Neues Marine-Rettungszentrum nach fünf Jahren
Es klingt doch wie eine gute Nachricht: Auf der Kieler Werft der German Naval Yards (GNY) hat der Bau für das neue integrierte Marineeinsatzrettungszentrum (iMERZ) begonnen, das als schwimmendes Krankenhaus auf dem Einsatzgruppenversorger (EGV) Frankfurt am Main eingebaut werden soll. Allerdings: Wenn das neue Rettungszentrum eingerüstet ist , hat der EGV fünf Jahre ohne ein solches Krankenhaus auskommen müssen.
Im Februar 2015 war das MERZ der Frankfurt am Main, damals noch eine Container-Lösung, bei einem Brand vernichtet worden: Die Container waren für eine Werftliegezeit an Land gebracht worden und wurden beim Brand einer Lagerhalle zerstört. Die medizinische Einrichtung war zwar nicht davon betroffen, aber ohne die Container mit ihren speziellen Anschlüssen nicht nutzbar. Die Marine hatte damit auf einen Schlag die Hälfte ihrer schwimmenden Krankenhäuser verloren.
Am (heutigen) Montag war der Konstruktionsbeginn für die Nachfolgelösung, nicht mehr in Containern, sondern fest eingebaut und von GNY zusammen mit Zeppelin Mobile Systeme konstruiert, wie die Werft mitteilte:
German Naval Yards Kiel hat den Bau für das erste integrierte Marineeinsatz-Rettungszentrum (iMERZ) für die deutsche Marine begonnen. Am 25. September 2019 fand dazu der Brennstart auf der Kieler Werft statt. Das Rettungszentrum wird als festes Deckshaus auf dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ zum Einsatz kommen. Die Ausstattung der beiden Operationssäle, der weiteren Behandlungsräume sowie der Labore mit den benötigten medizinischen Geräten und Einrichtungen wird dabei vom baden-württembergischen Projektpartner ZEPPELIN MOBILE SYSTEME (ZMS) geliefert. (…)
Ralf Griesbaum, Geschäftsführer der ZEPPELIN MOBILE SYSTEME (ZMS), sagte: „Nachdem wir 2016 bereits zusammen den Auftrag für die Machbarkeitsstudie gewonnen haben, freuen wir uns jetzt auf die gemeinsame Umsetzung auf der Werft.“ (…)
Das neue iMerz soll im Frühjahr 2020 in Kiel auf „Frankfurt am Main“ integriert werden.
Die Zeitabläufe deuten schon darauf hin, wie schwierig das alles ist mit der Ausrüstung der Bundeswehr – zumal es nicht um ein komplett(es) neues Waffensystem geht. Fünf Jahre nach dem Brand soll das neue Rettungszentrum eingebaut werden. Das scheint mir, auch wenn ich nicht Experte für Schiffbau und Medizintechnik bin, eine ganze Weile.
Marineinspekteur Andreas Krause verband auf Twitter denn auch mit dem heutigen Baubeginn nur einen Wunsch:
Nun gilt es: zeitgerecht, im Kostenrahmen und der geforderten Qualität. #WIRSINDMARINE https://t.co/PeMjpSuaW7
— chiefdeunavy (@chiefdeunavy) September 25, 2019
(Foto: Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main im Januar 2010 – Ricarda Schönbrodt/Bundeswehr)
D.h. der modulare Ansatz wird aufgegeben? Dafür fallen dann sicher Containerstellplätze weg, wobei ein Deckshaus natürlich Vorteile bietet.
Der containerisierte Ansatz bot doch die Möglichkeit, das MERZ auf jedem der 3 EGV einsetzen zu können und nicht auf die Verfügbarkeit eines spezifischen Schiffes angewiesen zu sein. Mir erschließen sich nicht die für die Aufgabe dieses Ansatzes relevanten Argumente – außer möglicherweise reduzierter Kosten. Ich hatte allerdings gedacht, dass für den Ersatz eines durch die Marine unverschuldet zerstörten Container MERZ eine Versicherung einspränge und die Beschaffung neuer Container deutlich schneller ginge.
