Verteidigungsministerium prüft neuen Stichtag für „Einsatzmedaille Gefecht“
Nach dem Stichtag für die Einsatzmedaille der Bundeswehr wird möglicherweise auch der Stichtag für die Verleihung der Einsatzmedaille Gefecht geändert. Das Verteidigungsministerium prüfe derzeit, ob es vor dem derzeit gültigen Stichtag 28. April 2009 Ereignisse gegeben habe, für die die Gefechtsmedaille verliehen werden sollte, heißt es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP.
Die Gefechtsmedaille war 2010 vom damaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg erstmals verliehen worden – an die Angehörigen des Hauptgefreiten Sergej Motz, der am 29. April 2009 als erster Bundeswehrsoldat in einem Gefecht gefallen war. Das Gefecht, in dem er fiel, führte auch zur Festsetzung des Stichtags.
In der Antwort auf die FDP-Anfrage, die Augen geradeaus! vorliegt, erklärte das Wehrresort:
Das BMVg prüft derzeit, ob bereits vor dem aktuell gültigen Stichtag Tatbestände vorgelegen haben, die den Anhalten des „Erlasses über die Stiftung der Einsatzmedaillen der Bundeswehr“ (Stiftungserlass) genügen und eine Anpassung der Stichtagsregelung des Stiftungserlasses zur Verleihung der Einsatzmedaille der Bundeswehr in der Stufe „Gefecht“ in Betracht zu ziehen ist. Das Ergebnis dieser Recherche bleibt abzuwarten.
Dabei dürfte es vor allem um die Frage gehen, was im Sinne des Medaillen-Erlasses unter dem Begriff Gefecht zu verstehen ist. Eine eindeutige Festlegung lehnte das Ministerium ab, da eine eindeutige Definition, die heutige und künftige Formen eines militärischen Gefechts erfasse, nicht möglich sei.
Allerdings hatte die FDP in ihrer Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage darauf hingewiesen, dass in der Zentralen Dienstvorschrift A-2650/9 für die Gefechtsmedaille auch Soldaten genannt werden, die unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten haben. Ausdrücklich sind dort auch Anschläge durch Sprengfallen oder Minen oder Mörserbeschuss erwähnt. In seiner Antwort wollte das Ministerium allerdings konkrete Fälle, bei denen Bundeswehrsoldaten durch Sprengfallen oder Beschuss ums Leben gekommen waren, nicht bewerten und verwies lediglich auf die grundsätzliche Überprüfung des Stichtags.
Laut Ministeriumsangaben wurden seit 2010 genau 5.855 Einsatzmeaillen der Stufe Gefecht verliehen. Neun davon erhielten US-Soldaten für die Unterstützung deutscher Soldaten in Afghanistan in Gefechtssituationen.
(Foto: BMVg)
Mindestens die Teilnehmer der Operation Libelle und evtl. auch noch Allied Force dürften qualifiziert sein. Der Sinn eines Stichtags hat sich mir von Anfang an nicht ganz erschlossen. Zumal Medaillen gewissermaßen sowieso stets rückwirkend verliehen zu werden pflegen…
Operation Libelle vom März 1997 in TIRANA/Albanien unter Oberst Henning Glawatz sollte gewählt werden.
Die Bw war doch schon in Somalia Gefecht. Also müsste der Stichtag auf 1993 zurück verlegt werden.
Und wer jetzt glaubt, dass von den Ausgezeichneten auch alle 5.855 Soldatinnen und Soldaten tatsächlich in einem Gefecht / Hinterhalt / etc. standen, der täuscht sich gewaltig – es reicht im Grunde, bei Beschuss des Feldlagers (z.B. auch in Mazar-e-Sharif) im geschützten Bürocontainer zu sitzen, um für die Verleihung qualifiziert zu sein. Daher ist sie, gerade vor dem Hintergrund der afghanischen Einsatzrealität ab 2009, weder Wertschätzung noch sonst etwas, sondern – mit Verlaub – eher ein Inbegriff für die erbämliche Inkompetenz der hohen politischen und militärischen Führung in solchen Fragen (Stichwort: Ehrenkreuz Stufe „Tapferkeit“).
