisiert wird. Der klassische infanteristische Kampf ist wohl eher „die letzte Linie“ (Spezialkräfte ausgenommen).
Nichtsdestotrotz bedarf es mehr als eines Placebos und auch im Fall der Fälle sollte der Feuerkampf bestmöglich geführt werden können. Daher ist es hier auch gar nicht sinnvoll sich auf spezielle Szenarien zu konzentrieren. Eine möglichst breit verwendbare Allzweckwaffe wird gefordert und geliefert.
@T. Wiegold:
Nö, niemand hindert hier in Deutschland irgendwen daran, unzulässige oder unbegründeten Klagen gerichtshängig zu machen. Das einzige, was ein deutsches Landgericht in solchen Fällen tut, ist die Gerichtsgebühr einzunehmen und die Klage zuzustellen. Die Lebenserfahrung zeigt eher, dass jemand, der kein Geld verbrennen möchte, solch eine Klage in der Regel nicht erhebt. Was wiederum nicht heißt, dass Kosten eines solchen Verfahrens nicht womöglich auch als „taktische Investition“ gewertet werden können. Das ist aber schon sehr meta.
Zu den konkreten Aussichten der Klage, um die es hier geht, würde ich mich auch nicht versteigen wollen. Insbesondere die Frage, ob das Patent nun abgelaufen ist oder nicht würde ja in einem solchen Verfahren durch das Gericht geklärt werden.
Ne prinzipielle Frage als laie. Macht denn dieses vergabe Affentheater denn überhaupt einen Sinn wenn man die Angebote mit der aktuellen Variante des g36 vegleicht? Oder anders. Macht es für den Soldaten in der Praxis überhaupt einen spürbaren Unterschied ob er ein hk433 oder H 556 oder ein g36 xx in der Hand hat? Und ist der Unterschied bei gleichem Kaliber soo groß dass es alles was hier abläuft, rechtfertigt?
Die große Emotionalität in den Kommentaren überrascht mich hier. Es gibt einen Rechtsstreit zweier Bieter in einem öffentlichen Vergabeverfahren und ein Landesgericht löst diesen – Aus meiner Sicht funktioniert hier der Rechtsstaat und die Auftragserfüllung der Bundeswehr ist durch diese Verzögerung sicherlich nicht gefährdet.
Außerdem haben hier viele schon (bewusst oder unbewusst) das Urteil des Gerichts zu Gunsten HK vorausgesetzt. Ich würde da doch eher warten, wie das Gericht entscheidet. Das gehört zum Rechtsstaat übrigens dazu und ich bin froh dass zumindest unsere Behörden niemanden im Voraus verurteilen.
Verstehe hier was nicht. Die Klage wegen vermeintlicher Patentverletzung richtet sich gegen das CR223. Dieses Modell ist gar nicht Angeboten worden. Im Text oben heißt es zum 223:
„Auch bei diesem Gewehr soll das Patent von Heckler&Koch verletzt worden sein.“ Wieso ‚auch‘? Warum richtet sich „Die Klage (…) – formal – noch nicht gegen das MK556“? Was soll das bedeuten?
Btw: Laut EPO besteht das Patent fort, das Gebrauchsmuster ist nicht relevant.
[Ach, Patentrecht… die Klage wurde eingereicht, als es noch keine Entscheidung fürs MK556 gab – und ich wüsste auch nicht, wo das bereits angeboten worden wäre. Aber das CR223 wurde bereits auf dem deutschen Markt verkauft. Macht’s das klarer? T.W.]
@Pham Nuwen:
Die ursprüngliche Forderung war ein politischer Impuls der letzten Ministerin.
Eigentlich geplant war eine Modifikation des G36.
Sehr nahe am G36A4 (flache Picatinny-Schiene, neuer Handschutz, neue Optik, neue Nachtsicht).
Entweder das jetzige Beschaffungsverfahren wird fortgesetzt oder nach mehr als 5 Jahren ist man wieder am Ausgangspunkt.
Bis dahin bleibt das G36A1 weiterhin die Standardwaffe – bis in die Panzergrenadiertruppe und Infanterie.
Insgesamt hat die hektische Intervention der Ministerin die Bundeswehr nicht wirklich vorangebracht.
