Sicherheitshalber, der Podcast Folge 25: Globale Machtverschiebungen durch Corona? und: Abzug aus Afghanistan
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 25 reden Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich zuerst darüber, welche internationalen Auswirkungen und vor allem globalen Machtverschiebungen die Corona-Pandemie nach sich ziehen könnte. Im zweiten Teil beleuchten wir den beginnenden Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan. Abschließend wie immer der “Sicherheitshinweis”, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit Abschreckung im Pazifik, einer vermeintlichen Seeschlacht, dem Corona-Kalender der Rüstungskontrolldiplomate und dem bevorstehenden Ende des “Vertrags über den Offenen Himmel (Open Skies)”. Außerdem: maritime Metaphern!
Globale Machtverschiebungen durch Corona?: 00:02:10
Abzug aus Afghanistan: 00:43:29
Sicherheitshinweise: 00:58:48
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Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Thema 1 – Globale Machtverschiebungen durch Corona?
Matthias Rogg, COVID-19 – die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik, #GIDS Statement, Nr. 1, 2020,
https://gids-hamburg.de/wp-content/uploads/2020/04/GIDSstatement2020_1_Rogg_COVID19.pdf#
Henry A. Kissinger, The Coronavirus Pandemic Will Forever Alter the World Order, Wall Street Journal, 3 April 2020
https://www.wsj.com/articles/the-coronavirus-pandemic-will-forever-alter-the-world-order-11585953005
Scholz und Maas sichern EU-Partnern Solidarität in Coronakrise zu, Spiegel, 6.4.2020
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-krise-heiko-maas-und-olaf-scholz-sichern-eu-partner-solidaritaet-zu-a-526fa3de-cd1e-4e34-b92a-f7e95124ffbb
Mira Rapp-Hooper, China, America, and the International Order after the Pandemic, War on the Rocks, 24.3.2020, https://warontherocks.com/2020/03/china-america-and-the-international-order-after-the-pandemic/
Daniel Markey, Responding to China’s new Tools of Global Influence, War on the Rocks, 1.4.2020
https://warontherocks.com/2020/04/responding-to-chinas-new-tools-of-global-influence/
David Barno, Nora Bensahel, After the Pandemic America and National Security in a changed World, War on the Rocks, 31.3.2020 https://warontherocks.com/2020/03/after-the-pandemic-america-and-national-security-in-a-changed-world/
Ivan Krastev, Seven early lessons from the coronavirus, ECFR,18.3.2020
https://www.ecfr.eu/article/commentary_seven_early_lessons_from_the_coronavirus
Tara Varma, Covid-19 and European solidarity: The fight for who we are, ECFR, 30.3.2020
https://www.ecfr.eu/article/commentary_covid_19_european_solidarity_and_the_fight_for_who_we_are
Augengeradeaus, Zur Dokumentation: Maas und die NATO-Quote, 2.4.2020
https://augengeradeaus.net/2020/04/zur-dokumentation-maas-und-die-nato-quote/
Silviu Mihai, Auf dem Weg in eine Diktatur, Die Zeit, 31.3.2020,
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/ungarn-viktor-orban-notstandsgesetz-ermaechtigungsgesetz-coronavirus
Thema 2 – Abzug aus Afghanistan
AP: Taliban warn peace deal with US near breaking point, 6. April 2020
https://apnews.com/9f3c050dd0c7448f1b780985f461fc36
Reuters: Planned $1 billion U.S. aid cut would hit Afghan security force funds: sources, 6. April 2020
https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan-exclusive-idUSKBN21N0CJ
Augengeradeaus, Coronavirus-Pandemie beschleunigt Truppenabzug aus Afghanistan – auch „nicht zwingend notwendiges Personal“ soll raus, 24.03.2020
https://augengeradeaus.net/2020/03/coronavirus-pandemie-beschleunigt-truppenabzug-aus-afghanistan-auch-nicht-zwingend-notwendiges-personal-soll-raus/
Augengeradeaus, Vereinbarung für den Frieden in Afghanistan: Truppenreduzierung bis Juli? 02.03.2020, https://augengeradeaus.net/2020/03/vereinbarung-fuer-den-frieden-in-afghanistan-truppenreduzierung-bis-juli/
Joe Felter, Leaving Afghanistan: Pulling out without Pulling the Rug Out, 19 February 2020,
https://warontherocks.com/2020/02/leaving-afghanistan-pulling-out-without-pulling-the-rug-out/
