Europäischer Tanker-Geleitschutz im Golf: Eingeordnet in US-Koalition (m. Nachtrag)

Eine geplante europäische Schutzmission für Tanker im Persischen Golf und vor allem in der Straße von Hormuz, wie sie von Großbritannien vergangene Woche angeregt wurde, könnte möglicherweise aus einer von europäischen Nationen gestellten Beteiligung an der parallel geplanten US-Koalition zum Schutz von Handelsschiffen in der Region bestehen. Entsprechende Überlegungen gibt es nach Informationen von Augen geradeaus! in der britischen Regierung – die die „europäisch geführte“ Mission auf eine multinationale Task Group unter US-Kommando reduzieren würden.

Über solche Pläne der neuen, vergangene Woche ins Amt gekommenen britischen Regierung hatte zuvor auch die Süddeutsche Zeitung berichtet (Link aus bekannten Gründen nicht):

In der BBC sprach Außenminister Dominic Raab am Montag zwar von einem „europäisch geführten Ansatz“, machte aber klar, dass er auch die Unterstützung der USA suche. Es sei zweifelhaft, ob eine solche Mission „ohne Hilfe der Amerikaner“ möglich sei. Das solle „keine geopolitische Auseinandersetzung zwischen der EU und den USA sein“, sagte er.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die Briten bei einer Truppenstellerkonferenz in den USA angedeutet, sich an der von den USA geplanten Operation Sentinel in einer führenden Rolle beteiligen zu wollen.

Damit würde die Schutzmission, die der damalige britische Außenminister Jeremy Hunt Anfang vergangener Woche vor dem Parlament angekündigt hatte, faktisch zu einem Teil der US-Mission – für diese Ad-hoc-Koalition hatten die USA seit Mitte Juli geworben. Hunt hatte dagegen noch die britische Initiative als Ergänzung, aber deutlich auf Distanz zu den US-Plänen angekündigt. Vor allem wollten die Europäer der US-Politik des maximalen Drucks auf den Iran nicht beitreten und das Atomabkommen mit dem Land retten.

Öffentlich machten die Briten ihr etwas verändertes Vorgehen bislang nicht, brachten das aber offensichtlich in Gesprächen mit ihren europäischen Partnern vor. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehruniversität München, im Berliner Verteidigungsministerium bestens vernetzt, präzisierte das am (heutigen) Montag in einem Radiointerview des RBB:

Das ist keine europäische Mission in diesem Sinne, dass die Europäische Union ihr Mandat da geben wird und diese dann durch Großbritannien für die Europäische Union geleitet wird. Der ehemalige Außenminister Jeremy Hunt hat zwar von einer europäisch geführten Mission gesprochen, aber im Kern werben die Briten für eine europäische Beteiligung an der ‚International Maritime Security Construct‘-Initiative der Amerikaner. Da sind sie bereit, die Führung einer Combined Task Group zu übernehmen. Also insofern keine europäische Mission, sondern eine europäische Komponente innerhalb einer von den USA geführten Mission.

Die früheren britischen Aussagen zielten zwar darauf ab, dass eine europäisch geführte Mission ausdrücklich nicht Teil der von den USA geplanten Koalition sein sollte. Allerdings hat zwischenzeitlich mit dem neuen Premierminister Boris Johnson nicht nur die Regierung in London gewechselt – faktisch dürfte auch die Einsicht gewachsen sein, dass ein militärischer Einsatz in dieser Region ohne die technische Unterstützung der USA zum Beispiel bei Führung und Kommunikation für die Europäer kaum leistbar wäre.

Zuvor hatten in Berlin das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium erklärt, der Bundesregierung lägen auch nach dem Regierungswechsel in London keine konkreten Vorschläge zu der britischen Initiative vor.