Es hätte eine gewisse Ironie, wenn die – wenn ich @Memoria richtig verstehe – etwas hektische und von, sagen wir, politischen Emotionen getriebene Ausschreibung am Ende zu einer Zementierung der Hoflieferantenrolle von H&K führen würde. Dann nämlich, wenn jetzt nach Neubewertung das HK416 als Sieger vom Platz geht (nicht komplett unwahrscheinlich), und sich in der Folge als Standardwaffe in der Nato etabliert.
Nach all dem Vergabe-Hickhack ,fände ich ein Direkt-Geschäft
zwischen Israel und BRD ganz nachdenkenswert.
Ein IWI ARAD oder CARMEL könnte das sein, was wir suchen. Beidseitig bedienbar, verchromter Lauf, geschmiedet, free-floating, mit short-stroke Kolben.
Vergaberechtlich auch unproblematisch, da Direktgeschäfte zwischen Staaten dem außen vor sind.
Progressiv wäre natürlich TAVOR, aber man nutzt scheinbar lieber Gewehre mit Klapp-/Einschubschaft, statt
Bullpup.
@memoria Villeicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt um abzubrechen und wie bei anderen Gerätschaften die ältesten g36 gegen die neusten zu tauschen. Zur Erinnerung. Die Truppe hat kein problem mit dem Gewehr. Sihe Nachtwei Kommission. Es kann doch nicht sein dass die Soldaten sagen „das Gewehr ist soweit in ordnung und zuverlässig“ und die Ministerin sagte einfach mal. so ,nö ist es nicht. Diese ganze Umstellung würde irre viel Geld kosten. Bei gleichem Ergebnis.
@Dante sagt: 14.10.2020 um 15:29 Uhr
Naja, ob die Truppe gefühlt ein Problem mit dem G36 hat oder nicht ist, ja nur ein Teil der Frage. Faktisch ist das G36 nicht mehr auf der höhe der Zeit und damit ist jetzt nicht nur die Optik und die Adaptierfähigkeit von Zusatzbaugruppen gemeint. Von den Problem kann man einen Teil mit Kampfwertsteigerungen lösen, oder man kann ein zeitgemäßes Gewehr beschaffen.
So oder so hätte das G36 angegangen werden sollen. Es war (und ist) konzeptionell ein Wegwerfgewehr für eine Wehrpflichtigenarmee im großen mitteleuropäischen Krieg.
Also von daher hätte ich ehrlich gesagt nichts gegen eine neue Waffe.
Super zeitkritisch ist das jetzt nicht (besser wäre gewesen wenn vdL nicht interveniert hätte, dann hätte man das ganze in Ruhe und gestaffelt ablaufen lassen können), aber über kurz oder lang sollten wir schon eine neue, moderne Waffe bekommen.
@koffer Wie sie sicher wissen muss man nicht zwingend dass ganze gewehr entsorgen. Alle paar jahre die Verschleißteile austauschen geht auch und wird auch angeboten. Und soviel verschleiß haben die meisten Waffen nicht die kühl und dunkel im Regal hängen. Und den Rest kann man nachkaufen.
@Koffer
Das „neue“ G36 kennen Sie? :
https://www.heckler-koch.com/en/products/military/assault-rifles/g36/g36/technical-data.html
Auch sehe ich ähnlich wie Dante nicht die Notwendigkeit circa 100.000 fast nie benutzte Gewehre zu ersetzen, nur weil die Technologie irgendwo einen kleinen Mäusesprung gemacht hat.
Der Großteil der Soldaten der Bundeswehr ist eben nicht täglich mit den Waffen unterwegs – die sind „nur“ Ausrüstungsbestandteil für den vaterländischen Krieg.
Für alle anderen Truppengattungen/Einheiten sollte man sowieso bedarfsgerechter Ausrüstung kaufen und nicht die eierlegende Wollmichsau für alle bevorzugen.
Jetzt bekommen wieder 100.000 Soldaten ein Gewehr, welches wieder in der Waffenkammer sein Dasein fristet.
