Coronavirus-Pandemie und Bundeswehr – Sammler 1. April

Der Sammel-Thread zum Thema Bundeswehr und Coronavirus-Pandemie am 1. April 2020 – und nein, es sind alles keine Aprilscherze:

• Das Bundeswehr-Krankenhaus Berlin, unter anderem zuständig für die Behandlung von Mitgliedern der Bundesregierung, wurde in den vergangenen Tagen zum Militärischen Sicherheitsbereich erklärt. Damit ist der Einsatz von Schusswaffen bei unbefugtem Betreten möglich, wie provisorische Schilder an den Gebäuden zeigen (Foto oben). In der ganzen Einrichtung ist auch das Fotografieren jetzt verboten und wird mit Strafverfolgung bedroht.

Nach Angaben des Sanitätsdienstes ist das Berliner Krankenhaus bislang das einzige, das zum Militärischen Sicherheitsbereich erklärt wurde. Für die übrigen vier Bundeswehrkrankenhäuser in Hamburg, Westerstede, Koblenz und Ulm werde das noch geprüft.

• Die Bundeswehr erprobt das Tracking von Infizierten und Kontaktpersonen, wie das Verteidigungsministerium mitteilte:

Die Bundeswehr in Berlin unterstützt heute das Fraunhofer Institut in der Julius-Leber-Kaserne bei der Kalibrierung einer Corona-Tracking Technologie.
Dazu werden voraussichtlich etwa 50 Soldaten teilnehmen. Der Ablauf dieser Kalibrierung besteht aus mehreren Phasen, in denen sich in einem bestimmten, definierten Areal zunächst 2 Personen aufhalten.
Die Anzahl der Personen wird im Laufe der Zeit schrittweise erhöht und nach Erreichen einer festgelegten Zielgröße anschließend wieder schrittweise reduziert werden.
Zwischenzeitlich müssen sich die Testpersonen an bestimmten Punkten, für eine bestimmte Dauer aufhalten, bzw. sich zu einem anderen Punkt begeben. Diese Testzyklen finden sowohl in Gebäuden, als auch im Freien, innerhalb der Julius-Leber-Kaserne statt.

Zur eingesetzten Technik, es dürfte sich vermutlich um Mobilfunk und Smartphones handeln, machte das Ministerium zunächst keine Angaben; mehr Informationen sind für den Mittwochnachmittag angekündigt.

Update: Es handelt  sich um dieses Projekt, an dem Fraunhofer beteiligt ist: Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing. Die Bundeswehr hat dazu zwar Fotos geschickt, aber noch keine Informationen – die finden wir schon mal bei den Kollegen von netzpolitik.org:

Diese Handy-Technologie soll Covid-19 ausbremsen
Auf dem Gelände der Julius-Leber-Kaserne im Berliner Norden werden sich in den kommenden Tagen interessante Szenen abspielen. Rund 100 Soldat:innen werden dort acht Stunden am Tag in Schutzkleidung vermummt Situationen nachstellen, wie sie sich sonst im zivilen Alltag abspielen. Auf dem Plan stehen der gemeinsame Aufenthalt in engen Räumen, Spaziergänge unter freiem Himmel, Zusammensitzen vor dem Fernseher oder Arbeitsmeetings. Immer mit dabei: Das Handy in der Tasche und darauf eine neue Technologie, die zum Schlüssel für die Eindämmung der COVID-19-Pandemie werden könnte. (…)  Jetzt helfen die Soldat:innen dabei, eine Technologie zu kalibrieren, mit deren Hilfe bald ganz Europa die Ausbreitung der Covid19-Pandemie in den Griff bekommen soll.

 

• Die Marine schrappt bislang knapp an Auswirkungen der Pandemie auf ihre Operationen vorbei. Ein Großteil der Bravo-Besatzung der Korvetten K130 musste zwar in Quarantäne, aber da ihr derzeitiges Boot, die Korvette Braunschweig, derzeit in der Werft liegt, wirkt sich das nicht wirklich aus. Auch die Assignierung dieses Kriegsschiffes zur den Einsatzkräften der NATO-Readiness Initiative ist deshalb kein Problem, weil diese Assignierung in acht Tagen endet, die Einsatzbereitschaft aber in 30 Tagen erreicht werden müsste – und dann wäre auch diese Quarantäne vorbei. Für die Besatzung Alpha und die Korvette Erfurt drohte wegen einer Kontaktperson eine Quarantäne, das ist nach Marineangaben aber inzwischen nicht mehr aktuell.

• In den Auslandseinsätzen und -missionen der Bundeswehr gibt es nach Angaben des Einsatzführungskommandos über das NATO-Bataillon in Litauen hinaus weiterhin keine Infektionsfälle.