Es gilt der Grundsatz: Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Warum anstelle einer Lösung ähnlich des Combat Infantry Badges eine Medaille mit derlei weichen Verleihungsbestimmungen quasi „für alle“ geschaffen wurde, dürfte wohl eher juristische als militärische Gründe und Überlegungen haben.
„Die Einsatzmedaille Gefecht wird an Soldaten verliehen, die mindestens einmal aktiv an Gefechtshandlungen teilgenommen oder unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten haben.“
Sprengstoffanschlag gilt doch auch als hohe persönliche Gefährdung, aber trotzdem erst ab 2009. Davor gab es auch schon Sprengstoffanschläge in Afghanistan.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenf%C3%A4lle_der_Bundeswehr_in_Afghanistan
Ich bin mit der gesamten Geschichte der Bundeswehr nicht so vertraut, aber nach dem Wikipediaartikel der Operation Libelle (durch Beschuss beschädigter Hubschrauber und Gefecht am Boden) bin ich schon verwundert, warum man 2009 als Stichtag genommen hat.
Verwundert bin ich aber auch über die doch gefühlt sehr hohe Zahl von 5855 Ausgezeichneten.
Ob man bei einen Mörserangriff auf ein Feldlager jetzt jeden auszeichnen sollte oder nur die in der Nähe des Einschlags oder vielleicht sogar gar keinen finde ich aber auch eine sehr schwierige Bewertung. Eine klare Lösung fällt mir da auch nicht ein.
Nur eines weiß ich, ich möchte nicht in einem Feldlager sein wenn ein Angriff stattfindet. Egal wie gefährlich der im Nachhinein bewertet wird.
Solange klar ist, dass eine Auszeichnung als Annerkennung für das von den Soldaten geschulterte Risiko ist, finde ich persönlich an einer solchen Medaille nichts auszusetzen.
Ich finde es wichtig und richtig, dass das gewürdigt wird.
Es ist aber natürlich richtig, dass eine solche Medaille der Gefahr ausgesetzt ist, dass sie so oft verliehen wird, dass sie bedeutungslos wird. Das wirft die Frage auf, ob „Gefecht“ eine gelungene Namensgebung für eine Auszeichnung mit dieser weiten Bestimmung ist.
Dass besondere Auszeichnungen für Tapferkeit nötig sind, steht daneben außer Frage.
@Voodoo
Diese Praxis mag es geben und gegeben haben. Ich kenne jedoch Fälle, wo Vorgesetzte extra mit Verweis auf den Wert der Medaille für die von Ihnen beschriebenen Fälle eben keine Medaille verliehen haben, obwohl sie beantragt waren. Der Ermessensspielraum wird offenbar unterschiedlich genutzt.
So kann man Auszeichnungen natürlich auch entwerten, indem man sie als Streuartikel verteilt.
Und diese Diskussion, wer wann bei welchem Ereignis ein toller Held war, finde ich eher belustigend. Wenn man dafür, das man seinen Job tut, schon eine Auszeichnung benötigt…
Und bevor jetzt die Kritiker kommen, ja, ich habe mehr als einmal im Feuer gestanden, ich will keine Medaille dafür und das war auch schon vor der Operation Libelle. Als OSZE-Beobachter gehört das schon fast zum täglichen Geschäft.
@Voodoo
Je nach Lesart wird das CIB an jeden US Infanteristen vergeben, der zu einer Einheit gehörte während sie im Gefecht stand, das nicht automatisch bedeutet das dieser Infanterist im Gefecht stand.
Eine Gefechtsmedaille würde aber IMHPOV jedem zustehen, der während eines Gefechts oder Äquivalent versucht seine Aufgaben in sinnvollem Rahmen zu erfüllen.
Eine Auszeichnung für Tapferkeit sollte davon völlig unabhängig auch für Tapferkeit die nicht im Gefecht gefordert wurde vergeben werden.