Aber da hab ich mich wohl geirrt.
Auch mir stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, ein modulares Containersystem durch ein festes Deckshaus zu ersetzen.
Zumal die Ersatzbeschaffung der Container und deren Wiedereinrüstung mit den vom Brand ja nicht zerstörten Apparaten vmtl. deutlich schneller und möglw. auch kostengünstiger vonstatten gegangen wäre.
Man kann sich immer nur wieder wundern, wielange es in der Bw noch immer dauert, beschädigtes Gerät zu ersetzen, trotz aller Trendwenden!
Theoretische Frage: hätte man das MERZ auch „on shore“ einsetzen können, unabhängig von einem Schiff? ‚hängt natürlich wesentlich von den erforderlichen Anschlüssen (für Medien) ab.
Es ist zwar etwas OT, aber da der Begriff „Trendwende“ hier mal wieder aufkam, zitiere ich (sinngemäß) unseren Kommandeur: „Ich habe an der Stadtgrenze Richtung Berlin einen Alarmposten ausgelegt. Der soll mir sofort melden, wenn die Trendwende ankommt. Der liegt da jetzt schon sehr, sehr lange. Aber gemeldet hat er noch nix.“ Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es fast schon lustig.
Aber in diesem Fall brennen ja wirklich zwei Fragen auf, die schon erwähnt worden sind:
– Warum geht man von den Modulen weg, hin zu einer Festinstallation?
– Warum dauert das so lange?
Gibt es dazu sachverständige Informationen?
Die Praxis hat leider gezeigt, dass die modulare Lösung nicht so funktioniert hat, wie sie mal angedacht war. U.a.:
1. der Auf- bzw. Abbau der Container an Bord war mit hohem Aufwand verbunden
2. es gibt Probleme mit dem seefesten Verbund der Container (Wasserdichtigkeit)
3. kein witterungsgeschützter Übergang von Schiffsaufbau in den OP-Bereich bzw. von dort zur Bettenstation
4. der mal angedachte Vorteil, die Container am Einsatzort an Land verbringen und dort betreiben zu können, ließ sich nicht realisieren, da die Container zu 100% von den Versorgunsanschlüssen des Schiffes abhängig sind und auch keine organische Lösung für die an Land erforderliche Unterbringung des Personals und der Patienten vorhanden ist.
Lange hat es gedauert. Ob nun Festinstallation oder Module finde ich nicht entscheidend. Die Frage ist doch, warum bekommt nicht jeder EGV ein MERZ. Für Einsätze an Land hat die Sanität entsprechende Ausrüstung, die Frage stellt sich also nicht, ob die Containervariante auch an Land betrieben werden könnte.
Möglicherweise wäre es schneller, wenn auch mal eine 80%-Lösung zum Zuge kommt, dafür aber deutlich schneller als 5 Jahre von Bedarfsentstehung bis zur Beginn der Lösung. In % Jahren könnte man doch wohl auch ein neues Schiff mit allen Komponenten bauen?! Vielleicht nicht in Deutschland. Welche Maßnahmen getroffen wurden, um den Planungsprozess zu verkürzen, wäre interessant zu wissen. Die Bundeswehr als lernende Organisation.
@ Thomas Melber: die Container-Lösung war als flexibles System sowohl als „onshore“ als auch onboard“-Lösung gedacht. Für „onshore“ wären noch entsprechende Versorgungsmodule für Energie etc. vorgesehen gewesen.
@CeMoi: Der Bund und auch die Länder sind sogenannte „Selbstversicherer“, d.h. sie tragen ihre Risiken selbst. Bspw. sind auch alle Dienstfahrzeuge nicht bei irgendeiner Versicherung versichert sondern die Behörde trägt das jeweilige Versicherungsrisko direkt – etwas, was nur die öffentliche Hand darf.