• Die aktuellen Zahlen (vom Mittwochvormittag) zur Infektionslage in der Bundeswehr – die allerdings auch ein Problem der derzeitigen Statistik deutlich machen:

631 begründete Verdachtsfälle unter Soldatinnen und Soldaten im Inland (Vortag 784)
186 bestätigte Fälle (Vortag 191)

Da fällt natürlich auf, dass die Statistik einen Rückgang der bestätigten Infektionen aufweist, und das kann eigentlich nicht sein. Nach Rückfrage beim Sanitätsdienst ist klar, dass hier – wie schon in den vergangenen Tagen – jeweils die Zahl der Genesenen von der Zahl der bestätigten Fälle abgerechnet wurde.

Das unterscheidet die Bundeswehr-interne Statistik bislang von den üblichen Übersichten zum Beispiel des Robert-Koch-Instituts (RKI) und macht damit  eine Nachverfolgung des Anstiegs praktisch nicht möglich. Der Sanitätsdienst plant deshalb, die Statistik in den kommenden Tagen umzustellen und an das Verfahren anderer Stellen wie des RKI anzupassen.

• Die Zahl der freiwilligen Reservistenmeldungen beim Sanitätsdienst – die suchen ja gezielt nur Reservistinnen und Reservisten mit bestimmten Fachkenntnissen: Insgesamt hatten sich bis zum heutigen Mittwoch 4.501 Personen gemeldet; davon waren 2.024 Meldungen verwertbar, also entsprachen den Anforderungen. 879 Reservisten wurden bislang eingeplant, aktuell herangezogen 360.

• Die Bundeswehr hat am Mittwoch weitere Soldaten aus dem Irak ausgeflogen, nachdem die internationale Anti-IS-Koalition wegen der Pandemie die Ausbildungstätigkeit in dem Land zunächst bis zum 11. Mai unterbrochen hatte. In Erbil in der autonomen Kurdenregion im Nordirak bleiben damit jetzt nur noch rund 40 Soldaten, die den – wenn auch reduzierten – Betrieb des Feldlagers aufrechterhalten sollen, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mitteilte.

• Ein Blick ins europäische Ausland: Das britische Verteidigungsministerium (Ministry of Defense, MOD)  hat die – im Unterschied zu Deutschland nicht freiwillige – Mobilisierung von 3.000 Reservisten für ein halbes Jahr angekündigt:

The MOD has taken another step in the ‘intelligent mobilisation’ of Reserve Forces to support its response to COVID-19 and has now contacted employers to update them on progress. At the moment, only Reservists with specialist skills that meet specific requests for help from other government departments will be called out. No one already working for the NHS or delivering front line services will be mobilised to make sure these key workers can continue their excellent and critical efforts.
It is expected that 3,000 Reservists will be required as part of this tranche and will initially be mobilised for six months, to be kept under review.
The Reserve Forces will be used to help deliver a range activities, such as providing additional medical and logistical support for the NHS, acting as liaison officers and deploying specialist skills such as engineering and accounting.

Österreich hatte bereits zuvor angekündigt, dass ab dem 1. April rund 2.000 Wehrpflichtige zwei Monate länger dienen müssen als geplant:

Für mehr als 2.000 Grundwehrdiener beginnt mit dem 1. April der zweimonatige Aufschubpräsenzdienst. Mit dieser Verlängerung des Grundwehrdienstes wird die Durchhaltefähigkeit des Bundesheeres sichergestellt und für eine zeitlich begrenzte personelle Entlastung gesorgt.
Mit der Maßnahme wird bis zur Einberufung von Milizeinheiten sichergestellt, dass alle Aufgaben des Bundesheeres erfüllt werden können und notwendige Reserven jederzeit bereitstehen. Dadurch entsteht Handlungsfreiheit für das Heer als strategische Reserve Österreichs. Geplant ist, die Aufschubpräsenzdiener Mitte Mai durch Milizsoldaten, abzulösen.
Die gesetzliche Grundlage für diese Maßnahme bietet Paragraf 23 (2) des Wehrgesetzes. Dort heißt es: „Bei außergewöhnlichen Ereignissen kann die Entlassung von Wehrpflichtigen vorläufig aufgeschoben werden (…).“

(Voraussichtlich am heutigen 1. April keine weitere Fortschreibung)

(Fotos oben: Schilder am Bundeswehrkrankenhaus Berlin am 31.2.2020 – Thomas Köhler/photothek.net; Foto unten: Tracking-Test in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin am 1.4.2020 – Torsten Kraatz/Bundeswehr)