Meine wurde ebenfalls abgelehnt : Begründung die „Ansprengung“ etc. habe vor dem Stichtag 2009 stattgefunden ……p.s ich bin der Kommandant des SanTpZ 22.06.2006 Kunduz…. der Fall ist sogar bei Wikipedia erfasst ….
MKG
@Papa Joe sagt:12.06.2019 um 14:07 Uhr
Lt. Wiki war der Vorfall am 22.05.2006. Die hinterlegten links führen ins Nichts. Lt. Liste wurde der Fuchs angesprengt, es gab weder Verletzte noch Tote.
Die Definition von „Teilnahme am Gefecht“ ist sehr weit und schwammig gefasst, was die Wertigkeit der Medaille herabsetzt.
Es hängt wohl von der Definition des Wortes “ Gefecht “ ab. Ein Carl von Clausewitz hat in seinem Buch “ Vom Kriege “ dem Gefecht ein ganzes Kapitel gewidmet (Kapitel 4 Viertes Buch: Das Gefecht)
Dort unter 4.3:
“ Das Gefecht ist die eigentliche kriegerische Tätigkeit, alles übrige sind nur dieTräger derselben. Werfen wir also auf seine Natur einen aufmerksamen Blick. Gefecht ist Kampf, und in diesem ist die Vernichtung oder Überwindung des Gegners der Zweck…..“
Bei annähernd 6000 verliehenen Medaillen „Gefecht“ seid 2009 bekomme ich eher den Eindruck, dass wir uns wohl ständig in dem Selbigen befunden haben müssen (Ironie Off). Nichts desto Trotz ist die Verleihung durchaus eine Wertschätzung – nur eine Verwässerung der Verleihungsmodalitäten kann und konnte nie im Sinne des Trägers sein. Man darf gespannt sein, wie die Verantwortlichen die nachträgliche Verleihung und deren Umsetzung, auch an Ehemalige bewerkstelligen wird (Ihr Antrag wird geprüft…..)
Zitat aus der Broschüre „Ehrenzeichen und Einsatzmedaillen der Bundeswehr“:
„Mit dieser neuen, vierten Stufe der Einsatzmedaille wird ausgezeichnet, wer mindestens einmal aktiv an Gefechtshandlungen teilgenommen oder unter hoher persönlicher Gefährdung terroristische oder militärische Gewalt erlitten hat, z.B. durch Sprengfallen oder Selbstmordattentäter.“
http://www.bundeswehr.de/resource/resource/S1piUjk0ZnBlcUI0NW9FSmVnUTB2VHhZa1M4Ly8raEp5YW12TEJFWW1qdkxLVVE3RUtoSHpoOEE2SEp1eklSMG5CN3oxYk1RZXB5NzhQMXkvTGhwUkR6UUlmaG1NWHN1aklMMkpxT3phNEk9/Ehrenzeichen_und_Einsatzmedaillen.pdf
Man muss hier also nicht immer Carl von Clausewitz zitieren.
Und deshalb kann man überhaupt nicht verstehen, warum der Stichtag von Anfang an 2009 war.
Vielleicht gab es schon vor 2009 eine Situation „unter hoher persönlicher Gefährdung Gewalt erlitten hat“ in Auslandseinsätzen (siehe Kosovo oder davor)?
Nicht nur Gefechte.
Man hätte sich nur mal 10 Minuten informieren sollen.
Pio-Fritz:
Wenn sie keine Medaille haben wollen, dann ist das ihre persönliche Sache. Manche sehen es aber als Anerkennung/Dankbarkeit oder ähnliches.
@MP-Feldwebel sagt: 12.06.2019 um 18:58 Uhr
„Manche sehen es aber als Anerkennung/Dankbarkeit oder ähnliches.“
Manche haben auch eine seltsame Auffassung ihres Berufs als Soldat. Der Maurer bekommt auch keinen Orden dafür, das er das Haus fertig gemauert hat, oder der Rettungssanitäter dafür, das er die Verletzten geborgen und versorgt hat.
