Neue Wehrbeauftragte Högl im Amt (Nachtrag)
Mit dem Ablegen ihres Eids vor dem Bundestag hat die neue Wehrbeauftragte Eva Högl ihr Amt angetreten. Die bisherige SPD-Abgeordnete war am 7. Mai auf Vorschlag der Sozialdemokraten mit 389 Stimmen zur Nachfolgerin von Hans-Peter Bartels gewählt worden.
Angesichts der Abstandsregeln in der Coronavirus-Pandemie verzichtete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nach der Eidesleistung am (heutigen) Donnerstag auf den üblichen Handschlag für die neue Amtsinhaberin. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gratulierte Högl mit einem vorsichtig und natürlich auch auf Distanz übergebenen Blumenstrauß.
Bereits zu Amtsantritt ist die neue Wehrbeauftragte, per Gesetz ein Hilfsorgan des Bundestages, in die Arbeit des Verteidigungsministeriums eingebunden: Auf Bitten von Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wird sie Teil der Arbeitsgruppe, die in den nächsten Wochen die Strukturen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im Hinblick auf rechtsextremistische Tendenzen durchleuchten soll – nach bisherigem Stand als einziges Mitglied, das nicht Teil des Wehrressorts oder der Bundeswehr ist. Ergebnisse sollen bereits zum Beginn der Parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli vorliegen.
Nachtrag: Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur rief Högl zu einer grundsätzlichen Debatte über Rechtsextremismus in der Bundeswehr auf:
Das beinhaltet keinen Generalverdacht, weder gegenüber dem KSK noch gegenüber der Bundeswehr insgesamt. (…) Es ist aber auch nicht nur eine Ansammlung von Einzelfällen. Wir müssen also auch schauen, was müssen wir tun, um die Strukturen so zu verändern, dass sich solche Einstellungen nicht breit machen und um auch diejenigen Soldatinnen und Soldaten zu stärken, die sich dagegen stellen.
(Foto: Högl und Schäuble nach der Eidesleistung der neuen Wehrbeauftragten – Achim Melde/Deutscher Bundestag)
Ich finde bei all der Kritik an Ihrer Wahl sollte man Ihr die Chance lassen etwas zu verbessern.
Fr. Högl: „Wir müssen also auch schauen, was müssen wir tun, um die Strukturen so zu verändern, dass sich solche Einstellungen nicht breit machen …“
Was geänderte Strukturen für einen Einfluss auf die Geisteshaltung des Personals generell, speziell zur FDGO haben, zeigt sich mir nicht.
Strukturelle Veränderungen können die Verfassungstreue des (KSK) Personals nie sicher stellen. Sie haben nichts miteinander zu tun. Dazu bedarf es der Personalauswahl in Zusammenarbeit mit dem MAD.
Der für Spezialkräfte in Frage kommende Personalkorb ist begrenzt und bleibt weitestgehend unverändert, egal welche Struktur man als Basis nimmt.
Sie haben zunächst eine Struktur und suchen erst anschließend geeignete Kandidaten.
Bin mal gespannt, wie weit die Thematik Ausrüstungsdefizite in den Hintergrund geschoben wird.
Das wird ein ziemlicher Sprung ins kalte Wasser für Frau Högl. Gleich zu Beginn ein heißes Eisen mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit, wenig Erfahrung in dem Bereich und die Hypothek der Vorgeschichte ihrer Ernennung auf den Schultern, da kann man eine Menge falsch machen. Wenn Sie das meistert, kann ihr das eine Menge Anerkennung in der Truppe einbringen. Wenn es schief geht, ist das Amt nachhaltig beschädigt. Wünschen wir ihr also viel Erfolg!
Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 28.05.2020 um 14:15 Uhr
Der für Spezialkräfte in Frage kommende Personalkorb ist begrenzt und bleibt weitestgehend unverändert, egal welche Struktur man als Basis nimmt.
Sie haben zunächst eine Struktur und suchen erst anschließend geeignete Kandidaten.
Vielleicht meinte sie ja eine Strukturreform der Bundeswehr – ohne das KSK. Sicherlich wird sie dem Bundestag nach einiger Zeit einen entsprechenden Vorschlag machen. ich wüsste nicht, welchen anderen Sinn die Aussage von Frau Högl sonst machen sollte.
