Coronavirus-Pandemie und Bundeswehr – Sammler 21. März
Es ist zwar Wochenende, aber das hat in diesen Tagen ja kaum Bedeutung… Ein, wenn vermutlich auch dünner, Sammel-Thread zum Thema Bundeswehr und Coronavirus-Pandemie am 21. März 2020:
• Die Zahl der Anträge ziviler Behörden auf Hilfeleistungen der Bundeswehr sind inzwischen auf 95 gestiegen. Fünf wurden wieder zurückgezogen, 26 wurden abgelehnt. 45 werden derzeit geprüft, dabei geht es nicht zuletzt um die rechtliche Bewertung – aber eben auch um die Prüfung, ob die Bundeswehr diese Ressourcen zur Verfügung stellen oder Material abgeben kann. 19 Amtshilfeanträge wurden bisher genehmigt, acht Unterstützungsmaßnahmen laufen bereits.
Zu den genehmigten Hilfen gehört (das kam gestern Abend bereits, der Vollständigkeit halber hier noch mal) die Lieferung von Sanitätsmaterial an den besonders betroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen: Das Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung soll 15.000 Stück Mund/Nasenschutz, 8.000 Schutzkittel, 3.000 FFP2-Masken und zwei Beatmungsgeräte liefern.
• Ein Teil der Anfragen an die Bundeswehr bezieht sich auf gesicherte Lagerplätze: Da wollen Kommunen oder Krankenhäuser Material wie Desinfektionsmittel, Schutzmasken und Einmalhandschuhe sicher und vor dem derzeit zu befürchtenden Zugriff von Dieben lagern. In Berlin wurde ein solcher Antrag ja bereits vor Tagen genehmigt.
Nicht zuletzt aus diesem Grund soll das Bundeswehrkrankenhaus Berlin zu einem Militärischen Sicherheitsbereich erklärt werden, der dann auch von Bundeswehrsoldaten zur Unterstützung des zivilen Sicherheitspersonals überwacht wird.
• In einem Tweet erläuterte Sanitätsinspekteur Ulrich Baumgärtner, warum der Sanitätsdienst der Bundeswehr die speziell ausgebildeten Reservisten, die sich jetzt freiwillig melden, nicht unmittelbar zum Dienst holt:
Die Krhs bereiten sich derzeit auf eine extrem schwierige Situation vor. Eine ungerichtete Zuweisung von Personal von außen behindert eher das gezielte Vorbereiten. Deshalb ist es richtig, dass wir dies genau steuern, Listen mit Qualifikationen anlegen und bedarfsgerecht abrufen. https://t.co/tEu5LtTlZk
— Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (@InspekteurSan) March 21, 2020
Weiter nach Entwicklung.
(Foto: Ein Bundeswehrsoldat bei der Registrierung von Patienten in der zivilen Fieberambulanz in Koblenz – Markus Dittrich/Bundeswehr)
Kleiner Hinweis zur Sicherung der hohen Qualität dieses Blogs.
Das Fähigkeitskommando in Weißenfels heißt Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung ;-)
[Oh, wird korrigiert. Ich bemühe mich ja, aber wer kann denn die Namen all dieser Kommandos behalten… T.W.]
Die Teilmobilmachung der Schweizer Armee ist in vollem Gange: https://www.nzz.ch/schweiz/coronavirus-armee-mit-groesstem-aufgebot-seit-dem-2-weltkrieg-ld.1546715 und die offizielle Meldung: https://www.vtg.admin.ch/de/armee.detail.news.html/vtg-internet/verwaltung/2020/20-03/20-03-21-mob-dritte-welle.html
Zum Vergleich: Die Bundeswehr hat weder die Strukturen und die Prozesse noch genügend Material und ausgebildetes Personal um eine gleiche Anzahl an Reservisten mobilzumachen und einzusetzen – bei einem wesentlich größeren Verteidigungsetat und nominell größerer Anzahl an Reservisten. Die Bundeswehr hatte noch nie in ihrer Geschichte ein so geringes Mobilisierungspotential – von allen Streitkräften, die jemals auf deutschem Boden existiert haben, mal ganz abgesehen.