Wenn Soldaten eingesetzt werden, ist die Sicherheitslage meistens instabil, ansonsten könnte man ja gleich THW oder DRK schicken. Als Soldat macht man im Einsatz das, wofür man ausgebildet wurde. Man übt seinen Beruf aus. Das dieser gefährlicher ist als andere Berufe sollte jedem klar sein, der sich verpflichtet. Wenn ich mich natürlich als Verteidigungsbeamter verstehe, dann befinde ich mich im Einsatz permanent in Ausnahmesituationen. Und wenn ich die Beiträge hier so lese, scheint das mittlerweile die übliche Einstellung zu sein.
Fast 6000 Verleihungen?
So groß finde ich diese Zahl für den Zeitraum von 10 Jahren ab Stiftungsdatum gar nicht. Die Masse der Verleihungen wird wohl ISAF betreffen. Die (aufgerundete) Gesamtzahl 6000 nur auf 5 Jahre ISAF-Einsatz (2010 bis Ende 2014) bezogen, komme ich grob überschlagen bei 3 Kontingenten pro Jahr auf ca. 400 Verleihungen pro Kontingent und das bei Kontingentstärken im Großteil des Zeitraums von 4000+ und 5000+ durchgehend im Einsatz.
Nur ein ASB hatte eine Personalstärke von fast 700. Es waren, meine ich, zwei ASBs aufgestellt.
Mit ausgesprochen Wohlwollen versuche ich die Argumente nachzuvollziehen, erfolglos.
Näherungsweise 6.000 Gefechte, TiCs, niemals, selbst nicht bezogen auf den einzelnen Soldaten.
Übelster Missbrauch eine ehrenvoll beabsichtigten Auszeichnung!
Diese Republik moechte keine Eliten und militaerische “Heroen” schon dreimal nicht. Es gibt eine diffuse, aber sehr verbreitete Abneigung gg alles, was nach Tapferkeit, ueberragende Fuehrungsleistung, Bewaehrung in extremen Lagen usw. riecht.
An der Entscheidung, wer alles zum Veteranen deklariert wurde, kann man nachvollziehen, wie im konkreten Entscheidungsfalle zugunsten einer weit gefassten, aber waessrigen Loesung ein typisch grosskoalitionaerer Kompromiss gefunden wurde.
Und so verhaelt es sich mit Gefechtsmedaillen. Heroenkult unterbunden- Viele zufriedengestellt- oeffentliche Debatte verhindert.
Es sind an fast 6000 Personen Medaillen verliehen worden, nicht für 6000 Gefechte etc.
Zur Nachvollziehbarkeit: Wenn im ISAF-Einsatz eine Infanteriekompanie eines Ausb-/SchutzBtl in einer Operation eingesetzt wurde, bei der diese InfKp in Gefechtshandlungen verwickelt wurde, welche sich über Stunden ggf. auch Tage hinzogen und so ggf. auch von einer zweiten InfKp herausgelöst worden sind, dann kommen in nur einem Einsatzkontingent schon mal mehrere hundert potentiell gerechtfertigte Verleihungsfälle in Betracht. Und in dieser speziellen Fall bezieht sich nur auf das Ausb-/SchtzBtl, da ist vieles ausgeklammert.
Was daran „übelst missbräuchlich“ sein soll versteh ich nicht. Waren Sie selbst ab 2010 – 2013 mal in AFG @KPK?
Und nebenbei: für Diejenigen die sich darüberhinaus in diesen Situationen besonders hervortaten und/oder besonders tapfer waren gibt es das Ehrenkreuz der Bw in Gold in besonderer Ausführung bzw. das Ehrenkreuz der Bw für Tapferkeit.
Die von hagion pneuma vorgebrachten Argumente überzeugen mich.
Und ich denke nicht, dass jemandem damit geholfen ist, wenn hier von Missbrauch gesprochen wird. Mit den von Kritikern hier vorgebrachten Argumenten wäre jede Auszeichnung wertlos, wenn sie auch missbräuchlich oder unter irrtümlicher Auslegung der Kriterien verliehen worden wäre. Die Kritiker vergessen jedoch, dass dies bei jeder Auszeichnung der Fall ist, sei es infolge einer Überdosis „Vitamin B“, aus politischen Gründen oder weil die mit der Einschätzung der Kriterien Betrauten zu streng oder zu nachsichtig vorgehen.
