Merkposten: Das Deutsche Heer und der Einsatz Künstlicher Intelligenz auf dem Gefechtsfeld
In der Strategie der Bundesregierung für Entwicklung und Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI), darauf hatte ich schon mal hingewiesen, kommen die Streitkräfte nur am Rande vor. Und öffentliche Positionierungen des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr dazu sind bislang auch recht sparsam. Deshalb ist es um so auffälliger, dass sich das Deutsche Heer jetzt zu Wort gemeldet hat: Mit einem Positionspapier des Amtes für Heeresentwicklung zur Künstlichen Intelligenz in den Landstreitkräften.
Das Papier war wohl schon einige Zeit fertig (und enthält auch noch ein Vorwort des Ende September ausgeschiedenen Amtschefs Reinhard Wolski), wurde aber erst am 8. Oktober auf der Internetseite des Heeres* veröffentlicht. Ein wesentlicher Hinweis in den Texten:
Ein zentrales Element der zukünftigen Gefechtsführung ist die Kombination klassischer Gefechtsführung mit Wellen von Cyberangriffen und Angriffen durch große Mengen automatisiert und autonom gesteuerter Systeme. Dieser Ansatz wird derzeit in der NATO unter dem Begriff „Hyperwar“ diskutiert. Die KI ist hier sowohl „Enabler“ für den Einsatz automatisiert und autonom gesteuerter Systeme als auch für die Beschleunigung des Führungsprozesses durch den gezielten Einsatz KI-basierter Entscheidungsunterstützungssysteme. (…)
Die Führungsverantwortung bleibt, doch die Regeln ändern sich. Ein Hyperwar nutzt KI, um eine hohe Anzahl an Wirkmitteln im Verbund einzusetzen. Hierbei wird in Sekundenbruchteilen situativ entschieden, welcher Verbund von Wirkmitteln welche Ziele bekämpft. In solchen sehr intensiven Gefechtsphasen kann ein Mensch die ihm zur Verfügung stehenden Wirkmittel nicht mehr effektiv disponieren und Einzelzielen zuweisen. Die Steuerung der Abwehr muss folglich ebenfalls durch KI erfolgen. Der Truppenführer gibt nach wie vor die Wirkung frei. Er selektiert aber keine Einzelziele mehr, sondern gibt Wirkmitteldispositive für bestimmte Raum-Zeit-Fenster frei.
In Anlehnung an die zivile Entwicklung verfolgt die Digitalisierung in den Streitkräften die Automatisierung der Prozesse auf dem Gefechtsfeld. Waffensysteme von morgen werden insbesondere im Sensor-to-Shooter-Konzept hochautomatisiert agieren müssen. Ohne militärische Nutzbarmachung der neuen Fähigkeiten im Bereich der KI wird der erforderliche Automatisierungsgrad nicht erreicht werden können.
Angesichts der Debatte nicht nur über KI insgesamt und KI-Nutzung in den Streitkräften, sondern auch vor dem Hintergrund der Diskussion über Letale Autonome Waffensysteme (Lethal Autonomous Weapons Systems, LAWS), ist die Positionierung des Heeres von Bedeutung. Zumal diese Debatte(n) ja nicht, wie es die Strategie der Bundesregierung suggeriert, auf allen anderen Gebieten losgelöst von Verteidigung und Rüstung diskutiert werden können (die Regierungsstrategie beschränkt sich dazu auf die doch arg knappe Aussage: Der künftige Einsatz von KI-basierten Technologien und Systemen wird Auswirkungen auf Streitkräfte haben und ist damit ein wichtiges Thema für die Zukunftsentwicklung der Bundeswehr. Die Bundesregierung wird hier, analog zu anderen Anwendungsgebieten, die Vor- und Nachteile einer umfassenden Bewertung unterziehen).
Immerhin hat die umfassende Bewertung durch die Streitkräfte mit der Veröffentlichung des Heeres schon mal außerhalb der internen Debatte begonnen. Dazu passt übrigens die bereits im April vom Bundesamt für Beschaffung, Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) ausgeschriebene Studie für das gläserene Gefechtsfeld.
*Da nach einem bevorstehenden Relaunch der Bundeswehr-Webseiten einzelne Inhalte nur schwer auffindbar sein könnten… die Broschüre hier noch mal als pdf-Datei:
Künstliche Intelligenz in den Landstreitkräften
(Grafik aus der Broschüre des Amtes für Heeresentwicklung)
Einmal mehr ist es ja durchaus positiv, dass das Heer konzeptionelle Überlegungen veröffentlicht.