Zu meiner Zeit (2008) waren in der Waffenkammer noch G3 in gleicher Anzahl neben den neuen G36. Aber dieses mal wird dann eine Waffen weg müssen, allein schon aus Platzgründen. Und da kann ich mir nicht vorstellen, dass man zwei gleiche Kaliber behält und ob die überschüssigen G36 in ein Depot gehen, kann ich mir auch nicht vorstellen. Das heißt also mal wieder völlig intaktes Material in den Müll werfen, während an anderen Stellen kein Geld für kleinste Dinge vorhanden ist.
@Dante sagt: 14.10.2020 um 17:57 Uhr
Es geht nicht um das alter der Waffen an sich (wobei das angesichts der – gewünschten, beabsichtigten und bestellten! – Billigbauweise auch zu einem Problem wird), es geht um die Technik.
Das G36 ist einfach im Vergleich zu anderen Produkten auf dem Markt keine gute Waffe mehr.
Um das mal ganz klar herauszustellen: nur weil der durchschnittliche Soldat das G36 „mag“ wird es dadurch nicht zu einer einer zeitgemäßen Waffe.
Ist es nun zeitkritisch, dass wir eine neue Waffen einführen?
Nein, vor allem für die breite Masse haben sicherlich keinen Handlungsdruck, aber für Infanterie und PzGren wäre es dann doch schon ganz gut endlich Licht am Horizont zu sehen, und wenn wir für die etwas besseres einführen, dann sehe ich angesichts des sehr überschaubaren finanziellen Gesamtumfangs keinen Grund nicht auch für alle in den nächsten Jahren umzustellen.
@emil93 sagt: 14.10.2020 um 18:54 Uhr
Ja, selbst verständlich kenne ich die Angebote von HK zur Kampfwertsteigerung des G36. Wenn Sie meinen Kommentaren hier im Blog schon eine Weile folgen, dann wissen Sie dass ich als FschJgOffz bin und solche Dinge nicht nur aus der Ferne sehe. Wobei ich zugegebener Maße schon einige Jahre aus der Truppe bin, aber die meisten der von H&K angeboten Elemente der Kampfwertsteigerung habe ich selbst schon in Händen gehabt.
Aber wie ich bereits weiter oben schon geschrieben habe, kann man am G36 zwar einige Dinge auch innerhalb des bestehenden Grunddesigns zwar ändern, aber bestimmte Dinge eben auch nicht. Und wenn wir sehr viele Details ändern, dann können wir auch gleich den großen Wurf machen und auf den aktuellen Stand der Technik gehen.
Ich kann mich nicht so recht mit der Legende anfreunden, dass das alles nur einer schlechten Laune der damaligen IBUK entsprungen ist…
Es gab doch vor 8-10 Jahren Tests bei der WTD, mit 5 oder 6 Handwaffen, darunter das G36, SCAR, SIG 550. 4 Magazine Dauerfeuer auf 100m. Es gab Waffen, die hatten ein Präzisionsproblem, andere nicht.
Daraufhin wurden die Isaf-Kräfte doch auch informiert, es müsse „ nach dem Verschießen von Patronen im schnellen Einzelfeuer oder in kurzen Feuerstößen bei starker Rohrerhitzung das Rohr auf Handwärme abkühlen, bevor weitergeschossen werden darf“. Das nicht jeder Schütze Müller, Meier Schulze im Schusswechsel dort das Problem hatte, liegt womöglich auch in der verwehrten Trefferaufnahme beim Feind …
In USA sind jedenfalls temperaturinduzierte Probleme schon 2006 nicht neu gewesen nach dem zu urteilen https://www.hkpro.com/threads/mexicos-new-fx-05-assault-rifle.45350/post-351297
In dem Prozess mit HK ging es doch ,wenn ich mich recht entsinne, darum, ob HK eine den Spezifikationen der 90er entsprechende Waffe geliefert hat. Haben sie wohl. Das heißt nicht, dass es keine Situationen geben kann, in denen die Stan-Knifte im Gegensatz zu anderen Ordonnanzwaffen ein Problem bekommen kann.
Daher finde ich es nicht verfehlt, sich dem Problem anzunehmen.
