Verteidigungshaushalt soll stärker steigen als geplant – aber unter Corona-Vorbehalt
Der Verteidigungshaushalt soll in den kommenden Jahren stärker steigen als bislang geplant. Das geht aus dem Eckwertebeschluss für den Bundeshaushalt 2021 und die mittelfristige Finanzplanung für die nächsten Jahre hervor, den das Bundeskabinett am kommenden Mittwoch beschließen will. Allerdings steht der gesamte Etat unter dem Vorbehalt der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie.
Nach dem Entwurf der Eckwerte des Bundeshaushalts 2021 und des Finanzplans 2021 bis 2024, der Augen geradeaus! vorliegt, sind für den den Wehretat im kommenden Jahr 45,6 Milliarden Euro vorgesehen, knapp 600 Millionen mehr als für dieses Jahr eingeplant. Diese 45,6 Milliarden Euro sollen dann für die Jahre 2022 bis 2024 verstetigt werden – eine Abkehr von der im vergangenen Jahr vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung, die eine Senkung in Aussicht gestellt hatte: Für das kommende Jahr waren darin 44,26 Milliarden, für 2022 dann 44,29 und für 2023 schließlich 44,16 Milliarden Euro vorgesehen.
Die nunmehr vorgesehene Aufstockung des Wehretats wird im Entwurf als Verstetigung der NATO-Quote im Jahr 2021 und des Eckwertes des Jahres 2021 bezeichnet. Die Bundesregierung hatte zugesichert, die so genannte NATO-Quote, den Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, bis 2024 auf 1,5 Prozent zu erhöhen; wenn auch unter der von den Allianzmitgliedern vereinbarten Anhebung auf zwei Prozent.
Allerdings warnte das Bundesfinanzministerium, dass die aktuelle Situation in diesem Entwurf bislang nicht berücksichtigt sei:
Noch kann niemand die Tragweite seriös beziffern, welche die Pandemie auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland haben wird, weil aussagekräftige Konjunkturindikatoren erst mit einiger Verzögerung vorliegen. Bei der Erstellung der Eckwerte wurde deshalb der auf dem aktuellen Jahreswirtschaftsbericht beruhende Datenkranz zugrunde gelegt. Negative Effekte im Zuge der COVID-19 Epidemie können für die deutsche Wirtschaft sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite entstehen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist eine seriöse Quantifizierung der Effekte aber nicht möglich. Dies wird Gegenstand der Frühjahrsprojektion (Veröffentlichung voraussichtlich 29. April 2020) sein.
Damit dürfte auch eine seriöse Vorhersage, wie die NATO-Quote ausfällt, derzeit nicht möglich sein.
Die nunmehr vorgesehenen Erhöhungen begründet das Finanzministerium ausdrücklich mit Großprojekten in der Rüstungsbeschaffung, für die die Bundeswehr Planungssicherheit brauche:
Es besteht Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte wesentliche Großvorhaben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähigkeitsziele zu erreichen.
Dies gilt insbesondere für Vorhaben im Rahmen der deutsch-französischen und deutsch-norwegischen Rüstungskooperationen, den Ersatz der Luftfahrzeuge des Typs EUROFIGHTER – Tranche 1, die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (PEGASUS), die Nachfolge des Kampfflugzeuges TORNADO, die Beschaffung von Marinebordhubschraubern auf Basis des Typs NH90, den Ersatz der veralteten Flottendienstboote, die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr sowie eines Taktischen Luftverteidi- gungssystems.
Interessant ist dabei, dass – mit Ausnahme des unter deutschfranzösischer Rüstungskooperation subsummierten neuen Main Ground Combat Systems (MGCS) – verschiedene Großprojekte von Luftwaffe und Marine genannt werden, aber kein Heeresprojekt – und auch nicht die nötigen Investitionen in Milliardenhöhe für die Digitalisierung der Landstreitkräfte.
Aber dieser Haushalt steht noch mehr als frühere unter dem Vorbehalt der Entwicklungen in nächster Zeit.
(Archivbild: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel am 17. Oktober 2019 im Bundestag – Florian Gärtner/photothek.net)
Fehlende Heeresprojekte sind nicht nachvollziehbar, oder zu kleinteilig für Benennung im Finanzministerium?