Jedoch ist, wie bei den Thesenpapieren des Kdo Heer, das Papier eben nur der erste Schritt.
Die Kombination dieser weitreichenden Überlegungen mit der aktuellen Lage gelingt weiterhin nicht wirklich.
Man kann viel Richtiges über KI im hyperwar aufschreiben, aber wenn man weiterhin bei der Modernisierung der Fernmeldemittel nicht vorankommt, dann werden solche Papiere eher zur Schaufensterpolitik.
Notwendig wäre Learning by Doing.
Die U.S. Army stellt hierfür Task Forces für Multi Domain Operations auf – auch in Europa.
Sinnvoll wäre daher den Test- und Versuchsverband des Heeres entsprechend zu beauftragen und auszustatten.
Denn bisher warten die „normalen“ Verbände darauf ihr benötigtes Großgerät wieder zurück zu bekommen – nachdem die Untersuchung der BMS (mit welchen KI-Fähigkeiten?) abgeschlossen ist.
KI ist auch nicht der Zauberstab – notwendig wäre zunächstmal eine sehr umfassende und schonungslose Analyse von hyperwar und den Fähigkeiten der gesamten Bundeswehr und der relevanten Bereiche der zivilen Gesamtverteidigung. Dafür bräuchte es aber politischen Mut und Enrschlossenheit auf höchster Ebene.
Es erscheint durchaus erstaunlich und erfreut gleichzeitig, dass gerade der Traditionsdino „Deutsches Heer“ in die konzeptionelle KI-Offensive geht.
Bewährtes steht richtigerweise:
„Die Führungsverantwortung bleibt“ – und ist unteilbar, möchte ich ergänzen.
“ Der Truppenführer gibt nach wie vor die Wirkung frei“ – und damit nicht eine imaginäre KI-Algorithmik.
Die weiteren TSK/OrgBer werden nachziehen müssen.
In der Frühphase einer Positionsentwicklung ist schon ansatzweise jede Parallelität auszuschließen, nicht jeder macht seins, sondern alle machen eins.
Es ist immer gut zu sehen, dass die Streitkräfte wichtige Zukunftsentwicklungen im Blick halten.
Mich würde eine Definition des dort verwendeten Begriffs der „erweiterten Auftragstaktik“ verwenden…
Das müsste meines Erachtens nach „erweitertes Führen mit Auftrag“ und damit ergo Auftragstaktik heissen.
Witzig, dass diejenige Ebene (Brigade), die 1890 das Auftragsverfahren bekämpft hat, heute nun dazu zurückkehrt.
Ich halte es für einen guten Einstieg, bin mir aber nicht sicher ob man mit einem.KI fiziertem Landgefecht dem Potential von KI gerecht wird, das wahre Potential liegt m.E deutlich oberhalb der takt Ebene und könnte den Krieg als Ganzes verändern.
Hinsichtlich Hyperwar gebe ich Memoria recht, wir sind noch nicht einmal bei NetOpFü Geschwindigkeit angekommen…. und die Taliban und das Kosovo zeigen auch, das Hyperkräfte ggf wie ein Hamster im Laufrad hohldrehen können, wenn der Gegner ihre Wirkung nicht „aufnimmt“.
Es wäre wünschenswert, wenn das deutsche Heer eine ausreichende Anzahl an funktionierenden Funkgeräten hätte, bevor das Thema „KI“ auf das Schild gehoben wird. Vom einfachen zum schweren…..
Auf dem Bild sind auch Mobilfunkstationen zu sehen. Wie schlägt man die Brücke zwischen Mindeststandard und gehärteten/störsicheren Aufklärungsmitteln?
Interessant ist auch, dass die KI-Kampfmaschine immer noch massive physische Schäden an der zivilen Infrastruktur verursacht.
Hallo zusammen,
bin ich der Einzige dem beim Lesen der Broschüre, insbesondere dem Abschnitt auf Seite 24 (NGBMS), schmunzelnd direkt an David Lightman und Dr. Stephen Falken denken musste?
Der Einsatz von KI erfordert einsetzbare „Wirkmittel“. Stehen diese zur Verfügung? Wird KI als teilstreitkraftübergreifend weiter entwickelt? Es ist notwendig, hier die Interoperabilität herzustellen. Wie werden die Schnittstellen zu den NATO-Partnern gewährleistet?