Entlassung von mutmaßlich radikalisiertem Soldaten: Es war nicht nur der Handschlag
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat die Entlassung eines Zeitsoldaten bestätigt – weil er nach Konvertierung zum Islam Frauen, auch Soldatinnen, nicht mehr die Hand geben wollte. Ein Blick auf die genaueren Umstände zeigt allerdings: Der verweigerte Handschlag war vielleicht das Ausschlaggebende, aber offensichtlich nicht der alleinige Grund für die Entlassung.
Nach einer Mitteilung des Gerichts vom vergangenen Donnerstag* bestätigte die zweite Instanz die Entlassung des Mannes, der 2015 als Zeitsoldat in die Bundeswehr eingetreten war. Er konnte deshalb nach Paragraph 55 des Soldatengesetzes im Mai 2018 und damit innerhalb von vier Jahren nach Dienstanstritt fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.
Entscheidend war nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts die Weigerung des Soldaten, aus religiösen Gründen Frauen die Hand zu geben: Dass der Kläger sich aus religiösen Gründen weigere, Frauen die Hand zu geben, werde nicht durch sein Vorbringen in Frage gestellt, er respektiere Frauen, habe mit ihnen problemlos zusammengearbeitet und gebe aus hygienischen Gründen auch anderen Menschen nur in Ausnahmefällen die Hand. Vielmehr bestätige dies gerade die ausnahmslose Weigerung, Frauen die Hand zu geben.
Auch wenn dieses Verhalten am Ende ausschlaggebend gewesen sein dürfte: Nach den Angaben der Bundeswehr, auf die das Gericht sich berief, war das nur ein Teil der Bedenken, die zu der Entlassung aus dem Dienst führten.
Im Jahr 2017 unterrichtete das Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr darüber, dass über den Kläger Erkenntnisse mit Bezügen zum Extremismus vorlägen. Er sei zum Islam konvertiert und habe damit einhergehend sein Erscheinungsbild bezüglich Bartwuchs und Bekleidung sowie sein Verhalten geändert. Es bestehe der Verdacht, dass er sich in einem religiös motivierten Radikalisierungsprozess befinde. Bei einer Befragung habe er unter anderem geäußert, wenn er Frauen nicht die Hand gebe, dann sei das seine Sache.
heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Allerdings dürften, das legen die Entscheidungsgründe des Urteils nahe, die anderen, nicht näher genannten Erkenntnisse mit Bezügen zum Extremismus juristisch nicht für eine Entlassung aus dem Dienst gereicht haben.
Das Verhalten des Soldaten gegenüber Frauen dagegen schon, wie die Koblenzer Richter urteilten:
Der Hinweis des Klägers auf mögliche andere Gründe für sein Verhalten gegenüber Frauen sei angesichts seiner konsequenten Hinwendung zum Islam als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Die hinter der Verweigerung des Handschlags gegenüber Frauen stehende Einstellung des Klägers widerspreche der grundgesetzlich angeordneten Gleichstellung von Mann und Frau und stelle zugleich eine Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Paragraphen 8 Soldatengesetz dar. Auch sei darin ein Verstoß gegen die Verpflichtung zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Sinne des Paragraphen 17 Absatz 2 Soldatengesetz zu sehen. Unabhängig davon, dass keine Vorschrift die Begrüßung per Handschlag gebiete, rechtfertige das Verhalten des Klägers die Annahme, dass er Kameradinnen nicht ausreichend respektiere und dadurch den militärischen Zusammenhalt sowie die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gefährde.
Das Oberverwaltungsgericht bestätigte damit eine Entscheidung der ersten Instanz; eine Berufung wurde nicht zugelassen.
(Oberverwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 8. Oktober 2019, Aktenzeichen: 10 A 11109/19.OVG)
*Die Pressemitteilung des Gerichts hier (sie wurde zwar am 10. Oktober veröffentlicht, aber nur einigen Medien übermittelt und auf der Webseite erst am 11. Oktober eingestellt)
Der Beschluss der Oberverwaltungsgerichts Koblenz in der besagten Angelegenheit hat Signalwirkung. Der Soldat war Angehöriger des Öffentlichen Dienstes, wenngleich auch in einer gewissen Sonderstellung und nicht vergleichbar mit anderen Verwendungen von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes. Trotzden. Andere Gerichte werden sich in ähnlich gelagerten Fällen zumindest daran orientieren. Sofern jemand den Wortlaut des besagten Beschlusses haben sollte, und der wäre für die Aufarbeitung zum Beispiel für den Lebenskundlichen Unterricht, oder in Zukunft der „Ethischen Bildung in den Streitkräften“, geeigneter als der Wortlaut der PR vom OVG. Wer sendet ihn mir zu? Danke.
Soll es heissen, der Sdt hätte, trotz erkennbarer Anzeichen einer Radikalisierung, im Dienstverhältnis verbleiben können, hätte er den Handschlag nicht verweigert?