@Boots on the Ground sagt: 21.03.2020 um 17:56 Uhr
„Bundeswehr hatte noch nie in ihrer Geschichte ein so geringes Mobilisierungspotential“
Sorry, aber das ist eine Binse, denn da wir die erste Armee seit 200 Jahren sind, die einerseits nicht auf Wehrpflichtige zurückgreift und andererseits keinen großen Krieg hinter sich hat, sind wir natürlich ohne großes Mobilisierungspotential. Aber das ist keine Fehler, sondern geplant, also warum besonders herausstreichen?
Die Schweiz als Beispiel zu nehmen gehe daher vollkommen fehl, die hat ja vollkommen anderen Rahmenbedingungen (vgl. Auslandseinsätze und Bündnisverpflichtungen).
Personalratswahlen in der Bw Ende April, will man wirklich daran festhalten?
Shut down im Privaten, Infektionskette unterbrechen, hierfür eingeschränkte Präsenz im notwendigen Umfang, Konzentration auf das erforderliche …
Im krassen Widerspruch hierzu steht, an den Personalratswahlen (27.-29.4.) festzuhalten, tonnenweise Papier zu versenden, wieder zurück in Empfang nehmen, Wählerverzeichnisse zur Einsicht auszulegen, Wahllokale zu besetzen, Urnen zu hüten, Stimmen zu zählen, wegen vorhersehbar zahlreichen Wahlanfechtungen Verwaltungsgerichte beschäftigen.
Die Wahlvorstandsangehörigen (ca 3000 in der Bw) werden sich für ihre Aufgaben in den Dienststellen bewegen müssen, notwendigerweise Poststellen, Fahrdienste, Unterstützungspersonal, etc. in Anspruch nehmen, um ihre gesetzliche Pflichten zu erfüllen.
Es ist höchste Zeit damit Schluss zu machen!
Personalratswahlen sind zu verschieben und für die bestehenden Personalräte müssen Übergangsmandate zur Vermeidung von Beteiligungslücken ermöglicht werden.
Wahlen sollten erst dann stattfinden, wenn dies in ruhigeren Zeiten die Einsatzfähigkeit nicht beeinträchtigt.
@Koffer: Mit dem alleinigen Blick auf den Entfall des Wehrdienstes bzw. auf die geopolitische Lage machen Sie es sich zu einfach. Auch das Mobilisierungspotenzial der Bundeswehr unter den nach 2011 ausgeschiedenen Soldaten ist miserabel. Es mangelt an grundsätzlichen organisatorischen Fähigkeiten. Von der praktisch nicht vorhandenen Aufwuchsfähigkeit der territorialen Kräfte mal ganz abgesehen…
Es gibt Dienststellen, da ist eine so kurzfristige Umstellung auf eine Briefwahl nicht möglich! Und ausgerechnet den Wahlvorständen diese Bürde aufzuerlegen ist eine Unverschämtheit! Eine Ausgangssperre ist immanent und von diesen Menschen erwartet man die Aufopferung für eine Wahl, die verschoben werden kann. Ein selbstgemachtes Problem, unglaublich!!!
@Zyniker sagt: 22.03.2020 um 10:40 Uhr
„Auch das Mobilisierungspotenzial der Bundeswehr unter den nach 2011 ausgeschiedenen Soldaten ist miserabel.“
Stimmt, das hat man erkannt und bereits Lösungen eingeleitet. Hatten wir hier im Blog schon mehrfach. u.a. durch die Standardbeorderung für abgehende SaZ.
„Von der praktisch nicht vorhandenen Aufwuchsfähigkeit der territorialen Kräfte mal ganz abgesehen…“
Hier stimme ich Ihnen zu. Aber das bringt in der aktuellen Lage auch nix. Denn solche Strukturen aufzubauen dauert Jahre. Das ist hoffentlich eine Folge der aktuellen Lage, aber sicherlich nicht mehr hilfreich zur Bewältigung eben dieser.
@Indre Bonesteel sagt: 22.03.2020 um 11:13 Uhr
„Und ausgerechnet den Wahlvorständen diese Bürde aufzuerlegen ist eine Unverschämtheit!“
Naja, das Gesetz ist da recht eindeutig. Es ist eine Unabhängigkeit der Wahl von der militärischen bzw. zivilen Führung der Dienststelle gewünscht. Jetzt muss man halt auch damit klar kommen.
