Ermittlungen gegen Rechtsextremisten in der Bundeswehr: KSK im Blickpunkt

Bei den Ermittlungen gegen Rechtsextremisten in der Bundeswehr gerät offensichtlich das Kommando Spezialkräfte (KSK) zunehmend in den Blickpunkt interner Ermittlungen. Ein Offizier der Eliteinheit wurde vom Dienst suspendiert und darf auch die Uniform nicht mehr tragen; nach Angaben des Spiegels wird darüber hinaus ein Dutzend KSK-Angehöriger als Personen mit extremistischem Gedankengut vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) beobachtet.

Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums bestätigte am (heutigen) Freitag die Suspendierung des Offiziers; auch wenn sie zu Details keine Stellung nehmen wollte und vor der Bundespressekonferenz nur von der Division Schnelle Kräfte (DSK) sprach und nicht vom KSK.

Zum Nachhören die Aussagen von Korvettenkapitän Christina Routsi (die Aussagen zu Suspendierung und Uniformtrageverbot ab Minute 3:00):

BPK_Bundeswehr_Rechtsextremisten_08feb2019     

 

(Transkript s. unten)

Über den Fall hatten zuvor die Bild-Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) und Spiegel Online berichtet. Laut Spiegel soll der Soldat Parolen der Reichsbürger verbreitet haben, die die Bundesrepublik Deutschland ablehnen. Auffällig ist dabei, dass es sich um einen Offizier handeln soll, der bereits 2008 – damals als Hauptmann – mit ähnlichem Gedankengut auffiel und andere Soldaten wegen anderer Meinungen bedrohte. Die Truppe reagierte darauf mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme. (Ironie am Rande: Der damalige Bericht stammte von der heutigen stellvertretenden Regierungssprecherin Ulrike Demmer.)

Sollte das so zutreffen, dann hat nicht nur die Bundeswehr insgesamt, sondern auch das Kommando Spezialkräfte mehr als ein Jahrzehnt einen Soldaten, der sich gegen die Verfassung ausgesprochen hat, nicht nur toleriert – sondern auch befördert.

Am Freitagnachmittag berichtete erneut das Magazin von den weiteren Ermittlungen: Nach Spiegel-Informationen stuft der Militärische Abschirmdienst (MAD) aktuell zwölf der rund 1100 KSK-Soldaten als „Personen mit extremistischem Gedankengut“ ein. Die aufgefallenen Soldaten sollen nun weiter beobachtet werden.

Die Ministeriumssprecherin bestätigte ebenfalls, siehe O-Ton oben, bereits zuvor bekannt gewordene Zahlen von Ermittlungen gegen mutmaßliche Extremisten in der Bundeswehr. Dabei überstieg die Zahl von Rechtsextremisten die von Linksextremisten und Islamisten deutlich – allerdings nahmen nach Aussetzung der Wehrpflicht die Gesamtzahlen insgesamt deutlich ab.

Nachtrag: Das Transkript des Audios oben:

Frage: Frau Routsi, können Sie die Zahlen bestätigen, die heute Morgen aus einem MAD-Bericht zu Rechtsradikalen in der Bundeswehr referiert worden sind?

Routsi: Erst mal vielen Dank für die Frage. Ich kann Ihnen die Zahlen aus dem MAD-Bericht bestätigen. Ich würde allerdings gerne ganz kurz die Gelegenheit nutzen, um das Thema Extremismus in der Bundeswehr umfassend einzuordnen.

Jegliche Form von Extremismus, gleich, welcher Couleur, hat in der Bundeswehr überhaupt keinen Platz. Wir gehen aus verschiedenen Richtungen dagegen vor. Wir überprüfen die Leute, die zur Bundeswehr kommen wollen, das sind ca. 16 000 Frauen und Männer im Jahr. In der Truppe werden alle Verdachtsfälle stringent gemeldet. Der MAD hat eine gezielte Fallbearbeitung. Vorgesetzte und Truppengerichte ermitteln auch. Da, wo gegeben, geben wir natürlich auch an zivile Strafverfolgungsbehörden ab.

Darüber hinaus kann dem Betroffenen bereits während der Ermittlungen der Zugang zu Waffen und Munition versagt werden oder die Ausübung des Dienstes beziehungsweise das Tragen der Uniform verboten werden.

Letztlich bleibt festzustellen, dass seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2017 die tatsächlichen Fälle von Extremismus in seiner Gesamtheit signifikant zurückgegangen sind.

Zusatzfrage: Haben Sie Zahlen vorliegen, um zu unterstreichen, was Sie in Ihrem letzten Satz sagten?