@koffer Das Problem ist ja nicht sosehr der grosse Wurf den Sie machen wollen. Sondern eher ob ein neues Gewehr bei gleichem Kaliber mit der gleichen Aufgabenstellung, die Kosten und den Aufwand rechtfertigt. Ich sehe dass so alls wollten sie 120T Golf mit 100 ps der letzten Generation gegen 120T Astra mit 100 ps tauschen. Sieht halt hübscher aus, ist aber das gleiche Segment. Dass es sicher Berufsgruppen wie Spezialkräfte gibt bei der das g36 „in der Form“ an seine grenzen stößt, verstehe ich. Aber für die gesamte Bw ein sauber eingeführtes System zu kippen, erschließt sich mir nicht. Zumal der Support gesichert ist, alles an Anbauteilen Fabrikneu zu liefern ist und sich keiner in der Truppe wirklich beschwert. Wäre doch mal ne Idee zu fragen was die Soldaten eigendlich wollen und nicht die Frau UVD.
@brainstormer, Dante, Koffer:
Mit der Rücknahme der Vergabeentscheidung wird die Auswahl ja zunächst nochmal zwischen Haenel und HK geöffnet.
Sollte es hier keine Lösungsmöglichkeiten geben, ist eine neue Ausschreibung mit wahrscheinlich veränderter Leistungsbeschreibung notwendig.
Jedoch dann erst nach der Wahl und nach der vorläufigen Haushaltsführung im Jahr 2021. Also frühestens 2022.
Bei gutem Willen aller Beteiligten könnte man dann die diskutierte phasenweise Lösung verfolgen:
Produktverbesserung weiterer G36A1 zu G36A4 oder ähnlich und neues Sturmgewehr zur schrittweisen Einführung.
Aber ob es so kommt?
@Brainstormer sagt: 14.10.2020 um 20:03 Uhr
„Ich kann mich nicht so recht mit der Legende anfreunden, dass das alles nur einer schlechten Laune der damaligen IBUK entsprungen ist…“
In der Tat war die Ausphasung G36 schon lange im Gespräch und wird von Fachleuten auch überwiegend als sinnvoll bewertet.
Das Problem vdL war ihre überhetzte und selbstbezogene Entscheidung mit der sie dringend notwendige Kampfwertsteigerung der bestehenden G36 unterbunden hat ohne, dass die Nachfolge bereits in Ruhe geklärt gewesen wäre.
Dadurch haben wir jetzt nicht ein sinnvoll kampfwertgesteigertes G36 und können und in Ruhe auf die Neuauswahl freuen, sondern wir haben jetzt genau das gleiche G36 wie vor Jahren.
@Dante sagt: 14.10.2020 um 20:45 Uhr
„@koffer Das Problem ist ja nicht sosehr der grosse Wurf den Sie machen wollen. Sondern eher ob ein neues Gewehr bei gleichem Kaliber mit der gleichen Aufgabenstellung, die Kosten und den Aufwand rechtfertigt.“
Ja, für Infanterie, PzGren und KpfUstg ist der Aufwand gerechtfertigt und die Kosten sind überschaubar. Und der Rest kann dann in Ruhe nachziehen.
„Wäre doch mal ne Idee zu fragen was die Soldaten eigendlich wollen und nicht die Frau UVD.“
Was Soldaten subjektiv wollen und sie objektiv brauchen sind nicht immer das gleiche.
@Memoria sagt: 14.10.2020 um 21:00 Uhr
„Bei gutem Willen aller Beteiligten könnte man dann die diskutierte phasenweise Lösung verfolgen:
Produktverbesserung weiterer G36A1 zu G36A4 oder ähnlich und neues Sturmgewehr zur schrittweisen Einführung.“
Es wäre zu wünschen.
„Aber ob es so kommt?“
Ich befürchte nicht. Erfahrungsgemäß wird es heißen „entweder/oder“ :(
Ich berufe mich mal auf @JPW, der ja schon in seinem letzjährigen Artikel „Harmonisierung bei den Handwaffen der Bundeswehr“ schrieb:
Geht also schon in diese Richtung!