@ Josef König
Im Pressetext ist das Aktenzeichen angegeben.
Wenn Sie dieses in Google eingeben gelangen Sie zu den offiziellen Pressemitteilungen
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OVG%20Rheinland-Pfalz&Datum=08.10.2019&Aktenzeichen=10%20A%2011109%2F19
Hier sehen Sie, dass der offizielle Text noch nicht veröffentlicht ist.
Sie können sich per Mail benachrichtigen lassen, wenn der Beschluss ins Netz gestellt wird.
@Thomas Melber:
Ohne die Entscheidungsgründe zu kennen, kann man da recht wenig sagen. Kann sein, kann auch nicht sein. Da jedenfalls der eine Aspekt ausgereicht hat, kann allerdings dahinstehen, ob der Rest für sich genommen gereicht hätte.
Ich finde die Entlassung des Sdt aus dem Dienst wegen religiös motivierten Gründen sehr bedenklich.
Wenn man die Radikalisierung der Person und meine Auffassung, dass die Religion im öffentlichen Raum nichts zu suchen hat, außer Betracht lässt, verstößt die Entlassung m. E. gegen das GG.
Sofern die Ausübung seiner Religion innerhalb der Bundeswehr bzw. im Dienst nicht untersagt wird, müssen wir akzeptieren, dass er den Handschlag vermeidet. Allerdings verwirkt er dieses Recht, wenn er seinen religiösen Pflichten nicht vollständig nachkommt. Soll heißen, wenn er auf der einen Seite mal angenommen Genußmittel zu sich nimmt, dann allerdings sich weigert einer Frau die Hand zu geben, ist davon auszugehen, dass er aus rein persönlichen Gründen handelt und damit den Zusammenhalt der Bundeswehr gefährdet. Damit wäre auch eine Entlassung gerechtfertigt m. E. Jedoch nicht, wenn er tatsächlich allen religiösen Pflichten nachkommt.
Nehmen wir an, dass ein Sdt mit jüdischem Glauben am Sabbat keinen besonderen Dienst verrichten möchte. Sofern dieser tatsächlich aus religiösen Gründen handelt und die Ausübung seiner Religion nicht untersagt wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir diesen Sdt entlassen werden.
Huh, das wird dann aber schwierig. Wer legt denn dann fest, was die religiösen Pflichten sind, denen man nachzukommen hat, um als wirklich Gläubiger zu gelten? Müssten christliche Soldaten dann gegebenenfalls zu Ostern fasten? Wären Geschiedene dann noch glaubwürdig?
@all
Ehe das hier vollends entgleitet: Ich kann die Behauptung, der Soldat sei „aus religiös motivierten Gründen“ entlassen worden, anhand der Mitteilung des Gerichts nicht nachvollziehen. Wer weiter darauf rumreiten will, möge bitte entsprechende Belege liefern.
Solange ausschließlich die Pressemitteilung des OVG Koblenz vorliegt, ist Zurückhaltung angesagt. Sobald der Wortlaut des Beschlusses vorliegt und nachgelesen werden kann, lässt sich trefflich streiten, worum es im besagten Fall ging.
Dank an Left Blank und seinem Hinweis.
Josef König
hier der Wortlaut des Beschlusses des OVG Koblenz in der bekannten causa nun zum Nachlesen:
http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/7qe/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&doc.id=MWRE190003525&doc.part=L
Danke für den Link.
Sehr interessant dabei, wenn auch nicht direkt zum Kern des Verfahrens gehörend, Punkt 5 der Begründung:
Schließlich unterliegt die Angabe des Klägers bei seiner Befragung durch das BAMAD am 13. Februar 2018, seinen Glauben nicht mit dem Dienst in der Bundeswehr vereinbaren zu können, keinem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass bei einer förmlichen Befragung in einem Verwaltungsverfahren die dabei gemachten Aussagen berechtigterweise festgehalten werden, sei es in Form einer Mitschrift oder einer Tonbandaufzeichnung. Hierin ist deshalb keine Verletzung von Rechten des Klägers zu sehen. Insbesondere ist das angeblich heimliche Mitschneiden der Befragung des Klägers im Hinblick auf die Grundrechtsbetroffenheit von vornherein nicht mit dem heimlichen Mithören eines Telefongesprächs vergleichbar.
T. Wiegold
Die von Ihnen zitierten Einlassungen aus dem Beschlußtext insbesondere Punkt 5 in der Begründung sind sehr weitreichend und rechtserheblich. „Angeblich heimliche Mitschneiden“ … war es nun angeblich oder tatsächlich? Ein sehr bedenklich Passage im Beschlusstext und jeder Kläger oder Beklagte sollte sich von vorne herein vergewissern, dass „tatsächlich“ und nicht „angeblich“ mitgeschnitten wird. Für ein (Oberverwaltungs-) gericht ein schwacher Beschlusstext, was diesen Punkt betrifft.