@KPK
Dieses eng gefasste Verständnis von „Strukuren“ greift hier zu kurz. Strukturen sind mehr als Kästchenkunde und Peronalplanung. Strukturen beinhalten auch kulturelle Aspekte: Transparenz, Selbstverständnis, Vertrauensverhältnis und vieles mehr. Wie gehe ich selbst mit Fehlverhalten um, wie meine Vorgesetzten? Bestes Beispiel ist die besonders im Geschäftsbereich des BMVg verbreitete Unsitte, nach oben hin immer alles grün zu melden. Da kann und muss man ansetzen.
Akki sagt: 28.05.2020 um 14:41 Uhr
Strukturen beinhalten auch kulturelle Aspekte: Transparenz, Selbstverständnis, Vertrauensverhältnis und vieles mehr.
Sie sprechen von Organisationskultur. Strukturen richten sich nach Auftrag, Fähigkeiten und Personalstärke – in dieser Reihenfolge.
Högl hatte nach ihrer Wahl am 07.05.2020 gesagt, Probleme der Bundeswehr seien etwa der „enorme Strukturwandel“ seit der Abschaffung der Wehrpflicht und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Und ich habe den Blick darauf, dass sich keine extremistischen Strukturen in der Bundeswehr breit machen“, so Högl laut Tagesschau.de vom 7. Mai.
Abschaffung der Wehrpflicht? Wirklich brandaktuell, ist ja erst 9 Jahre her. Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Na prima, noch mehr Teilzeit zulasten der männlichen Soldaten, vor allem wenn es um die Einsätze geht. Blick darauf, dass sich keine extremistischen Strukturen in der Bundeswehr breit machen? Da wird sich der MAD aber über die tatkräftige Unterstützung am Platz der Republik freuen.
Ausrüstungsdefizite? Gibts offenbar nach Högls Wahrnehmung keine. Sonstige Probleme? Fehlanzeige.
Wenn das die Schwerpunktthemen für ihre Amtszeit sein sollen, dann dürfen sich viele Soldaten darauf einstellen, mit ihren Problemen zukünftig bei der Wehrbeauftragten allenfalls noch als Randgruppe wahrgenommen zu werden.
Tja, das war man so gewohnt, den/die Wehrbeauftragten vorzugsweise als Anwalt der Soldaten zu sehen. Der zweite Teil des grundgesetzlichen Auftrags ist aber eben die Kontrolle der Streitkräfte. Sollte Frau Högl ihren Schwerpunkt auf letzteres legen wollen? Als Projektor von Herrn Mützenichs Ablehnung und Misstrauen?
Was die Strukturen der Bw mit der politischen Meinung von Soldaten zu tun haben sollen, erschließt sich mir auch nicht. Es sei denn, sie meint Strukturen der Personalauswahlorganisation o. ä.
Die Notwendigkeit, radikale und Verfassungsfeinde aus der Bw herauszuhalten oder zu -werfen, kann man m. E. nicht bestreiten, und ebensowenig die Tatsache, dass es da anscheinend ein Problem am rechten Rand gibt (wobei ich keinen Insiderblick (mehr) habe). Aber dieses Problem hat ja doch wohl auch mit der Abschaffung der Wehrpflicht zu tun – die Streitkräfte als „Spiegel der Gesellschaft“ hat man damit zum Teil eben aufgegeben. Und Spezialeinheiten, die sowieso nur aus Freiwilligen bestehen, sind eben eine Art Destillat.
@Trevor Faith
Ich muss widersprechen: Das ist der Strukturbegriff, wie ihn die Bundeswehr verwendet. Damit wird Frau Högl sicher noch nicht vertraut gewesen sein, als sie das zitierte Interview gab.
https://de.wikipedia.org/wiki/Struktur
Trevor Faith sagt: 28.05.2020 um 14:58 Uhr
@Akki meint schon das Richtige. Es gibt neben der Aufbaustruktur (Ausstattung, Diszlozierung usw. also der organischen Struktur) z.B. auch verfestigte gemeinsame Denkstrukturen (Bspl. nach oben „grün“ melden), die das übergeordnete Ganze beeinflussen.
@Trevor Faith
Die BW hat das Recht auf ihren eigenen Sprech, sie hat kein Recht zu erwarten das andere sich daran halten oder es auch nur kümmert
Ich stimme Herrn Obristlieutenant voll zu.