Neben den Dauerbrennern Leo 2 A7V und PUMA für alle PzGrenBtl, benötigt zumindest die Kampftruppe begleitende Heeresflugabwehr. Die angefangene „qualifizierte Fliegerabwehr“ ist nett, mehr nicht.
Ansonsten freu ich mich für die Marine über – endlich – neue Flottendienstboote, wieviel übrigens, drei?
Wesentlich ist, dass die Zahlen des Eckwertebeschlusses weit unter den Forderungen des BMVg zurückbleiben. Somit kann sich die Abteilung Planung im BMVg weiter dem alten Grundsatz widmen: Strecken, Schieben, Streichen. Das war‘s dann wohl.
>> die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr
Hoppla! Was ist denn damit gemeint? Rückt man etwa vom Rewinging der P3-C Orion ab und wendet sich einer Neubeschaffung zu? Oder geht es um die Ergänzungsbeschaffung eines kleineren Musters, z.B. ATR 72 MPA wie in Italien?
@Holzi:
Es ist eben weiterhin die Quadratur des Kreises zwischen politisch zugesagten bzw. gewünschten Fähigkeiten und zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln.
Die Finanzierung allein der erwähnten Vorhaben scheint mir in dem Finanzkorridor nicht möglich. Nicht umsonst lag ja schon die letzte FBA bei über 51 Mrd in 2021 und sah weiteren Anstieg vor.
Woher kommen denn nun die Verpflichtungsermächtigung zum Beginn der Vorhaben?
Ich sehe als einzigen Ausweg ebenfalls nur schieben, streichen, strecken.
@Navales:
Es ist wohl eher etwas Langfristiges (MAWS) gemeint:
https://augengeradeaus.net/2018/08/neuer-deutsch-franzoesischer-seefernaufklaerer-japan-als-dritter-im-bunde/
@Navales
Ein gemeinsamer Nachfolger für Atlantique 2 und P-3C Orion ist mit Frankreich unter der Bezeichnung Maritime Airborne Warfare System schon eine Weile im Gespräch. Zeithorizont hierfür war aber bisher 2035+. Verwunderlich ist daher primär die Nennung in einem Atemzug mit dem Finanzplan bis 2024 – es sei denn, es handelt sich um die Finanzierung von Vorstudien.
Entscheidend für die Erfüllung des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr ist nicht die Erreichung von 1,5% BIP in 2024, sondern eine von 2020 bis 2024 stetig steigende Finanzlinie, deren Winkel oberhalb der steigenden Betriebsausgaben liegt. Nur dann können die vielen erforderlichen Projekte, die zumeist über mehrere Jahre finanziert werden müssen, eingeplant werden. Mit verstetigten 45,6 Mrd. € geht genau das nicht. Aufgrund der zusätzlichen Ausgaben des Bundes infolge des Coronavirus wird sich die Planungslage der Bundeswehr absehbar noch weiter verschlechtern.
Interessant ist die Erklärung zu den Großvorhaben, deren Finanzierung offenbar unabhängig von den konkret im Eckwertbeschluss geplanten Finanzmitteln und deren Einplanbarkeit in diesem Rahmen garantiert wird. Die in den verstetigten 45,6 Mrd. € nicht finanzierbaren Bedarfe dieser Großvorhaben wären damit wohl quasi oben drauf zu rechnen.
Auf den ersten Blick scheint mir das ein cleverer, neuer Ansatz zu sein, insbesondere auch vor dem Hintergrund der regelmäßig auftretenden Verzögerungen bei Großvorhaben. Das Problem dieser Verpflichtung dürften vermutlich aber die Verdrängungseffekte auf die kleineren und mittleren Projekte werden. Besser wäre vielleicht zunächst eine Garantie der Finanzierung aller für den Zwischenschritt 2023 des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr erforderlichen Projekte gewesen. Dies hätte dann kleine, mittlere und große Vorhaben umfasst. Nur so werden aber einsatzfähige Systemverbünde erreicht. Garantien ausschließlich für Großvorhaben, die noch dazu teilweise erst fernen Zwischenschritten zuzuordnen sind, sind dem vermutlich eher abträglich.
@ Navales
Zitat:
„Hoppla! Was ist denn damit gemeint? Rückt man etwa vom Rewinging der P3-C Orion ab und wendet sich einer Neubeschaffung zu? Oder geht es um die Ergänzungsbeschaffung eines kleineren Musters, z.B. ATR 72 MPA wie in Italien?“
Nach dem Brand in der zivilen angemieteten Lagerhalle von Airbus in Ingolstadt dürft es keien „Rewinging“-Option für die P3-Orion mehr geben.