„Eine Ausgangssperre ist immanent“
Was hat denn das jetzt mit Personalratswahlen zu tun?
„und von diesen Menschen erwartet man die Aufopferung für eine Wahl, die verschoben werden kann.“
Aufopferung? Wird hier nicht vielleicht ein „klein bisschen“ übertrieben ;)
@Koffer: wie mehr als genug verbündete Streitkräfte zeigen, ist eine qualitativ und quantitativ schlagkräftige Reserve ohne Wehrpflicht sehr wohl möglich.
Vielleicht interessant für die Leserschaft hier:
(Und auch erlaubt im Sinne der Hausordnung?)
[Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum einige meinen, sie müssten jetzt gegen die üblichen Regeln hier ihre Heimatzeitung verlinken, obwohl es die gleiche Info auch mehrfach von der Bundeswehr selbst gibt. Finde ich nicht besonders hilfreich, zumal es ja keine journalistische Leistung ist, deren Informationen über die verfügbaren hinausgehen.
Also: Zeitungs-Link gelöscht, das gleiche steht hier:
https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/bundeswehr-hilft-landkreis-heinsberg-bei-coronakrise-225896
https://www.presseportal.de/pm/114358/4553950
T.W.]
@Boots on the Ground sagt: 22.03.2020 um 13:02 Uhr
„@Koffer: wie mehr als genug verbündete Streitkräfte zeigen, ist eine qualitativ und quantitativ schlagkräftige Reserve ohne Wehrpflicht sehr wohl möglich.“
Zustimmung.
Und was hat das mit dem Thema der Diskussion zu tun? Jeder denkbare Weg der Schaffung von Reserven wird uns in der aktuellen Lage nicht helfen. Es gibt multiple Möglichkeiten für die Zukunft, aber jetzt sind wir erst einmal auf das beschränkt was uns derzeit zur Verfügung steht.
Hmmm… finde jetzt keinen direkten Bw-Link möchte aber nicht vom Hausherrn gesteinigt werden.
Steht unter lokal26.de
Ich hoffe die Meldung ist nicht zu lang….
>>Marinesoldaten helfen Wilhelmshavener Senioren
Samstag, 21. März (17.27 Uhr): Der Kommandeur der Einsatzflottille 2, Flottillenadmiral Ralf Kuchler, hat älteren Mitbürgern in Wilhelmshaven Unterstützung zugesagt. In Zusammenarbeit mit Wilhelmshavens Oberbürgermeister Carsten Feist hat Kuchler eine Initiative ins Leben gerufen. Die Stadt stellt Handgeld bereit und freiwillige Helfer der Einsatzflottille 2 erledigen mit zunächst sechs Fahrzeugen Einkäufe für ältere Menschen, die wegen des Corona-Virus’ zu Hause bleiben sollten.<<
Diese Soldaten sind nicht im Dienst. Dies ist auch keine Hilfeleistung via KVK. Es ist eine private Freiwilligenaktion vom Kommandeur initiiert. Vermute es handelt sich um Privatfahrzeuge.
Da hier im Forum Diskussionen über die Bildung von Coronafreien BW-Reserven leidenschaftlich diskutiert wird, finde ich diese Meldung ausgesprochen bemerkenswert.
[Ich finde es beeindruckend, dass gerade hier generell ein tiefes Misstrauen gegen die von der Bundeswehr oder einzelnen Dienststellen selbst veröffentlichten Inhalte zu bestehen scheint… muss man auch mal im Auge behalten.
In diesem Fall gibt’s auch was vom Kommandeur der Einsatzflottille 2 selbst, falls ihr dem glauben wollt:
https://www.instagram.com/p/B9_9VncqzrT/?igshid=19eukpsafufav
T.W.]
Vielleicht ein wenig OT, aber sie FAZ berichtet gerade über russische Hilfslieferungen an Italien. Offenbar sind alle NATO Mitglieder selber zu sehr unter Druck? Gibt es auch deutsch – russische Kontakte in dieser Richtung?