@christian Bühring
Mit 80%-Lösungen gibt sich die Bw und insbesondere ihre Spitzendienstgrade doch bereits seit mehr als 20 Jahren zufrieden. In der vierten Folge dieser 80%-Lösungen kommen sie dann nur noch auf 41%. Und genau das schafft den Frust auf der Arbeitsebene, wenn unsere FÜHRUNG mal wieder mit dem Spruch kommt „lieber 80% als keine Lösung“. Nein, es wird höchste Zeit, dass die Streitkräfte wieder ausreichend Mittel erhalten, um 100% Einsatzbereitschaft zu garantieren.
Zur „Bundeswehr als lernende Organistion“ spare ich mir den Kommentar.
80% ist immerhin nutzbar und ist besser als 0%. Im übrigen ist jedes technische System, gerade bei zunehmender Digitalisierung, eine Art Beta-Version, die durch Nachrüstungen permanent entwickelt und verbessert werden muß. Software hat wesentlich kürzere Halbwertszeiten als z.B. 5 Jahre. Das bedeutet, daß die in dem Marine-Rettungszentrum eingebaute Software vom Tag der Ingebrauchnahme permanent aktualisiert wird. Einen Fertigstellungszeitraum von 5 Jahren für ein Marine-Rettungszentrum in Kauf zu nehmen, halte ich für kritisch aus Sicht des Nutzers.
Die 100% Einsatzbereitschaft von Streitkräften ist aus meiner Sicht etwas anderes und umfasst u.a. auch die personelle Ausstattung eines Verbandes. Die 100% Einsatzbereitschaft ist jedenfalls anzustreben, aber ich halte es für vertretbar, daß Waffensysteme oder Technik, wenn sie denn off-the-shelve sofort verfügbar sind. einer langwierigen Produktentwicklung vorzuziehen sind.
@christian bühring sagt: 26.09.2019 um 16:29 Uhr
„80% ist immerhin nutzbar und ist besser als 0%.“
Noch dazu überwiegend nutzbar und da Krieg Chaos ist, kann man mit 80% wirklich viel anfangen :)
Übliche Projektlaufzeit…
Und wir kaufen mal wieder nur in homöopathischen Dosen ein, richtig?
Einmal ist keinmal!
@ T.W.
Vielleicht können Sie der Frage, warum es nur ein Schiff bekommt, einmal nachgehen?
Es scheint viele zu geben, die sich darüber wundern.
Mich eingeschlossen.
Bei jeder Liegezeit fällt die Fähigkeit ja komplett weg.
Oder wird die verbleibende Containerlösung auf den anderen EGV im Wechsel eingesetzt, trotz der vorhandenen Probleme?
Der Onshorebetrieb ist durch die verschiedenen mobilen und verladbaren Lösungen des ZSAN mittlerweile obsolete. Zusammen mit den bereits genannten Problemen und Nachteilen der Containerlösung, Liegt es nahe das MERZ jetzt zu integrieren.
Ich mag mich irren, aber ich glaube mich zu erinnern, dass die Bonn ohnehin keines der MERZ aufnehmen kann.
@Jenerda
Aber mit dem Deckshaus fallen doch sicher Containerstellplätze weg?
Wäre es sinnvoll, über ein „Hospitalschiff“nachzudenken? Ich weiß, es wäre (zum Glück eigentlich) nicht ausgelastet, und das Problem der Mannschaft haben wir auch (seemännisches und medizinisches Personal).
Frankfurt am Main ist erheblich jünger als die beiden ersten EGVs und daher der folgerichtige Kandidat für das neue iMERZ. Danach kommt dann das Thema JSS zurück, vermutlich diesmal in Kooperation mit NL. Unter Deck gibt es im übrigen fest noch bis zu 33 weitere Betten.
Abgesehen davon: Das Foto auf Wikipedia der MERZ Container kann die Problematik der Anschlüsse recht gut illustrieren.
@Ottone
Dies ist leider falsch. Das „2. Los“ war die BONN und somit das jüngste Schiff. Die F.a.M ist nur ein Jahr jünger als die BERLIN.
@Schlammzone: True, I stand corrected.