@Titus von Unhold
[blockquote]Und – viel wichtiger weil ein Formfehler – die Schutzfrist des PAtents ist wohl bereits 2016 ausgelaufen.[/blockquote]
Bitte Vorsicht der zweite Link zeigt ein Gebrauchsmuster nach dem Gebrausmustergesetz und kein Patent nach dem PatG. Dies ist der kleine Bruder des Patentes und wird ohne sachliche Prüfung schnell vom DPMA erteilt, wohingegen ein Patent eine recht lange Prüfung vor sich hat. Deswegen werden häufig Gebrauchsmuster und Patent gleichzeitig angemeldet um schon in der Zeit der Patentprüfung rechtliche Handhabe zu haben und um auch zu verhindern, dass jemand das Gleiche zum Patent anmelden kann.
Das Patent EP 2 018 508 B1 ist nochmal 6 Jahre gültig, außer HK zahlt die Gebühren nicht oder jemand erhebt Nichtigkeitsklage. Inhaber dieses Patents ist übrigens „Heckler & Koch GmbH 78727 Oberndorf/Neckar (DE)“ und nicht die „HK Sport- und Jagdwaffen GmbH“. Was allerdings sein kann ist, dass HK hier potentiell Nutzungsrechte des Patentes mitverkauft hat ber der Veräußerung der HK Sportwaffen.
@ Koffer
Vielen Dank für den Meinungsbeitrag, es ist erfrischend, dass zur der Thematik auch mehr geposted wird als: „Die Truppe ist doch zufrieden.“ und „das MK556 kann der deutsche Soldat nicht bedienen, weil sich vielleicht die Sicherung verändert hat und er Boxhandschuhe als Winterhandschuhe trägt.“ Auf politischer Ebene bitte ich jedoch zu bedenken, dass VdL wohl kaum eine andere Wahl hatte als sich zügig vom G36 zu verabschieden. Dieselben die nun das G36 über den grünen Klee loben hätten Ihr andernfalls vorgeworfen, dass Sie das Leben der Soldaten aufs Spiel setzen würde.
@T.Wiegold
Danke für die ausgewogene Berichterstattung. Es zeigt sich wieder einmal, dass augengeradeaus.net in Bezug auf verteidigungspolitische Themen auch renommierten Tageszeitungen qualitativ weit voraus ist.
Da ich das jetzt mindestens zum zweiten Mal hier lese und leider nichts dazu über Google finde, bzgl. „Veräußerung der HK Sport- und Jagdwaffen GmbH“
(@Hausherr: Ich entschuldige mich für den Off-topic, aber da ich nichts dazu finde und es hier ein paar mal erwähnt würde, würde ich mich freuen, wenn mir jemand einen Link oder ein paar gute Stichworte für die Suche geben könnte)
Alles was ich herausfinden konnte ist, das die Firma Merkel von HK Sportwaffen 2003 übernommen wurde und Merkel dann später von Caracal. (so stets in Wiki und man kann es auch leicht übers Handelsregister online nachvollziehen).
Aber wann und von wem wurde denn HK Sport und Jagdwaffen aufgekauft?
@Koffer:
Mal als ketzerische (aber durchaus ernstgemeinte) Frage: Inwiefern ist denn das G36 keine gute Waffe? Ich bin ja noch nach Ende des kalten Kriegs am G3 „grundausgebildet“ und erst erheblich später auf G36 und dann NSAK „umgeschult“ worden, von daher mag ich gestehen, dass ich da ggf. ein paar Scheuklappen aufhabe…
Wo sind denn andere Waffen technisch signifikant „besser“? Also bezogen auf Gassystem, Verschluss usw.? Alles andere ließe sich ja durch entsprechende Funktionsvorgaben und Ausschreibungsanforderungen steuern, etwas ein dickerer, dafür kannelierter Lauf, pardon Rohr… usw.
Wären wir bei „wünsch Dir was“ würde ich mir für die Truppe ein vollständig beidseitig bedienbares, modular konfigurierbares und auf robuste Grundtechnik ausgerichtetes Gewehr wünschen. Idealerweise eines, dass neben NATO 5.56x45mm auch ohne wesentlichen Umschulungsbedarf bei genereller Handhabung und Bedienung in 7.62x51mm verfügbar ist. Und sich auch vergleichsweise leicht auf ein etwaiges neues NATO-Standardkaliber adaptieren ließe.
Aber leider sind wir ja wie so oft bei „Isso“ und kriegen am langen Ende das Teil vom wirtschaftlich günstigsten Bieter.