Joint Declaration between the Islamic Republic of Afghanistan and the United States of America for Bringing Peace to Afghanistan https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/02.29.20-US-Afghanistan-Joint-Declaration.pdf
David Sanger, After 18 Years, Is This Afghan Peace, or Just a Way Out?, New York Times, 29.2.2020
https://www.nytimes.com/2020/02/29/world/asia/trump-taliban.html
Die “Afghanistan Papers”:
https://www.washingtonpost.com/graphics/2019/investigations/afghanistan-papers/afghanistan-war-confidential-documents/
Sicherheitshinweise
Rike: Die “Pacific Deterrence Initiative” https://www.defensenews.com/global/asia-pacific/2020/04/02/inside-us-indo-pacific-commands-20-billion-wish-list-to-deter-china-and-why-congress-may-approve-it/
Carlo: Die “Schlacht von Tortuga” (nicht)
https://twitter.com/Canocola/status/1246364316355514368?s=20
Frank: Der “Corona-Rüstungskontrollkalender”
https://www.armscontrol.org/act/2020-04/news/npt-review-conference-postponed
Thomas: Das Ende von “Open Skies”
https://www.theguardian.com/us-news/2020/apr/05/trump-administration-treaty-war-russia-withdraw
Vielen Dank. Grandioser Podcast. Bin darübergestolpert und hängen geblieben.
Ich finde es grade bei der Diskusion der Kriese interresant dass das Selbstbild der Vormachtstellung der USA immernoch so stark von den militärischen Fähigkeiten geprägt ist. Platt gesagt: das Gesundheitssystem kollabiert, die hälfte der Leute kann sich keine Krankenversicherung leisten aber wir haben tolle Flugzeugträger und Atom U boote. Ich denke dass könnte man den Wählern in der EU sicher nicht so verkaufen.
Die USA können eine Sache in der Welt wirklich richtig gut.
Marketing!
Die USA sind nämlich nicht die (hier bitte einen Superlativ einsetzen) Nation der Welt, aber sie können sich hervorragend so verkaufen, als wäre es so.
Ich glaube der/die nächste Präsident/in der USA wird ganz entscheidend sein für die langfristige zukünftige Entwicklung des Landes.
Im politisch-diplomatischen Bereich, aber auch im wirtschaftlichen Bereich.
Noch kann man viele Risse kitten und auch mit einer zweiten Amtszeit von Trump ist nicht alles langjährig aufgebaute Vertrauen verloren.
So große Auswirkungen wie Rike beschreibt, wird es nach der Coronakrise nicht geben. Also keine Vor-Corona-Welt und Nach-Corona-Welt, zumindest nicht langfristig auf mehrere Jahrzehnte.
Auch mal wieder interessant wie alle Russland und Europa (nicht nur EU) unterschätzen.
Europa hat natürlich ein Problem mit der gemeinsamen Stimme und in der EU ist dies natürlich auch enormes Problem, aber in vielen Bereichen ist sich Europa extrem einig – zumindest im groben Kern (Demokratie, Menschenrechte, Wirtschaftssystem usw.).
Variante 2 am Anfang (Minute 10, glaube Frank) wird nämlich passieren – deshalb macht China jetzt auch ein große Inszenierung um seine Hilfslieferungen.
Um eben diese Variante abzufedern und abzuschwächen. Hinter verschlossenen Türen wird es aber in den nächsten Jahren viele Forderungen für alle (!) Staaten der Welt geben (hier darf Afrika nicht vergessen werden). Gerade im Bereich Hygiene und Prävention, weniger Regressforderungen – kein Staat ist nämlich mit dieser jetztigen Lage glücklich.
Man hat jetzt persönlich gemerkt, wie anfällig die Weltgemeinschaft gegen Viren ist. Alles zuvor war beherrschbar oder verlief glücklicherweise glimpflich oder ist zu lange her und man dachte „wir sind ja technisch viel fortschrittlicher als damals“.
Das Coronavirus hätte nur ein kleines bisschen aggressiver als jetzt sein müssen und wir hätten ein richtig großes Problem.
Auch wenn es vielleicht sogar Nutznießer aus dieser Krise geben wird. Die Gefahr ist immer da, dass man eine Krise nicht kontrollieren kann und einem „die Macht“ entgleitet und man am Ende eine große innerstaatliche Systemkrise hat – mit Auswirkungen auch auf die Zukunft. Am Beispiel China könnte einem das „chinesische Jahrhundert“ dann auch mal ganz schnell um die Ohren fliegen, wenn man eine Systemkrise bekommt.
