Steigender Bundeshaushalt, sinkender Wehretat (Neufassung, mehr Einzelheiten)

Trotz eines steigenden Bundeshaushalts soll der Verteidigungsetat in den kommenden vier Jahren auch in absoluten Zahlen sinken. Zudem wird der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt wieder auf den Stand von 2018 fallen. Das geht aus den Eckwerten für die Haushaltsplanung bis 2023 hervor, die am (heutigen) Montag aus Regierungskreisen in Berlin bekannt wurden. Das Verteidigungsministerium wird darüber hinaus absehbare Besoldungserhöhungen für Soldaten und zivile Mitarbeiter im kommenden Jahr direkt aus seinem Etat bestreiten müssen. 

Nach den Plänen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, über die das Kabinett am kommenden Mittwoch beraten will, steigt der Verteidigungshaushalt im so genannten Einzelplan 14 zwar im nächsten Jahr um fast zwei Milliarden auf 45,1 Milliarden Euro. In den Folgejahren soll aber der Etat wieder sinken: Für 2021 sind 44,26 Milliarden, für 2022 dann 44,29 und für 2023, das letzte Jahr der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung, 44,16 Milliarden Euro vorgesehen.

Ebenso soll auch der  Anteil der Verteidigungsausgaben am deutschen Bruttoinlandsprodukt nach einem leichten Anstieg 2020 in den Folgejahren wieder sinken und 2023 erneut auf dem Niveau von 2018 ankommen. Für das kommende Jahr ist ein Anstieg auf 1,37 Prozent vorgesehen; diese so genannte NATO-Quote soll dann wieder auf 1,33 Prozent im Jahr 2021, auf 1,29 Prozent 2022 und auf 1,25 Prozent 2023 fallen.

Der Bundeshaushalt insgesamt soll dagegen von den geplanten 356,4 Milliarden in diesem Jahr auf 362,6 Milliarden Euro im kommenden Jahr steigen. Für die Folgejahre sieht der Finanzplan 366,1 Milliarden 2021, dann 371,8 Milliarden 2022 und für das Jahr 2023, das aktuell letzte Jahr der mittelfristigen Finanzplanung, 375,1 Milliarden Euro vor.

Wir fahren auf Sicht, hieß es dazu aus Regierungskreisen. Inwieweit auf diese Weise der von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sowie in offizieller Meldung an die NATO für das Jahr 2024 zugesagte Anteil von 1,5 Prozent erreicht werden kann, blieb dabei offen – von der gemeinsam mit den Bündnispartnern getroffenen Vereinbarung, bis 2024 eine Quote von zwei Prozent anzustreben, ist ohnehin nicht die Rede.

Für das Wehrressort kommen in der Planung einschneidende Beschränkungen bei den Personalkosten hinzu:

Personalausgaben werden im Wesentlichen auf dem bisherigen Niveau eingefroren, zusätzliche Personalverstärkungsmittel nicht zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird den Ressorts eine einzelplanspezifische „Globale Minderausgabe Konsolidierungsbeitrag“ jeweils in angemessener Höhe auferlegt. Sie sind Ausdruck der notwendigen Prioritätensetzungen, die aus veränderten haushaltspolitischen Rahmenbedingungen resultieren. Es entspricht dem Grundgedanken des Eckwerteverfahrens, dass die Ressorts selbst durch eigene Prioritätensetzung über die Umsetzung ihres Konsolidierungsbeitrages entscheiden. Kürzungen von Investitionsausgaben kommen dabei allerdings nicht in Frage.

heißt es in der Kabinettsvorlage. Auch wenn der letzte Satz für das Verteidigungsministerium belanglos ist, weil Investitionen in diesem Bereich nicht als Investitionen im haushaltstechnischen Sinn gelten: Das Einfrieren der Personalausgaben dürfte die Bundeswehr hart treffen, zumal noch eine weitere Einschränkung hinzukommt, die zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe bedeuten kann.

Für die Auswirkungen eines Verhandlungsergebnisses zur Tarifrunde 2020 (Bund und Kommunen) für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und deren mögliche Übertragung auf den Beamtenbereich, für Personalmehrausgaben aufgrund der im parlamentarischen Verfahren zum Bundeshaushalt 2019 neu bewilligten Planstellen und Stellen sowie für mögliche Auswirkungen des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes ist keine Vorsorge getroffen. Die Finanzierung muss in den Einzelplänen sichergestellt werden.