@Metallkopf sagt: 15.10.2020 um 16:36 Uhr
Neben Dingen die man teilweise (!) auch innerhalb des Designs anpassen kann, also der Optik, dem Magazin, der hitzeabhängigen Trefferwahrscheinlichkeit, den verarbeiteten Materialen (Kunststoffanteil, Kunststoffeigenschaften) und der mangelnden Adaptionsfähigkeit (fehlende Picanntiny-Schiene(n)), wäre hier z.B. vor die generelle Bauform zu nennen.
Damit Sie mich hier ganz eindeutig aufnehmen: ich bin NICHT der Meinung, dass das G36 eine schlechte Waffe ist! Es ist eine sehr gute Waffe und gerade querschnittlich (also für Lw/Marine und UstgTr) gut geeignet, aber für die Infanterie und die PzGren und die KpfUstg geht hat heutzutage deutlich mehr.
Und wenn man für diese primären Träger des Gefechts eine neue, zeitgemäße Waffe einführt, dann gibt es kaum einen Grund nicht mittelfristig auch für alle anderen Nachzuziehen (denn die Kosten sind überschaubar und Umschulung kann man zeitlich gut strecken).
@ [Ach, Patentrecht… die Klage wurde eingereicht, als es noch keine Entscheidung fürs MK556 gab – und ich wüsste auch nicht, wo das bereits angeboten worden wäre. Aber das CR223 wurde bereits auf dem deutschen Markt verkauft. Macht’s das klarer? T.W.]
Ein MK556 wurde beispielsweise der Bundeswehr im Rahmen der Ausschreibung Sturmgewehr Spezialkräfte leicht angeboten und auch getestet. In dem Wettbewerb hat sich das HK416A7 durchgesetzt.
@Koffer:
Was ist an der generellen Bauform so suboptimal?
Der Verschluss ist eine ziemlich clevere und minimalistische Lösung, um von beiden Seiten in beide Richtungen Kraft ausüben zu können – und obwohl der Spanngriff mitläuft, ist die Verletzungsgefahr praktisch nicht vorhanden.
Dass die Visierschiene dadurch bedingt etwas höher sitzt, ist im Hinblick auf einen durchgehenden Visierbereich sogar von Vorteil; das Offset zu minimieren ist dagegen mMn keine sinvolle Zielsetzung. Im Nahbereich muss ich das Offset kennen und korrigieren. Ob das dann 5 oder 10 cm sind, ist vernachlässigbar.
Und dass die Picatinny-Schiene auf der Oberseite eines modernen G36-Handschutzes etwas tiefer sitzt als die Visierschiene, ist aus meiner Sicht auch eher von Vorteil. Da passt nämlich wunderbar ein beidseitig bedienbarer Laser hin, wo man bei einer durchgehenden Schiene je nach konkreten Modellen schon darauf achten muss, dass sich Laser und Visierung nicht ins Gehege kommen.
@Koffer
„Neben Dingen die man teilweise (!) auch innerhalb des Designs anpassen kann, also […] und der mangelnden Adaptionsfähigkeit (fehlende Picanntiny-Schiene(n)), wäre hier z.B. vor die generelle Bauform zu nennen.“
Picanntiny Rails sind totaler Mist, STANAG hin, STANAG her. Sie sind schwer und oft völlig unnötig da eh nur ein Teil je Seite an den Handlauf montiert wird. Dafür sind die Rails dann oft zu lang und unnötig schwer und das gerade vorne an der Waffe… Die werden schon an vielen Stellen von anderen Systemen wie KeyLok oder M-LOK ersetzt. Diese bieten einfache Montagelöcher an, in die die Ausrüstung greift. Picanntiny Rails kann man da auch reinsetzen, wenn man Sehnsucht danach hat.
Die von Ihnen bemängelte „generelle Bauform“ ist die eines jeden 0815 Sturmgewehrs. Anders ginge es nur als Bullpup.
@SvD sagt: 16.10.2020 um 2:39 Uhr
„Picanntiny Rails sind totaler Mist, STANAG hin, STANAG her. “
Sie sind nun einmal der Standard und deswegen derzeit unabkömmlich für eine zeitgemäße Waffe.