Gerade der Bezug auf frühere deutsche Auszeichnungen, der während der Petition zur Einführung einer Tapferkeitsauszeichnung diskutiert wurde und teilweise bis heute gewünscht wird, wäre dann auch deshalb problematisch und abzulehnen, weil man getrost davon ausgehen darf, dass Eisernes Kreuz und Co. bis in die höchsten Verleihungsstufen auch missbräuchlich verliehen wurden, um weltanschauliche Loyalität zu belohnen oder aristokratischer Geltungssucht zu genügen.
Und selbst in den USA, die neben den Israelis wohl die gefechtserfahrendste Armee der Welt haben und wo jede militärische Angelegenheit wegen öffentlichen Interesses vor dem Kongress landen kann, stellt sich die Situation so dar: Auszeichnungen werden oft erst nach Jahrzehnten zuerkannt, müssen aufgewertet werden, oder es wird eine zu großzügige Verleihungspraxis gerügt. C’est la vie. Das ist nichts typisch Deutsches.
Was die Definition von „Gefecht“ anlangt, ist diese Angelegenheit natürlich zwieschlächtig. Persönlich ziehe ich etymologische Begriffsauslegung anderen, tendenziell veränderlichen Auslegungsmöglichkeiten vor.
‚Gefecht‘ ist eine kombinierte Derivation des Verbs ‚fechten‘ in der Bedeutung „bekämpfen, niederkämpfen, miteinander streiten, ringen, niederringen“ (nach dem Althochdeutschen Wörterbuch), alles Bedeutungen, die zwingend einen Gegenpart, ein Ziel der Handlung voraussetzen. Die Substantivierung mit dem Präfix ‚Ge-‚ drückt ein Fortdauern oder eine Wiederholung der Aktion des Basisverbs aus; bei Verben, die Gegenseitigkeit voraussetzen, salopp gesagt ein Hin und Her. Beispiel: ‚Gespräch‘. Wir benutzen für entsprechende Situationen das Wort ‚Selbstgespräch‘, weil umgekehrt das ‚Gespräch‘ zwingend das Sprechen und Angesprochenwerden ausdrückt.
Demnach wäre ein Gefecht ausschließlich der Akt des Bekämpfens und Bekämpftwerdens – des Versuchs der gegenseitigen Vernichtung.
Was Angriffe wie Selbstmordattentate und Ansprengungen angeht; ich sehe nicht, wie man solche Ereignisse unter der Bezeichnung „Gefecht“ subsumieren könnte. Was natürlich nicht heißen soll, dass hier keine sichtbare und würdige staatliche Anerkennung der erlittenen Verletzungen und überstandenen Gefahr erfolgen sollte; ganz im Gegenteil. Wenn man jedoch Sprengfallen und Selbstmordattentate als von einer Kriegspartei eingesetzte Waffen begreift, dann wäre das so, als gäbe der Gegner einen einzigen Schuss ab. In Bezug auf das oben Gesagte kann man hier nicht von einem ‚Fechten‘ sprechen, noch erfolgt eine „fechtende“ Reaktion des Angegriffenen.
@muck
Das regelmäßige Sich-Zurückziehen bei allem Militärischen, dass naheliegend oder auch nur entfernt mit Tradition in Verbindung gebracht wird, offenbart unverändert, wirklich angekommen in der deutschen Demokratie nach 1945 sind wir Deutsche nicht. Was uns vom Rest Europas, meist ehemalige Feindstaaten, krass unterscheidet.
