US-Truppenabzug aus Afghanistan: Beschleunigen für die US-Wahl? (m. Nachtrag)

In den USA mehren sich die Anzeichen, dass auf Druck von Präsident Donald Trump der Zeitplan für den Abzug von Truppen aus Afghanistan bis zur US-Präsidentenwahl im November beschleunigt werden soll. Im Pentagon würden derzeit entsprechende Pläne erarbeitet, berichtet die Washington Post.

Bereits am vergangenen Dienstag hatte die New York Times von entsprechenden Überlegungen berichtet (Trump Wants Troops in Afghanistan Home by Election Day. The Pentagon Is Drawing Up Plans.) Am (heutigen) Donnerstag meldete die Washington Post noch etwas konkreter dazu:

The Pentagon is preparing for President Donald Trump to withdraw thousands of American troops from Afghanistan before the presidential election as military leaders recommend keeping at least a small counterterrorism force to remain in the country, current and former U.S. officials said. (…)
Trump at a news conference Tuesday evening declined to set a timetable for withdrawal. But he said the United States has been in Afghanistan long enough, and „we can always go back if we want to.“ (…)
Senior Pentagon officials are expected to meet soon with the president to discuss options, one defense official said. Several proposals have been drawn up for Trump, including one that would remove all U.S. troops this year, another defense official said.

Nach einem Abkommen zwischen den USA und den Taliban von Ende Februar soll die Zahl der US-Truppen – und auch die Zahl der Soldaten in der NATO-geführten Resolute Support Mission – bis zum Sommer deutlich reduziert werden; ein vollständiger Abzug ist für das Frühjahr kommenden Jahres angepeilt. Die Taliban hatten nach dieser Vereinbarung ihre Angriffe auf US-Soldaten am Hindukusch praktisch eingestellt; die Zahl der Kampfhandlungen mit den afghanischen Sicherheitskräften blieb aber unverändert hoch und führte zu einer neuen Rekordzahl an zivilen Opfern.

Ein beschleunigter Abzug der USA unter dem Zeitdruck der bevorstehenden Wahl würde sich auch direkt auf die Verbündeten und damit auch auf die Bundeswehr in Afghanistan auswirken: Ohne die Unterstützung der rund 12.000 US-Soldaten, die bis Mitte Juli auf rund 8.600 verringert werden sollen, wäre die NATO-geführte Mission nur eingeschränkt handlungsfähig.

Die Bundeswehr hatte bereits in den vergangenen Wochen einen Teil ihres Personals am Hindukusch reduziert und die so genannte Struktur A light eingenommen – eine Verringerung, die dem geplanten Abschmelzen nach dem Abkommen bis Mitte Juli entsprechen sollte, aufgrund der Coronavirus-Pandemie aber teilweise vorgezogen wurde. Allerdings gibt es bislang nach Bundeswehrangaben von der NATO keine Weisungen, die die in den USA diskutierte schnellere Reduzierung konkretisieren würden.

Nachtrag: Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP ist die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan bereits stärker reduziert worden als bislang bekannt – vor allem vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie:

The U.S. military withdrawal from Afghanistan is considerably ahead of schedule, an official told AFP on Wednesday, as President Donald Trump reiterated calls for the Pentagon to bring troops home.(…)
Under a deal the U.S. signed with the Taliban in February, the Pentagon was to bring troop levels down from about 12,000 to 8,600 by mid-July, before withdrawing all forces by May 2021.
But a senior U.S. defense official said the troop number is already at approximately 8,500, as commanders accelerate the withdrawal over fears of the novel coronavirus.

Die Bundeswehr ist derzeit mit etwas mehr als 1.000 Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Anfang des Jahres waren es noch rund 100 mehr gewesen (allerdings ist die Vergleichbarkeit angesichts der zwischenzeitlichen Kontingentwechsel und zudem zeitweisen Quarantäne-Unterbringungen schwierig).

(Archivbild September 2018: Raider Brigade soldiers from 2nd Battalion, 23rd Infantry Regiment, 1st Stryker Brigade Combat Team, 4th Infantry Division, provide security near their armored vehicle in Afghanistan, September 21, 2018 – U.S. Army Photo by SPC Christopher Bouchard)