AKK-Marschrichtung: Ja zu zwei Prozent, mehr NATO statt Europa

Die öffentlichen Aussagen der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer waren seit Amtsantritt am vergangenen Mittwoch vor allem an die eigene Truppe gerichtet – zuletzt beim Feierlichen Gelöbnis am 20. Juli. In einem Zeitungsinterview zeichnet sich jetzt die politische Marschrichtung der neuen Ressortchefin ab: Ja zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO, mehr transatlantische Lastenteilung und weniger Gewicht auf europäische Verteidigung.

In dem ausführlichen Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Link aus bekannten Gründen nicht, Wortlaut hinter PayWall) bekennt sich Kramp-Karrenbauer ausdrücklich zu der Vereinbarung in der NATO, bis 2024 Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzustreben:

Wir haben beim Zwei-Prozent-Ziel der Nato eine klare Zusage gegeben. Dass man die zwei Prozent nicht von heute auf morgen erreicht, ist klar. Dass man aber den Weg dorthin auch wirklich gehen muss, ist genauso klar. Das ist nicht nur meine persönliche Auffassung, sondern auch die Auffassung der CDU.

Sie werde diese Haltung nicht nur als Verteidigungsministerin vertreten – sondern auch das zusätzliche politische Gewicht der Parteivorsitzenden dafür einbringen. Was Kramp-Karrenbauer dabei nicht erwähnt, ist aufschlussreich: Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatten öffentlich mehrfach erklärt, bis zum Jahr 2024 werde das Ziel von 1,5 Prozent angepeilt, damit unterhalb der NATO-Verpflichtung. Von dieser bislang gültigen Zusage ist hier nicht die Rede, wie die neue Ministerin dazu steht, bleibt deshalb erst einmal unklar.

Allerdings sind bislang auch schon die 1,5 Prozent nach der derzeit gültigen mittelfristigen Finanzplanung für den Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren kaum erreichbar. Dazu hatte sich Kramp-Karrenbauer bereits im März als CDU-Vorsitzende geäußert und angekündigt, sie werde sich mittelfristig für eine weitere Erhöhung der Verteidigungsausgaben einsetzen – unklar blieb allerdings, auf welchem Weg sie das außerhalb der Regierung erreichen wollte.

In dem Interview verwies Kramp-Karrenbauer auf ihre frühere Kritik und kündigte an, sie wolle eine weitere Erhöhung in zwei Schritten erreichen:

 Im Parlament wird im Herbst noch einmal die Endfassung des Etats für das nächste Jahr beraten. Wir konnten bei der Aufstellung des Haushalts 2020 im Vergleich zu den ersten Planungen schon einen Fortschritt erzielen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir auch mittelfristig in die richtige Richtung gehen.

In der – jenseits des Geldes – streitigen Debatte in der Allianz, ob eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Europäer eine Gefahr und ein Gewinn für das Bündnis sei, positioniert sich Kramp-Karrenbauer recht eindeutig:

Die Nato ist und bleibt der Eckstein unserer Sicherheitsarchitektur. Worüber wir jetzt aber diskutieren und was die Amerikaner schon vor Trump immer angemahnt haben, ist faire Lastenteilung im Bündnis. Zugleich haben wir im Koalitionsvertrag eine stärkere europäische Säule als Ziel festgelegt. Aber zu glauben, dass eine europäische Initiative die Nato ersetzen könnte, ist nicht realistisch und kommt für uns auch nicht in Frage. Im Gegenteil, je stärker Europa ist, desto stärker ist die Nato.

Das ist formal kein Schwenk von der Position ihrer Vorgängerin – die hatte ebenfalls immer betont, dass Europa zwar seine militärischen Möglichkeiten verbessern müsse, dass aber nicht als Gegensatz zur NATO zu verstehen sei. Allerdings setzt die neue Ministerin mit der Aussage Aber zu glauben, dass eine europäische Initiative die Nato ersetzen könnte, ist nicht realistisch einen deutlich anderen Schwerpunkt. Denn genau das glaubt niemand und fordert auch niemand. Was Kramp-Karrenbauer anmahnt, ist das stärkere Bekenntnis zur NATO – und ein starkes Europa vor allem als stärkerer europäischer Pfeiler der Allianz. Von einer Armee der Europäer ist da noch nicht mal im Ansatz die Rede.

Dazu passt auch die Betonung der Beziehung zu den USA, die die neue Ministerin für alternativlos hält: Auch wenn es Meinungsunterschiede unter Partnern gibt: Die transatlantischen Beziehungen und unsere Beziehungen zu den USA sind unabhängig von einzelnen Administrationen unerschütterlich.

Allerdings: Trotz allem Bekenntnis zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, wie sie sehr stark in ihrer Gelöbnisansprache zum Ausdruck kam – Kramp-Karrenbauer achtet sorgfältig darauf, nicht das Gefühl zu erwecken, dass sie kritiklos US-Vorschlägen für ein weiteres militärisches Engagement auch Deutschlands folgt. Auf die Frage, ob die derzeitige Eskalation im Persischen Golf und in der Straße von Hormuz zu einer deutschen Beteiligung an einer Anti-Iran-Koalition unter Führung der USA führen könne, bleibt sie äußerst diplomatisch:

Die freien Seewege und die Nutzung der Meere sind ein hohes Gut. Die Festsetzung von Handelsschiffen kann nicht akzeptiert werden. Daher bereitet uns die jetzige Situation in dieser sensiblen Region große Sorge. Es sollte jetzt alles getan werden, die Situation in der Straße von Hormuz zu beruhigen. Wir stehen dazu im ständigen Austausch mit unseren Partnern und Freunden, um Lösungen zu finden, die am besten und wirksamsten zur Deeskalation beitragen können.

Das hätte so auch vom Auswärtigen Amt kommen können.

(Das Interview umfasst natürlich noch viel mehr Themen, unter anderem die Frage, warum Kramp-Karrenbauer dann doch den Ministerposten angenommen hat, das Verhältnis zum Koalitionspartner SPD und die Abgrenzung zur AfD – an dieser Stelle belasse ich es erstmal bei diesen Themen)

(Foto: Kramp-Karrenbauer beim Amtsantritt am 17. Juli 2019 – Thomas Köhler/photothek.net)