@ KPK
Zitat:
„Ansonsten freu ich mich für die Marine über – endlich – neue Flottendienstboote, wieviel übrigens, drei?“
Ich denke diese Beschaffung fällt ähnlich wie die Beschaffung der Global 6000 Jets in das Gesamtinteresse der Bundesregierung und weniger in das Interesse der Marine. Die Marine ist hier wohl eher der personelle Dienstleister für den BND.
Ich bin müde, die 600 Millionen sind lachhaft außerdem hat Scholz sie wahrscheinlich eh fest auf der Streichliste. Dass die Steuereinnahmen sinken werden aufgrund Corona ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Die Politik will es nicht verkaufen obwohl sie es teilweise für nötig hält. Das sollte einem die nötige Gelassenheit für den täglichen Dienst geben.
@ Georg Frage zum Thema nachfolge P 3. Gibt es da nicht was dass man von der Stange kaufen kann? Dass mit Neuentwicklungen geht eh daneben. Und sei es dass sich Hersteller gegenseitig verklagen wer die Schrauben liefern darf.
@Nordlicht:
„Interessant ist die Erklärung zu den Großvorhaben, deren Finanzierung offenbar unabhängig von den konkret im Eckwertbeschluss geplanten Finanzmitteln und deren Einplanbarkeit in diesem Rahmen garantiert wird. Die in den verstetigten 45,6 Mrd. € nicht finanzierbaren Bedarfe dieser Großvorhaben wären damit wohl quasi oben drauf zu rechnen.“
Ich bezweifle, dass es so gemeint ist.
Für das BMF ist der Plafond relevant – alles andere ist unverbindliche Prosa.
Es gibt, wie von Ihnen beschrieben, keine ansteigende Finanzlinie zur Finanzierung aller Vorhaben Zudem widerspricht, wie auch von Ihnen erwähnt, die reine Betrachtung von Großvorhaben einer umfassenden Planung nach Fähigkeitsverbünden – insbesondere für das Heer.
Die Trendwenden sind schlichtweg weiterhin nicht ausreichend finanziert, dies versucht man durch immer neue Prosa zu überdecken.
Man muss damit ja nur noch bis zum nächsten Jahr durchkommen.
@ Dante
Es gibt als leistungsfähigeres Luftfahrtzeug eigentlich nur die P-8, bei der die US Navy gerade aus Kostengründen die Bestellung zusammengestrichen hat.
Aber ob man im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit eine Boeing 737 als Nachfolger der P-3 bestellen kann, während man zusammen mit den Franzosen eigentlich den A320NEO, bzw. laut neuesten Studien den A220 als Basis nehmen möchte?
Ich glaube es nicht. Die Japaner haben auch ein Flugzeug im Angebot. Daran glaube ich aber erst Recht nicht.
Wenn es kurzfristig sein soll, ginge eigenlich nur die C295W von Airbus. Die ist aber eine Klasse unter der P-3 angesiedelt, was zu höheren Stückzahlen führen müsste.
Zur P-3C Orion aus dem Rüstungsbericht Herbst 2019:
U-Boot-Jagd aus der Luft hat hohe Priorität neben dem maritimen Lagebild. IFR verzögert sich um 12 weitere Monate auf 39 Monate da die Industrie Personal abzieht. Vielleicht sehen wir hier jetzt die ersten Zeichen von „Mitigationsmaßnahmen“? Das Nutzungsdauerende der P-3C ist auf 2035 festgelegt, und das „Rewinging“ ist ebenso weiter vorgesehen.
@der realist Dafür ist die C295 W aber tatsächlich schon vorhanden. Und wenn man sich erstmal auf Ostsee, Nordsee und Mittelmeer beschränkt, sollte es erstmal reichen. Alles weitere kann man sich parallel ausdenken.
Nachtrag: Die ESG sucht gerade auf allen Kanälen „System Analytiker Platform“ für eine Machbarkeitsstudie „Maritime Airborne Warfare System (MAWS)“.
Und wenn es plötzlich auf Regierungsebenen mittelfristigen Planungen gibt.