Alles was im zwölf Jahre währenden 1.000-jährigen Reich staatlich verfügt wurde, also gerade auch Auszeichnungen, erfüllte Ihr Diktum „Eisernes Kreuz und Co. bis in die höchsten Verleihungsstufen auch missbräuchlich verliehen wurden“. – Übrigens, selbst bei Neustiftung „1939“ prangte auf der Rückseite „1813“, was sicherlich als nationalsozialistische Instrumentalisierung der Freiheitskriege interpretierbar ist, keine Frage, wovon sich ein bewährter demokratischer Staat nicht lossagen kann? – Wie kleingeistig und armselig -.
Und, mit Verlaub, das Eiserne Kreuz begründete eine höchst demokratische Tradition durch König Friedrich Wilhelm III. am 10. März 1813 in Breslau für den Verlauf der Befreiungskrieg ins Leben gerufen: Im Befreiungskrieg gegen Napoleon I. erhielten gerade zahllose Bürger als Kriegsfreiwillige diese nicht an Adel und Offizierspatent gebundene Auszeichnung. Die drei deutschen Einigungskriege bis 1871 setzen die Tradition fort, nur hinsichtlich der Heraldik mit geringen Änderungen unverändert.
Verleihungskriterium war stets ab 1813 „Tapferkeit vor dem Feind“ oder „Herausragende Leistungen als Führer von Truppe“.
Zu Gefecht: bewaffneter Kampf feindlicher militärischer Einheiten mit dem Ziel den Gegner zu töten, gefangen zu nehmen zur Erreichung eines taktischen Vorteils. Hat ein Soldat daran, egal in welcher Funktion, in HERVORragender Manier teilgenommen, KANN (!) ihm eine Auszeichnung verliehen werden.
Wenn derzeit knapp 6.000 Verleihungen verzeichnet stehen, stimmt etwas nicht, das Volk hat nichts davon gehört.
Ist eine Teileinheit/Einheit, z.B. zu Zeiten ISAF, eingesetzt in einem AusSchtzBtl, über Tage im Gefecht und die Truppe besteht, haben dann ggf alle 150 Infanteristen die Gefechtsmedaille zu erhalten? Nach aller Kriegserfahrung bleibt solches absolut unvorstellbar.
Dies ist nicht die Zeit und das Land für eine unvoreingenommene Betrachtung eines solches Ansinnens. Eigentllich ist es doch egal was getan wird, es wird immer jemanden geben, der den Untergang des Abendlandes aufziehen sieht. Herausragende Taten Einzelner, Tapferkeit, Heldenmutund Aufopferung, das sind alles im öffentlichen Diskurs negativ wahrgenommene Attribute. Da nicht sein kann was nicht sein darf. Wir sind großartig darin uns selbst immerzu eine unlautere Motivation zu unterstellen. Dass niemand auf den Gedanken kommt, das mal ernsthaft zu hinterfragen. Jeder verdächtigt jeden und es werden fragwürdige Eingaben nur zu gern aufgegriffen um endlich einmal mit dem großen Besen so richtig durchzukehren. Zu der Einsatzmedaille Gefecht fehlt dann nur noch die hellseherische Beurteilung, wie sich jemand in einem möglichen Gefecht bewehren könnte, wenn er darin verwickelt wäre. Weil, es soll ja gerecht zugehen.
Wäre es nicht möglich einfach einmal eine wirklich objektive Auslegung in Betracht zu ziehen? Wenn es all zu schwer sein sollte, dann fragt doch einfach mal die Betroffenen.
Lieber Klaus-Peter,
der letzten Träger der Einsatzmedaille Gefecht, den ich traf, konnte die gerechtfertigte Verleihung anhand eines Streifschusses aus einer AK47 persönlich noch gut dokumentiert gegenüber Zweiflern erklären.
Die Verleihungspraxis ist genauso wenig „übelst missbräuchlich“, wie die Stiftung des EK durch Friedrich-Wilhelm III „höchst demokratisch“ war, Stichwort: Wiener Kongress 1815.
Lesen Sie doch auch mal den kurzen Wikipedia-Beitrag zur „Geschichte“ der Einsatzmedaille Gefecht, Stichwort Drinni-Diskussion.
Aha. Das „Volk“ hat nix von 6000 Verleihungen gehört. Na woran liegt das wohl? Wer ist der Träger solcher Botschaften? Klingelts?