Routsi: Ja, das habe ich; die gebe ich Ihnen sehr gerne. Im Bereich Rechtsextremismus wurden in den vergangenen zehn Jahren ca. 200 tatsächliche Fälle erkannt, davon 170 vor dem Jahr 2012. Im Bereich Linksextremismus waren es in den vergangenen zehn Jahren ca. 15, auch hier fast alle vor 2012. Im Bereich islamistischer Extremismus waren es in den letzten zehn Jahren in etwa 35, davon neun vor 2012.

Was mir sehr wichtig ist: Gegen alle diese Personen wurden beziehungsweise werden Verfahren geführt. Der überwiegende Teil ist bereits aus der Bundeswehr entlassen.

Zusatzfrage: Können Sie mir erklären, unter welchen Voraussetzungen eine Person aus der Truppe entfernt werden kann?

Routsi: Ich würde Sie gerne, weil das eine Detailfrage ist, zunächst an den Militärischen Abschirmdienst verweisen, denn dieser weiß ganz genau auf Ihre Frage zu antworten. Fakt ist: Wir haben Mittel zur Verfügung, um solche bekannten Fälle aus der Truppe zu entfernen, und die nutzen wir auch.

Frage: Können Sie bestätigen, dass der Mann ein Gründungsmitglied des KSK war?

Routsi: Darf ich Sie darum bitten, zu konkretisieren, welchen Mann Sie meinen?

Zusatz: Gegen den jetzt wegen rechtsextremer Inhalte, zum Beispiel in sozialen Netzwerken, ermittelt wird.

Routsi: Es ist, glaube ich, gute Sitte, dass wir hier zu Einzelpersonalangelegenheiten keine Auskunft geben. Aber ich kann Ihnen bestätigen, dass wir Kenntnis haben, dass es gegen einen Soldaten aus dem Verantwortungsbereich der Division Schnelle Kräfte diese Vorwürfe gibt, dass Disziplinarvorgesetzte umgehend Ermittlungen aufgenommen haben und dass gegen einen Mann aus der DSK ein Verbot zur Ausübung des Dienstes nebst Uniformtrageverbot ausgesprochen wird.

Zusatzfrage: Glauben Sie denn, dass das nur die Spitze des Eisberges, des Rechtsextremismusproblems in der Bundeswehr, ist, wenn quasi ein Gründungsmitglied des KSK beteiligt ist? Der ist ja Vorgesetzter von vielen anderen und hat wahrscheinlich viele Soldaten unter sich.

Routsi: Ich verwehre mich – das haben wir, an dieser Stelle, glaube ich, schon mehrfach getan – gegen den Begriff, den Sie verwandt haben. Uns liegen keinerlei Anzeichen vor, dass es ein rechtsextremistisches Netzwerk innerhalb der Bundeswehr gibt.

Zusatzfrage: Welchen Begriff meinen Sie?

Routsi: Sie haben ja Ihre Frage gerade gestellt. Darauf beziehe ich mich. Ich kann Ihnen sagen, dass wir keine Hinweise haben, dass es ein rechtsextremistisches Netzwerk in der Bundeswehr gibt.

Frage: Da laut Medienberichten offenbar der Oberstleutnant, um den es sich gehandelt hat, sich auch in Telefonaten so geäußert hat, dass man ihm eine Reichsbürgernähe unterstellen kann: Haben Sie Hinweise darauf, dass diese Telefonate mit anderen Bundeswehrangehörigen, ohne von einem Netzwerk zu sprechen, geführt wurden?

Routsi: Noch mal: Ich habe dazu ausgeführt, dass wir zu Einzelpersonalangelegenheiten keine Stellung nehmen. Ich bitte Sie, das zu verstehen und zu respektieren.

Zusatzfrage: Ich frage ja nicht nach der Einzelpersönlichkeit, sondern mich interessiert die Struktur. Deswegen ist die Frage: Muss man davon ausgehen, dass diese Telefonate mit weiteren Bundeswehrangehörigen geführt wurden? Das sind keine Einzelpersönlichkeitsfragen.

Routsi: Das sind aber Fragen einer laufenden Ermittlung, und auch hierzu kann ich Ihnen keine Informationen mitteilen.

(Danke an Jung&Naiv für den Audio-Mitschnitt)

(Archivbild: Soldaten des Kommandos Spezialkräfte beim ‚Tag der Bundeswehr‘ im Militärhistorischen Museum in Dresden am 09.06.2018 – Christian Thiel/Bundeswehr)