Allerdings liegen die jetzt vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Zahlen, sowohl für das kommende Jahr als auch für die Folgejahre, sowohl über den bislang kolportierten Planungswerten als auch über der im vergangenen Jahr beschlossenen mittelfristigen Planung: Damals waren als Anteil am Bruttoinlandsprodukt für 2020 noch 1,28 Prozent, für 2021 dann 1,27 Prozent und für 2022 noch 1,23 Prozent vorgesehen gewesen.In der Planung ist denn auch folgerichtig eine Summe von gut zwei Milliarden Euro als Aufstockung zur Erreichung der NATO-Quote von 1,37 % des BIP in 2020 ausgewiesen – aber eben nur für das kommende Jahr. Das  sei ein Beleg für die bessere Finanzierung der Streitkräfte, heißt es in der Vorlage:

Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren Verpflichtungen aus der Bündnisfähigkeit in der NATO sowie innerhalb der Europäischen Union. Daher werden die Mittel für den Verteidigungshaushalt noch einmal um rund 3,3 Mrd. € bis zum Jahr 2023 aufgestockt. Für das Jahr 2020 wird damit eine NATO-Quote von 1,37 % des BIP erreicht. Für den Kauf von neuen Flugzeugen für die Flugbereitschaft sind zudem 200 Mio. € p.a. in den Jahren 2020 bis 2023 im Einzelplan 60 vorgesehen.

Dennoch bleibt vorerst unklar, was die Eckwerte und die mittelfristige Finanzplanung für die großen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr bedeuten. Im vergangenen Jahr hatte der Bundestag vor der endgültigen Verabschiedung des Haushalts noch zusätzliche Ausgaben, vor allem aber so genannte Verpflichtungsermächtigungen gebilligt: Darin sind Ausgaben in Milliardenhöhe für die kommenden Jahre enthalten, insbesondere für Großprojekte wie den neuen schweren Transporthubschrauber, ein neues Luftverteidigungssystem und neue Marinekampfschiffe. Nach Medienberichten hatte die Verteidigungsministerin für das kommende Jahr einen Bedarf von 47,2 Milliarden Euro angemeldet; gut zwei Milliarden Euro mehr als jetzt im Entwurf des Haushalts 2020 vorgesehen.

Im von Scholz vorgelegten Eckwertevorschlag findet sich von den Großprojekten nur eines wieder: Die Beschaffung des schweren Transporthubschraubers. Dafür werden im kommenden Jahr 265 Millionen, 2021 dann 323 Millionen, 2022 wiederum 684 Millionen und 2023 schließlich 343 Millionen Euro eingeplant.

Das Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS180) und das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) werden unter der Überschrift Verbindliche Bestandteile dieser Eckwerte sind die folgenden Einzelfallregelungen nicht erwähnt. Dafür werden in dieser Rubrik Ausgaben für den Umbau des Deutschen Panzermuseums in Munster (6, 3 Millionen Euro im kommenden Jahr, neun Millionen 2021 und vier Millionen 2022) sowie die Erweiterung des Deutschen Marinemuseums in Wilhelmshaven (in den nächsten vier Jahren die Jahressummen von 1,4 Millionen, 3,5 Millionen, 2,7 Millionen und 1,1 Millionen Euro) genannt.

Den Entwurf des Bundeshaushalts für das kommende Jahr und die Eckwerte der mittelfristigen Finanzplanung will das Bundeskabinett am 26. Juni beschließen, dann auch unter dem Eindruck der aktuellen Steuerschätzung im Mai. Ende November soll der Etat vom Parlament verabschiedet werden.

Nachtrag 19. März: Nach Kritik an der Haushaltsplanung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf verwiesen, dass die mittelfristige Finanzplanung noch keine Entscheidung über den tatsächlichen Haushalt sei. Ihre Aussagen beim Global Solutions Summit in Berlin, hier aus der Berichterstattung bei Spiegel Online:

Merkel verwies nun in Berlin darauf, dass die sogenannte Nato-Quote im kommenden Jahr weiter steigen solle – nämlich auf 1,37 Prozent. Die Kanzlerin warnte zudem davor, die mittelfristige Finanzplanung zum Maßstab zu nehmen. Merkel sprach mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung von „minimalen Daten“. Entscheidend seien aber die realen Ausgaben für das jeweilige Jahr. Diese würden erfahrungsgemäß immer nach oben korrigiert werden. Merkel verwies außerdem auf das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis 2024 eine Quote von 1,5 Prozent zu erreichen. Deutschland werde die Anstrengungen fortsetzen, aber nicht auf Kosten der Entwicklungshilfe.

(Bei dieser Veranstaltung war ich selber nicht; und aus der Abschrift der Merkel-Rede vom Bundespresseamt geht diese Passage leider nicht hervor; vermutlich war sie außerhalb der eigentlichen Rede)

(Archivbild 2013: Ein Chinook-Hubschrauber der Royal Air Force; das Modell ist als einer der beiden möglichen neuen Schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr im Gespräch – Sgt Ross Tilly/MOD/Crown Copyright)