@Dante
Wenn man sieht wieviele Menschen insgesamt in Europa bereits on COVID gestorben sind (+/- 60000), hinkt der Vergleich natuerlich…platt gesagt! Nicht nur sind mehr Menschen als in den USA verstorben, auch hat Europa absolut keine vergleichbaren Kraefte. Aber scheinbar macht das den Waehlern in Europa nichts aus.
@johsthe Verstehe ich jetzt nicht. Wass habe ich von 600 mrd Dollar Verteidigungsausgaben wenn ich mir ohne KV in der Notaufnahme die Lunge aushuste?
Wie positionieren sich die USA, zunächst ziemlich übellaunig.
Wenn Trump heute der WHO mit Entzug der U.S. Beiträge droht, unter Hinweis auf angebliche einseitige Bevorzugung der CHN Position in der Pandemie-Eindämmung wird klar, die drohende Rezession macht ihm zu schaffen.
Im Vorfeld der Wahlen im September wird er trotz des absehbaren Einbruchs der Steuereinnahmen erhebliche Aufwändungen zugunsten des Sozialen in den Staaten aufbringen müssen. Auch seine Wählergruppe leidet, ist stark betroffen und benötigt Zuwendungen. Der Jahresbeitrag für die WHO bringt lediglich propagandistische Vorteile. Großflächig zugreifen könnte er im Verteidigungshaushalt.
Die Streitkräfte werden rezessionsbedingt weniger üppig leben müssen. Die Vereinigten Staaten werden erleben, das Virus erfüllt die Funktion des Brandbeschleunigers im erweiterten sicherheitspolitischen Spektrum; bei Streitkräften, Wirtschaftshilfe und Beiträgen zu UN-Organisationen sinkt mit weniger Zahlungen der Einfluss. Eine globale Machteinbuße wird nicht unmittelbar das folgerichtige Ergebnis sein, mittelbar aber schon.
Advantage, China!
Nun macht Corona zwar keine gesellschaftspolitischen Unterschiede, die Volksrepublik und ihre Ökonomie ist auch betroffen. Jedoch ist Peking bereits in der Rekonstitution, zudem muss Xi nicht in den Wahlkampf und kann sich der Leidensfähigkeit seiner Bevölkerung sicher sein.
Im Saldo steigt der chinesische Einfluss schneller als ohnehin schon, währenddessen jener der USA im gleichen Ausmaß sinkt, wenigstens aber stagniert.
Insgesamt war diese Folge zurückhaltener, abgeklärter, und, wie ich finde, auch etwas desillusionierter als einige vorhergehende. Ohne dies jetzt weiter beleuchten zu wollen. Nur so als Eindruck.
Aber alles gute, wichtige und richtige Gedanken.
Speziell zum ersten Thema. Ich sehe auch das Potenzial zu Machtverschiebungen infolge der Corona-Pandemie. Vielleicht wird uns das nicht sofort offensichtlich sein, aber im historischen Rückblick dann schon eher. Gerade weil Carlo Masala die beiden Weltkriege des letzten Jahrhunderts ansprach. Mit Sicherheit änderte sich danach nicht die Laufrichtung unserer Uhr. Trotzdem kann man nachhaltige Veränderungen in der Weltpolitik feststellen. Das gesamte Koloniale System brach zusammen. Das Empire durfte seine Führerschaft an die Vereinigten Staaten abtreten. Ein Gespenst ging völlig ungeniert um in der Welt, mit allen Folgen.
Was uns nach Corona erwartet? Da wage ich keinerlei Prognose. Da sehe ich auch nur die von Euch angesprochenen Möglichkeiten.
Umso mehr freue ich mich natürlich auf die nächsten Folgen Sicherheitshalber! Aber auch zum Beispiel von „Dark“.
@Dante
„Wass habe ich von 600 mrd Dollar Verteidigungsausgaben wenn ich mir ohne KV in der Notaufnahme die Lunge aushuste?“
Man muss nicht alles glauben was ueber die USA erzaehlt wird! Weder kollabiert das Gesundheitssystem, noch hat die Haelfte aller Amerikaner keine KV. Ich kenne die KV Systeme in ITA, ESP und FRA nicht, aber die Chance sich dort die Lunge aus dem Leib zu husten weil man in der Notaufnahme in der Triage unten rausgefallen ist, scheint mir im Augenblick noch hoeher.