Als Grundausbildung und Einstimmung für Ihr neues Amt würde ich Frau Högl daher folgendes Mindest-Programm empfehlen:
– Umgehende Anmeldung zur Teilnahme an den InfoDVags aller Teilstreitkräfte, falls sie das bisher nicht getan hat.
Und hier meine ich eine engagierte und auch körperlich AKTIVE Teilnahme sowie von echtem Interesse zeugenden Gesprächen mit Soldaten aller Dienstgrade, vom einfachen Gefreiten bis zum General. Sie sollte dabei offen nach Problemen fragen und sich die Zusammenhänge erklären lassen.
Wobei nach meiner Erfahrung die unteren und mittleren Dienstgrade und alle, die nicht um jeden Preis Karriere machen wollen oder zum Ende ihrer Laufbahn nicht mehr machen müssen, die ehrlicheren Antworten geben.
Viele Teilnehmer scheinen eine InfoDVag nur als lustige Animier-All-Inclusive-Veranstaltung zu verstehen mit reichlich gutem Essen und Alkohol, bei der sie – ein bißchen wie im Karneval – in Uniform und mit einem Offiziersdienstgrad versehen mal Soldat spielen dürfen.
Echte Empathie und Identifikation mit den Soldaten habe ich dabei leider nur bei den wenigsten erlebt, auch nicht bei den Bundestagsabgeordneten, welche über unsere „Parlamentsarmee“ und die Einsätze unserer Kameradinnen und Kameraden schließlich bestimmen dürfen. Im letzter Konsequenz entscheiden die MdB immerhin über Leben und Tot.
Frau Högl könnte im Anschluß an die InfoDVags auch die Gelegenheit nutzen, sich als Reservistin zu bewerben, um ihren neuen Job als Wehrbeauftragte mit steigender Sachkenntnis und Ernsthaftigkeit ausfüllen zu können.
– Teilnahme an Stützpunktführungen bei allen Teilstreitkräften, gerne auch mit Ihren Partei- und Fraktionskollegen. Auch hier kann man als Zivilist eine Menge über die Arbeit und das Leben der Soldaten und ihrer Angehörigen lernen.
Nach meiner Erfahrung lassen sich Politiker des eher linken Spektrums leider sehr selten bis nie bei der „Truppe“ blicken – woran das liegen mag? Desinteresse?
– Die aufmerksame Lektüre des aktuellen Buches
„Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ von Josef Kraus/ Richard Drexl (2019).
Die darin beschriebenen Fälle von Mißmanagement und Mißwirtschaft könnte Frau Högl sich dann nach und nach vornehmen, diese öffentlich diskutieren und zu korrigieren versuchen.
Es gibt viel zu tun. Und wir bräuchten als Wehrbeauftragten und „Anwalt der Soldaten“ einen echten Kämpfer/ Kämpferin und nicht bloß „politisch korrekte“ Schönschwätzer.
Wir werden sehen, in welche Kategorie Frau RA Högl fallen wird.
[Den Link aus Gründen entfernt. Ansonsten empfehle ich den Blick ins Wehrbeauftragten-Gesetz – und nein, die Wehrbeauftragte ist nicht eine Art Repräsentantin der Bundeswehr im Parlament, wie es Ihnen bei der Forderung nach Reservistenstatus für sie vorschwebt. T.W.]
Sehr geehrter Herr Wiegold:
Beim Reservistenstatus geht es mir nicht so sehr um den Status, sondern um die fortlaufende Aus- und Weiterbildung sowie den kontinuierlichen, erlebten Kontakt zur Truppe. M.E. kann ich nur verstehen und „verteidigen“ (als „Anwalt der Bundeswehr“), was ich kenne, und zwar aus der Praxis. Nur so gewinne ich neben Sachkenntnis und Erfahrung auch Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
[Schon verstanden, Sie wollen eine Gesetzesänderung und den Status der Wehrbeauftragten ändern bzw. auf den Stand von vor Claire Marienfeld zurückdrehen, als die Verpflichtung aufgehoben wurde, dass der Wehrbeauftragte Wehrdienst geleistet haben müsse. Dann ist hier aber der falsche Ort, das zu fordern. T.W.]
Die Wehrbeauftragte ist aber der Anwalt der Soldaten, eher der Repräsentant der Soldaten und der Auditor des Parlaments bei der BW.
Ich bedaure demgemäss immer das die Reaktionen der von ihm aufgeführten Punkte im nächsten Jahr nicht aufgelistet werden