„Die von Ihnen bemängelte „generelle Bauform“ ist die eines jeden 0815 Sturmgewehrs. Anders ginge es nur als Bullpup.“
Nope! Wir können zwar meinetwegen im Rahmen der Neubeschaffung auch über ein Bullpup sprechen (bin hier aber kein großer Anhänger), das Problem der Baumform des G36 ist aber die Kopflastigkeit und Höhe, das hat nun aber mal gar nichts mit Bullpup zu tun.
@Bold sagt: 15.10.2020 um 21:46 Uhr
Ich sage ja, das G36 ist durchaus optimierbar und für eine Querschnittswaffe reicht das auch durchaus aus.
Aber sein grundsätzliches Design hat halt seine Grenzen für eine moderne Infanteriewaffe.
Es kam hier ja mehrfach die Frage auf wie die mit Einführung übrig werdenden G36 genutzt werden sollten und ob diese in der Reserve verwendet werden könnten.
Geplant ist – gem. Weisung StvGI vom 09.10.20 – eine Verwendung in der Reserve (inkl. einer Produktänderung):
https://www.bundeswehr.de/resource/blob/151954/304dda84d60ccd558a08572a9a20931b/pdf-weisung-reservistenarbeit-data.pdf
Das wird sich nun nochmal zeitlich verschieben, aber die Idee bleibt sicherlich erhalten.
Ich jedoch davon aus, dass spätestens nach der Wahl ein neues Sturmgewehr nicht wirklich eines der größten Probleme der Bundeswehr ist.
Auch wenn es medial, politisch und auch hier oft sehr große Aufmerksamkeit bekommt.
Die Bundeswehrplanung und die verfügbaren Haushaltsmittel werden auch mittelfristig nicht zusammenpassen, ja sogar immer weiter auseinander klaffen.
Da hilft auch das G36 für die Reserve nicht wirklich weiter.
@Koffer
Picanntiny Rails:
„Sie sind nun einmal der Standard und deswegen derzeit unabkömmlich für eine zeitgemäße Waffe.“
Nö. Der zivile Markt kann der Bundeswehr egal sein. Jedes Anbauteil kann man sich gewiss auch mit KeyLock oder M-Lok liefern lassen. Die Bestellmenge der Bundeswehr würde da locker reichen. Dazu sind eben Picanntiny Rails mit KeyLock oder M-Lok als Adapter lieferbar. Insgesamt ist das leichter als durchgängige Rails, die eh keiner braucht.
Die Individualisierbarkeit interessiert einfach nicht. Es handelt sich um eine Ordonnanzwaffe, nicht um das persönliche Gewehr im Schützenverein. Das zusätzliche Gewicht, vorne an der Waffe, ist extrem kontraproduktiv. Die Rails alleine wiegen schon zu viel und dann dort noch nutzlosen Plunder anzubringen macht nichts besser.
Plant man da ordentlich, spart man den Soldaten mit einem KeyLock oder M-Lok System mehrere hundert Gramm vorne an der Waffe, wo sie hebelmäßig echt unschön sind.
„Wir können zwar meinetwegen im Rahmen der Neubeschaffung auch über ein Bullpup sprechen (bin hier aber kein großer Anhänger), das Problem der Baumform des G36 ist aber die Kopflastigkeit und Höhe, das hat nun aber mal gar nichts mit Bullpup zu tun.“
„Aber sein grundsätzliches Design hat halt seine Grenzen für eine moderne Infanteriewaffe.“
Was genau nichts mit der Bauform an sich zu tun hat. Das beweisen ja auch neuere G36 und Nachrüstteile am Markt. Ändern man den Tragegriff mit dem Optikblock, wird die von Ihnen kritisierte Kopflastigkeit erheblich gemindert. Montagepunkte man man mit anderen Gehäuseteilen schaffen, das ist kein Hexenwerk.
Diese Obsession, die Optik quasi an die Laufachse pappen zu wollen, kann ich nicht nachvollziehen. Irgendwie muss man ja auch mit dem Auge hinter die Optik kommen. Je näher diese an der Laufachse liegt, umso weniger ergonomisch wird das ganze.
Im Zusammenhang, mit der Forderung nach Picanntiny Rails an der gesamten Waffe macht das für mich erst recht keinen Sinn.
