Kampf gegen steigende Coronavirus-Infektionen in Großstädten: „Die Bundeswehr hat noch Möglichkeiten“ (Update)

Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen mit dem Coronavirus vor allem in Großstädten haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die (Ober)Bürgermeister der elf größten deutschen Städte weitergehende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vereinbart. Dazu gehört auch mehr Unterstützung durch die Streitkräfte: Die Bundeswehr hat noch Möglichkeiten, sagte Merkel nach den Beratungen.

Aus dem vom Bundespresseamt veröffentlichten Ergebnispapier der Besprechung von Kanzlerin und den Bürgermeistern und Oberbürgermeistern am (heutigen) Freitag:

Ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche wird die Kontaktnachverfolgung immer schwieriger. Deshalb haben Bund und Länder vereinbart, spätestens ab dieser Grenze auch mit zusätzlichen geeigneten Beschränkungsmaßnahmen die Neuinfektionszahlen regional wieder zu senken.
In Großstädten stellt diese Aufgabe aus vielerlei Gründen eine besondere Herausforderung dar.
Deshalb hat die Bundeskanzlerin mit den Bürgermeistern und den Oberbürgermeistern und Oberbürgermeisterinnen der elf größten Städte in Deutschland besprochen: (…)
2. Spätestens ab einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche entsendet die Bundeswehr Experten auf Bitten der jeweiligen Stadt zur Beratung und Koordinierung benötigter Unterstützungsleistungen des Bundes in die Krisenstäbe der betroffenen Großstadt. Den Städten ist wichtig, dass die Unterstützung bei der Kontaktnachverfolgung durch die Bundeswehr möglichst durch längerfristig eingesetztes Personal erfolgt und die Rotationszeiten entsprechend verlängert werden.
[Hervorhebung T.W.]

Das wird eine Aufgabe neuer Qualität für die Streitkräfte – denn ganz offensichtlich sind hier nicht helfende Hände gefragt, sondern Experten insbesondere aus dem Sanitätsdienst, vielleicht aber auch eher aus dem verwaltungstechnischen Bereich Klarheit gibt es da im Moment noch nicht.

Und, so liest sich dieses Ergebnis, die Bundeswehrsollen nicht nur Unterstützung liefern – sondern Beratung und Koordinierung aller (?) Hilfeleistungen von Bundeseinrichtungen einbringen. Da darf man auf die Details gespannt sein; ebenso auf die Vereinbarung, die – bereits jetzt – zur Nachverfolgung von Infektionen eingesetzten Soldatinnen und Soldaten längerfristig in die Gesundheitsämter abzuordnen.

Bei der Unterstützung der jeweiligen Polizei bei der Überwachung von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie legt das Ergebnispapier übrigens fest, dass das Sache anderer Polizeien bleiben soll:

Die Großstädte ergreifen ihrerseits organisatorische Maßnahmen, um die Ordnungsämter zu entlasten, damit zur Einhaltung der Corona-Verordnungen eine hinreichend hohe Kontrolldichte gewährleistet werden kann. Ebenfalls sollen die Ordnungsbehörden die Gesundheitsämter bei der Überwachung von Quarantäneanordnungen unterstützen. Bund und Länder werden kurzfristig darüber beraten, wie Unterstützung auch durch die Bundespolizei und Länderpolizeien geleistet werden kann.

In der Pressekonferenz nach dem Gespräch mit den Stadtoberhäuptern betonte die Kanzlerin, die Bundeswehr habe noch Reserven und könne mehr als bisher eingesetzt werden. Aus dem Transkript der Pressekonferenz:

Merkel: (…) Es geht darum, die Gesundheitsämter gut auszustatten und sich hierbei auch gegenseitig zu helfen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Bundeswehr! Das wurde von allen als sehr, sehr wichtig eingeschätzt. Aber wir werden auch gemeinsam weitere Unterstützung suchen, wie es genauso auch um die Unterstützung und Entlastung von Ordnungsämtern geht. (…)
Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte ganz gern noch einmal zum Personal gefragt: Was genau hat der Bund jetzt den Großstädten angeboten, die ja darüber klagen, dass sie ganz viele offene Stellen und auch noch sehr hohe Infektionszahlen in den Kliniken haben? Können Sie uns das bitte genauer sagen: Ist das die Bundeswehr, oder wo helfen Sie?
Merkel: Die Bundeswehr hat noch Reserven und kann noch weiteres Personal entsenden.
Wir gehen dann in dem Papier – das werden Sie sehen – noch auf die Universitäten in den großen Städten ein. Wir werden mit der Hochschulrektorenkonferenz darüber sprechen, dass auch Medizinstudenten eingesetzt werden könnten, und wie wir sicherstellen, dass dadurch nicht gleich ein ganzes Semester in Gefahr gerät.
Wir werden – das ist heute im Gespräch noch einmal deutlich geworden; darauf konnten wir naturgemäß noch keine Antwort geben – auch noch einmal überlegen, ob wir in Bundesbehörden gegebenenfalls noch Menschen haben, die wir entbehren könnten. Das werden wir dann beim nächsten Mal mit den Oberbürgermeistern besprechen.
Aber eine ganz wichtige Botschaft heißt: Die Bundeswehr hat noch Möglichkeiten. – Das habe ich heute auch gesagt.

Das Ergebnispapier hier:
20201009_BK_Grossstaedte-OBs_Corona

(Foto: Marineinspekteur Andreas Krause, l., beim Besuch von Soldaten des Marinekommandos im Einsatz im Testcenter am Berliner Hauptbahnhof am 8. Oktober – Foto Deutsche Marine)