Diese Zahl von fast 6000 Verleihungen kann man auf vielerlei Weise verstehen. Z.B. als politische Zahl. Fast 6000 haben wir in den Kampf geschickt und ausgezeichnet und keiner hats bemerkt?! Als Zahl des Wandels… Einsatzweiterverwendungsgesetz, Sofortbeschaffung Einsatz usw. Als folgenreiche Zahl.. PTBS, körperlich Verwundungen, Tod…
Anstatt zu versuchen die Deutungshoheit über die Verleihungsbestimmungen dieser Medaille zu erlangen und viele der Ausgezeichneten für ihren fordernden Einsatz abzuwerten an dem Sie sicher nicht teilgenommen haben, schlage ich Ihnen vor sich vielleicht zu fragen, woher auch Ihre Ahnungslosigkeit hier im Inland herkommt.
Nach meiner Kriegserfahrung ist diese Zahl durchaus im Bereich des Möglichen. Nach ihrer Kriegserfahrung nicht? Vielleicht liegt es an falschen Vorstellungen, weil sich diese Vorstellungen nicht auf erfahrene Wahrnehmungen rechtfertigen lassen? Dann versteh ich Sie.
@Klaus-Peter Kaikowsky
Ich hatte zwei Großväter im Krieg, einer Sanitätsoffizier, der andere bei der Waffen-SS. Was meinen Sie, welcher mehr „Orden an der Titte“ hatte, wie es so schön heißt, obgleich er de facto weniger vollbracht, weniger Gefahren ausgestanden hatte als der andere? Über den Gröfaz will ich an dieser Stelle aber überhaupt nicht diskutieren. Mir ging es nur darum, hervorzuheben, dass sämtliche Auszeichnungen – eben auch die aus dem Weltkrieg, an die manche anknüpfen wollten – mit einer Vielzahl von Verleihungen zu Buche schlagen, die nicht dem Geiste einer Auszeichnung für Tapferkeit oder Opferbereitschaft entsprechen.
Mal wollte man die Moral heben, mal konnte man den Schwiegersohn oder den Sproß einer wichtigen Familie nicht ohne Orden zurückschicken. Manchmal belohnte man die Weltanschauung mehr als die militärische Leistung. Dann wieder glaubte irgendein kleingeistiger Etappenhengst, er wisse besser Bescheid als alle anderen, was Tapferkeit sei, oder wollte irgendwem ein Ding reinwürgen, und ließ ihn leer ausgehen.
Und all dies ist *unvermeidlich*. Es ist uns schlicht unmöglich, eine perfekte Meritokratie zu schaffen. Und darum kann eine meritokratischen Gesichtspunkten nicht immer genügende Verleihungspraxis die Gefechtsmedaille in meinen Augen auch nicht entwerten.
Aber, wie andere mit Recht betonten: Woher wissen wir, dass es zu einer solchen Verleihungspraxis gekommen ist? Allein anhand der Zahl von 6000 Verleihungen? Weil Ihnen keine 6000 Gefechte bekannt sind? Ein schwaches Argument.
Zumal in Deutschland kaum ernstlich vermittelt wurde, wie prekär die Lage für unsere Soldaten war und teils noch ist, weil man hierzulande als Politiker mit Afghanistan eben keinen Blumentopf gewinnen kann. Und auch die Bundeswehr hat wohl längst nicht jedes Gefecht publik gemacht, wenn man dies aus der Tatsache schließen darf, dass manche Pressemeldung erst rausging, nachdem Journalisten kritische Nachfrage gehalten hatten. Herr Wiegold wird mehr darüber wissen.
Freilich: Ich kenne Soldaten, die glaubhaft versichern können, zwei Dutzend so genannte TICs mitgemacht zu haben, ohne auch nur zu den AS-Bataillonen gehört zu haben. Ich kenne einen Soldaten, der so oft im Gefecht stand, dass man ihn nicht mehr nach Afghanistan gelassen hat, obwohl er es ausdrücklich wollte. Herrje, wir haben in diesem Land sogar Stabsoffiziere wie einen gewissen Gebirgsjäger-Oberst, die das Ehrenkreuz für Tapferkeit erhalten haben, weil es eben doch einige brenzlige Situationen gegeben hat, in denen sogar die Führung mit ran musste.