Wenn man auf Juve.de nach Haenel sucht, findet sich ein interessanter Artikel über die am Verfahren beteiligten Juristen und wie es in rechtlicher Sicht weitergeht, weitergehen kann.
@Memoria sagt: 16.10.2020 um 21:23 Uhr
„Geplant ist – gem. Weisung StvGI vom 09.10.20 – eine Verwendung in der Reserve (inkl. einer Produktänderung):“
Das ist mal eine gute Entscheidung.
Zum einen wird so endlich wieder damit begonnen die Reservetruppenteile wieder mit eigener Ausrüstung auszustatten, zum anderen ist das G36 als einfach zu bedienende Waffe sicherlich auch gut geeignet für Reservisten.
Da macht man nicht nur aus einer Not eine Tugend, sondern mEn sogar aus einer Tugend eine Tugend ;)
@SvD sagt: 16.10.2020 um 21:24 Uhr
„Nö. Der zivile Markt kann der Bundeswehr egal sein.“
Ja, aber der NATO Standard nicht.
„Die Individualisierbarkeit interessiert einfach nicht. Es handelt sich um eine Ordonnanzwaffe, nicht um das persönliche Gewehr im Schützenverein.“
Ja, und nein. Dadurch, dass die Infanterie (und die PzGren) heutzutage einen WaffenMix in der Gruppe haben benötigen wir Individualisierbarkeit. Und aus Vereinfachungsgründen der Beschaffung und Logistik habe ich dann auch nichts dagegen, dass der Fernmelder Picanntinyschienen bekommt. Für das was er mit der Waffe macht, macht das so oder so keinen Unterschied.
„Ändern man den Tragegriff mit dem Optikblock, wird die von Ihnen kritisierte Kopflastigkeit erheblich gemindert. Montagepunkte man man mit anderen Gehäuseteilen schaffen, das ist kein Hexenwerk.“
Gut. Dann hätten wir am G36 also nur zu ändern:
– die Bauform,
– die Optik,
– die Individualisierbarkeit/Adaptierbarkeit,
– das Magazin,
– das Rohr (Stärke und ggf. Länge, möglicherweise auch Legierung),
– den Kunststoffmix.
//Sarc on//
Sie haben mich überzeugt, wir brauchen keine neue, zeitgemäße Waffe für die Inf/PzGren, wir müssen nur an der alten einige kleine Änderungen vornehmen, das reicht.
//Sarc off//
G36-Nachfolger nächste Runde: Das BAAINBw soll Haenel laut FAZ nach dem Best-and-FINAL-Offer über eine „Aufklärung“ die Möglichkeit zur Preisnachbesserungen eingeräumt haben. (17.10.2020 faznet)
Da ist das BMVg für Klärung gefordert.
@Koffer:
Zustimmung.
Nun muss aber erstmal die Beschaffung eines neuen Gewehres auch wirklich vertraglich umgesetzt werden.
Nach meinem Eindruck ist das vor der Wahl 2021 kaum mehr möglich, somit wird ein Vertragsschluss eher 2023 oder später möglich.
Aber auch dann wird man hoffentlich noch die Waffen für die Reserve vorsehen.
Nach der Wahl wird man sich auf jeden Fall von vielen Zukunftsplänen verabschieden müssen.
Ob man dann das G36A1 modifiziert oder neue Waffen beschafft wird man dann sehen. Es wird nur eines von sehr vielen Problemen sein.
Auch in den Niederlanden ist nächstes Jahr Wahl und dort wurde nun klar aufgezeigt, dass Auftrag, Kräfte und Mittel nicht zusammenpassen (https://www.defensenews.com/global/europe/2020/10/16/dutch-defense-ministry-casts-nato-spending-goal-as-out-of-reach/).
Am Ende könnte die Bundeswehr dann in weiten Teilen für sehr lange Zeit noch beim G36A1 bleiben.
Die G36A3 und G36A4 (und deren Nachtsicht) sind ja weiterhin ausserhalb von IdZ-ES und der DSK nicht wirklich vorhanden.
Ohne Fürsprecher im System (die es nach den letzten Wochen sicherlich noch weniger gibt) wird es dabei auch bleiben.