Vereinbarung für den Frieden in Afghanistan: Truppenreduzierung bis Juli?

Nach fast zwei Jahrzehnten Krieg in Afghanistan scheint ein Ende der Kämpfe am Hindukusch, zumindest für den Westen, in greifbare Nähe gerückt. Die USA und die Taliban unterzeichneten am vergangenen Samstag in Katar ein Abkommen, dass den Frieden nach Afghanistan bringen soll. Kernpunkt ist die Bereitschaft der USA, ihre Truppen (und damit auch die der Verbündeten) aus dem Land abzuziehen – unter bestimmten Bedingungen über die nächsten 14 Monate.

Zur Bewertung des Abkommens, das der Afghanistan-Bevollmächtige der USA, Zalmay Khalilzad, und der stellvertretende Taliban-Chef Mullah Abdul Ghani Baradar unterzeichneten, gab es am Wochenende von Kundigeren genügend zu lesen. Deshalb hier vor allem eine Materialsammlung:

Agreement for Bringing Peace to Afghanistan between the Islamic Emirate of Afghanistan which is not recognized by the United States as a state and is known as the Taliban and the United States of America

Joint Declaration between the Islamic Republic of Afghanistan and the United States of America for Bringing Peace to Afghanistan

Briefing With Senior [U.S.]Administration Officials On Next Steps Toward an Agreement on Bringing Peace to Afghanistan

New York Times: U.S. Strikes Deal With Taliban to Withdraw Troops From Afghanistan

New York Times: After 18 Years, Is This Afghan Peace, or Just a Way Out?

Die New York Times hat auch eine Bilderserie dieses Krieges seit 2001 aufgelegt:
Photos From America’s Longest War

Das Abkommen, so viel ist klar, bedeutet aller Voraussicht nach nicht ein sofortiges Ende der Kämpfe am Hindukusch – allein schon deshalb, weil neben den Taliban auch andere islamistische Gruppierungen wie der Islamische Staat aktiv sind. Und das Ende dieses Konflikts ist an weitere Verhandlungen und konkretes Verhalten der Taliban geknüpft.

Allerdings haben sich die USA in der Vereinbarung auch zu einem recht kurzfristigen Schritt verpflichtet – der die Verbündeten, also auch Deutschland, mit einbezieht:

A. The United States, its allies, and the Coalition will take the following measures in the first one hundred thirty-five (135) days:
1) They will reduce the number of U.S. forces in Afghanistan to eight thousand six hundred (8,600) and proportionally bring reduction in the number of its allies andCoalition forces.
2) The United States, its allies, and the Coalition will withdraw all their forces from five (5) military bases.
B. With the commitment and action on the obligations of the Islamic Emirate of Afghanistan which is not recognized by the United States as a state and is known as the Taliban in Part Two of this agreement, the United States, its allies, and the Coalition will execute the following:
1) The United States, its allies, and the Coalition will complete withdrawal of all remaining forces from Afghanistan within the remaining nine and a half (9.5)months.
2) The United States, its allies, and the Coalition will withdraw all their forces from remaining bases.

Also ein Komplettabzug in etwas mehr als einem Jahr – vor allem aber: Ein Abzug von mehr als einem Drittel der US-Truppen und proportional der Truppen anderer Nationen innerhalb von 135 Tagen. Also bis Mitte Juli. Das müsste dann auch die Bundeswehr betreffen, die derzeit das zweitgrößte ausländische Kontingent am Hindukusch stellt.

Vor dem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, das Bundestagsmandat für die deutsche Beteiligung an der NATO-geführten Resolute Support Mission wie geplant unverändert um ein Jahr zu verlängern (Bundestagsdrucksache 19/17287). Der SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu kündigte bereits an, vor dem Hintergrund des neuen Abkommens werde darüber zu reden sein: Das müssen wir uns jetzt ansehen. Allerdings bleibt dafür nicht allzu viel Zeit; das aktuelle Mandat läuft Ende März aus.

Über die Folgen der Vereinbarung für die NATO-geführte Mission am Hindukusch müsse jetzt in der Allianz geredet werden, sagte auch deren Generalsekretär Jens Stoltenberg. Mit Details hielten sich jedoch alle zurück, auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Stellungnahme am (gestigen) Sonntag:

Ich begrüße jede Entwicklung in Richtung auf einen dauerhaften Frieden in Afghanistan sehr. Das Land und seine Menschen haben schon viel zu lange gelitten. Es wird jetzt darauf ankommen, dass das Abkommen auch tatsächlich umgesetzt wird. Und natürlich müssen die Afghanen selbst in einem nachhaltigen Friedens- und Versöhnungsprozess den Grundstein für die eigene Zukunft legen. Wesentlich wird dabei erstens sein, dass Afghanistan mit selbstragenden Strukturen für die eigene Sicherheit sorgen kann und das Land nicht erneut zum Rückzugsort für den internationalen Terrorismus wird. Zweitens kommt es auch darauf an, dass in Afghanistan die Einhaltung der Menschenrechte und die Rolle der Frauen im Fokus bleiben. Wie in den vergangenen Jahren stehen wir dabei weiter fest an der Seite der Afghanen.
Wir haben am Hindukusch gemeinsam große Fortschritte errungen – unter schmerzhaften Opfern, muss man sagen. Ich denke an die afghanische Bevölkerung, an unsere Verbündeten und vor allem auch an unseren eigenen Soldatinnen und Soldaten, die gefallen sind oder verwundet wurden. Das alles darf nicht vergebens gewesen sein.
Was das weitere militärische Engagement und den möglichen Abzug der internationalen Truppen betrifft, so muss dieser Prozess in der NATO genau koordiniert und besprochen werden. Es gilt der Grundsatz ‚Gemeinsam rein, gemeinsam raus‘. In diesem Zusammenhang fühlen wir uns auch weiter der ‚Train, Advise, Assist‘-Mission der Allianz zur Ausbildung und Beratung afghanischer Sicherheitskräfte verpflichtet.

(Foto: Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban in Doha – State Department photo by Ron Przysucha/ Public Domain)