Meiner Meinung nach ist die Zahl 6000 gar nicht unrealistisch, und mögen noch so viele Geschäftszimmer-Soldaten die Gefechtsmedaille dafür bekommen haben, dass sie im Bunker saßen, als nahebei eine Rakete hochging. Im Übrigen geht es bei der Einsatzmedaille Gefecht ausdrücklich nicht darum, diejenigen auszuzeichnen, die, ich zitiere Sie, „egal in welcher Funktion, in HERVORragender Manier teilgenommen [haben]“, sondern diejenigen, die ÜBERHAUPT teilgenommen haben. Das kann Ihnen sauer aufstoßen, ist aber vielleicht gar nicht so verkehrt in dieser unserer Buntenrepublik.
Das hier mehrfach geäußerte Argument, dass der Soldat, der unter Feuer gerät, nur seinen Job gemacht habe und ein Maurer, der ein Haus errichtet, schließlich auch keine Medaille bekäme, erscheint mir insbesondere unter Rücksichtnahme auf den zuletzt genannten Aspekt ziemlich hanebüchen. Die ganz überwältigende Zahl aller Männer (und mittlerweile auch Frauen), die jemals in einer Uniform der Bundesrepublik Deutschland gesteckt hat, hat außerhalb von Übungsplätzen einen Schuss nie auch nur aus der Ferne gehört. Was für die allermeisten Soldaten der meisten Länder dieser Erde gilt. Was haben diese Abermillionen getan, wenn nicht ihren Job? Wofür wurden die bezahlt?
Ich muss gestehen, dass mir die Heroisierung selbst der Militärzahnärzte, wie sie in den USA betrieben wird, manchmal komisch vorkommt, aber in diesem Zusammenhang verstehe ich sie.
Ich sehe nicht das die Medaille Gefecht eine Auszeichnung für besondere Tapferkeit und/oder Mut sein kann.
Noch sehe ich das diese Medaille einem Soldaten u.a. nicht zustünde, der eine andere Art sinnvoller Tätigkeit unter Beschuss oder drohenden Äquivalenten verrichtet hat oder dies versuchte, ggf. verdient diese sogar eher eine Aufzeichnung für Mut und/oder Tapferkeit.
Verleihung der ersten Veteranenabzeichen durch die Ministerin, ganz geräuschlos am „Tag der Bundeswehr“, heute.
[Da Sie, wieder mal, keine Quelle angeben: Bislang findet sich das nur auf dem persönlichen Instagram-Account der Ministerin. Scheint also nicht so offiziell zu sein. T.W.]
@ThoDan
Um ehrlich zu sein, ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Kritisieren Sie das Konzept der Einsatzmedaille Gefecht, oder begrüßen Sie es?
@muck
Ich halte das Konzept eine solche Medaille nicht nur an Soldaten zu vergeben, die im „Gefecht gekämpft“ haben für richtig.
Man sollte nicht zu eng, d.h. mit dem Blick auf aktuelle Einsätze und nur Kämpfe sehen, ich weiß nicht ob WO Kin Hughes jemals nach der Definition hier im Gefecht stand aber 119 IEDs zu entschärfen auf einer Tour beweist jedenfalls IMHO Mut und Tapferkeit genug, jene Britischen Seeleute der Handelsmarine die torpediert(spez. mehrmals) wurden in WWII und trotzdem weiter rausgefahren sind oder die Soldaten der französischen Armee auf der heiligen Straße während der Schacht von Verdun.
@ThoDan
Zustimmung & Danke für die Antwort. Nur bleibt dann eben die Bezeichnung „Gefecht“ unglücklich gewählt. Wobei ich zugeben muss, keinen besseren Vorschlag zu haben, der sich prägnant anhört und auf ein paar Zentimeter Messing passt.