Eine realistische Betrachtung des Abkommens zwischen den Taliban und den USA. Und selbst Prof Masala musste die Feststellung treffen, das im Endeffekt der Status Quo von 1994 in absehbarer Zeit wiederhergestellt sein wird.
Jahrelang galt man als Schwarzmaler, wenn man diese Position vertreten hat, nun scheint sie Realität zu sein. In dieser afghanischen Regierung, in welcher auch immer, und somit Staat funktioniert doch nichts, was nicht durch ausländische Hilfsgelder finanziert und massiv gestützt wird. Das beste Beispiel ist doch die ANA, die trotz starker Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe auch nach mehr als 15 Jahren nicht in der Lage ist, die Taliban wirksam zu bekämpfen.
Es wird sich die Regierung etablieren, die die Mehrheit der afghanischen Volksgruppen unterstützt, und das sind die Taliban. Man hätte schon vor 10 Jahren gehen sollen.
Peking betrachtet das sich anbahnende Machtvakuum nach U.S. Abzug aus AFG mit Sorge.
Wird sich Peking also mit TALIBAN arrangieren, oder gar die Funktion der USA übernehmen, will man einen Fuß in der Tür behalten?
Das Chaos in Afghanistan schürt aus Pekings Sicht den islamischen Fundamentalismus, der die innere Sicherheit in China, insbesondere in Xinjiang, bedroht.
Tatenlos wird CHN dem nicht zuschauen.
Dass dort Truppen eingesetzt werden, kann kaum angenommen werden. Es bleibt wohl allein das Abwarten bis zur Siegerehrung im Kampf der zwei „Präsidenten“ untereinander und mit den Taliban, um anschließend den Sieger zu „umarmen“, in erster Linie ökonomisch.
Wie eine bilaterale Friedenssicherung in Pekinger Stil dann aussehen wird, macht neugierig. Die westliche Präsenz in AFG hat Peking zwar nie wirklich geschmeckt, solange von dort aber keine Bedrohung der inner-chinesischen Lage ausging, hat man sich zufrieden gegeben.
Dieser Status Quo kann mit Machtergreifung der Taliban nicht mehr gehalten werden.
Umfassend dargestellt https://warontherocks.com/2020/04/chinas-strategic-assessment-of-afghanistan/
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 12.04.2020 um 11:00 Uhr
„Wird sich Peking also mit TALIBAN arrangieren, oder gar die Funktion der USA übernehmen, will man einen Fuß in der Tür behalten?“
Ich denke schon, das China die Lücke füllen wird, auf die eine oder andere Weise. Schließlich ist Afghanistan reich an Bodenschätzen, darunter Kupfer, Lithium und Seltene Erden, und die Chinesen sind bisher die einzigen, die dort fördern. War 2010 bis 2012 öfter Diskussionspunkt, selbst General Petraeus hatte seinerzeit Stellung dazu genommen. Geschätzter Wert mind. 3 Billionen US-$. Quellen dazu gibt es genug (Welt, Wirtschaftswoche, Spiegel etc. aus bekannten Gründen nicht).
Passt doch gut ins Konzept der neuen Seidenstraße.
Peking wird sich auf alle Fälle einen Fuß in der Tür zu AFG halten.
Neben der erwähnten 3 Mrd $ Kupfermiene sollte 2011 auch noch ein Elektrizitätswerk zur Gewinnung des Kupfers gebaut werden und eine Eisenbahnlinie um eine Landverbindung zur Abtransport der Schätze nach China zu haben.
Lt Bericht eines deutschen Senior OMLT Offiziers im Jahr 2011 haben die Chinesen zumindestens angefangen die Bahnlinie zu bauen und haben sich auch durch Angriffe auf die chinesischen Bautrupps für die Bahnlinie nicht abschrecken lassen. Die Afghanen hatten natürlich gehofft, dass durch den Bau der Bahnlinie auch für sie lukrative Arbeitsplätze entstehen, aber die Chinesen hatten wohl so einen rießigen Menschenpool als Nachschub für die chinesischen Arbeiter an der Bahnstrecke, das selbst gelegentliche Angriffe das Projekt personell nicht gefährden konnte. Wie es allerdings tatsächlich ausgegangen ist, der Bau der Bahnstrecke, dass weiß ich nicht.