„Irland sucht nach Luftaufklärung/verteidigung ..und fragt Europa und/oder NATO“
« L’Irlande pourrait proposer d’accueillir des avions de l’UE ou de l’Otan, peut-être de la France ou de l’Allemagne, dans un arrangement similaire à celui qui a été mis en place pour les pays baltes », a déclaré l’amiral Stavridis.
http://www.opex360.com/2020/03/14/depourvue-de-defense-aerienne-lirlande-sinquiete-de-lactivite-des-avions-militaires-russes-dans-son-voisinage/
@Georg
Ich denke diese Beschaffung fällt ähnlich wie die Beschaffung der Global 6000 Jets in das Gesamtinteresse der Bundesregierung und weniger in das Interesse der Marine. Die Marine ist hier wohl eher der personelle Dienstleister für den BND.
In der Sahelzone finden mehr als die Hälfte der „geplanten“ Barkhane Einsätze auf Grundlage von abgehörten Kommunikationen, und/oder Auswertung gefundener/erbeuteter Handys statt.
Ein bischen OT, aber für die IEDs gibt es jetzt sogar eine Datenbank die die in Irak/Syrien/Sahel etc verwendeten Sprengstoffsätze analysiert und registriert. Barkhane hat eine Spzialistengruppe (wie in Fernsehserien) die nur das macht.
https://www.defense.gouv.fr/operations/barkhane/breves/barkhane-le-traitement-des-engins-explosifs-improvises-sur-le-theatre-sahelien
Armee und Nachrichtendienste müssen zusammenarbeiten.
Ich verstehe durchaus, dass es oft reizvoller ist sich über den möglichen Fortgang einzelner Projekte auszutauschen, dies verstellt aber oftmals den Blick auf das oben dargestellte Gesamtproblem:
Es fehlt das Geld für all die guten Ideen.
Die Betriebskosten (Personal und Material) werden weiter steigen, ebenso die Versorgungsausgaben und wohl auch die Betreiberverträge.
Damit bleibt nur noch die letzte Kategorie:
Investive Ausgaben – d.h. Investitionen in Material, in Forschung und Entwicklung und in Liegenschaften.
Trotz leicht unverändert ansteigendem Haushalt wird eine „Bugwelle“ an notwendigen Haushaltsmitteln in der Größenordnung von mindestens 30 Mrd. € in den nächsten 4 Jahren vor sich her.
Die Sondereffekte durch Corona (Nachtragshaushalt – > globale Minderausgabe sind dabei noch nicht enthalten.
Früher oder später werden Streichungen an der „Wunschliste“ notwendig sein.
Offenbar plant die aktuelle Koalition diese Entscheidungen noch bis zum Ende der Legislaturperiode hinauszuzögern.
Interessant wird daher, welche Vorhaben wirklich bis zum Sommer 2021 beauftragt werden. Da wird die Zeit ab Jahresende schon sehr knapp.
@ Dante
Ich hätte nichts gegen die C295W.
Für die Ostsee und den Teil der Nordsee, den wir abdecken, absolut ausreichend. International bräuchte man dann später noch etwas größeres als NATO-Flotte.
Aber vermutlich müsste man den Auftrag ausschreiben. Damit sind wird dann mit Klagen der unterlegenen Konkurrenz bei 2026 mit der ersten Lieferung…
Das BMF hat den kompletten Kabinettsbeschluss veröffentlicht (ganz unten auf der Seite):
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-18-pm-eckwertebeschluss.html
Schon ohne Corona gibt es da verschiedene Fragezeichen, ob der Finanzplan bis 2024 so wirklich realisierbar ist.
Wenn kurzfristige Einsparungen notwendig sind, dann sind diese vorallem beim BMVI und BMVg im investiven Bereich möglich.
Als grober Überblick, was es im Bereich MPA so gibt (v.a. auch mit Blick auf die Kosten):
http://nationsdawnofanera.weebly.com/-maritime-patrol-aircraft.html
C295W und ATR 72 MPA werden jeweils mit 60 Mio $ agegeben, P8A mit 280 Mio $.
Der Nachtragshaushalt 2020 verändert nicht wirklich den EPl. 14 (+150 Mio. €).
Siehe:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/03/2020-03-23-pm-nachtragshaushalt.html
Es wird aber auch nicht die letzte Anpassung sein. Die Verwerfungen sind ja erheblich.
Der nächste Schritt wird dann der Regierungsentwurf zum Haushalt 2021.
Die Ansätze aus den Eckpunkten werden werden dann weiter unter Druck kommen.