Außenamtssprecher Christofer Burger sagte, über den bereits vergangenen Mittwoch bekannten Sachstand (siehe unten) seien der Bundesregierung keine weiteren Überlegungen bekannt. Die Gespräche von Außenminister Heiko Maas mit seinem neuen britischen Kollegen Raab und dem französischen Außenminister Yves Le Drian seien längst nicht bei einem Entscheidungsstand, dass in der Bundesregierung die Erörterung der rechtlichen Bedingungen für eine deutsche militärische Beteiligung anstünden. Auch für das Verteidigungsministerium seien die Pläne bislang völlig unkonkret, sagte Oberst Tilman von Plüskow.

Burger bezog sich dabei auf seine Aussagen vor der Bundespressekonferenz am 24. Juli:

Die Festsetzung des britischen Tankers „Stena Impero“ am Freitagabend hat die Bundesregierung klar verurteilt, und sie hat Iran dazu aufgefordert, das Schiff und seine Besetzung unverzüglich freizugeben. Das iranische Vorgehen ist ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die zivile Schifffahrt. Außenminister Maas befindet sich seither in kontinuierlichem und engem Austausch mit seinen britischen und französischen Amtskollegen zu der Frage, wie Europa zur Sicherheit am Persischen Golf beitragen kann. Dazu gehören neben dem britischen Vorschlag einer europäisch geführten Mission zur Lagebilderstellung auf See auch mögliche diplomatische und zivile Ansätze zur maritimen Sicherheit am Persischen Golf, die geeignet sind, auch die Staaten in der Region einzubinden. Wir sind uns einig, dass wir an unserem diplomatischen Ansatz gegenüber Iran festhalten wollen und uns nicht an der US-Politik des maximalen Drucks beteiligen. (…)
Sie wissen vielleicht, dass Frankreich und Großbritannien bereits eine traditionelle Marinepräsenz am Golf haben, auf die deren Überlegungen für eine europäisch geführte Mission am Golf jetzt aufbauen. An diesen Gesprächen beteiligen wir uns intensiv. Die konzeptionellen Überlegungen dazu stehen aber noch am Anfang, und es ist heute noch zu früh, über mögliche Formen einer deutschen Unterstützung oder Beteiligung zu sprechen. Forderungen nach deutschen militärischen Beiträgen waren bisher auch noch nicht Gegenstand dieser Gespräche.

Ungeachtet der Regierungssicht, dass Forderungen nach militärischen Beiträgen der Deutschen Marine bislang kein Thema in den Gesprächen mit den Verbündeten Großbritannien und Frankreich waren, gibt es natürlich längst eine politische Debatte darüber in Deutschland. Die will ich hier nicht im Detail nachzeichnen, weil sie auf noch recht unkonkreter Grundlage stattfindet. Unter anderem wird teilweise aus dem Begriff europäisch geführt auf eine mögliche EU-Mission geschlossen – was allerdings kaum zur Debatte stehen dürfte.

Grundsätzlich allerdings zeichnet sich Widerstand des Koalitionspartners SPD gegen einen Einsatz der Bundeswehr in der Straße von Hormuz ab – und auch in der Union gibt es Vorbehalte, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johannes Wadephul deutlich machte:

Nachtrag 30. Juli: Noch am Montag hatte die Deutsche Presse-Agentur mal im Außenministerium in London nachgefragt, und dessen Aussage deckt sich nicht so ganz mit der Behauptung der deutschen Ministerien, es gebe da keine neue Lage:

Nur eine Woche nach Amtsantritt nimmt das Kabinett von Boris Johnson Abstand von einer rein europäischen Militärmission zum Schutz von Handelsschiffen in der Straße von Hormus. Ein „europäisch geführter Ansatz unterstützt von den USA“ sei der beste Weg, erklärte das Außenministerium am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in London.

(Foto: Image of HMS Montrose, accompanying the Stena Important and the Sea Ploeg vessels in the Gulf 25/07/2019 – UK Ministry of Defence/Crown Copyright/MOD News License)