@Zyniker & Koffer
„Auch das Mobilisierungspotenzial der Bundeswehr unter den nach 2011 ausgeschiedenen Soldaten ist miserabel.“
„Stimmt, das hat man erkannt und bereits Lösungen eingeleitet. Hatten wir hier im Blog schon mehrfach. u.a. durch die Standardbeorderung für abgehende SaZ.“
“ Jeder denkbare Weg der Schaffung von Reserven wird uns in der aktuellen Lage nicht helfen. Es gibt multiple Möglichkeiten für die Zukunft, aber jetzt sind wir erst einmal auf das beschränkt was uns derzeit zur Verfügung steht.“
Hat man erkannt und bereits Loesungen eingeleitet, aber in einem so hochkomplexen System wieder der BW in wenigen Jahren so etwas zu aendern ist schier unmoeglich! GottseiDank gibt es ausreichend soziale Medien ueber die Hilferufe an Reservisten harausgeschickt werden koennen. Es wahr ja auch nie vorauszusehen das man irgendwann mal Reservisten brauchen wuerde.
Dieses Debakel muss die Bw wohl ohne ausreichend Reservisten ueberstehen….aber ganz vielleicht kann unsere mil/pol Fuehrung ja mal einen ordentlich Lessons Learned Process durchfuehren wenn sich das Chaos gelegt hat und mit ein bisschen Glueck verschwindet der Report dann auch nicht im Panzerschrank sondern wird vielleicht sogar umgesetzt….die Hoffnung stirbt zuletzt.
@T.W.:
Sorry, ich kenne dies ganzen Insta/Twitter-Links nicht. Und die Suchmaschine hat mir leider nur das gegeben, was ich geposted habe.
Da ist kein MIsstrauen bzgl. der Veröffentlichung von Dienststellen.
Nichts für ungut.
[Alles gut, ich wollte das nur noch mal recht deutlich sagen… ;-) T.W.]
Koffer sagt:
22.03.2020 um 12:52 Uhr
„Stimmt, das hat man erkannt und bereits Lösungen eingeleitet. Hatten wir hier im Blog schon mehrfach. u.a. durch die Standardbeorderung für abgehende SaZ.“
1. Ändert das dennoch nichts daran, dass Boots on the Grounds Kommentar vom 21.03.2020 um 17:56 Uhr voll ins Schwarze trifft und keine Binse ist.
2. Ist das mMn nicht ausreichend und vorausschauend genug – geht aber wenigstens in die richtige Richtung.
„Aber das bringt in der aktuellen Lage auch nix. Denn solche Strukturen aufzubauen dauert Jahre. Das ist hoffentlich eine Folge der aktuellen Lage, aber sicherlich nicht mehr hilfreich zur Bewältigung eben dieser.“
Stimme ich nicht zu. Wenn man wollte, könnte das innerhalb von wenigen Wochen passieren bzw. hätte schon längst eingeleitet sein können. Kostet aber Geld.
Der Zeitpunkt des Höhepunktes dieser Krise wird noch kommen. Und die Bundeswehr verspielt aktuell die Gelegenheit sich geplant darauf vorzubereiten.
Zum Vergleich: Österreich wird im Mai 3.000 Reservisten einberufen. (https://orf.at/stories/3158270/ (ÖRR, kein Verlagsangebot)).
Mittlerweile scheint die „Initiative“ des Kommandeurs der Einsatzflotille 2 durch „freiwillige Helfer“ formalisiert worden sein – via Hilfeleistungsantrag KVK und daraus folgender Amtshilfe. So erscheint seit heute eine genehmigte personelle Unterstützung für Niedersachsen/WHV bei der Streitkräftebasis. Fahrzeuge tauchen dort nicht auf.
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/streitkraeftebasis/im-einsatz/der-inspekteur-der-streitkraeftebasis-informiert
@crm-Moderator & all
Hm, leider ist die Tabelle der SKB nicht so richtig konsistent. Da stehen auch Maßnahmen drauf, die längst beendet sind (Stichwort Stau A4). Ich möchte die derzeit deshalb ungern als Quelle heranziehen.
Ansonsten die Bitte, die Debatte jetzt im aktuellen Thread weiterzuführen.